Freitag, 26. Dezember 2025

TDM Publishing "Meine ersten 18 Jahre - Geboren 1983"

Viele von euch kennen die Geburtsjahr-Bücher, in denen berichtet wird, was genau in diesem Jahr geschah. Eine Moment-Aufnahme. Eine kurze Reise in die Vergangenheit. Doch zeigen diese Bücher lediglich einen Status Quo. Eine wirkliche Zeitreise sind sie nicht, auch wenn sie vielleicht gar nicht den Anspruch erheben.
Diesen Anspruch erfüllt aber die Reihe "Meine ersten 18 Jahren". Ausgehend vom eigenen Geburtstag zeigt das Buch auf jeweils zehn Seiten pro Jahr, was in Kultur, Sport, Politik und auch innerhalb Deutschlands passierte.
Einige Ereignisse, die sich durch mehrere Jahre zogen, werden im Folgejahr aktualisiert und das Buch gewährt Einblicke in Zusammenhänge, die einem als Kind nicht bewusst waren.
Das Buch bemüht sich neutral über die Zeit und ihre Geschehnisse zu berichten, doch ab und an merkt man durch die Formulierungen, welche Begeisterungen die Schreibenden als übertrieben oder auch lächerlich betrachten. Mich hat das beim Lesen nicht gestört, doch wirkliche Nostalgiker könnten durch die Äußerungen verschnupft sein.
Zahlreiche Fotos, gerade von historisch bedeutenden Ereignissen, runden die Optik ab.
Hervorzuheben ist, dass das Buch auch die Top10-Hits der einzelnen Jahre listet und man per Scan diese Liste abspielen lassen kann. Also ein zusätzlicher Genuss, auch für die Ohren.
Rundum ist es gutes Buch, gerade um die eigenen Erinnerungen an die Zeit zu stärken und sich der Höhen und Tiefen jener Zeit bewusst zu sein.
Eine schöne Zeitreise - die von den eigenen Erlebnissen völlig autark funktioniert.

4 von 5 Zeitreisen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.  

Donnerstag, 25. Dezember 2025

Autoreninterview Daniel Kohlhaas

Hallo zusammen.
Auch an Weihnachten gibt es ein Interview, gleichzeitig ist es das letzte für dieses Jahr. Zahlreiche und sehr unterschiedliche Gespräche hat der Blog die letzten Monate gesehen. Auch wenn ich zwischendurch das Gefühl hatte, dass die Nachfrage nachgelassen hat, ist das nächste Jahr schon fast komplett bestückt mit interessanten Personen. Freut euch auf das nächste Jahr. 
Aber jetzt erst einmal das aktuelle Interview mit Daniel Kohlhaas.

(Bild: Daniel Kohlhaas (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Nicht über den klassischen Weg. Schreiben war für mich lange kein Ziel, sondern eher ein inneres Gefühl. Irgendwann entstanden Bilder, Gedanken und Szenen, die sich festgesetzt haben. Schreiben wurde zu einem Ventil und ein Aus-probieren in Kurzgeschichten und ersten längeren Gehversuchen. Erst viel später kam der Gedanke: Das könnte auch andere interessieren.

Wenn du die Wahl zwischen einer Lesereise und Plotten hast, wofür entscheidest du dich?
Lesereise. Erst wollte ich Plotten sagen, aber die Lesungen zu „Je tiefer der Wald“ waren so toll, so intensiv, dass ich echt in ein kleines Loch gefallen bin, als der letzte Abend vorbei war.

Wann und wo entstehen deine Geschichten?
Meist an unspektakulären Orten: im Auto, beim Spazierengehen, spät abends, wenn eigentlich Ruhe sein sollte. Die eigentliche Arbeit passiert im Kopf – das Schreiben selbst ist oft nur noch das Abarbeiten dessen, was sich dort bereits festgesetzt hat.

„Je tiefer der Wald“ ist ein Psychothriller. Was reizt dich an diesem Genre?
Mich interessiert weniger das Verbrechen als der Mensch dahinter. Psychothriller erlauben es, Ängste, Schuld, Verdrängung und Selbsttäuschung sichtbar zu machen. Der wahre Horror entsteht nicht durch Gewalt, sondern durch das, was Menschen sich selbst und anderen antun – oft aus nachvollziehbaren Gründen.

Wie bindest du die Leser an deine Texte – oder ist das ein Geheimnis? 😉
Kein Geheimnis, eher ein Prinzip: Ich nehme die Leser ernst. Ich erkläre nicht alles, ich traue ihnen zu, zwischen den Zeilen zu lesen. Und ich versuche, Figuren zu schaffen, die nicht bequem sind.

Liest du Bücher von anderen, wenn du selbst an einem neuen arbeitest?
Eher nicht. In intensiven Schreibphasen vermeide ich das bewusst, weil sich Tonlagen und Rhythmen sonst ungewollt vermischen. Inspiration hole ich mir vorher – während des Schreibens lese ich, wenn ich lese, ein komplett anderes Genre.

Du darfst in deinen Weihnachtsurlaub nur drei Bücher mitnehmen. Welche wählst du? 
Drei sehr unterschiedliche:

Eines, das mich packt, schnell und einfach zu lesen ist.
Eines, das mich emotional und inhaltlich fordert.
Und eines, das mich inspiriert - thematisch, oder eben handwerklich.

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Daniel erfahren:
instagram.com/danielkohlhaas


Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Rachel Boden "Peter Hase - Weihnachten steht vor der Tür"

Während für viele die Weihnachtstage der Höhepunkt der besinnlichen Zeit ist, zeigt uns dieser süße Adventskalender in Buchform, dass auch die Tage davor voller Charme und kleiner Überraschungen seien können. Natürlich nur dann, wenn man die Augen dafür offen hält.
Jeden Tag erleben der kleine Hase und seine Schwestern oder auch sein Cousin kleine Abenteuer, helfen anderen Tieren und mopsen dem Bauern sein Gemüse.
Das alles mit dem feinen Witz, den auch schon Beatrix Potter ihren Figuren eingehaucht hat. 
Die kurzen Texte spielen alle innerhalb des Waldes und haben mal mit den Weihnachtsvorbereitungen und mal mit dem Winter ansich zu tun.
Kleine pädagogische Hinweise findet man hier genauso wie im Original und so ist es nicht erstaunlich, dass man sich in der "neuen" Welt ebenso wohlfühlt wie in den klassischen Texten.
Zu dem täglichen Text gibt es eine Bastelanleitung, bei der unterschiedliches, handwerkliches Geschick benötigt wird und die auch zur Zusammenarbeit zwischen Kind und Erwachsenen auffordert.
Mit dem Buch fliegt die Zeit bis Weihnachten nur so dahin und es ist schön, dass es noch so ruhige, gemütliche Ecken in der Literatur gibt.

5 von 5 Hasenkindern

Mittwoch, 24. Dezember 2025

Rudolphe "Eine Weihnachtsgeschichte"

Wer meinem Blog schon länger folgt, weiß, dass ich im Dezember immer "Eine Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens lese. Und auch wenn es mir nicht viel ausmacht, jedes Jahr das gleiche zu lesen, habe ich im Lauf der Jahre verschiedene Ausgaben gesammelt, um diese Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennenzulernen. Denn auch wenn die Geschichte immer die gleiche ist, die Interpretation ist jedes Mal eine andere.

So habe ich dieses Jahr zu einer Graphic Novel gegriffen. Auf 48 Seiten wird die Erzählung natürlich sehr komprimiert dargestellt, was nur verständlich ist. Die wesentliche Änderung zu dem originalen Text ist, dass Scrooge nicht von drei Geistern heimgesucht wird, sondern diese Aufgabe übernimmt sein verstorbener Geschäftspartner Marley. Seine Person wird dadurch sehr aufgewertet und die Geschichte funktioniert mit der Änderung ebenso gut.

Ansonsten bleibt die Graphic Novel nah am Original, lediglich der Schluss wird noch positiver und die Sprache an die Moderne angepasst.

Wunderschön sind die Zeichnungen gelungen. Es wirkt, als hätte der Künstler gerade die Kreide zur Seite gelegt. Die Bilder strahlen in den warmen Farben des Feuers oder in der Tristesse des Todes.

Der Gedanke und die Idee von Weihnachten verlieren sich nicht zwischen den Zeilen und so ist ein Klassiker im wahrsten Sinne des Wortes in der Moderne angekommen.


5 von 5 Geizhälsen  

Samstag, 20. Dezember 2025

Peter R. Krüger (Hrsg) "Sternenlicht - Geschichten von übermorgen"

Denkt man an Raumschiffe und deren Verfilmungen, fallen schnell die Namen Star Trek und Star Wars. Erst nach weiterer Überlegung kommen einem auch die Battlestar Galactica oder die Kult-Fernsehserie Raumpatrouille Orion in den Sinn. Völlig zu unrecht, wie mir scheint.
Wie viele Adaptionsmöglichkeiten gerade Raumpatrouille Orion bietet, zeigt die Anthologie "Sternenlicht", in welcher zwölf Autoren und Autorinnen ihre Version vorstellen.
Während das Sternenlicht-Universum und die Ränge auf den Schiffen vorgegeben sind, haben die Schreibenden ansonsten alle Möglichkeiten ihre Ideen in diese Welt bringen.
Nicht nur, dass jeder sein eigenes Schiff und seine eigene Besatzung kreiert, auch die Themenwahl ist sehr breit aufgestellt. Denn mitnichten, fliegt das Schiff durch den Raum und sucht nur nach einem Planeten oder ist in Kampfeshandlungen verstrickt.
Jede Geschichte ist individuell und keine Blaupause einer anderen und jede hat ihren eigenen Ton.
Viele Probleme, die Menschen gerade in Bezug auf Ethik haben, sind auch in der Zukunft noch nicht gelöst und so spielen einige Kurzgeschichten genau mit diesem Element. 
Doch auch die Frage, was macht es mit einer Person, wenn man im Weltraum lebt und keine Bewegungsfreiheit im klassischen Sinne hat, wird erörtert.
Alle Texten sind ernsterer Natur und eine Satire sucht man in diesem Sammelband vergebens.
Aber sie sprühen vor Abenteuerlust oder die Spannung kommt nicht zu kurz.
Kein Text fällt durch eine schlechte Handlung auf, aber durch den eigenen Geschmack heben sich einzelne Geschichten besonders hervor.
Eine Anthologie, die man nicht im Überlichtflug meistert, sondern für die man sich bewusst Zeit nimmt, um das Sternenlicht-Universum kennenzulernen und die Geschichten und ihre Inhalte zu verinnerlichen.

4 von 5 Universen

Sonntag, 14. Dezember 2025

Astrid Fitz "Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam"

Das Leid kann viele Formen annehmen. So ist es gerade in dieser Geschichte das Schicksal zweier Menschen, die das Elend zu ertragen haben. Meerkatz - eigentlich Jakob - kommt von Freiburg nach Straßburg um sich seiner alten Bande anzuschließen - wenn auch widerwillig. Doch was will ein Straßenjunge anderes sein, als eben dieser Straßenjunge. 
Doch Johanna geht es ihrem Leben nicht besser. Von der Mutter zu jeglicher Hausarbeit genötigt, darf sie die Mädchenschule nicht weiter besuchen und als ihr Bruder stirbt, nimmt das Elend nur weiter seinen Lauf.
Der Zufall will es, dass Jakob in die armselige Behausung von Johannas Familie eindringt, als sie zu des Bruders Beerdigung gehen. Doch sein Besuch bleibt nicht unentdeckt.
Wie der Spruch "Jeder ist seines Glückes Schmied" impliziert, ist es nicht immer nur das Schicksal, das das Leben der einzelnen lenkt. Vielmehr ist es die Summe aller Teile, die das Leben des Individuums bestimmen.
Schuld, Sühne und Vergebung - die ganze Erzählung spiegelt die Nebenschauplätze der Weihnachtszeit so deutlich wider, dass es nicht viel zu interpretieren gibt. Zudem kann auch aus Leid Gutes und Schönes entstehen.
Das Buch benötigt seine ersten Seiten, um in die Welt und auch in die Gedanken der Personen einzutauchen. Neben aller Trauer und Wut zeigt sich, dass keiner der Menschen so sein will, wie er ist, sondern dass die Umstände ihn dazu gemacht haben.
Und vielleicht der wichtigste Gedanke: Wenn man eine Chance bekommt, kann sich vieles ändern.
Ein schönes Buch zur Weihnachtszeit, wenn man es ein bisschen tiefgründiger mag.

4,5 von 5 Weihnachtsmaien

Henrietta Hamilton "Mord in der Willow Street"

Es hätte ein gemütlicher Tag für Sally und Johnny werden können, wäre nicht plötzlich Tim hereingeplatzt. Doch der Grund seines Besuches ist ernst: Der Arbeitgeber seiner Verlobten wurde umgebracht und trotz aller Umstände, scheint sie mehr zu wissen, als sie es zugibt.
In einem versteckt liegenden Haus ist an dem Mordabend soviel Verkehr wie sonst in einer ganzen Woche nicht. Jeder will jeden gesehen haben und da der Tote ein seltsamer Mann war, mangelt es nicht an Verdächtigen. 
Es ist bereits der dritte Fall mit Sally und Johnny als Ermittler. Nachdem sie sich im Antiquariat kennen- und lieben gelernt haben, sind sie jetzt verheiratet, was Sally allerdings nicht davon abhält, neben Haushalt und Kind sich ebenfalls um die Aufklärung des Verbrechens zu kümmern.
Neben der aktuellen Handlung erzählt ein Strang einiges über den zweiten Weltkrieg und die Entwicklung der Résistance in Frankreich und gibt dem Krimi hier eine historische Tiefe.
Wie in einem Puzzle versuchen die beiden, neben dem offiziellen Ermittler, Licht ins Dunkel zu bringen und die Ereignisse des Abends zu ordnen. Doch sie merken schnell, dass das Gesagte nicht zwangsläufig die Wahrheit sein muss.
Während ich die ersten beiden Bände verschlungen habe, war der dritten Teil oftmals etwas stockend. Das Verwirrspiel, wann wer wo und warum war, dazu das Revidieren von Aussagen, alles das hat es gerade im Mittelteil schwer gemacht, den Durchblick zu bewahren. Natürlich ist es der Sinn eines Krimis nicht zu offensichtlich auf einen Täter zu zeigen, doch hier wurde es zeitwillig ad absurdum geführt und hat den Lesespaß gebremst. Die Auflösung war schlüssig, sodass der Fall einen guten Abschluss fand und man in den vielen falschen Fährten die Wahrheit erkennen konnte.
Da es sich um eine klassische Krimireihe handelt, kann man die einzelnen Bände unabhängig voneinander lesen. Allerdings würde ich empfehlen, sie auf Grund der persönlichen Entwicklungen chronologisch zu lesen.

3,5 von 5 Beweisen

Freitag, 12. Dezember 2025

Wolfgang Kemmer "The Memoirs of Dr. Watson"

Seitdem es literarische Figuren gibt, haben Autoren den Drang die eine oder andere Figur mit ihren eigenen Geschichten zu betrauen. Eigene Abenteuer stehen da neben eigene Ideen, Vorstellungen oder auch Aspekten, die dem Autor in den ursprünglichen Texten vielleicht zu kurz kommen oder gar unerwähnt bleiben. Wie die Leserschaft diese Texte aufnimmt, umfasst die ganze Bandbreite, von "keine eigenen Ideen" bis hin zu "besser umgesetzt als der ursprüngliche Autor".
Denn nicht nur in den Köpfen der Autoren formt sich ein Bild des Charakters, sondern auch in denen der Leser und diese sind oftmals kritischer als jeder Lektor.
So ist es auch bei Geschichten rund um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes und seinem Chronisten Dr. John Watson. 
Manche bevorzugen den traditionellen Stil von Sir Arthur Conan Doyle, andere wünschen sich Holmes in den Wirren der modernen Kultur wiederzufinden.
Was macht man da als Autor?
Man bleibt bei seiner Linie und schreibt den Holmes, den man in die eigenen Geschichten eintauchen lassen möchte!
Wolfgang Kemmers Anthologie umfasst sechs Geschichten, die sich mit dem Phänomen Sherlock Holmes befassen und den Detektiv in die Baker Street zurückkehren lassen. 
Kemmer hat es wie andere Autoren geschafft, einen kleinen Teil des Nachlasses von Dr. Watson zu ergattern und stellt uns vier Geschichten vor.
Alle Geschichten sind mit Erinnerungen an die großen Fälle, z.B. "Der Hund der Baskervilles" oder auch "Das leere Haus", angelehnt und führen den Leser tief in das sherlockianische Universum. Während der erste Fall eine Familientragödie behandelt und Holmes und Watson unmittelbar nach dem "Hund" auf den Plan ruft, zeigt der zweite Fall, dass ein Sherlock Holmes auch einen Fall lösen kann, wenn ihm Moriarty dicht auf den Fersen ist.
Ein schönes kleines Crossover zeigt der dritte Fall, auch wenn er Holmes nicht zum Erfolg gereicht. "Die Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens und ihre Lehre bildet die Grundlage für ein feines Versteckspiel, dass Holmes und Watson an Weihnachten von London nach Worcester beordert.
Die vierte klassische Erzählung führt uns zurück ins Dartmoor. Ein Gefangener ist ausgebrochen und versetzt ein kleines Dorf in Angst und Schrecken.
Bei den beiden letzten Texten hat sich Wolfgang Kemmer etwas besonders ausgedacht. Seine Krimis spielen in der heutigen Zeit zum einen in Meiringen und zum anderen in Siegburg und zeigen, wie Holmes auch heute noch in aktuelle Fälle verwoben ist. Wie? 
Nun das findet man beim Lesen heraus.
Wolfgang Kemmer zeigt mit seinen Texten, die hier erstmalig zusammen erscheinen, wie schön man die Lücken des Kanons füllen und seine eigene Holmes-Sprache finden kann, ohne dabei dem Original zu widersprechen. 
Eine überaus gelungene Sammlung, die gerne ein paar Geschichten mehr enthalten dürfte.

5 von 5 Deerstalkern

Dienstag, 9. Dezember 2025

Judith Rossell "Midwatch - Schule der unerwünschten Mädchen"

Was macht man mit Kindern, die man nicht mehr haben will - vor allem, wenn es Mädchen sind?
Man steckt sie in ein Internat.

Als Maggie nach Midwatch gebracht wird, ist ihr ganz flau, denn alle haben nur Schlechtes über die Schule und die Stadt erzählt.
Doch kaum ist die Ordensschwester weg, fangen alle Mädchen an zu kichern und beziehen Maggie mit ein. Denn Miss Mandelay, die Direktorin von Midwatch, hält nicht viel davon, Mädchen mit Näharbeiten versauern zu lassen.
Vielmehr nutzt sie ihr Institut, um Rätsel zu lösen und den Menschen zu helfen, die von der Polizei abgewiesen werden.
Dazu müssen die Mädchen morsen und Knoten knüpfen lernen, sich beim Verstecken beweisen und andere kluge Dinge lernen, die man als Detektivin so können muss.

Mit Maggie bekommt das Institut auch einen neuen Fall und wir befinden uns direkt in der Handlung. Neben Buchseiten, die vermeintlich Miss Mandelays Handbuch für Detektivinnen entsprungen sind, wird die Erzählung von wunderschönen Bildern untermalt. Die Autorin selbst hat hier ihre Vorstellungen zu Papier gebracht und so ergänzen die Zeichnungen das Gelesene.

Durch den spannenden Erzählstil, Erklärungen werden immer mal wieder eingestreut, liest sich die Geschichte zügig und man fiebert mit den Mädchen mit. Viele Aufgaben und Gefahren gilt es bestehen, sodass es neben einer Detektiv- auch eine Abenteuergeschichte ist, die im 19. Jahrhundert spielt - inklusive Luftschiffe.

Für erfahrene Bücherwürmer ist das Buch mit 10 Jahren gut geeignet, da hier Neugier, Spannung und der Wille zum Lernen Seite um Seite befeuert wird. Ein tolles Buch, was viel Platz für eigene Gedanken lässt und gleichzeitig das Gefühl von Zusammenhalt und Stärke vermittelt.

5 von 5 Luftschiffen

Freitag, 5. Dezember 2025

M. Küble / H. Gerlach "Das Geheimnis der Ordensfrau"

Lug und Trug gab es schon in früheren Zeiten und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Äbtissin Elisabeth aufgrund einer Intrige ihren Stellung verliert. Doch sie hat Biss und kurze Zeit später ist sie wieder in Amt und Würden, doch ein Privileg wurde dem Kloster entzogen, welches ihr Hofmeister beim Papst in Konstanz zurückfordern soll. Der Papst und seine zwei Amtskollegen haben im Jahr 1415 ihre eigenen Probleme und so ist es eher den Beziehungen geschuldet, dass der Hofmeister beim Papst vorsprechen kann.

Mit 122 Seiten ist es ein sehr kurzes Buch, wenn man die politischen und historischen Hintergründe bedenkt.
Gerade wenn man sich in dieser geschichtlichen Zeit nicht gut auskennt, ist man beim Lesen oftmals irritiert. Sicherlich der Handlung kann man trotz allem folgen, doch es fehlt in vielen Punkten das Verständnis, warum die Charaktere sich so verhalten.
Der sehr sachliche Schreibstil lässt oftmals darauf schließen, dass es sich in den meisten Punkten um Tatsachen und nicht um eine Erzählung handelt. Diese Diskrepanz zwischen Wissen und Nichtwissen, was ist Fakt und was ist Unterhaltung, hat den Lesespaß ziemlich getrübt.

Im Anhang werden viele dieser Fragen allerdings geklärt, wer einen kurzen Ausflug in die Welt der Klöster machen möchte, findet hier einen interessanten Einstieg.

3,5 von 5 Äbtissinnen 

Sonntag, 30. November 2025

Mary Shelley "Frankenstein"

Einen Klassiker zu lesen, hat immer etwas Befremdliches.
Man hat schon soviel über das Buch, seine Einschätzung und gegebenenfalls seine Wichtigkeit für die Literatur gehört, sodass man das Buch kaum unbefangen lesen kann.
Was mich bei Frankenstein zu erst verwundert, ist, dass die Erschaffung des Monsters direkt zu Anfang des Textes stattfindet. Denn ich hatte vermutet, dass die Kreation des Monsters das zentrale Thema des Buches ist und nicht das Leben und oder vielmehr der Fluch dessen. Denn ein Monster zu sein, was sogar von seinem eigenen Schöpfer verstoßen wird, das ist schon ein hartes Los.
Doch es ist auch so, dass die beiden sich, was ihre Bösartigkeit angeht, gut das Wasser reichen können. Beide suchen die Schuld in anderen und selten bei sich selbst, wobei Frankenstein sich noch mehr bemitleidet, als es das Monster tut.
Hatte ich wirklich immer Respekt vor dem Grusel, der mich in diesem Text erwartet, so ist es eher die Psychologie, die hier das treibende Element ist. 
Die Erzählung ist zeitgleich eine Reise durch das Europa und die Kultur der damaligen Zeit. Mary Shelley hat es mit ihren jungen Jahren geschafft, alle Charaktere und Gefühlsebenen zu berühren und die Menschen entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung zu spiegeln.
Der Text ist so ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt habe und doch beeindruckt er mich tief.
In der Ausgabe von MinaLima ist das Buch zudem auch ein Fest für die Augen, da die beiden es wieder geschafft haben, die Illustrationen perfekt auf den Text und die Stimmung anzupassen.

5 von 5 Monstern

Christine Rechl (Hrsg) "Arsen und Butterplätzchen"

Zwischen Tannengrün, Christbaumkugeln und Glühwein ein paar kleine Morde gefällig? 
Dann hätte ich eine Anthologie, die ich euch empfehlen möchte.
Wie der Titel schon vermuten lässt, steht das berühmte Weihnachtsplätzchen in manchen Geschichten im Mittelpunkt des Geschehens.
So seid vorsichtig, von wem ihr euch ein solches anbieten lasst.
Doch der Reihe nach: Mit siebzehn Geschichten rund um das Fest, die Feierlichkeiten und die Weihnachtsstimmung zeigt die Anthologie auch ihre bitter-böse Seite. Nicht blutrünstig, aber wer den englischen Humor kennt, weiß, worauf ich anspiele.
Denn trotz der Kürze der Texte schaffen es die Autorinnen und Autoren den Lesenden ein ums andere Mal an der Nase herumzuführen.
Gerade das macht den Charme dieser Sammlung aus, denn viele Geschichten bewegen sich abseits der bekannten Plotpfade und entlocken den Lesenden einen erstaunten und manchmal auch begeisterten Laut, natürlich aufgrund der Idee ... Nicht, ach, ihr wisst schon.
Wer also ein bisschen Weihnachtsstimmung mit Mord garnieren will, dem sei diese Sammlung ans Herz gelegt. 
Aber wie gesagt, Vorsicht vor den Leuten, die euch Plätzchen anbieten.
Ich wollte es nur noch einmal gesagt haben. ;)

5 von 5 Plätzchen 

Samstag, 29. November 2025

Vorstellung Wolfgang Kemmer "The Memoirs of Dr. Watson"

Wer kennt das nicht? Man liest eine Kurzgeschichte in einer Anthologie und wünscht sich, man könnte mehr von diesem Autor lesen. Doch oftmals gestaltet es sich schwierig, wenn der Autor sich an zahlreichen Anthologien beteiligt.
Wolfgang Kemmer schafft mit seinem Sammelband "The Memoirs of Dr. Watson" Abhilfe.
Sechs seiner Texte rund um Sherlock Holmes und natürlich auch um Doktor Watson finden sich in seinem eigenen Sammelband. 
Alle Geschichten sind bereits in unterschiedlichen Anthologien erschienen und so findet sich auch sein Text "Das Vermächtnis des Falschmünzers" darunter, der in meiner Anthologie "En Passant - Die Reisen des Sherlock Holmes" erstmalig veröffentlich wurde.
Ein schöner Band, wenn man sich bei der frühen Dunkelheit mit einem Buch auf die Couch kuscheln und in die neuen Abenteuer von Sherlock Holmes eintauchen möchte.
Mit knapp hundertsechzig Seiten ist es eine gute Abwechslung zu Weihnachtsromanen und modernen cosy crimes.

Donnerstag, 27. November 2025

Autoreninterview Nathan Winters 2.0

Hallo zusammen.
Diese Woche gibt sie wieder Nathan Winters die Ehre. Endlich ist sein nächstes viktorianisches Werk im Drachenmond Verlag erschienen und er hat Zeit gefunden, über diese Zeit zu plaudern.

(Foto: Jürgen Bärbig (privat), Grafik: Maximilian Wust)


Nach zahlreichen Ausflügen in die Welt der Science Fiction gibt es endlich erneut ein viktorianisches Setting von dir. War es wieder einmal Zeit?
Ich habe wirklich danach gefiebert endlich wieder in die viktorianische Zeit zurückkehren zu können. Dass es mir mit „Der Schatten von Avamoore“ gelungen ist, freut mich in mehrerlei Hinsicht. Zum einen liebe ich Gruselstorys mit dichter Atmosphäre und die konnte ich in Avamoore richtig ausleben. Und zum anderen ist es der erste Roman, den ich überhaupt geschrieben habe. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her.
Solange hatte er in der Schublade gelegen, bis der Drachenmondverlag dann gesagt hat, wir machen das. Ich war so happy. Also ja, es wurde Zeit ins viktorianische England zurückzukehren.

Was fasziniert dich an der viktorianischen Zeit?
Ich denke, was mich fasziniert ist diese spannende Übergangsphase in die Moderne.
Das Empire ist auf der Spitze seiner Macht. London ist ein Schmelztiegel für die unterschiedlichsten Kulturen. Es ist eine Zeit in der man immer noch mit der Kutsche reist, aber auch die Eisenbahnen einen großen Einfluss haben. Man hat prunkvolle Herrenhäuser und lange Traditionen, auf der einen Seite und Verelendung, Armut und Kriminalität auf der anderen Seite.
In Bezug auf Avamoore ist es die Möglichkeit eine Geschichte in einem klassischen Setting spielen zu lassen, mit viel Nebel, Regen und ausgedehnten Moorlandschaften, wie es auch schon Doyle im Hund von Baskerville getan hat. Diese Gegensätzlichkeiten sind es, die mich am viktorianischen Zeitalter faszinieren. Darin lassen sich tolle, atmosphärische und dichte Geschichten erzählen.

Wenn es möglich wäre, wäre es auch die Epoche, in die du eine Zeitreise unternehmen würdest?
Auf jeden Fall würde ich dahin reisen wollen und wenn es möglich ist auch mit jeder Menge Andenken zurückkommen. Mein Haus wäre wohl ein Sammelsurium an Kuriositäten und Mitbringseln aus dieser Epoche. Leben möchte ich zu der Zeit aber nicht, aber mich als Besucher umsehen? Sofort.

Beschreibe dein viktorianisches England in fünf Worten.
Lastkähne auf der Themse, Kutschen auf der Westminster Bridge, Pubs im East End, weite Landschaften mit gepflegten Parks, Raben am Tower, und natürlich Schottland. An diesem Land liebe ich nicht nur den Whisky. Es ist die Landschaft, das Licht, die Wolken und selbst der Regen. Wer einmal dort war, weiß, was ich meine. (Okay, das sind mehr als fünf Worte, aber knapper ging es nicht.)

Doch erzähl einmal, wie ist "Der Schatten von Avamoore" entstanden? Warst du zu dem Zeitpunkt in Schottland, als du die Idee hattest?
Ich war vorher schon mal in Schottland, aber die Idee dazu hatte ich tatsächlich nicht dort. Allerdings sind viele Eindrücke und Inspirationen von dort sicher in die Geschichte eingeflossen. Der ein oder andere weiß es vielleicht. Ich bin Rollenspieler und ich hatte ein Abenteuer für meine Cthulhu Runde geschrieben. Avamoore ist dabei entstanden. Ein Teil der Charaktere hieß damals noch anders, aber das Dorf existierte, so wie es zum großen Teil auch im Buch vorkommt. Ebenso die Burg und die Ruine im Moor.

Die Handlung selbst hat sich dann später Stück für Stück von selbst entwickelt, auch durch viele Recherchen, nachdem ich eine Grundidee hatte. Wie gesagt, der Text lag fünfzehn Jahre in der Schublade und ich habe jetzt knapp ein Jahr noch einmal daran gearbeitet, um es in die Fassung zu bringen, die man jetzt bekommen kann.

Und besteht zu dem Buch auch die Möglichkeit eine Fortsetzung zu schreiben?
Um etwas konkretes sagen zu können, ist es noch zu früh. „Der Schatten von Avamoore“ ist jetzt gerade erst seit knapp einem Monat auf dem Markt. Aber, sag niemals nie. Wenn der Wunsch nach einer Fortsetzung groß ist und mir eine gute Geschichte einfällt, soll es nicht an mir scheitern.

Hast du schon ein neues Projekt, was sich mit der viktorianischen Zeit befasst?
Ich habe ein neues Projekt vorbereitet, was sich aber noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Die Geschichte spielt in London und eine junge Diebin ist die Protagonistin. Mehr will ich da aber noch nicht verraten.
Meine Agentur Langenbuch und Weiß versucht gerade einen geeigneten Verlag zu finden.
Bisher gibt es aber nur ein Exposè und eine kurze Leseprobe.
Es würde mich unglaublich freuen, wenn ich die Geschichte schreiben könnte, denn es hat mir schon einen Riesenspaß gemacht, in die viktorianische Zeit zurückkehren zu dürfen. Ich würde gern noch etwas länger bleiben. :-)
Gerade arbeite ich an einem Abenteuerroman, der jedoch zeitlich recht nah an die viktorianische Ära angrenzt. Er spielt 1928 und ist ein klassischer Abenteuerroman, der wohl 2026 beim Drachenmondverlag erscheinen wird. Mehr verrate ich aber noch nicht. :-)

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Nathan erfahren:
instagram.com/juergen_baerbig/

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Pottphantastika

Wie lange braucht man, bis man Messeeindrücke verarbeitet hat?
Gefühlt ist man noch auf der Messe, bei den tollen Gesprächen, den Ideen und auch den kleinen Insiderwitzen. Denn ohne Standnachbarn ist so eine Messe nur ein halber Spaß. So konnten wir uns mit Lars und Ryan die Zeit vertreiben, wenn wir nicht über unsere jeweiligen Projekte mit Gästen reden durften. Und nebenher habe ich noch ein kleines Monster adoptiert. :-)
Zwei neue Bücher durften einziehen und auch wenn der SUB im Hintergrund ganz leise weint, ich freue mich schon auf die Lektüre und auch auf die drei Ostseekrimis, die es noch im Nachgang auf den Reader geschafft haben.
Eine Messe ist eine kleine Gemeinschaft: Bei Kaffee, Kuchen und viel Unterhaltung wurden Preise verliehen, Kontakte geknüpft und auch die eine oder andere Plotidee ist gereift.
Was soll ich sagen?
Nach der Messe ist bekanntlich vor Messe, wann und wo immer die nächste stattfindet. Und da diese Szene nicht so groß wie die Frankfurter Buchmesse ist, trifft man all die netten Menschen bald wieder.
Danke auch an das Orga-Team. Ihr habt eine schöne Lokation gefunden und uns eine schöne Messe geschenkt.

Mittwoch, 26. November 2025

Bibbernächte _ Boo & Books

Bevor wir endgültig in die Geschichten rund um Weihnachten, den Weihnachtsmann und die besinnliche Zeit eintauchen, will ich euch noch zwei Kurzgeschichtensammlungen vorstellen, zu denen ich jeweils eine Geschichte beisteuern durfte.
Bibbernächte, herausgegeben von Christoph Grimm, ist in diesem Herbst erschienen. Es ist eine Neuauflage und umfasst zahlreiche Geschichten, die sich dem Grusel der alten Gänsehaut-Bücher annähern. Ohne Gewalt lassen die Erzählungen einen leichten Schauer über den Rücken laufen, wenn ein Gespenst aus einem Spiegel auftaucht, eine Hütte ihren Grusel verströmt oder ein Handy verrückt spielt. Durch ihre Kürze eignen sich die Texte perfekt als abendliche Gute Nacht Geschichte, da in keiner ein Monster unter einem Bett lauert, oder?
Boo & Books, herausgegeben von Elysion Books, erschien bereits im letzten Jahr. In dieser Kurzgeschichten-Sammlung dreht es sich nicht nur um Gespenster, sondern zusätzlich auch noch um Bücher. Meine Geschichte spielt in einem alten Gemäuer und fordert dazu auf, andere nicht zu sehr zu ärgern. Wer ärgert wen? Findet es heraus.

Beide Bücher könnt ihr bei der Buchhandlung eures Vertrauens oder im Internet bestellen.

Katharina Hargutt "Unter dem blauen Mond"

Das Buch "Unter dem blauen Mond" ist die Kurzfassung von "Magische blaue Stunden" und befasst sich mit dem Thema Rauhnächte auf knapp hundert Seiten.
Während die Menschen in der nahezu hektischen, unausgeglichenen Welt einen Anker oder einen Lebensmittelpunkt suchen, zeigt die Autorin, wie es gerade im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten vielfältige Möglichkeiten gibt. Denn neben dem Stress und der andauernden Hektik, ist es das Leben antizyklisch zur Natur, was uns aus der Bahn wirft.
Ein Beispiel: Statt im Winter Ruhe und Besinnlichkeit einkehren zu lassen, hetzen wir zu den letzten Abschlüssen des Jahres, organisieren Geschenke und versuchen alles, nur nicht zur Ruhe zu kommen. Dabei zeigen die Texte, in Form von Gedichten und Erzählungen, wie leicht es sein kann, sich in die Stimmung und die Zeit fallen zu lassen.
Mythen, Anekdoten und auch schlicht das Gefühl, dass alles seinen Rhythmus hat, kann den Menschen helfen sich zu entspannen und sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.
Wunderschön bebildert und illustriert ist das Buch für alle Sinne und zeigt, wie man sich in eine Welt vollkommen fallen lassen kann.

4 von 5 Nächten 

Samstag, 22. November 2025

Matthias A. K. Zimmermann "Kryonium 2.0"

Was erwartet man, wenn ein Buch "neu" erzählt wird?
Ist man neugierig?
Ist man skeptisch?
Bis zum Schluss kann ich diese Frage bei dem Buch nicht für mich beantworten.

Aber zum Anfang …
"Kryonium", dem aufmerksamen Leser dürfte das Buch bekannt vorkommen. Bereits vor fünf Jahren erschien das Buch und wurde zum Preisträger des Deutschen Verlagspreises. Eine Welt in einer Welt, in der nichts so ist, wie es im ersten Moment scheint.
Doch man kann die Geschichte auch anders erzählen: Ritter und Burgfräulein eröffnen die zweite Version und der Ich-Erzähler steht unter Betäubung. Wer ist er? Wo ist er? Und warum ist er überhaupt dort?
Viele Fragen überfluten den Leser und auch die Figur, wenn es heißt den Ausbruch zu starten und das Leben hinter dem Schloss zu suchen.

Während des Lesens habe ich immer versucht, mich an die erste Fassung zu erinnern. Wie war es hier? Was ist geändert? Das nahm mir ziemlich den Spaß beim Lesen. Doch wenn man den Gedanken loslässt und sich auf die Verschachtelungen des Autoren einlässt, fällt man nahezu in das berühmte Loch aus den Büchern von "Alice im Wunderland". Immer wieder wechselt der Autor den Ansatz und fordert die volle Konzentration des Lesers. Denn durch die verschiedenen Verweise und Gedanken ist das Buch genauso komplex wie die erste Fassung.

Doch bleibt für mich die erste Fassung, die die mir mehr gefällt.
Warum?
Das weiß ich gar nicht so recht. Vielleicht, weil mich die Vorstellung ein zweites Mal tausend Kraniche zu falten ein bisschen abschreckt. 😉

4 von 5 Kranichen

Danke an den Autor für das Rezensionsexemplar.

Freitag, 21. November 2025

Theresa Breslin "Drachen - Märchen und Mythen aus aller Welt"

Fabelwesen haben es in der menschlichen Welt nicht leicht. Oft sind sie, genau wie andere Menschen, Vorurteilen ausgeliefert und haben es mit ihren Eigenarten und ihrer Andersartigkeit schwer. Wie reich der Schatz an Wissen und Zuwendung durch sie sein kann, wird dabei oft verkannt.
Mit Drachen um die Welt und durch die verschiedenen Kulturen begleiten wir die Autorin Theresa Breslin und lernen, dass es nicht immer der Drache ist, den man fürchten muss, sondern eher die Wesen des Menschen hinter der Geschichte.

Denn ob Japan oder Russland die Drachen sind den Menschen Helfer in der Not und beweisen, dass sie ihr Feuer auch im Zaum halten können.
In Griechenland hingegen schützen sie einen Schatz und werden durch den Menschen instrumentalisiert, um ihnen die Arbeit abzunehmen.

Wunderschön illustriert bietet der Band neben dem klassischen Märchenbuch ein wunderschöne Ergänzung, wenn es um die alten Sagen geht.

Die textliche Anpassung für junge Leser macht die Erzählungen für jedermann zugänglicher und es gibt somit keine Ausrede, sich nicht mit antiken Sagen zu beschäftigen.

5 von 5 Drachen

Donnerstag, 20. November 2025

Jean Bastide "Idefix und die Unbeugsamen 5"


Ein weiteres Abenteuer für Idefix und seine Unbeugsamen steht an.

Wir befinden und immer noch um das Jahr 52 v.Chr. und die römischen Polizeihunde (formschön in der klassischen römischen Uniform) machen die Straßen von Lutetia unsicher.
Doch in diesem Abenteuer spielen sie eine eher kleinere Rolle. Vielmehr taucht Miraculix in den Wäldern vor Lutetia auf und wird prompt von einem Straßenräuber überfallen. Schnell eilt er zu einem Druidenkollegen, doch bekanntlich ist bei den Römern guter Rat teuer und sie laden in der Arena.
Wieder eine Aufgabe für Idefix und seine Truppe und einer eher ungewöhnlichen Druidin.
Doch gerade sie ist es, die dem Römer den Kopf verdreht und somit die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Ein famoses Hin und Her, Verwandlung hier, Flucht dort, um letztlich wieder zu zeigen, in diesen Comics gibt es noch das Gute und das Böse.
Tatsächlich besteht dieser Band nur aus einem Comic und ich muss sagen, er gefällt mir wesentlich besser als die vorigen Kurzcomics.

5 von 5 Hundepatrouillen

Mittwoch, 19. November 2025

Jorn Lier Horst "Clue 1. Schiffbruch vor der Felseninsel"

Als Celina eine Leiche am Strand findet, wird sie zwangsläufig an den Tod ihrer Mutter erinnert. Gut, dass Leo auch zufällig am Strand auftaucht und sie bei den Ermittlungen unterstützt. Denn zusammen mit Une und deren Hund Egon kommen die drei schnell dahinter, dass sich viel zu viele Verdächtige in der kleinen Pension "Perle" herumtreiben. Als dann noch ein gekentertes Schiff auftaucht und immer mehr ausländische Gäste in der Pension einziehen, wittern die drei eine große Straftat.

Schon "Die drei Fragezeichen" und "Fünf Freunde" haben bewiesen, dass auch Kinder mit ihrer Neugier einen guten Spürsinn und eine hervorragende Auffassungsgabe haben.
Im ersten Band der Reihe "Clue" zeigen drei Kinder, dass man auch in der heutigen Zeit fern ab von Computer und zuhause sitzen noch große Abenteuer erleben kann. Hier geht es zeitweilig richtig hoch her, denn an Gefahren mangelt es nicht. Böse Schurken und die Gefahren der Natur sind nur ein paar Dinge, die den jungen Ermittlern zustoßen.

Neben dem Text werden mehrfach auch Themen wie Recht, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung angesprochen, was dem Krimi eine moralische Tiefe gibt. 
Der Verlag schlägt es Lesern ab neun Jahren vor, hier würde ich ergänzen, dass die Kinder schon ein bisschen Leseerfahrung haben sollten, um das Buch vollumfänglich genießen zu können.

4,5 von 5 Strandgütern

Dienstag, 18. November 2025

Robert Louis Stevenson "Dr. Jekyll & Mr. Hyde"

Hört man den Namen Robert Louis Stevenson denkt man als erstes an "Die Schatzinsel" und an "Dr. Jekyll & Mr. Hyde".
Schon diese beiden Geschichten zeigen, welche Bandbreite man von dem Autoren erwarten kann.
Während "Die Schatzinsel" die Piratengeschichte an sich ist, zeigt "Dr. Jekyll & Mr. Hyde", wie es ist, für die Zwänge der Gesellschaft ein Ventil zu finden.

In dieser Schmuckausgabe bildet "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" das zentrale Thema. Mit dunklen Seiten und grüner Schrift, vermeintlich handgeschriebenen Briefen und den für diese Ausgabenreihe bekannten Extras wird die Erzählung hervorragend untermalt. Die Gänsehaut kriecht hinauf, während man Dr. Jekyll bei seinem Verderben beobachtet. Die Erzählperspektive und auch die Stimmung des Textes spiegelt die innere Zerrissenheit und den Wunsch des Ausbruches einzigartig wieder und man will gar nicht aufhören, in die Geschichte weiter einzutauchen.

Neben dieser Erzählung umfasst die Schmuckausgabe fünf weitere Kurzgeschichten. Keine reicht für mich an "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" heran, aber das muss es auch nicht zwangsläufig. Vielmehr zeigen die Texte ein Spektrum der Möglichkeiten und auch, was Menschen schon immer interessiert. Während "Die Versprengte" in die alte Sagenwelt eintaucht, macht man bei "Der Flaschenteufel" einen Ausflug in die hintersinnigen Gedanken, wie viel Ruhm und Ehre man erwartet, um dafür dem Teufel zu begegnen.

"Der Leichenräuber" zeigt die damalige Angst und Gedankenwelt rund um die Grabräuberei und den Diebstahl von Leichen im Dienste der Wissenschaft.

Bei allen Texten schafft es Stevenson eine eigene Note zu treffen und trotzdem ist allen Geschichten ein leichter Schauer gemein.

Die Leichtigkeit, mit der man diesen Klassiker liest, spricht auch dafür, dass die Themen, wenn auch in abgewandelter Form, heute immer noch präsent sind.


4,5 von 5 Verwandlungen

Samstag, 15. November 2025

Brian Clegg "Durchblick Künstliche Intelligenz"

Auf gerade einmal 160 Seiten gibt der Populärwissenschaftler Brian Clegg einen Überblick zu dem Thema "Künstliche Intelligenz".
Unterstützt mit Schaubilder, Grafiken und kurzen, prägnanten Zusammenfassungen zeichnet er die Geschichte der KI seit dem Turing-Test nach.
Bei seinen Texten legt er darauf wert, dass man zwischen der Wissenschaft und dem Bild aus Literatur und Film unterscheidet. Denn vielfach vermischt sich Fiktion und Realität in dem Halbwissen, das Menschen über KI besitzen.
Unterteilt ist das Buch in acht Kapitel, die sich jeweils unterschiedlichen Bereichen der KI widmen. Während die zentrale Frage im Raum steht, ob die KI den Menschen irgendwann übertreffen wird, stehen auf den Nebenschauplätzen die Fragen, wird sie es im Schwarm tun oder hat sie überhaupt ein Interesse daran?
Viele Gedanken, die wir uns zur Zeit machen, sind menschlicher Natur und der Autor hinterfragt, ob eine KI solche Gedanken überhaupt entwickeln würde und was, wenn sie themenübergreifender denken könnte, ihre Bestrebungen antreiben würde.
Ein technisches Verständnis und vielleicht ein Grundwissen zum Thema Computer und Technik können bei dem Buch von Vorteil sein, da trotz vieler Erklärungen, der Text sonst zu zäh wirken könnte.
Der Wechsel zwischen Grafik, Technik und Zusammenfassung bietet allerdings eine gute Mischung, um das Thema breitgefächert zu präsentieren.

4 von 5 Robotern

Denzau, Küpper & Fuchs (Hrsg) "Ein Huhn, ein Mord"

Was war zuerst? Das Huhn oder der Mord? Oder war es ... 
In fünfzehn Kurzgeschichten führen uns sie Herausgeberinnen in die Welt der Hühner, Enten und anderen gefiederten Lebewesen. Dabei haben es die Autoren und Autorinnen geschafft, die Geschichten sehr abwechslungsreich zu gestalten. Denn nicht immer ist das Tier mit Schuld beladen, nein, sie werden auch als Ermittler eingesetzt.
Mal humorvoll, mal bierernst, mal einfühlsam und auch mal traurig erzählen die Krimis von Menschen und Tieren, die auf Grund ihrer Nähe beide voneinander abhängig sind. Auch wenn es die Menschen sich nicht immer eingestehen wollen. Gilt der Hund oftmals als der beste Freund des Menschen, so scheint es, ist es das Huhn, welches den Menschen am besten versteht und seine Handlungen teilweise vorhersehen kann.
Wer Krimis außerhalb der klassischen Ermittler-Täter-Aufklärung mag und sich dabei gerne in Kurzgeschichten und dem stetigen Wechsel der Perspektiven verliert, dem sei diese Sammlung empfohlen. Die Autoren und Autorinnen haben schon oftmals bewiesen, dass sie ihr Handwerk für Kurzgeschichten beherrschen und selbst bei diesem eher ungewöhnlichen Thema, schaffen es alle einen interessanten Kurzkrimi zu schreiben.

4 von 5 Hühnern

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Dienstag, 11. November 2025

Andrea Maria Dusl "Die Kolumne"

Hast du schon einmal eine Kolumne gelesen? Oder vielleicht sogar eine geschrieben?
Was ist der Unterschied zu einer Glosse? Einem Kommentar? Oder ...
Andrea Maria Dusl unternimmt in diesem Band dreiunddreißig Versuche, dem Lesenden die Kolumne näher zu bringen?
Die vermeintlich wichtigsten Fragen: an wen richtet sich die Kolumne und was ist ihr Inhalt.
In den jeweiligen Selbstversuchen geht die Autorin diesen und auch anderen Fragen auf den Grund.
Sie streift dabei die Philosophie, die Geschichte, die Popkultur und natürlich auch ganz wesentlich die Etymologie.
Man trifft auf andere Kolumnist*innen, lernt wie aus einer Kolumne ein Buch wird und warum man auch im Urlaub schreiben muss.
Dabei ist der Ton ihrer Texte oftmals nüchtern und man ist ein ums andere Mal unsicher, ob sie alle Texte bierernst oder doch auch mal mit einem Augenzwinkern versieht.
In den kurzen, gehaltvollen Texten lernt man viel, über den Journalismus, das Leben und auch die Einstellung dazu.
Für die Kürze der Texte sind die Inhalte gewichtig und die Worte der Autorin hallen ein um das andere Mal nach.
Es ist kein Buch für zwischendurch, es ist ein Buch zum Nachdenken und Innehalten.

4 von 5 Kolumnen

Sonntag, 9. November 2025

Rainer Wüst "Augenscheinlich"

Zwischen Kohleöfen und Fußballstadien beginnt eine Krimireihe, wie sie dem (Ruhr-)Pott nicht besser zu Gesicht stehen könnte. Tief in Essen treibt ein Killer sein Unwesen und er schreckt vor keiner Grausamkeit zurück. Er verstümmelt seine Opfer und lässt den Ermittler Frank Lederer oft ahnungslos im Dunkeln tappen. 
Dabei ist es nicht so, dass der Polizist nur dieses Leid zu schultern hat.
Private Probleme hemmen ihn oftmals im Alltag und nur so gerade eben kann er beides unter den berühmten Hut bringen. Gut, dass er seinen Kollegen Mohamed Ceylan zur Seite hat, der ihn auch in den dunkelsten Stunden unterstützt. Und die Stunden sind arg düster.
Selbst vor schönen Orten wie der Gruga macht der Killer keinen Halt und es bleibt abzuwarten, ob Frank ihm auf die Spur kommt oder ob der Killer ihn zuerst zu fassen bekommt.

Wem der klassische Thriller zu langweilig ist, da er nur vor Blut trieft, dem sei dieser Krimi wärmstens empfohlen, denn Rainer Wüst schafft den Spagat zwischen Krimi und Thriller. Spannend wie ein Thriller, verwickelt und durchdacht wie ein Krimi, ist "Augenscheinlich" mit seinem Lokalkolorit die Literatur für den coolen Krimi aus dem Ruhrpott.

5 von 5 Augen

Catrin Bartenbach "Der royale Reiseführer"

Ihr wolltet immer schon einmal wissen, wo die Royals shoppen? Was sie sich ansehen, welche Restaurants sie besuchen?
Dann braucht ihr diesen Reiseführer.
Elf Monarchien werden nacheinander vorgestellt. Eingeleitet werden die Monarchien mit einer historischen Einordnung.
Wann wurden sie durch welches Volk gegründet?
Welche Herrscherfamilie ist zur Zeit an der Macht und welche Macht haben die Monarchen in der heutigen Zeit noch?
Dann geht es auf eine Rundtour durch das jeweilige Land. Landsitz, Herrscherhaus, Hutmacher, Konditor, Bekleidung im allgemeinen und Schuhe im Besonderen werden hier vorgestellt.
Das Interessante dabei, oftmals sind die Herrschenden sehr volksnah und selbst als Mensch, der nicht Zehntausende im Jahr verdient, kann man sich das eine oder andere Stück leisten.
Nicht umsonst waren viele Kleidungsstücke, die gerade im englischen Königshaus getragen wurden, schnell danach ausverkauft.
Mit Hinweisen auf Eintrittspreise und Öffnungszeiten bietet das Buch zudem eine kleine Planungsübersicht, die durch die jeweiligen Internetseiten ergänzt werden.
Einer Kulturreise steht somit nichts mehr im Weg.
Ein paar mehr Fotos hätten dem Bildband an einigen Stellen noch gut getan, aber es schmälert nicht den Informationsgehalt dieses Buches.

4 von 5 Reisenden

Samstag, 8. November 2025

Nils Meyer-Selbach_Jörg Dierkes "Ahrensblut"

Als der Hamburger Journalist Robert Kuhn auf die Gleise bei dem Ahrensburger Bahnhof aufschlägt, ist es mit der Ruhe in der kleinen Nachbarstadt von Hamburg vorbei.
Schon der Streit um das Neubauprojekt hat in den letzten Monaten für viel Missgunst innerhalb der Stadt gesorgt und nun stirbt der Journalist, der sich kritisch mit dem Projekt auseinandergesetzt hat.
Kann das ein Zufall sein?
Viele Probleme stürzen gleichzeitig auf die Ermittler rund um Marie Stahlmann ein, so auch die Krankheit ihres eigenen Chefs und die damit einhergehenden personellen Veränderungen.
Und, das weiß ja bekanntlich jeder Krimileser, die Zeugen wollen partout nie beim ersten Mal die ganze Wahrheit sagen, was zu tödlichen Konsequenzen führt.

Die beiden Autoren führen mit "Ahrensblut" in mehrerlei Hinsicht hinter die Kulissen. Wenn man schon einmal über Korruption und Erpressung gelesen hat, so führen die beiden hier sehr deutlich auf, dass es immer wieder unter dem Tarnmantel der Verschwiegenheit und einem erheblichen Geldfluss bei vielen an Moral und Anstand mangelt.
Fortwährend werden den Polizisten im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg gelegt, weil jeder sich selbst der nächste ist. 
Denn zu guter Letzt geht es nicht nur um den Tod des Journalisten, sondern vielmehr darum, wie käuflich eine Gesellschaft sein kann und wie einzelne Menschen daran zunehmend zu Grunde gehen können.
Ohne den Splatter eines Thrillers schaffen es die beiden einen gelungenen Krimi abzuliefern, der die Machenschaften von vielen aufdeckt und zeigt: Verbrechen lohnt sich nicht.

4,5 von 5 Ermittlern

Danke für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 6. November 2025

Melanie Vogltanz "Shape me"

Von der Möglichkeit im Schlaf abzunehmen, haben wir alle schon einmal geträumt. Zu schön ist die Vorstellung, einen gesunden, schlanken Körper ohne großes Zutun zu erlangen.
Doch was wäre, wenn es eine Firma gäbe, bei der man den eigenen Körper eintauschen kann, damit Fitnesstrainer*innen diesen Körper über Sport und gesenkte Kalorienzahl wieder in Schwung bringen?
Als Nena Jean eines Tages ihren Kalorienchip nicht mehr nutzen kann, denkt sie erst an die vermeintlich harmlose Variante, dass sie vergessen hat, sich morgens zu wiegen. Das sollte eigentlich unmöglich sein und wie sich kurze Zeit später herausstellt, ist es das auch nicht gewesen. Was ihr im Anschluss blüht, ist ein Kampf gegen Windmühlen, denn die Bürokratie hilft ihr nicht. Vielmehr lässt sie sie mit ihren Problemen und ihrem Hunger allein. Und schließlich wacht sie eines Morgens auf und ist nicht mehr sie selbst.
Aus Tagebucheinträgen, Fernseh- und Zeitungsberichten und unterschiedlichen Erzählperspektiven schildert uns die Autorin eine Welt, die durch Kalorien in einem ganz anderen Maße als heute diktiert wird. Man kann nicht mehr essen, was man will, man muss sich danach richten, was der Chip einem zuteilt.
Macht und deren Missbrauch sind in einer solchen Gesellschaft schnell zur Stelle und so entwickelt sich Nenas Leben zu einem Spießroutenlauf. Denn niemand spricht anfangs die Wahrheit aus und die Autorin schafft es durch Blick- und Zeitenwechsel den Lesenden immer bei der Stange zu halten und die pure Konzentration zu fordern. Denn der Text ist spannend und zeitweilig beängstigend zugleich. Schonungslos öffnet sie die weite Schere zwischen arm und reich, sowie die zwischen "dem kleinem Menschen" und "der Machtgier". 
Es ist ein Buch, was oft bedrückt und gleichzeitig wachrüttelt. Es macht einem unmissverständlich klar, wie sehr man auch im Kleinen für sein eigenes Leben verantwortlich ist.
Mit Realitätsnähe, Psychologie und Spannung webt Melanie einen Text, den man nicht so schnell vergisst.

5 von 5 Abnehmzyklen 

Dienstag, 4. November 2025

Fabcaro "Asterix in Lusitanien"

Die Welt von Asterix und seinen Freunden zu betreten, hat immer nostalgische Züge.
Während andere Comicfiguren immer wieder überarbeitet werden, haben die Figuren ihren Charme über die Jahrzehnte bewahrt.
Dabei waren Asterix und all die anderen Figuren auch schon von Band eins an politisch.
Mal mehr, mal weniger.
Auch in diesem Abenteuer sehen sich die Gallier einer großen, römischen Ungerechtigkeit gegenüber.
Während die Piraten dieses Mal en Passant abgefrühstückt werden, trifft es die römische Station in Lusitanien mit voller Wucht.
Cäsars liebster Garum-Lieferant wird beschuldigt, den großen Herrscher Roms vergiften zu wollen. Doch wie so oft, sind es Machtbestrebungen und Missgunst, die die Feder führen.

Was mir bei diesem Band besonders gut gefällt, ist, dass neue Figuren in Lusitanien denen aus alten Bänden z.B. Ägypten sehr ähnlich sehen und man beim Lesen direkt an die alten Geschichten erinnert wird. Ob dies bewusst geschah, weiß ich nicht, aber es brachte mich an eigenen Stellen besonders zum Schmunzeln.

Sicherlich ist die Handlung vorhersehbar, aber gerade weil man weiß, dass die Geschichte gut ausgeht, liebt man Asterixbände so sehr.

4,5 von 5 Galliern

Freitag, 31. Oktober 2025

Annabel Chase "Spellbound - Tod eines aufrechten Vampirs"

Spellbound - ein verschlafenes Dorf ... irgendwo im Nirgendwo.
Eigentlich wollte Emma zu einer Mandantin, als sie einen Engel an einer Klippe stehen sieht. Einen Engel?!?
So oder so ähnlich ist ihre Reaktion. Die Rettung gelingt, doch dafür ist sie danach eingeschlossen. In einer Welt, die vor magischen oder gar mystischen Wesen nur so wimmelt.
Frisch angereist wird sie direkt dem Hexenzirkel unterstellt, begibt sich in die entsprechende Ausbildung und darf nebenbei den Posten der Strafverteidigerin übernehmen, denn selbiger wurde kurz zuvor ermordet. 
In einer Welt von Sonderlingen herauszustechen, ist schon eine wirkliche Kunst, aber Emma schafft das. Einerseits mit ihrer Unbedarftheit und andererseits mit dem Wunsch, sich nicht anzupassen.
Schnell wird klar, dass es mehr zwischen Wand und Erde gibt und dass diese Begrenzung Fluch und Segen zugleich sein kann.

Mit dem Auftakt zu ihrer Serie "Spellbound" schafft es die Autorin in einem cosy crime mehrere Sachen anzugehen. Einerseits die Andersartigkeit und damit eine mögliche Besonderheit. Andererseits zeigt sie, dass das Genre des Krimis auch vor fremden Wesen keinen Halt macht. Denn Missgunst und Neid gibt es bei allen und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich entweder alle wieder lieb haben oder die nächste Leiche auftaucht. 
Achtung: Der Humor ist zeitweilig sehr trocken, dann aber auch mal wieder sehr düster. Freunde des britischen Humors werden ihre Freude haben, andere eher nicht so. 
Ein guter Einstieg in eine etwas andere Reihe.

4 von 5 Wesen

Christoph Grimm (Hrsg) "Bibbernächte"

Heute Abend noch nichts vor?
Wie wäre es passend zu Halloween mit ein paar Gruselgeschichten?

Bei der Neuveröffentlichung von "Bibbernächte" durfte ich auch eine kleine Geistergeschichte beisteuern, die in einem Museum spielt.
Inspiriert durch die Gänsehaut-Bücher unserer Jugend finden sich in dem Buch sechszehn nervenzerfetzende Geschichten, die von ruhelosen Geistern, unheimlichen Begegnungen und Geschöpfen, die in der Finsternis lauern, erzählen.

Kleine Kostprobe?

Hat sich auf dem Smartphone ein Dämon eingenistet?
Ist die neue Mitschülerin eine Hexe?
Zeigen Spiegel nur uns selbst?
Was führt der unheimliche Mann von nebenan im Schilde und was passiert eigentlich nachts auf dem Friedhof?

Gruselspaß garantiert. Also Süßes oder Saures auf den Tisch und die Nase ins Buch gesteckt.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Autoreninterview Helen Herbst

Hallo zusammen.

Diesen Monat habe ich eine Autorin gefunden, die uns mit ihren cosy crimes in eine etwas andere englische Gesellschaft führt und es ist spannend, ihr dabei zu folgen. 

(Foto: Birgit Poindl_Sabine Preißl (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Buchstaben haben mich von Anfang an fasziniert. Ich habe mit großer Freude lesen gelernt und schon früh angefangen, mit Sprache zu spielen – sei es beim Schreiben von Aufsätzen oder beim Analysieren von Grammatik. In der Volks-schule war ich ein richtiger Bücherwurm und habe alles verschlungen, was mir in die Hände fiel.
In meiner Jugend trat das Lesen etwas in den Hintergrund, das Leben war laut und bunt. Doch als ich später meine Kinder bekam und ihnen Geschichten vorlas, erwachte meine alte Liebe zu den Büchern wieder mit voller Kraft. Und mit ihr kam der Gedanke: Warum nicht selbst schreiben? Warum nicht eigene Welten und Figuren erfinden, denen andere genauso gern begegnen würden, wie ich es einst getan habe?
Das war mein Weg vom Bücherwurm zur Geschichtenerzählerin.

Wie kam es zu deinem Krimi „Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“?
„Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“ trug ursprünglich den Arbeits-titel „Warum der Gärtner sterben musste“. Es war das erste Exposé, das ich für meine Literaturagentin entworfen habe. Die Idee dazu kam mir an einem Dezembernachmittag. Ich saß am Schreibtisch und wusste nur, dass ich einen humorvollen Krimi entwickeln wollte.
Dann dachte ich daran, dass Adel mich schon immer fasziniert hat. Vor meinem inneren Auge sah ich eine elegante ältere Lady in ihrem Herrenhaus am Tisch sitzen. Sie war zwar privilegiert, aber wirkte unnahbar und einsam. Plötzlich kam der Butler durch die Tür herein. Ich habe ihn nicht herbeigedacht, er ist einfach gekommen. Dass der Gärtner gestorben ist, ist eine Hommage an das Sprichwort „Der Mörder ist immer der Gärtner“. Bloß: Der kann es ja in diesem Fall nicht gewesen sein.😊
Und so ist es bis heute. Dem Entwickeln der Geschichten liegt zuerst ein Plan zugrunde, eine gewisse Idee und zwischendurch verselbständigen sich Figuren und Szenen in meinem Kopf. Es ist die pure Freude für mich.

Gibt es für Lady Agnes ein konkretes literarisches Vorbild?
Eigentlich nicht im klassischen Sinn. Lady Agnes trägt jedoch Züge von Persönlichkeiten, die mich immer fasziniert haben. In ihrer Haltung und Unnahbarkeit erinnert sie mich an die Queen, wie ich sie bei Auftritten im Fernsehen erlebt habe – würdevoll, beherrscht und zugleich schwer zu durchschauen. Ihr Stil hat etwas von der Eleganz einer Anna Wintour, und ihr Wissensdrang spiegelt die Neugier vieler Menschen wider, die sich nie mit einfachen Antworten zufriedengeben.
Trotz ihrer adeligen Herkunft ist Lady Agnes im Kern ein Mensch wie jeder andere – mit Sehnsüchten, Sorgen und dem Wunsch, verstanden zu werden. Ich möchte, dass sie im Lauf der Reihe ihre durch Stand und Erziehung geprägte Distanz nach und nach verliert und lernt, Nähe zuzulassen. Denn genau darin liegt für mich ihr wahrer Reiz – hinter der Fassade einer Lady verbirgt sich ein verletzlicher Mensch mit Herz und Sehnsüchten.

Neben dem Kriminalfall räumst du auch mit Vorurteilen auf (Adel hat Besitz und Geld). Hat dich das bei anderen Büchern bewusst gestört, dass du hier eine andere Herangehensweise wählst?
Ja, da sprichst du einen interessanten Punkt an. Man denkt gemeinhin, adelig zu sein bedeute automatisch, über Geld und Macht zu verfügen. Dabei stecken dahinter oft viel Tradition, Verpflichtung und Verfall. Das wollte ich in meinem Buch – bei allem Humor – bewusst aufgreifen.
Lady Agnes lebt in einem bröckelnden Herrenhaus, mit mehr Stolz als Geld und sie muss sich behaupten, statt sich auf Standesprivilegien verlassen zu können. Das bringt Spannung und manchmal auch ein bisschen Melancholie.

Welcher ist dein liebster Charakter?
Ich liebe alle Bewohner des Herrenhauses – Lady Agnes, ihren Butler Henderson und die Köchin Grace. Und natürlich habe ich auch den Kommissar Edward Sterling und die Gerichtsmedizinerin Emily Corps ins Herz geschlossen. Deshalb fällt es mir gar nicht so leicht, einen Lieblingscharakter zu benennen.
Aber ich glaube, Henderson ist mir besonders nah gekommen. Er ist als Figur sehr greifbar geworden.
Vielleicht, weil sein ausgeprägter Aberglaube ihm etwas Eigenwilliges, fast Rührendes verleiht. Durch diese Eigenart spüre ich ihn beim Schreiben besonders deutlich – als würde er mir manchmal selbst zuflüstern, was als Nächstes passiert.

Viele Cosy Crimes werden direkt mit den großen Klassikern wie z. B. Agatha Christie verglichen. Worüber würdest du mit ihr sprechen, wenn du die Möglichkeit hättest?
Ich würde Agatha Christie gerne fragen, worauf sie beim Entwickeln ihrer Krimis besonderen Wert gelegt hat, mich nach ihren eigenen literarischen Vorbildern erkundigen und sie nach ihrer Schreibroutine fragen. Außerdem würde mich interessieren, ob sie heute einen Cosy Crime über Social Media, Influencer und moderne Skandale schreiben würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie daran großen Spaß hätte!

Wird es weitere Bände um Lady Agnes geben?
Ja, das wird es. Bereits nächstes Jahr, voraussichtlich im Sommer, wird ein neuer Band mit Lady Agnes erscheinen. So viel darf ich verraten: Dieses Mal dreht sich alles um Scones – und um einen vergifteten Gourmetkritiker.

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Helen erfahren:

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Sophie Reyer "Tod bei den Salzburger Festspielen"

Else Heims soll den Tod spielen. Nicht, weil die anderen das unbedingt wollen, sondern, weil es nicht anders geht. Beide Schauspieler des Todes sind tot und das nur wenige Tage vor Beginn der Salzburger Festspiele.

Sophie Reyer verwebt Realität und Fiktion, mischt Glaubenssätze und Kulturen, wandelt Sühne in Schuld. In Rückblenden begibt sie sich mit dem Leser in die Vergangenheit von Else Heims. Wir begleiten den Aufstieg eines Stars, der dann während der Mutterschaft strauchelt, um in Folge des Glaubens und des wachsenden Ruhmes des eigenen Mannes in der Versenkung verschwindet.
Doch was, wenn sie noch "den" Auftritt gehabt hätte?
Wie wäre ihre Karriere im Anschluss verlaufen?
Was hätte sie noch schaffen können, wenn sie nach dem Rosenkrieg aus dessen Schatten hätte heraustreten können?

Während die Krimihandlung von Anfang an relativ offensichtlich gehalten und das Ende recht vorhersehbar ist, sind die kritischen Stimmen im Text umso lauter.
Menschen werden aufgrund ihres Glaubens oder ihres Geschlechts anders oder gar abwertend behandelt und so schafft es die Autorin dem Text auch eine Dynamik zu geben, die über den Krimi hinausgeht.
Denn sowohl Else als auch einzelne andere Figuren, stellen Fragen, die sich nicht so eben beantworten lassen.

Die Autorin weckt mit dem Krimi die Neugier auf eine Zeit, die noch gar nicht solange her ist. Das ist in meinen Augen der gelungenere Aspekt des Buches, auch wenn es ein Krimi ist.

3,5 von 5 Brettern, die die Welt bedeuten

Sonntag, 26. Oktober 2025

Stefanie Neeb "Copenhagen Cinnamon"

Eigentlich stolpert Jonna eher zufällig in das hyygelige Café von Mads, denn sie flüchtet gerade vor einem Streit mit ihrem Vater. Aus der Not wird eine Tugend und so übernimmt sie direkt eine Schicht inmitten von Kaffeesorten, Milchschaum und einem zuweilen sehr launischen Mads.
Denn nicht nur ihr Leben ist gerade von Problemen und Orientierungslosigkeit durchzogen, auch bei Mads stehen viele Zeichen auf Sturm und so ist es die Frage, bei wem der beiden sich das nächste Chaos manifestiert.

Oft gelten Bücher, die mit einem gemütlichen Cover aufwarten, als oberflächlich und ihre Handlung als zu vorhersehbar. 
Stefanie Neeb überrascht mit ihrer Geschichte, die sie kapitelweise mal aus der Sicht von Jonna, mal aus der Sicht von Mads erzählt. 
Probleme, Belastungen und nicht nur das reine Rosarot trifft hier auf die entspannte Atmosphäre Kopenhagens.
Sie schreibt die Geschichte so, dass die Charaktere einem beim Lesen zunehmend ans Herz wachsen und schafft es dabei, mit Überraschungen aufzuwarten, die immer logisch, doch dabei nicht immer vorhersehbar sind. 
Es ist ein Buch, welches Aufregung und Wut genauso in den Vordergrund stellt, wie auch die Entspannung und die Zuneigung. Es zeigt, wie vielschichtig Menschen sein können und wie oft man sich mit der Oberfläche zufrieden gibt, obwohl man soviel mehr bekommen könnte.

4,5 von 5 Kaffeesorten

Samstag, 25. Oktober 2025

Frankfurter Buchmesse Nachschau


Eine Woche ist die Frankfurter Buchmesse schon vorbei und selten haben die Eindrücke so lange nachgehallt wie dieses Jahr.
Die Frankfurter Buchmesse hat in den letzten Jahren umgebaut, die Gänge sind nicht mehr so voll und die Menschenmassen halten sich mehr in Grenzen als früher. 
Man kann mehr von den Ständen sehen, kommt zeitweilig auch ins Gespräch.
Alles in allem ein gelungene Überarbeitung.
Eine weitere gute Idee waren die vielen Fotoecken. 
Was ich allerdings schade finde, war die geringe Auswahl an Büchern.
Viele Stände hatten zwar nicht weniger Regalfläche als früher, aber dafür waren häufiger die gleichen Bücher zu sehen. 
Für nächstes Jahr würde ich mir noch ein paar coole Sitzecken wünschen. Dann wäre es perfekt.
Mit der richtigen Begleitung ist die Messe eines der schönsten Erlebnisse des Jahres. 😊
Und ja, dieses Jahr durfte nicht viel mit nach Hause, aber die Erinnerungen zählen.

Freitag, 24. Oktober 2025

Joe Pitkin "Exit Black"

Ein Hotel im Weltall. Klingt futuristisch, ist aber die Grundlage für "Exit Black".
Während die Forschungsstation weiterhin in Betrieb bleibt, reisen die ersten Übernachtungsgäste hinauf zum "Imperium".
Natürlich können sich nur die reichsten der Reichen eine solche Übernachtung leisten und so wird an nichts gespart. Training vor dem Flug, Weltraumspaziergang, Designerweltraumanzüge ...
Dagegen wirkt das Personal eher schlicht. Die Forschungsleiterin muss beim Empfang helfen und andere vermeintlich nicht forschungsbedingte Aufgaben fallen auf einmal ebenfalls in ihren Bereich.
Und auch beim Empfang kristallisiert sich zunehmend heraus, dass es nicht die Bildung ist, die eine Gesellschaft formt, sondern es ist und bleibt: das Geld.
Daher wundert es nicht, dass sich des Nachts die eingeschlichenen Terroristen zusammenfinden, um ihre Erpressung zu starten, doch das soviel schief laufen würde, hatte wohl keiner bedacht.

Ein Locked-Room-Mystery in Verbindung mit Science Fiction hätte mein Jahreshighlight werden können. Doch leider es ist das nicht geworden. Vieles ist dabei natürlich Geschmackssache, aber einige Sachen haben mir so gar nicht gefallen.
Der Anfang ist spannend aufgebaut und zieht den Leser direkt in die Geschichte. Der darauffolgende Szenenwechsel macht neugierig, doch schon der nächste Kapitelwechsel bremst meine Freude. Die Erzählperspektive wechselt ab hier fortlaufend und bremst damit oftmals die Handlung aus, da man sich wieder und wieder orientieren muss, bei welcher Figur man sich befindet und wann die Szene zeitlich spielt. Es ist sicherlich ein gutes Stilmittel, doch für mich wurde die Geschichte damit zu unübersichtlich.
Die nachfolgend einsetzende Action gibt der Eingruppierung als "Thriller" recht, doch auch hier hat mir die Umsetzung nicht zugesagt. 

Was mir richtig gut gefallen hat, sind die eingestreuten fachlichen Hinweise, wie der Wechsel zwischen Schweben und Schwerkraft und auch der Einsatz von den verschiedenen, technischen Möglichkeiten.

Auch wenn es mir in der Umsetzung nicht gefallen hat, sind mir bei der Geschichte keine inhaltlichen Fehler aufgefallen, sodass das Buch jemandem, der sich sowohl für Science Fiction als für Krimi interessiert, eine Lesefreude bereiten könnte.


3 von 5 Weltraumspaziergängen

Montag, 20. Oktober 2025

Andreas Russenberger "Arosa - wo auch Gauner Urlaub machen"

Arosa - ein Ort für Geld, Reichtum ... und entsprechende Gaunereien. Denn wo es Geld gibt, ist der Neid nicht fern und so hat Andreas Russenberger Arosa als den Ort seiner Kurzkrimis auserkoren.

Dabei sind es nicht immer die großen Diebstähle, Mord und Totschlag, derer er sich annimmt, sondern auch gerne die kleinen Bosheiten, die den Betroffenen ebenso zur Weißglut bringen können.

Bei seinen Kurzkrimis liefert der Autor eine bunte Bandbreite, die nicht nur bei den Textlängen und Inhalten, sondern ebenso bei den Handlungszeitpunkten und den Erzählperspektiven variiert. Mit jedem Seitenumblättern wirft er uns in ein neues Szenario, das sich in die Gesamtheit der Texte harmonisch eingliedert.

Mal mit einem Schmunzeln, mal mit einem Kopfschütteln liest man die Geschichten und ist auf Grund der Bandbreite oftmals erstaunt, dass es sich bei allen um den gleichen Autor handelt. 

Andreas Russenberger gelingt es, ohne sich selbst zu wiederholen, eine kriminelles Bild aufzubauen, das seinesgleichen sucht.


5 von 5 Kurzkrimis

Mittwoch, 15. Oktober 2025

Ulrike Gastmann "99 Lessons for Life"

Lebenstipps zu geben hat in den letzten Jahren massiven Zuwachs erfahren. Dabei wird in Werken oft nicht unterschieden, ob der Mensch wirklich etwas zu sagen hat oder ob sich dessen Name einfach nur gut verkauft.

'99 Lessons for Life' hat einen anderen Ansatz. Ulrike Gastmann hat 99 Viten versammelt und jeweils eine Kernaussage aus dem individuellen Leben zur Weisheit erkoren.
Durch die gelungene Gliederung sind die Texte mal humorvoll, mal tragisch und auch inspirierend. 

Allen ist dabei gemein, dass es sich um Personen aus den verschiedensten Sparten mit den vielfältigen Lebensläufen handelt, die aber immer eins gemeinsam haben: sie sind - in welcher Form auch immer - über sich hinaus gewachsen. Sie berühren die Menschen mit ihrem Leben oder ihren Taten und sind damit Wegweiser für andere Menschen.

Es bietet sich an, die Weisheiten portioniert zu lesen, um auch über das eine oder andere Schicksal nachzudenken.
Vielfach vergisst man, dass es auch wichtig ist, die Texte nicht nur zu lesen, sondern deren Inhalt auch zu verstehen und auch in das eigene Leben und zu integrieren. Und genau das benötigt Zeit.

Ein tolles Buch, wenn man sich in der Hektik des Alltags auf wesentliche Dinge konzentrieren möchte.

4 von 5 Lebensweisheiten

Montag, 13. Oktober 2025

Charles Derennes "Ungeheuer am Nordpol"

Denkt man an Literatur, die sich aus einem Tatsachenbericht und Fiktion zusammensetzt, kommt einem unweigerlich der Name Jules Verne und vielleicht noch H.G. Wells in den Sinn, der Name Charles Derennes wohl eher nicht. Dabei tut man dem Autor, der von 1882 bis 1930 lebte, unrecht. Auch wenn er nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie die Herren Verne und Wells besitzt, in seiner Ausdrucksweise und seiner Kreativität steht er den beiden in nichts nach.

Um die Jahrhundertwende beginnt der Kampf um die Eroberung der Pole. Gar nicht so leicht erscheint es, das richtige Gefährt für die Entfernung und auch für die bevorstehenden Strapazen zu finden. So ist es nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Herren, Jean-Louis de Vénasque und Jacques Ceintras zusammentun, um Geld, Ausrüstung und eine Mannschaft zu organisieren, die ihr Gefährt auf den Weg bringen soll. Als die beiden schließlich unter Zeitdruck den Pol erreichen, finden sie Wesen vor, die so gar nicht menschlich sind.
Ein gegenseitiges Beobachten baut die Spannung langsam auf, um dann durch Verfolgung und Hass sich auf wenigen Seiten komplett zu entladen.

Wodurch dieser Roman besticht, ist die ungewöhnliche Erzählperspektive. Schon aus anderen Werken dieser Zeit kennt man, dass es nicht nur einen Erzähler gibt. In diesem Werk findet der Autor eine Möglichkeit, den Bericht so zu verschachteln, dass man immer wieder aus einer Sphäre auftaucht, um dann die Qualität des Textes und seinen Aufbau entsprechend zu würdigen.

Abgeschlossen durch eine historische Einordnung des Übersetzers zeigt das Buch, wie Autoren von anderen Autoren lernen können, wie sie sich beeinflussen lassen und doch ihre eigene Note einbringen. 

Denn Charles Derennes ist mitnichten eine Kopie von Jules Verne noch von H.G. Wells. 

4,5 von 5 Ungeheuern


Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Oktober 2025

Philipp Spielbusch "Ich hab da nur kurz draufgeklickt, und jetzt ist alles weg"

Wir alle hatten schon einmal diesen Moment, in dem wir sowohl den Computer oder auch das Smartphone für ihre Funktionsweise verflucht haben. Kommen dann noch die entsprechenden Kommentare von herbeigerufenen IT-Spezialisten kann es ... nun ja ... zu Komplikationen kommen. Denn die eigene Unzulänglichkeit oder fehlerhafte, wenn auch unwissentlich, Handhabung von technischen Geräten kann zu unwiederbringlichen Datenverlusten führen.
Mit einer gehörigen Portion Humor, der auch schon bei manchen Episoden an Galgenhumor erinnert, erzählt Philipp Spielbusch von seinem Berufsalltag.
Computer, Laptops, Smartphones und auch das ausgefallene Stromnetz bilden die Grundlage für seine Geschichten inklusive deren Nutzer. Denn bei Weitem ist es nicht "der Klient" oder "die Klientin", die immer wieder beim IT-Spezialisten vorstellig wird, vielmehr ist die Klientel im Lauf der fortschreitenden Digitalisierung immer breitgefächerter geworden. Sicherlich ist es immer noch ein Großteil der Menschen, die Technik ihre eigenen Fehler zuschiebt, doch es rückt auch eine Generation von Nutzern hinterher, die über ein gefährliches Halbwissen verfügen, und somit ihre Systeme nur zur Hälfte durchdenken.
Ob man bei den Geschichten aus Schadenfreude schmunzelt oder ob des Nichtwissens den Kopf schüttelt, man kann sich an dem so lange erfreuen, so lange es nicht die eigene Technik und die eigenen Daten betrifft, denn dann ist man selber schuld. 😊
Um die Pointen zu verstehen, ist ein gewisses technisches Verständnis sinnvoll, auch wenn der Autor in einen kleinen Blöcken Fachbegriffe immer wieder erläutert und die Einsatzmöglichkeiten erklärt. Ein tolles Buch über den Alltag mit Menschen und Technik.

5 von 5 USB-Kabeln