Samstag, 22. November 2025

Matthias A. K. Zimmermann "Kryonium 2.0"

Was erwartet man, wenn ein Buch "neu" erzählt wird?
Ist man neugierig?
Ist man skeptisch?
Bis zum Schluss kann ich diese Frage bei dem Buch nicht für mich beantworten.

Aber zum Anfang …
"Kryonium", dem aufmerksamen Leser dürfte das Buch bekannt vorkommen. Bereits vor fünf Jahren erschien das Buch und wurde zum Preisträger des Deutschen Verlagspreises. Eine Welt in einer Welt, in der nichts so ist, wie es im ersten Moment scheint.
Doch man kann die Geschichte auch anders erzählen: Ritter und Burgfräulein eröffnen die zweite Version und der Ich-Erzähler steht unter Betäubung. Wer ist er? Wo ist er? Und warum ist er überhaupt dort?
Viele Fragen überfluten den Leser und auch die Figur, wenn es heißt den Ausbruch zu starten und das Leben hinter dem Schloss zu suchen.

Während des Lesens habe ich immer versucht, mich an die erste Fassung zu erinnern. Wie war es hier? Was ist geändert? Das nahm mir ziemlich den Spaß beim Lesen. Doch wenn man den Gedanken loslässt und sich auf die Verschachtelungen des Autoren einlässt, fällt man nahezu in das berühmte Loch aus den Büchern von "Alice im Wunderland". Immer wieder wechselt der Autor den Ansatz und fordert die volle Konzentration des Lesers. Denn durch die verschiedenen Verweise und Gedanken ist das Buch genauso komplex wie die erste Fassung.

Doch bleibt für mich die erste Fassung, die die mir mehr gefällt.
Warum?
Das weiß ich gar nicht so recht. Vielleicht, weil mich die Vorstellung ein zweites Mal tausend Kraniche zu falten ein bisschen abschreckt. 😉

4 von 5 Kranichen

Danke an den Autor für das Rezensionsexemplar.

Freitag, 21. November 2025

Theresa Breslin "Drachen - Märchen und Mythen aus aller Welt"

Fabelwesen haben es in der menschlichen Welt nicht leicht. Oft sind sie, genau wie andere Menschen, Vorurteilen ausgeliefert und haben es mit ihren Eigenarten und ihrer Andersartigkeit schwer. Wie reich der Schatz an Wissen und Zuwendung durch sie sein kann, wird dabei oft verkannt.
Mit Drachen um die Welt und durch die verschiedenen Kulturen begleiten wir die Autorin Theresa Breslin und lernen, dass es nicht immer der Drache ist, den man fürchten muss, sondern eher die Wesen des Menschen hinter der Geschichte.

Denn ob Japan oder Russland die Drachen sind den Menschen Helfer in der Not und beweisen, dass sie ihr Feuer auch im Zaum halten können.
In Griechenland hingegen schützen sie einen Schatz und werden durch den Menschen instrumentalisiert, um ihnen die Arbeit abzunehmen.

Wunderschön illustriert bietet der Band neben dem klassischen Märchenbuch ein wunderschöne Ergänzung, wenn es um die alten Sagen geht.

Die textliche Anpassung für junge Leser macht die Erzählungen für jedermann zugänglicher und es gibt somit keine Ausrede, sich nicht mit antiken Sagen zu beschäftigen.

5 von 5 Drachen

Donnerstag, 20. November 2025

Jean Bastide "Idefix und die Unbeugsamen 5"


Ein weiteres Abenteuer für Idefix und seine Unbeugsamen steht an.

Wir befinden und immer noch um das Jahr 52 v.Chr. und die römischen Polizeihunde (formschön in der klassischen römischen Uniform) machen die Straßen von Lutetia unsicher.
Doch in diesem Abenteuer spielen sie eine eher kleinere Rolle. Vielmehr taucht Miraculix in den Wäldern vor Lutetia auf und wird prompt von einem Straßenräuber überfallen. Schnell eilt er zu einem Druidenkollegen, doch bekanntlich ist bei den Römern guter Rat teuer und sie laden in der Arena.
Wieder eine Aufgabe für Idefix und seine Truppe und einer eher ungewöhnlichen Druidin.
Doch gerade sie ist es, die dem Römer den Kopf verdreht und somit die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Ein famoses Hin und Her, Verwandlung hier, Flucht dort, um letztlich wieder zu zeigen, in diesen Comics gibt es noch das Gute und das Böse.
Tatsächlich besteht dieser Band nur aus einem Comic und ich muss sagen, er gefällt mir wesentlich besser als die vorigen Kurzcomics.

5 von 5 Hundepatrouillen

Mittwoch, 19. November 2025

Jorn Lier Horst "Clue 1. Schiffbruch vor der Felseninsel"

Als Celina eine Leiche am Strand findet, wird sie zwangsläufig an den Tod ihrer Mutter erinnert. Gut, dass Leo auch zufällig am Strand auftaucht und sie bei den Ermittlungen unterstützt. Denn zusammen mit Une und deren Hund Egon kommen die drei schnell dahinter, dass sich viel zu viele Verdächtige in der kleinen Pension "Perle" herumtreiben. Als dann noch ein gekentertes Schiff auftaucht und immer mehr ausländische Gäste in der Pension einziehen, wittern die drei eine große Straftat.

Schon "Die drei Fragezeichen" und "Fünf Freunde" haben bewiesen, dass auch Kinder mit ihrer Neugier einen guten Spürsinn und eine hervorragende Auffassungsgabe haben.
Im ersten Band der Reihe "Clue" zeigen drei Kinder, dass man auch in der heutigen Zeit fern ab von Computer und zuhause sitzen noch große Abenteuer erleben kann. Hier geht es zeitweilig richtig hoch her, denn an Gefahren mangelt es nicht. Böse Schurken und die Gefahren der Natur sind nur ein paar Dinge, die den jungen Ermittlern zustoßen.

Neben dem Text werden mehrfach auch Themen wie Recht, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung angesprochen, was dem Krimi eine moralische Tiefe gibt. 
Der Verlag schlägt es Lesern ab neun Jahren vor, hier würde ich ergänzen, dass die Kinder schon ein bisschen Leseerfahrung haben sollten, um das Buch vollumfänglich genießen zu können.

4,5 von 5 Strandgütern

Dienstag, 18. November 2025

Robert Louis Stevenson "Dr. Jekyll & Mr. Hyde"

Hört man den Namen Robert Louis Stevenson denkt man als erstes an "Die Schatzinsel" und an "Dr. Jekyll & Mr. Hyde".
Schon diese beiden Geschichten zeigen, welche Bandbreite man von dem Autoren erwarten kann.
Während "Die Schatzinsel" die Piratengeschichte an sich ist, zeigt "Dr. Jekyll & Mr. Hyde", wie es ist, für die Zwänge der Gesellschaft ein Ventil zu finden.

In dieser Schmuckausgabe bildet "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" das zentrale Thema. Mit dunklen Seiten und grüner Schrift, vermeintlich handgeschriebenen Briefen und den für diese Ausgabenreihe bekannten Extras wird die Erzählung hervorragend untermalt. Die Gänsehaut kriecht hinauf, während man Dr. Jekyll bei seinem Verderben beobachtet. Die Erzählperspektive und auch die Stimmung des Textes spiegelt die innere Zerrissenheit und den Wunsch des Ausbruches einzigartig wieder und man will gar nicht aufhören, in die Geschichte weiter einzutauchen.

Neben dieser Erzählung umfasst die Schmuckausgabe fünf weitere Kurzgeschichten. Keine reicht für mich an "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" heran, aber das muss es auch nicht zwangsläufig. Vielmehr zeigen die Texte ein Spektrum der Möglichkeiten und auch, was Menschen schon immer interessiert. Während "Die Versprengte" in die alte Sagenwelt eintaucht, macht man bei "Der Flaschenteufel" einen Ausflug in die hintersinnigen Gedanken, wie viel Ruhm und Ehre man erwartet, um dafür dem Teufel zu begegnen.

"Der Leichenräuber" zeigt die damalige Angst und Gedankenwelt rund um die Grabräuberei und den Diebstahl von Leichen im Dienste der Wissenschaft.

Bei allen Texten schafft es Stevenson eine eigene Note zu treffen und trotzdem ist allen Geschichten ein leichter Schauer gemein.

Die Leichtigkeit, mit der man diesen Klassiker liest, spricht auch dafür, dass die Themen, wenn auch in abgewandelter Form, heute immer noch präsent sind.


4,5 von 5 Verwandlungen

Samstag, 15. November 2025

Brian Clegg "Durchblick Künstliche Intelligenz"

Auf gerade einmal 160 Seiten gibt der Populärwissenschaftler Brian Clegg einen Überblick zu dem Thema "Künstliche Intelligenz".
Unterstützt mit Schaubilder, Grafiken und kurzen, prägnanten Zusammenfassungen zeichnet er die Geschichte der KI seit dem Turing-Test nach.
Bei seinen Texten legt er darauf wert, dass man zwischen der Wissenschaft und dem Bild aus Literatur und Film unterscheidet. Denn vielfach vermischt sich Fiktion und Realität in dem Halbwissen, das Menschen über KI besitzen.
Unterteilt ist das Buch in acht Kapitel, die sich jeweils unterschiedlichen Bereichen der KI widmen. Während die zentrale Frage im Raum steht, ob die KI den Menschen irgendwann übertreffen wird, stehen auf den Nebenschauplätzen die Fragen, wird sie es im Schwarm tun oder hat sie überhaupt ein Interesse daran?
Viele Gedanken, die wir uns zur Zeit machen, sind menschlicher Natur und der Autor hinterfragt, ob eine KI solche Gedanken überhaupt entwickeln würde und was, wenn sie themenübergreifender denken könnte, ihre Bestrebungen antreiben würde.
Ein technisches Verständnis und vielleicht ein Grundwissen zum Thema Computer und Technik können bei dem Buch von Vorteil sein, da trotz vieler Erklärungen, der Text sonst zu zäh wirken könnte.
Der Wechsel zwischen Grafik, Technik und Zusammenfassung bietet allerdings eine gute Mischung, um das Thema breitgefächert zu präsentieren.

4 von 5 Robotern

Denzau, Küpper & Fuchs (Hrsg) "Ein Huhn, ein Mord"

Was war zuerst? Das Huhn oder der Mord? Oder war es ... 
In fünfzehn Kurzgeschichten führen uns sie Herausgeberinnen in die Welt der Hühner, Enten und anderen gefiederten Lebewesen. Dabei haben es die Autoren und Autorinnen geschafft, die Geschichten sehr abwechslungsreich zu gestalten. Denn nicht immer ist das Tier mit Schuld beladen, nein, sie werden auch als Ermittler eingesetzt.
Mal humorvoll, mal bierernst, mal einfühlsam und auch mal traurig erzählen die Krimis von Menschen und Tieren, die auf Grund ihrer Nähe beide voneinander abhängig sind. Auch wenn es die Menschen sich nicht immer eingestehen wollen. Gilt der Hund oftmals als der beste Freund des Menschen, so scheint es, ist es das Huhn, welches den Menschen am besten versteht und seine Handlungen teilweise vorhersehen kann.
Wer Krimis außerhalb der klassischen Ermittler-Täter-Aufklärung mag und sich dabei gerne in Kurzgeschichten und dem stetigen Wechsel der Perspektiven verliert, dem sei diese Sammlung empfohlen. Die Autoren und Autorinnen haben schon oftmals bewiesen, dass sie ihr Handwerk für Kurzgeschichten beherrschen und selbst bei diesem eher ungewöhnlichen Thema, schaffen es alle einen interessanten Kurzkrimi zu schreiben.

4 von 5 Hühnern

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Dienstag, 11. November 2025

Andrea Maria Dusl "Die Kolumne"

Hast du schon einmal eine Kolumne gelesen? Oder vielleicht sogar eine geschrieben?
Was ist der Unterschied zu einer Glosse? Einem Kommentar? Oder ...
Andrea Maria Dusl unternimmt in diesem Band dreiunddreißig Versuche, dem Lesenden die Kolumne näher zu bringen?
Die vermeintlich wichtigsten Fragen: an wen richtet sich die Kolumne und was ist ihr Inhalt.
In den jeweiligen Selbstversuchen geht die Autorin diesen und auch anderen Fragen auf den Grund.
Sie streift dabei die Philosophie, die Geschichte, die Popkultur und natürlich auch ganz wesentlich die Etymologie.
Man trifft auf andere Kolumnist*innen, lernt wie aus einer Kolumne ein Buch wird und warum man auch im Urlaub schreiben muss.
Dabei ist der Ton ihrer Texte oftmals nüchtern und man ist ein ums andere Mal unsicher, ob sie alle Texte bierernst oder doch auch mal mit einem Augenzwinkern versieht.
In den kurzen, gehaltvollen Texten lernt man viel, über den Journalismus, das Leben und auch die Einstellung dazu.
Für die Kürze der Texte sind die Inhalte gewichtig und die Worte der Autorin hallen ein um das andere Mal nach.
Es ist kein Buch für zwischendurch, es ist ein Buch zum Nachdenken und Innehalten.

4 von 5 Kolumnen

Sonntag, 9. November 2025

Rainer Wüst "Augenscheinlich"

Zwischen Kohleöfen und Fußballstadien beginnt eine Krimireihe, wie sie dem (Ruhr-)Pott nicht besser zu Gesicht stehen könnte. Tief in Essen treibt ein Killer sein Unwesen und er schreckt vor keiner Grausamkeit zurück. Er verstümmelt seine Opfer und lässt den Ermittler Frank Lederer oft ahnungslos im Dunkeln tappen. 
Dabei ist es nicht so, dass der Polizist nur dieses Leid zu schultern hat.
Private Probleme hemmen ihn oftmals im Alltag und nur so gerade eben kann er beides unter den berühmten Hut bringen. Gut, dass er seinen Kollegen Mohamed Ceylan zur Seite hat, der ihn auch in den dunkelsten Stunden unterstützt. Und die Stunden sind arg düster.
Selbst vor schönen Orten wie der Gruga macht der Killer keinen Halt und es bleibt abzuwarten, ob Frank ihm auf die Spur kommt oder ob der Killer ihn zuerst zu fassen bekommt.

Wem der klassische Thriller zu langweilig ist, da er nur vor Blut trieft, dem sei dieser Krimi wärmstens empfohlen, denn Rainer Wüst schafft den Spagat zwischen Krimi und Thriller. Spannend wie ein Thriller, verwickelt und durchdacht wie ein Krimi, ist "Augenscheinlich" mit seinem Lokalkolorit die Literatur für den coolen Krimi aus dem Ruhrpott.

5 von 5 Augen

Catrin Bartenbach "Der royale Reiseführer"

Ihr wolltet immer schon einmal wissen, wo die Royals shoppen? Was sie sich ansehen, welche Restaurants sie besuchen?
Dann braucht ihr diesen Reiseführer.
Elf Monarchien werden nacheinander vorgestellt. Eingeleitet werden die Monarchien mit einer historischen Einordnung.
Wann wurden sie durch welches Volk gegründet?
Welche Herrscherfamilie ist zur Zeit an der Macht und welche Macht haben die Monarchen in der heutigen Zeit noch?
Dann geht es auf eine Rundtour durch das jeweilige Land. Landsitz, Herrscherhaus, Hutmacher, Konditor, Bekleidung im allgemeinen und Schuhe im Besonderen werden hier vorgestellt.
Das Interessante dabei, oftmals sind die Herrschenden sehr volksnah und selbst als Mensch, der nicht Zehntausende im Jahr verdient, kann man sich das eine oder andere Stück leisten.
Nicht umsonst waren viele Kleidungsstücke, die gerade im englischen Königshaus getragen wurden, schnell danach ausverkauft.
Mit Hinweisen auf Eintrittspreise und Öffnungszeiten bietet das Buch zudem eine kleine Planungsübersicht, die durch die jeweiligen Internetseiten ergänzt werden.
Einer Kulturreise steht somit nichts mehr im Weg.
Ein paar mehr Fotos hätten dem Bildband an einigen Stellen noch gut getan, aber es schmälert nicht den Informationsgehalt dieses Buches.

4 von 5 Reisenden

Samstag, 8. November 2025

Nils Meyer-Selbach_Jörg Dierkes "Ahrensblut"

Als der Hamburger Journalist Robert Kuhn auf die Gleise bei dem Ahrensburger Bahnhof aufschlägt, ist es mit der Ruhe in der kleinen Nachbarstadt von Hamburg vorbei.
Schon der Streit um das Neubauprojekt hat in den letzten Monaten für viel Missgunst innerhalb der Stadt gesorgt und nun stirbt der Journalist, der sich kritisch mit dem Projekt auseinandergesetzt hat.
Kann das ein Zufall sein?
Viele Probleme stürzen gleichzeitig auf die Ermittler rund um Marie Stahlmann ein, so auch die Krankheit ihres eigenen Chefs und die damit einhergehenden personellen Veränderungen.
Und, das weiß ja bekanntlich jeder Krimileser, die Zeugen wollen partout nie beim ersten Mal die ganze Wahrheit sagen, was zu tödlichen Konsequenzen führt.

Die beiden Autoren führen mit "Ahrensblut" in mehrerlei Hinsicht hinter die Kulissen. Wenn man schon einmal über Korruption und Erpressung gelesen hat, so führen die beiden hier sehr deutlich auf, dass es immer wieder unter dem Tarnmantel der Verschwiegenheit und einem erheblichen Geldfluss bei vielen an Moral und Anstand mangelt.
Fortwährend werden den Polizisten im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg gelegt, weil jeder sich selbst der nächste ist. 
Denn zu guter Letzt geht es nicht nur um den Tod des Journalisten, sondern vielmehr darum, wie käuflich eine Gesellschaft sein kann und wie einzelne Menschen daran zunehmend zu Grunde gehen können.
Ohne den Splatter eines Thrillers schaffen es die beiden einen gelungenen Krimi abzuliefern, der die Machenschaften von vielen aufdeckt und zeigt: Verbrechen lohnt sich nicht.

4,5 von 5 Ermittlern

Danke für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 6. November 2025

Melanie Vogltanz "Shape me"

Von der Möglichkeit im Schlaf abzunehmen, haben wir alle schon einmal geträumt. Zu schön ist die Vorstellung, einen gesunden, schlanken Körper ohne großes Zutun zu erlangen.
Doch was wäre, wenn es eine Firma gäbe, bei der man den eigenen Körper eintauschen kann, damit Fitnesstrainer*innen diesen Körper über Sport und gesenkte Kalorienzahl wieder in Schwung bringen?
Als Nena Jean eines Tages ihren Kalorienchip nicht mehr nutzen kann, denkt sie erst an die vermeintlich harmlose Variante, dass sie vergessen hat, sich morgens zu wiegen. Das sollte eigentlich unmöglich sein und wie sich kurze Zeit später herausstellt, ist es das auch nicht gewesen. Was ihr im Anschluss blüht, ist ein Kampf gegen Windmühlen, denn die Bürokratie hilft ihr nicht. Vielmehr lässt sie sie mit ihren Problemen und ihrem Hunger allein. Und schließlich wacht sie eines Morgens auf und ist nicht mehr sie selbst.
Aus Tagebucheinträgen, Fernseh- und Zeitungsberichten und unterschiedlichen Erzählperspektiven schildert uns die Autorin eine Welt, die durch Kalorien in einem ganz anderen Maße als heute diktiert wird. Man kann nicht mehr essen, was man will, man muss sich danach richten, was der Chip einem zuteilt.
Macht und deren Missbrauch sind in einer solchen Gesellschaft schnell zur Stelle und so entwickelt sich Nenas Leben zu einem Spießroutenlauf. Denn niemand spricht anfangs die Wahrheit aus und die Autorin schafft es durch Blick- und Zeitenwechsel den Lesenden immer bei der Stange zu halten und die pure Konzentration zu fordern. Denn der Text ist spannend und zeitweilig beängstigend zugleich. Schonungslos öffnet sie die weite Schere zwischen arm und reich, sowie die zwischen "dem kleinem Menschen" und "der Machtgier". 
Es ist ein Buch, was oft bedrückt und gleichzeitig wachrüttelt. Es macht einem unmissverständlich klar, wie sehr man auch im Kleinen für sein eigenes Leben verantwortlich ist.
Mit Realitätsnähe, Psychologie und Spannung webt Melanie einen Text, den man nicht so schnell vergisst.

5 von 5 Abnehmzyklen 

Dienstag, 4. November 2025

Fabcaro "Asterix in Lusitanien"

Die Welt von Asterix und seinen Freunden zu betreten, hat immer nostalgische Züge.
Während andere Comicfiguren immer wieder überarbeitet werden, haben die Figuren ihren Charme über die Jahrzehnte bewahrt.
Dabei waren Asterix und all die anderen Figuren auch schon von Band eins an politisch.
Mal mehr, mal weniger.
Auch in diesem Abenteuer sehen sich die Gallier einer großen, römischen Ungerechtigkeit gegenüber.
Während die Piraten dieses Mal en Passant abgefrühstückt werden, trifft es die römische Station in Lusitanien mit voller Wucht.
Cäsars liebster Garum-Lieferant wird beschuldigt, den großen Herrscher Roms vergiften zu wollen. Doch wie so oft, sind es Machtbestrebungen und Missgunst, die die Feder führen.

Was mir bei diesem Band besonders gut gefällt, ist, dass neue Figuren in Lusitanien denen aus alten Bänden z.B. Ägypten sehr ähnlich sehen und man beim Lesen direkt an die alten Geschichten erinnert wird. Ob dies bewusst geschah, weiß ich nicht, aber es brachte mich an eigenen Stellen besonders zum Schmunzeln.

Sicherlich ist die Handlung vorhersehbar, aber gerade weil man weiß, dass die Geschichte gut ausgeht, liebt man Asterixbände so sehr.

4,5 von 5 Galliern

Freitag, 31. Oktober 2025

Annabel Chase "Spellbound - Tod eines aufrechten Vampirs"

Spellbound - ein verschlafenes Dorf ... irgendwo im Nirgendwo.
Eigentlich wollte Emma zu einer Mandantin, als sie einen Engel an einer Klippe stehen sieht. Einen Engel?!?
So oder so ähnlich ist ihre Reaktion. Die Rettung gelingt, doch dafür ist sie danach eingeschlossen. In einer Welt, die vor magischen oder gar mystischen Wesen nur so wimmelt.
Frisch angereist wird sie direkt dem Hexenzirkel unterstellt, begibt sich in die entsprechende Ausbildung und darf nebenbei den Posten der Strafverteidigerin übernehmen, denn selbiger wurde kurz zuvor ermordet. 
In einer Welt von Sonderlingen herauszustechen, ist schon eine wirkliche Kunst, aber Emma schafft das. Einerseits mit ihrer Unbedarftheit und andererseits mit dem Wunsch, sich nicht anzupassen.
Schnell wird klar, dass es mehr zwischen Wand und Erde gibt und dass diese Begrenzung Fluch und Segen zugleich sein kann.

Mit dem Auftakt zu ihrer Serie "Spellbound" schafft es die Autorin in einem cosy crime mehrere Sachen anzugehen. Einerseits die Andersartigkeit und damit eine mögliche Besonderheit. Andererseits zeigt sie, dass das Genre des Krimis auch vor fremden Wesen keinen Halt macht. Denn Missgunst und Neid gibt es bei allen und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich entweder alle wieder lieb haben oder die nächste Leiche auftaucht. 
Achtung: Der Humor ist zeitweilig sehr trocken, dann aber auch mal wieder sehr düster. Freunde des britischen Humors werden ihre Freude haben, andere eher nicht so. 
Ein guter Einstieg in eine etwas andere Reihe.

4 von 5 Wesen

Christoph Grimm (Hrsg) "Bibbernächte"

Heute Abend noch nichts vor?
Wie wäre es passend zu Halloween mit ein paar Gruselgeschichten?

Bei der Neuveröffentlichung von "Bibbernächte" durfte ich auch eine kleine Geistergeschichte beisteuern, die in einem Museum spielt.
Inspiriert durch die Gänsehaut-Bücher unserer Jugend finden sich in dem Buch sechszehn nervenzerfetzende Geschichten, die von ruhelosen Geistern, unheimlichen Begegnungen und Geschöpfen, die in der Finsternis lauern, erzählen.

Kleine Kostprobe?

Hat sich auf dem Smartphone ein Dämon eingenistet?
Ist die neue Mitschülerin eine Hexe?
Zeigen Spiegel nur uns selbst?
Was führt der unheimliche Mann von nebenan im Schilde und was passiert eigentlich nachts auf dem Friedhof?

Gruselspaß garantiert. Also Süßes oder Saures auf den Tisch und die Nase ins Buch gesteckt.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Autoreninterview Helen Herbst

Hallo zusammen.

Diesen Monat habe ich eine Autorin gefunden, die uns mit ihren cosy crimes in eine etwas andere englische Gesellschaft führt und es ist spannend, ihr dabei zu folgen. 

(Foto: Birgit Poindl_Sabine Preißl (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Buchstaben haben mich von Anfang an fasziniert. Ich habe mit großer Freude lesen gelernt und schon früh angefangen, mit Sprache zu spielen – sei es beim Schreiben von Aufsätzen oder beim Analysieren von Grammatik. In der Volks-schule war ich ein richtiger Bücherwurm und habe alles verschlungen, was mir in die Hände fiel.
In meiner Jugend trat das Lesen etwas in den Hintergrund, das Leben war laut und bunt. Doch als ich später meine Kinder bekam und ihnen Geschichten vorlas, erwachte meine alte Liebe zu den Büchern wieder mit voller Kraft. Und mit ihr kam der Gedanke: Warum nicht selbst schreiben? Warum nicht eigene Welten und Figuren erfinden, denen andere genauso gern begegnen würden, wie ich es einst getan habe?
Das war mein Weg vom Bücherwurm zur Geschichtenerzählerin.

Wie kam es zu deinem Krimi „Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“?
„Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“ trug ursprünglich den Arbeits-titel „Warum der Gärtner sterben musste“. Es war das erste Exposé, das ich für meine Literaturagentin entworfen habe. Die Idee dazu kam mir an einem Dezembernachmittag. Ich saß am Schreibtisch und wusste nur, dass ich einen humorvollen Krimi entwickeln wollte.
Dann dachte ich daran, dass Adel mich schon immer fasziniert hat. Vor meinem inneren Auge sah ich eine elegante ältere Lady in ihrem Herrenhaus am Tisch sitzen. Sie war zwar privilegiert, aber wirkte unnahbar und einsam. Plötzlich kam der Butler durch die Tür herein. Ich habe ihn nicht herbeigedacht, er ist einfach gekommen. Dass der Gärtner gestorben ist, ist eine Hommage an das Sprichwort „Der Mörder ist immer der Gärtner“. Bloß: Der kann es ja in diesem Fall nicht gewesen sein.😊
Und so ist es bis heute. Dem Entwickeln der Geschichten liegt zuerst ein Plan zugrunde, eine gewisse Idee und zwischendurch verselbständigen sich Figuren und Szenen in meinem Kopf. Es ist die pure Freude für mich.

Gibt es für Lady Agnes ein konkretes literarisches Vorbild?
Eigentlich nicht im klassischen Sinn. Lady Agnes trägt jedoch Züge von Persönlichkeiten, die mich immer fasziniert haben. In ihrer Haltung und Unnahbarkeit erinnert sie mich an die Queen, wie ich sie bei Auftritten im Fernsehen erlebt habe – würdevoll, beherrscht und zugleich schwer zu durchschauen. Ihr Stil hat etwas von der Eleganz einer Anna Wintour, und ihr Wissensdrang spiegelt die Neugier vieler Menschen wider, die sich nie mit einfachen Antworten zufriedengeben.
Trotz ihrer adeligen Herkunft ist Lady Agnes im Kern ein Mensch wie jeder andere – mit Sehnsüchten, Sorgen und dem Wunsch, verstanden zu werden. Ich möchte, dass sie im Lauf der Reihe ihre durch Stand und Erziehung geprägte Distanz nach und nach verliert und lernt, Nähe zuzulassen. Denn genau darin liegt für mich ihr wahrer Reiz – hinter der Fassade einer Lady verbirgt sich ein verletzlicher Mensch mit Herz und Sehnsüchten.

Neben dem Kriminalfall räumst du auch mit Vorurteilen auf (Adel hat Besitz und Geld). Hat dich das bei anderen Büchern bewusst gestört, dass du hier eine andere Herangehensweise wählst?
Ja, da sprichst du einen interessanten Punkt an. Man denkt gemeinhin, adelig zu sein bedeute automatisch, über Geld und Macht zu verfügen. Dabei stecken dahinter oft viel Tradition, Verpflichtung und Verfall. Das wollte ich in meinem Buch – bei allem Humor – bewusst aufgreifen.
Lady Agnes lebt in einem bröckelnden Herrenhaus, mit mehr Stolz als Geld und sie muss sich behaupten, statt sich auf Standesprivilegien verlassen zu können. Das bringt Spannung und manchmal auch ein bisschen Melancholie.

Welcher ist dein liebster Charakter?
Ich liebe alle Bewohner des Herrenhauses – Lady Agnes, ihren Butler Henderson und die Köchin Grace. Und natürlich habe ich auch den Kommissar Edward Sterling und die Gerichtsmedizinerin Emily Corps ins Herz geschlossen. Deshalb fällt es mir gar nicht so leicht, einen Lieblingscharakter zu benennen.
Aber ich glaube, Henderson ist mir besonders nah gekommen. Er ist als Figur sehr greifbar geworden.
Vielleicht, weil sein ausgeprägter Aberglaube ihm etwas Eigenwilliges, fast Rührendes verleiht. Durch diese Eigenart spüre ich ihn beim Schreiben besonders deutlich – als würde er mir manchmal selbst zuflüstern, was als Nächstes passiert.

Viele Cosy Crimes werden direkt mit den großen Klassikern wie z. B. Agatha Christie verglichen. Worüber würdest du mit ihr sprechen, wenn du die Möglichkeit hättest?
Ich würde Agatha Christie gerne fragen, worauf sie beim Entwickeln ihrer Krimis besonderen Wert gelegt hat, mich nach ihren eigenen literarischen Vorbildern erkundigen und sie nach ihrer Schreibroutine fragen. Außerdem würde mich interessieren, ob sie heute einen Cosy Crime über Social Media, Influencer und moderne Skandale schreiben würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie daran großen Spaß hätte!

Wird es weitere Bände um Lady Agnes geben?
Ja, das wird es. Bereits nächstes Jahr, voraussichtlich im Sommer, wird ein neuer Band mit Lady Agnes erscheinen. So viel darf ich verraten: Dieses Mal dreht sich alles um Scones – und um einen vergifteten Gourmetkritiker.

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Helen erfahren:

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Sophie Reyer "Tod bei den Salzburger Festspielen"

Else Heims soll den Tod spielen. Nicht, weil die anderen das unbedingt wollen, sondern, weil es nicht anders geht. Beide Schauspieler des Todes sind tot und das nur wenige Tage vor Beginn der Salzburger Festspiele.

Sophie Reyer verwebt Realität und Fiktion, mischt Glaubenssätze und Kulturen, wandelt Sühne in Schuld. In Rückblenden begibt sie sich mit dem Leser in die Vergangenheit von Else Heims. Wir begleiten den Aufstieg eines Stars, der dann während der Mutterschaft strauchelt, um in Folge des Glaubens und des wachsenden Ruhmes des eigenen Mannes in der Versenkung verschwindet.
Doch was, wenn sie noch "den" Auftritt gehabt hätte?
Wie wäre ihre Karriere im Anschluss verlaufen?
Was hätte sie noch schaffen können, wenn sie nach dem Rosenkrieg aus dessen Schatten hätte heraustreten können?

Während die Krimihandlung von Anfang an relativ offensichtlich gehalten und das Ende recht vorhersehbar ist, sind die kritischen Stimmen im Text umso lauter.
Menschen werden aufgrund ihres Glaubens oder ihres Geschlechts anders oder gar abwertend behandelt und so schafft es die Autorin dem Text auch eine Dynamik zu geben, die über den Krimi hinausgeht.
Denn sowohl Else als auch einzelne andere Figuren, stellen Fragen, die sich nicht so eben beantworten lassen.

Die Autorin weckt mit dem Krimi die Neugier auf eine Zeit, die noch gar nicht solange her ist. Das ist in meinen Augen der gelungenere Aspekt des Buches, auch wenn es ein Krimi ist.

3,5 von 5 Brettern, die die Welt bedeuten

Sonntag, 26. Oktober 2025

Stefanie Neeb "Copenhagen Cinnamon"

Eigentlich stolpert Jonna eher zufällig in das hyygelige Café von Mads, denn sie flüchtet gerade vor einem Streit mit ihrem Vater. Aus der Not wird eine Tugend und so übernimmt sie direkt eine Schicht inmitten von Kaffeesorten, Milchschaum und einem zuweilen sehr launischen Mads.
Denn nicht nur ihr Leben ist gerade von Problemen und Orientierungslosigkeit durchzogen, auch bei Mads stehen viele Zeichen auf Sturm und so ist es die Frage, bei wem der beiden sich das nächste Chaos manifestiert.

Oft gelten Bücher, die mit einem gemütlichen Cover aufwarten, als oberflächlich und ihre Handlung als zu vorhersehbar. 
Stefanie Neeb überrascht mit ihrer Geschichte, die sie kapitelweise mal aus der Sicht von Jonna, mal aus der Sicht von Mads erzählt. 
Probleme, Belastungen und nicht nur das reine Rosarot trifft hier auf die entspannte Atmosphäre Kopenhagens.
Sie schreibt die Geschichte so, dass die Charaktere einem beim Lesen zunehmend ans Herz wachsen und schafft es dabei, mit Überraschungen aufzuwarten, die immer logisch, doch dabei nicht immer vorhersehbar sind. 
Es ist ein Buch, welches Aufregung und Wut genauso in den Vordergrund stellt, wie auch die Entspannung und die Zuneigung. Es zeigt, wie vielschichtig Menschen sein können und wie oft man sich mit der Oberfläche zufrieden gibt, obwohl man soviel mehr bekommen könnte.

4,5 von 5 Kaffeesorten

Samstag, 25. Oktober 2025

Frankfurter Buchmesse Nachschau


Eine Woche ist die Frankfurter Buchmesse schon vorbei und selten haben die Eindrücke so lange nachgehallt wie dieses Jahr.
Die Frankfurter Buchmesse hat in den letzten Jahren umgebaut, die Gänge sind nicht mehr so voll und die Menschenmassen halten sich mehr in Grenzen als früher. 
Man kann mehr von den Ständen sehen, kommt zeitweilig auch ins Gespräch.
Alles in allem ein gelungene Überarbeitung.
Eine weitere gute Idee waren die vielen Fotoecken. 
Was ich allerdings schade finde, war die geringe Auswahl an Büchern.
Viele Stände hatten zwar nicht weniger Regalfläche als früher, aber dafür waren häufiger die gleichen Bücher zu sehen. 
Für nächstes Jahr würde ich mir noch ein paar coole Sitzecken wünschen. Dann wäre es perfekt.
Mit der richtigen Begleitung ist die Messe eines der schönsten Erlebnisse des Jahres. 😊
Und ja, dieses Jahr durfte nicht viel mit nach Hause, aber die Erinnerungen zählen.

Freitag, 24. Oktober 2025

Joe Pitkin "Exit Black"

Ein Hotel im Weltall. Klingt futuristisch, ist aber die Grundlage für "Exit Black".
Während die Forschungsstation weiterhin in Betrieb bleibt, reisen die ersten Übernachtungsgäste hinauf zum "Imperium".
Natürlich können sich nur die reichsten der Reichen eine solche Übernachtung leisten und so wird an nichts gespart. Training vor dem Flug, Weltraumspaziergang, Designerweltraumanzüge ...
Dagegen wirkt das Personal eher schlicht. Die Forschungsleiterin muss beim Empfang helfen und andere vermeintlich nicht forschungsbedingte Aufgaben fallen auf einmal ebenfalls in ihren Bereich.
Und auch beim Empfang kristallisiert sich zunehmend heraus, dass es nicht die Bildung ist, die eine Gesellschaft formt, sondern es ist und bleibt: das Geld.
Daher wundert es nicht, dass sich des Nachts die eingeschlichenen Terroristen zusammenfinden, um ihre Erpressung zu starten, doch das soviel schief laufen würde, hatte wohl keiner bedacht.

Ein Locked-Room-Mystery in Verbindung mit Science Fiction hätte mein Jahreshighlight werden können. Doch leider es ist das nicht geworden. Vieles ist dabei natürlich Geschmackssache, aber einige Sachen haben mir so gar nicht gefallen.
Der Anfang ist spannend aufgebaut und zieht den Leser direkt in die Geschichte. Der darauffolgende Szenenwechsel macht neugierig, doch schon der nächste Kapitelwechsel bremst meine Freude. Die Erzählperspektive wechselt ab hier fortlaufend und bremst damit oftmals die Handlung aus, da man sich wieder und wieder orientieren muss, bei welcher Figur man sich befindet und wann die Szene zeitlich spielt. Es ist sicherlich ein gutes Stilmittel, doch für mich wurde die Geschichte damit zu unübersichtlich.
Die nachfolgend einsetzende Action gibt der Eingruppierung als "Thriller" recht, doch auch hier hat mir die Umsetzung nicht zugesagt. 

Was mir richtig gut gefallen hat, sind die eingestreuten fachlichen Hinweise, wie der Wechsel zwischen Schweben und Schwerkraft und auch der Einsatz von den verschiedenen, technischen Möglichkeiten.

Auch wenn es mir in der Umsetzung nicht gefallen hat, sind mir bei der Geschichte keine inhaltlichen Fehler aufgefallen, sodass das Buch jemandem, der sich sowohl für Science Fiction als für Krimi interessiert, eine Lesefreude bereiten könnte.


3 von 5 Weltraumspaziergängen

Montag, 20. Oktober 2025

Andreas Russenberger "Arosa - wo auch Gauner Urlaub machen"

Arosa - ein Ort für Geld, Reichtum ... und entsprechende Gaunereien. Denn wo es Geld gibt, ist der Neid nicht fern und so hat Andreas Russenberger Arosa als den Ort seiner Kurzkrimis auserkoren.

Dabei sind es nicht immer die großen Diebstähle, Mord und Totschlag, derer er sich annimmt, sondern auch gerne die kleinen Bosheiten, die den Betroffenen ebenso zur Weißglut bringen können.

Bei seinen Kurzkrimis liefert der Autor eine bunte Bandbreite, die nicht nur bei den Textlängen und Inhalten, sondern ebenso bei den Handlungszeitpunkten und den Erzählperspektiven variiert. Mit jedem Seitenumblättern wirft er uns in ein neues Szenario, das sich in die Gesamtheit der Texte harmonisch eingliedert.

Mal mit einem Schmunzeln, mal mit einem Kopfschütteln liest man die Geschichten und ist auf Grund der Bandbreite oftmals erstaunt, dass es sich bei allen um den gleichen Autor handelt. 

Andreas Russenberger gelingt es, ohne sich selbst zu wiederholen, eine kriminelles Bild aufzubauen, das seinesgleichen sucht.


5 von 5 Kurzkrimis

Mittwoch, 15. Oktober 2025

Ulrike Gastmann "99 Lessons for Life"

Lebenstipps zu geben hat in den letzten Jahren massiven Zuwachs erfahren. Dabei wird in Werken oft nicht unterschieden, ob der Mensch wirklich etwas zu sagen hat oder ob sich dessen Name einfach nur gut verkauft.

'99 Lessons for Life' hat einen anderen Ansatz. Ulrike Gastmann hat 99 Viten versammelt und jeweils eine Kernaussage aus dem individuellen Leben zur Weisheit erkoren.
Durch die gelungene Gliederung sind die Texte mal humorvoll, mal tragisch und auch inspirierend. 

Allen ist dabei gemein, dass es sich um Personen aus den verschiedensten Sparten mit den vielfältigen Lebensläufen handelt, die aber immer eins gemeinsam haben: sie sind - in welcher Form auch immer - über sich hinaus gewachsen. Sie berühren die Menschen mit ihrem Leben oder ihren Taten und sind damit Wegweiser für andere Menschen.

Es bietet sich an, die Weisheiten portioniert zu lesen, um auch über das eine oder andere Schicksal nachzudenken.
Vielfach vergisst man, dass es auch wichtig ist, die Texte nicht nur zu lesen, sondern deren Inhalt auch zu verstehen und auch in das eigene Leben und zu integrieren. Und genau das benötigt Zeit.

Ein tolles Buch, wenn man sich in der Hektik des Alltags auf wesentliche Dinge konzentrieren möchte.

4 von 5 Lebensweisheiten

Montag, 13. Oktober 2025

Charles Derennes "Ungeheuer am Nordpol"

Denkt man an Literatur, die sich aus einem Tatsachenbericht und Fiktion zusammensetzt, kommt einem unweigerlich der Name Jules Verne und vielleicht noch H.G. Wells in den Sinn, der Name Charles Derennes wohl eher nicht. Dabei tut man dem Autor, der von 1882 bis 1930 lebte, unrecht. Auch wenn er nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie die Herren Verne und Wells besitzt, in seiner Ausdrucksweise und seiner Kreativität steht er den beiden in nichts nach.

Um die Jahrhundertwende beginnt der Kampf um die Eroberung der Pole. Gar nicht so leicht erscheint es, das richtige Gefährt für die Entfernung und auch für die bevorstehenden Strapazen zu finden. So ist es nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Herren, Jean-Louis de Vénasque und Jacques Ceintras zusammentun, um Geld, Ausrüstung und eine Mannschaft zu organisieren, die ihr Gefährt auf den Weg bringen soll. Als die beiden schließlich unter Zeitdruck den Pol erreichen, finden sie Wesen vor, die so gar nicht menschlich sind.
Ein gegenseitiges Beobachten baut die Spannung langsam auf, um dann durch Verfolgung und Hass sich auf wenigen Seiten komplett zu entladen.

Wodurch dieser Roman besticht, ist die ungewöhnliche Erzählperspektive. Schon aus anderen Werken dieser Zeit kennt man, dass es nicht nur einen Erzähler gibt. In diesem Werk findet der Autor eine Möglichkeit, den Bericht so zu verschachteln, dass man immer wieder aus einer Sphäre auftaucht, um dann die Qualität des Textes und seinen Aufbau entsprechend zu würdigen.

Abgeschlossen durch eine historische Einordnung des Übersetzers zeigt das Buch, wie Autoren von anderen Autoren lernen können, wie sie sich beeinflussen lassen und doch ihre eigene Note einbringen. 

Denn Charles Derennes ist mitnichten eine Kopie von Jules Verne noch von H.G. Wells. 

4,5 von 5 Ungeheuern


Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Oktober 2025

Philipp Spielbusch "Ich hab da nur kurz draufgeklickt, und jetzt ist alles weg"

Wir alle hatten schon einmal diesen Moment, in dem wir sowohl den Computer oder auch das Smartphone für ihre Funktionsweise verflucht haben. Kommen dann noch die entsprechenden Kommentare von herbeigerufenen IT-Spezialisten kann es ... nun ja ... zu Komplikationen kommen. Denn die eigene Unzulänglichkeit oder fehlerhafte, wenn auch unwissentlich, Handhabung von technischen Geräten kann zu unwiederbringlichen Datenverlusten führen.
Mit einer gehörigen Portion Humor, der auch schon bei manchen Episoden an Galgenhumor erinnert, erzählt Philipp Spielbusch von seinem Berufsalltag.
Computer, Laptops, Smartphones und auch das ausgefallene Stromnetz bilden die Grundlage für seine Geschichten inklusive deren Nutzer. Denn bei Weitem ist es nicht "der Klient" oder "die Klientin", die immer wieder beim IT-Spezialisten vorstellig wird, vielmehr ist die Klientel im Lauf der fortschreitenden Digitalisierung immer breitgefächerter geworden. Sicherlich ist es immer noch ein Großteil der Menschen, die Technik ihre eigenen Fehler zuschiebt, doch es rückt auch eine Generation von Nutzern hinterher, die über ein gefährliches Halbwissen verfügen, und somit ihre Systeme nur zur Hälfte durchdenken.
Ob man bei den Geschichten aus Schadenfreude schmunzelt oder ob des Nichtwissens den Kopf schüttelt, man kann sich an dem so lange erfreuen, so lange es nicht die eigene Technik und die eigenen Daten betrifft, denn dann ist man selber schuld. 😊
Um die Pointen zu verstehen, ist ein gewisses technisches Verständnis sinnvoll, auch wenn der Autor in einen kleinen Blöcken Fachbegriffe immer wieder erläutert und die Einsatzmöglichkeiten erklärt. Ein tolles Buch über den Alltag mit Menschen und Technik.

5 von 5 USB-Kabeln

Sonntag, 5. Oktober 2025

Kelly Mullen "Die Einladung"

Eigentlich hat es sich Rosemary, Mimi, in ihrem kleinen Cottage gemütlich gemacht. Wenige Menschen bewohnen in der Nachsaison die kleine Insel und sie könnte ihren Lebensabend genießen ... Würde sie nicht "Die Einladung" von Jane erhalten, verbunden mit der Drohung, dass ein Nichterscheinen auf Grund ihres Geheimnisses nicht in Frage kommt.
Kurzerhand bittet Mimi ihren Enkelin Addie anzureisen, welche gerade im Rechtsstreit um ihre Mitarbeit an einem Krimi-Online-Game steckt.
Großmutter und Enkelin treffen auf dem imposanten Anwesen ein, die Zugbrücke wird hochgezogen, ein Schneesturm beginnt und die erste Leiche wird gefunden.
Wer so viele Krimis gelesen hat, wie ich es bereits getan habe, ist bei neuen Konzepten immer ein wenig skeptisch und gerade dieser Krimi scheint die Lesenden sehr zu spalten.
Formulierungen wie altkluge Ermittlerinnen, Vergleiche mit Hercule Poirot und Miss Marple, die der Text auch schon selbst aufnimmt, werden in Rezensionen oft negativ bedacht.
Was stimmt ist, die beiden Ermittlerinnen recherchieren in ihrem ersten Fall und sie ziehen die beiden Detektive von Agatha Christie oft zu Rate, was sie in den jeweiligen Situationen tun würden. Die meisten Szenen haben hier unheimlich viel Charme und auch die Referenz zu der Spieleentwicklung von Addie führt zu mehrfachen Schmunzeln. Der Krimi versucht für mich eine Brücke zwischen den klassischen Kriminalromanen und der modernen Gaming-Szene zu schaffen und vielfach funktioniert es auch sehr gut. 
Nicht alle Charaktere werden bis ins Kleinste ausgezeichnet, aber das ist auch nicht immer notwendig. Schneesturm, unterirdische Gänge, Erpressung ... Die Autorin möchte alle Möglichkeiten der Verwirrung ausschöpfen und genau das macht es zum Ende schwierig, den Mörder zu ermitteln. Ein bisschen weniger von allem hätte dem klassischen Krimi gut getan, sieht man es aber aus der Gaming-Perspektive, kann es ja nie zu viel sein. 

4 von 5 Einladungen

Dienstag, 30. September 2025

Marie Meier "Seelengrube 1"

Jules Mission ist gescheitert.
Allein sitzt sie in einem Gefängnis und weiß nicht, was die Zukunft ihr bringen wird. Doch wirklich allein ist sie nicht. Mika ist ihr näher, als es erst den Anschein hat und löst eine Kette von Veränderungen in ihrem Leben aus, die sie sich nie hätte vorstellen können ... und vielleicht auch nie wollte.

Marie Meier zeichnet im ersten Band ihres "Seelengruben"-Zyklus ein recht düsteres Bild.
Die Menschen befinden sich in unterschiedlichen Ebenen. Je ärmer sie sind, desto tiefer ist die Ebene, in der sie leben.
Neid, Missgunst und Groll sind die täglichen Begleiter der Menschen und im ersten Moment wirkt alles trist.
Welche Aufgabe die Zitadelle und auch die Avatare haben, löst Marie nach und nach auf. Wir begleiten Jule, die so gar nicht versteht, wer ihr Leben zu lenken beginnt.
Neben ihrer Entwicklung erzählt Marie von anderen Personae und schildert, wie sie versuchen, sich in einer Leistungswelt über Wasser zu halten.

Maries Erzählstil passt sich unheimlich gut den Szenen an. Mal langsam und detailgenau, dann wieder schnell und dynamisch, sorgen die Wechsel für Spannung und Neugier.

Ein guter Einstieg in eine Serie, die unserer Welt mit ihren Problemen nicht unähnlich und dabei doch so ganz anders ist.

4 von 5 Seelen

Montag, 29. September 2025

Nina Blazon "Hans Christian Andersen - Mit dem Märchendichter im Südwesten"

Hans Christian Andersen als Popstar?
Was im ersten Moment ein wenig verstörend wirken kann, wird im Laufe der Lektüre eine andere Lesart des großen Märchendichters.

Den meisten ist er als sensibel und vorsichtig bekannt. Aufgewachsen in Armut, bedarf es anfangs einer Gönnerin, damit er am Theater Fuß fassen kann. Denn ursprünglich wollte Hans Christian Theaterstücke und Gedichte schreiben. Das Theater wird sein ganzes Leben begleiten und so interessiert ihn nicht nur die Umsetzung eines Stückes in anderen Ländern, sondern auch die Theatergebäude an sich.

Mehrfach begibt es Hans Christian Andersen auf die Grande Tour oder eine Tour, wie er sie selbst auslegt. Beinahe immer wird er auf den Reisen begleitet und lernt so die aufkommenden Reisemöglichkeiten, wie z.B. die Bahn kennen.

Es ist erstaunlich, dass er sich mit seinen ganzen Ängsten, Paniken und seinem häufigen körperlichen Unwohlsein immer wieder auf den Weg macht. Doch in seinen Märchen, die er von seinen Reisen aus anderen Ländern mitbringt, spürt man, wie wichtig diese Erkundungen für ihn sind. Dabei profitieren seine eigenen Märchen von Begegnungen und Beobachtungen, erweitern seine Vorstellungskraft und spiegeln ebenfalls den Zeitgeist wieder.

Nina Blazon begibt sich mit dem Buch auf die Spuren von Hans Christian Andersen. Forscht nach, erzählt wie es heute ist und wo man den großen Märchenerzähler antrifft. Sie erzählt von Treffen mit den großen seiner Zeit, taucht in sein Tagebuch ein und bringt Anekdoten zu Tage, die die Lesenden in der heutigen Zeit schmunzeln lassen. Sie schafft den Spagat zwischen der bekannten Figur und der eher unbekannten Privatperson und zeigt uns, wer seiner Zeitgenossen ihn leiden konnte und wer ihm eher aus dem Weg ging. Nebenbei berichtet sie auch noch über Kunst und Kultur seiner Zeit und spannt den Bogen in die heutige Literatur.

Das alles schafft sie auf knapp zweihundert Seiten und schürt damit den Drang, sich mehr mit Hans Christian Andersen zu beschäftigen.

5 von 5 Märchendichtern

Samstag, 27. September 2025

Christina Comnick_Sebastian Mauritz "Sinn: Über Leben in Krisen"

Krisen kennt jeder. Ratgeber über Krisen kennt auch jeder. Braucht es da einen weiteren?
Wie es im Leben mit so vielen Dingen ist, es können mehrere Dinge nebeneinander existieren und zeitgleich auch einen unterschiedlichen Schwerpunkt bieten.
Während viele Ratgeber sich auf einzelne Verhaltensweisen fokussieren und damit nur einen Teilbereich des eigentlichen Problems angehen, versuchen die beiden Autoren hier eine etwas andere Herangehensweise.
Wer einen Sinn in seiner Aufgabe und seinem Leben findet, lebt reflektierter und kann auch Krisen besser überstehen. Klingt wie eine Weisheit eines Glückskeks', doch wenn man den Gedanken einen Moment wirken lässt, erkennt man, wie viel Macht hinter diesen Worten steckt.
Natürlich kann man schwerlich einen Sinn finden, wenn man mitten in einer Krise steckt, doch manchmal kann dieser Gedanke sogar Leben retten. 
Doch warum braucht man überhaupt einen Sinn und welcher ist am besten geeignet?
In ihrem Workbook bieten die Autoren vielseitige Aspekte. Zum einen bedienen sie sich die Forschungen und erklären, was im Lauf von Studien erkannt und vermerkt wurde. Dieses Feld ist wichtig für das bessere Verständnis, doch gerade hier wäre eine etwas weniger formelle Sprache besser, um auch den Leser abzuholen, der gerade in einer Krise steckt. Die Stärken des Workbooks entfalten sich erst nach den Grundlagen, da sich hier verstärkt um die Praxistauglichkeit gekümmert wird.
Wann und wo kann ich den Sinn in den Alltag integrieren und wie finde ich das, was Sinn überhaupt ist? Denn, man mag es kaum glauben, zu bestimmen, was Sinn, Bestimmung, Aufgabe etc ist, ist gar nicht so einfach, wie es im ersten Moment klingen mag.
Zusammenfassungen und Schaubilder am Ende eines jeweiligen Abschnittes vertiefen die Inhalte und fassen die Kernaussagen noch einmal zusammen.
Das Buch sollte man langsam lesen, sich erarbeiten, damit sich die Gedanken und Grundsätze verfestigen können. Denn, wie die das Buch immer wiederholt, Sinn ist eine Übungssache und diese lebt von Wiederholungen.

4 von 5 Sinnspendern

Rezensionsexemplar: Sinn Über Leben in Krisen

Donnerstag, 25. September 2025

Edward Brooke-Hitching "Die Galerie des Wahnsinns"

Bei Kunst wird oft von Schönheit gesprochen oder sie wird unterstellt.
Kunst kann aber auch immer eine Grundlage für ein Gespräch, eine Debatte sein. Hier bietet sich die Schönheit zwar auch an, doch ist es mehr das Abstrakte oder zumindest nicht Regelkonforme, das zum Stein des Anstoßes wird.
Ob man bei den ausgewählten Bildern, Plastiken oder Installationen wirklich immer von Wahnsinn sprechen sollte, finde ich an manchen Stellen übertrieben, doch liegt der Wahnsinn, ebenso wie die Schönheit, im Auge des Betrachters.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema springen wir in die Zeit vor Christus. Ab hier nimmt uns der Autor mit durch die Zeit. Das Schöne an diesem Buch: Im Gegensatz zu anderen Kunstbüchern, begrenzt er sich nicht auf Europa, bei den passenden Werken schaut er über die europäischen Grenzen hinaus und zeigt, was es in Südamerika und Asien zu entdecken gibt.
Dabei ist das Buch im Wesentlichen so gestaltet, dass der Autor sich ein Werk aussucht und zu der Entstehung und auch dem geschichtlichen Hintergrund etwas erzählt. Vielfach werden zu den Texten ganzseitige Fotos abgedruckt, sodass man viele der erwähnten Details nicht nur erahnen, sondern erkennen kann. 

Die Mona Lisa würde ich wahrlich nicht dem Wahnsinn zuschreiben, doch wusstest ihr, dass es mehrere andere Interpretationen dieses Gemäldes gibt?

Kulte und deren Visualisierungen finden in diesem Bildband genauso Zuspruch, wie auch kurze Abhandlungen über Farben, Farbtechniken und Farbherstellung.

Das Buch ist wie ein Wimmelbild. Überall blitzen Anekdoten und unglaubliche Informationen hervor, die bei weitem nicht immer dem Wahnsinn dienen. Ungewöhnlich sind viele Werke allemal und es ist faszinierend in eine andere Welt der Kunst einzutauchen.

5 von 5 obskuren Schätzen

Autoreninterview Marie Meier Literaturinterview

Wer meinem Account schon länger folgt, weiß, dass ich es liebe, Romanfiguren zu interviewen. Dieses Mal hat sich Jule aus Marie Meiers "Seelengrube" Zeit für ein paar Fragen genommen.
Willkommen auf meinem Blog, Jule.

(Bild: Johanna Lehmert, Grafik: Maximilian Wust)

Als Figur in "Seelengrube" musst du das machen, was die Autorin vorgibt. Ist das immer leicht?
Jule: Nee, gar nicht. Mein Tag sieht normalerweise so aus: aufstehen, arbeiten gehen, dann Pizza und dazu eine nette Serie, manchmal auch ein Videospiel. Das ist natürlich nicht so spannend, sehe ich ein. Aber etwas weniger Action hätte es in der Geschichte auch getan. Ich meine, wieso müssen ständig Leute auf mich schießen? Ich wäre viel lieber eine Figur in einem netten Romance-Schinken. Vielleicht so eine High-School-Romanze, auch wenn ich da etwas jünger sein müsste. Ich wäre da so ne graue Maus, aber dann komme ich auf die neue Schule, alle finden mich cool und ein Werwolf-Vampir-Fee-Kerl will den Rest seines unsterblichen Lebens mit mir verbringen. So was. Das fände ich nett. Aber stattdessen werde ich von interstellaren Rebellen gefangen genommen und bedroht – außerdem muss ich in dieser nutzlosen Kraft besser werden, mit der ich unglücklicherweise geboren wurde …

Vor diesem Hintergrund: Siehst du positiv oder mit gemischten Gefühlen auf die nachfolgenden Bände?
Jule: Eher positiv. Klar, es passiert eine Menge Mist, aber auch einige gute Sachen. Den Werwolf-Vampir-Fee-Kerl habe ich vielleicht nicht bekommen, aber … Na ja. Ich gehe nicht leer aus. Auch so … so emotional, weißt du?

Aber erzähl doch mal, wie dein Alltag in Arges aussieht.
Jule: Ganz grob hab ich das ja schon beschrieben. Ich lebe im Fundament, das ist die zweittiefste Stadtebene. Da lebt man, wenn man nicht ganz Bodensatz ist, aber auch nicht richtig weit gekommen im Leben. Ich verschlafe meistens – aufstehen find ich echt schwer. Dann zwänge ich mich mit den ganzen Angestellten in die Bahn. Alle tragen Uniform oder Anzug – ich trage meistens meine Zitadellenuniform, dann rücken mir die Leute nicht so auf die Pelle. Früher bin ich dann zur Zitadelle gefahren, um Seminare zu besuchen und rufen zu lernen. Aber das mache ich eigentlich gar nicht mehr, ich bin ja auch … Ach, ist egal.
Auf jeden Fall mache ich momentan vor allen Dingen so Übersetzungsjobs für die interstellaren Handelsunternehmen. Viele sprechen nur Castil, aber gerade wenn die Leute mit Planeten im Rim handeln, brauchen sie eine Übersetzerin. Manchmal hänge ich dann in Hafenbüros rum, manchmal nehmen sie mich direkt mit. Mein zweites Standbein ist mein Job als Schiffsflüsterin. Unsere Raum-schiffe werden mit derselben Energie angetrieben, die ich auch kontrolliere, wenn ich rufe. Ich werde als Schiffsflüsterin ein Teil des Schiffs, bin dann quasi Antrieb und Schilde. Dank mir kann das Schiff auch den Raum falten. Das klingt episch, ist aber eigentlich ziemlich gechillt.
Ich verbringe viel Zeit in den Quartieren der Schiffsflüsterer, gucke Serien und bediene mich an der Minibar. Manchmal hab ich andere Jobs und … das kann man dann nachlesen.

Was magst du an dem Stilmix Science Fiction und Urban Fantasy?
Jule: An Science-Fiction mag ich den Komfort. Viele sagen, dass Arges ganz schön dystopisch ist. Aber wenn du nicht auf die Unterdrückung guckst und die reichen Arschlöcher, die an der Spitze stehen, also wenn du ganz fest die Augen zusammenkneifst, dann ist es schon ein toller Ort. Es gibt fast überall öffentliche Verkehrsmittel und sie sind immer pünktlich. Man kriegt so gut wie alle Dinge, die irgendwo im bekannten Kosmos produziert werden, weil Arges Hauptumschlagplatz für Waren ist. Die Entertainment-Kanäle haben Millionen von Serien, Filmen, Videospielen … Mit VR-Brillen kannst du deine Lieblingsstars anlecken – und die schmecken dann nach Pfefferminz oder so! Man kann quasi jede Krankheit heilen, aussehen wie man will, sein wer man will … wenn man nur genug Knete hat. Unsere Technologie ist die fortschrittlichste unter allen Planeten. Es ist cool – bis einem das Geld ausgeht. Dann ist es der schlimmste Ort im All, glaube ich.
Dass irgendetwas Fantasy ist, nehme ich gar nicht so wahr. Meine Kräfte stammen von einer hierzulande gut erforschten physikalischen Kraft. Wir haben einen eigenen Wissenschaftszweig dafür – den größten und am besten geförderten. Wir lachen Leute aus, die sagen, dass das Magie sei – das ist eine Meinung von Menschen, die noch nie Glimmer-Spektrogramme auswerten mussten. Erst seitdem ich das Monster kenne, verstehe ich ein bisschen besser, warum manche Menschen das, was ich tue, für phantastisch halten könnten.

Zurzeit sind in vielen Büchern "Buchspringer" unterwegs. Welche literarische Figur dürfte dich gerne besuchen?
Jule: Ich habe lange fast nur Fantasy gelesen – also ich persönlich fände so Werwolf-Vampir-Feen-Leute als Besucher schon ganz cool. Bei uns auf Arges gibt es die Comicreihe Red Hound, die handelt von einem Widerstandskämpfer. Ich lieb die sehr. Ich wünschte, es gäbe Red Hound wirklich und er würde mal vorbeikommen …
Meine Autorin sagt, dass sie gern mal die Crew aus Becky Chambers
Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten zu Besuch hätte.

Und welcher Charakter in "Seelengrube" erdet dich?
Jule: Fast alle meine Freunde tun das. Florence ist wie ein großer Bruder für mich. Er war früher auch an der Zitadelle und stammt auch aus der Unterstadt, er weiß, was ich durchgemacht habe und wie das Leben so für mich ist. Florence ist immer da – außer er muss in der Tapasbar seiner Eltern arbeiten. Emili ist eigentlich mein Vorgesetzter, doch das versteht er nicht so richtig. Deshalb sind wir Freunde. Mit ihm kann ich schweigen.
Meine Freundin Amy findet mich eigentlich zu geerdet – die hätte lieber, dass ich mal ein bisschen abgehobener werde.

Hast du ein Lebensmotto?
Jule: Nicht so richtig. Ich bin nicht so der „Live, Laugh, Love“-Mensch. Ich hab für jeden Tag ein eigenes Motto, je nachdem, wie es mir geht und wie düster die Welt gerade aussieht. Meistens ist es so was Uninspiriertes wie „Ich schaff das schon“ oder an schlechten Tagen ein „Morgen ist auch noch ein Tag“.


(Cover: Marie Meier, Grafik: Maximilian Wust)

Neugierig geworden? Dann schaut hier vorbei:
mariemeier.com
instagram.com/coffeeandkismet

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mia Cassany "Das große Buch des Schreckens"

Mit der Dunkelheit kommt das Grauen in die Welt. Nicht, dass in Realität so wäre, da bedarf es nicht zwingend die Abwesenheit von Licht, aber in Erzählungen spielt die Nacht und ihre Schwärze eine große und wichtige Rolle. Dieser Band stellt eigene Bösewichte aus den Geschichten vor und zeigt, dass sie vielleicht gar nicht so böse sind, wie sie im ersten Moment ausschauen.

Mit ganzseitigen Bildern werden die Wesen der Dunkelheit und ihre Texte vorgestellt. Bei Frankenstein wird auch ein kleiner Exkurs über die Entstehung eingeflochten. 

Auf 52 Seiten lernt man so ein wenig über die schwarzen Gestalten und kann sich danach entscheiden, welche man zuerst kennenlernen will.

Durch die detaillierte Aufmachung und dem Gespür für Szenerie ist das Buch als kleine Übersicht auch für die Lesenden geeignet, die die Texte schon kennen. Im Wesentlichen richtet sich das Werk an Erstleser und führt sie in die Welt des Gruselns ein.


5 von 5 Bösewichtern

Mittwoch, 24. September 2025

Lucy Jane Wood "Rewitched"

Man nehme: eine ungeschickte Hexe, eine beste Freundin, einen Fluch, einen gutaussehenden Mann und einen Buchladen.
Fertig ist DAS cosy Herbstbuch für dieses Jahr. 
Doch fangen wir am Anfang an: Belladonna feiert ihren 30. Geburtstag, doch ihre magischen Kräfte hat sie in den letzten Jahren eher nicht gefeiert. Und so sind ihre Kräfte nahezu eingerostet. Doch ihr Hexenzirkel will sie nicht so ohne Weiteres in die Welt der Nichthexen entlassen und so wird die Möglichkeit gefunden, dass Belle dreißig Tage Zeit bekommt, ihr verlorenes Wissen zu aktivieren und sich des Zirkels als würdig zu erweisen.
Doch nebenher wird ihr Job im Buchladen täglich schwerer und auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin bröckelt immer mehr.
Wie sagt man so schön, wenn etwas passiert, dann passiert alles gleichzeitig und so ist es auch in diesem Buch.
Doch wirkliche Hektik kommt eher selten auf. Nach und nach lernt man die Personen in Belles Umfeld kennen und zusammen mit ihr entdeckt man die neueren Charaktere. Während einige Wendungen bewusst in die Irre leiten, sind einige Pfade von Anfang an sehr deutlich gekennzeichnet und so wechseln sich Erwartung und Überraschung ab.
Der Autorin gelingt es dabei, trotz Spannung eine gewisse Ruhe und Bedeutung in dem Buch zu platzieren, weil es auch um das Thema Selbstfindung und Glaube an sich selbst dreht. Mit den richtigen Worten schafft sie es, alles zu thematisieren, ohne dabei einem Bereich zu viel Gewicht zu geben. Die angedeutete Liebesgeschichte passt sich dabei in die Gesamthandlung ein, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.
Ein rundherum schönes Buch. Zum Mitfiebern, zum Mitschwelgen und zum Mitwachsen.

4,5 von 5 Zaubertränken

Dienstag, 16. September 2025

Holly Jackson "Not quite dead yet"

Ein Schlag auf den Hinterkopf, dann ein erneuter, im Anschluss: tiefe Finsternis. Jet wird an Halloween in ihrem Zuhause angegriffen. Von wem? Das bleibt vorerst ein Rätsel. Auch wenn sie im Krankenhaus wieder aufwacht, sind ihre Tage gezählt, denn Komplikationen werden dazu führen, dass sie in wenigen Tagen wirklich tot sein wird. Während ihre Familie sie zu einem gefährlichen Eingriff drängen will, sieht sie in den letzten Tagen ihres Lebens die Chance ihren eigenen Mord aufzuklären.
Als wenn ein Thriller nicht schon spannungsgeladen genug wäre, setzt die Autorin mit der verbleibenden Lebenszeit ihrer Protagonistin noch eine ordentliche Portion Aufregung oben drauf. Sie schafft eine Atmosphäre, in der wirklich jeder mindestens einmal verdächtig ist und Jet an ihrer eigenen Menschenkenntnis zu zweifeln beginnt.
Was zum einen die Stärke des Buches ist, ist für mich aber zeitweilig aber auch ein Stück zu viel des Guten. Spannend ist das Buch bis zur letzten Seite und das Hin und Her, wer es letztlich warum war, ist auch nachvollziehbar, aber zwischendurch passieren so viele Zufälle, Widrigkeiten und Vorwürfe, dass es selbst für einen Thriller zu abwegig ist. 
Gut gelungen sind der Autorin die Charaktere, weil sie alle ihre eigenen Wesenszüge besitzen und nicht schlichte Verhaltensweisen der anderen durchgängig kopieren. 
Am besten zeigt sie die Beziehung zwischen Jet und Billy. Mit allen Facetten der Widersprüchlichkeiten sieht man, wie Menschen sich täuschen können, wenn man nicht miteinander spricht. Vielleicht der beste Part des gesamten Thrillers.

3,5 von 5 Kopfschmerzen

Samstag, 13. September 2025

Kai Focke "Hinterm Haus"

Leise quietscht das Gartentörchen, bevor wir uns "Hinterm Haus" wiederfinden.
Doch was gibt es hier zu entdecken?
Kurz- und Kürzestgeschichten, sie sind der Phantastik zuzuordnen, oder gar dem vom Autor selbst benannten Subgenre der Schmunzelphantastik.
Fremde Wesen und Kreaturen begegnen uns; die meisten sind lieb, andere muss man mit einer gewissen Skepsis betrachten.

Schuppen, Remisen, alte Mauern und viele mehr sind die Orte, die wir in dreiunddreißig Kurzgeschichten kennenlernen. Aufmerksame Leser des Autors werden einige Geschichten aus den Miniaturenbänden der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar wiedererkennen. Kai Focke hat sich einige der Erzählungen als Gerüst genommen und weitere neue Texte in seine Welt "Hinterm Haus" eingebettet.

Es darf gelacht, geschmunzelt, geseufzt und geheadbanged werden, denn auch ein Schuppen kann gerockt werden.

Untermalt werden einige Beiträge von Jessica Marquardts Illustrationen. Mal schlicht pointiert, mal mit großen Farbeinsatz und Witz beleuchten sie die Erzählungen noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive.

Den Abschluss bilden zwei Geschichten, die von Kai Fockes Wegbegleitern erdacht wurden. Friedhelm Schneidewind und Sabine Frambach begeben sich in das Universum der Remisen und steuern ihre Interpretation des Themas bei.

Durch die Kürze der einzelnen Beiträge lässt sich die Sammlung auch im vollgestopften Alltag unterbringen und nimmt nicht soviel Platz wie ein Schuppen ein. Der aufmerksame Leser wird zudem eine Fortsetzungsgeschichte finden, die fast romantisch ist.

4 von 5 Schmunzelkeksen

Freitag, 12. September 2025

Akram El-Bahay "Die Buchreisenden - Ein Weg aus Tinte und Magie"

Stell dir vor, du kannst im wahrsten Sinne des Wortes in dein Lieblingsbuch eintauchen. Du kannst eine Reise zwischen die Zeilen buchen. Die Schlacht bei Mordor betrachten, mit dem verrückten Hutmacher einen Tee trinken oder bei dem Sultan nach fliegenden Teppichen Ausschau halten. Das alles und noch viel mehr kannst du buchen. In einem kleinen Laden in der Charing Cross Road. Zwischen all den Buchläden befindet sich Libronautic Inc., ein Laden, der keine Bücher verkauft, sondern sie zugänglich macht.

Adam ist hier aufgewachsen. Endlich darf er eine eigene Reise betreuen und muss nicht mehr an die Hand genommen werden. Doch alles geht schief. Der Besucher verschwindet zwischen den Zeilen und eine Tür taucht auf. Während Adam von dem Geschehen völlig überfordert ist, sind die anderen Mitarbeiter der Meinung, er sei einfach noch nicht soweit. Doch die heile Welt hat einen Knacks bekommen und der Riss wird mit jedem gemurmelten Wort größer.

Akram El-Bahay zeigt in dem ersten Band seiner Dilogie, dass er es schafft, bekannte Geschichten mit seinen eigenen Erzählungen zu verweben. Passagen, die uns Werken der Weltliteratur bekannt sind, werden hier adaptiert und die Figuren auf seinen eigenen Text in ihrem Wesen und Verhalten angepasst. Er spinnt seinen eigenen Text so geschickt um die Worte anderer, dass ein Text entsteht, in den man im wahrsten Sinne des Wortes eintauchen kann.

Viele Informationen hält er, manchmal auch zu lange, zurück, um eine weitere Spannung aufzubauen, die das Buch eigentlich nicht nötig hat. Die Figuren bleiben dadurch in ihrem Verhalten und ihren Ambitionen ein wenig grau und zurückhaltend. Die großen Rätsel werden am Ende des ersten Bandes zumeist nicht beantwortet und es bleibt abzuwarten, wie sich die Ereignisse im zweiten Band entwickeln.

4 von 5 Buchreisenden

Montag, 8. September 2025

Annette Marie "Ein Cookie für den Dämon"

Wie bezwingt man einen Dämon? Indem man Cookies in den Bannkreis wirft? Vielleicht, vielleicht auch nicht?
Robins Eltern sind vor kurzem verstorben und so muss sie im Anwesen ihres Onkels unterkriechen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn während ihre Eltern so gar nichts mit Dämonenbeschwörung zu schaffen hatten, haust im Keller des Anwesens ein Dämon. Ein Dämon, der sich partout nicht bändigen lassen will.
Und Robin? Erst will sie nur die Bibliothek besuchen, doch viel schneller als ihr lieb ist, kommt sie zwischen die Fronten und das vermeintliche Zuhause wird zerlegt.

Als Nebenreihe zu "Spellbound" kann man die Reihe um Robin ohne Vorkenntnisse lesen. Die Zusammenhänge, die Gilden, die Feindschaften, alles wird zu Anfang und auch während der Handlung erläutert. Robin als Charakter wächst im ersten Band zunehmend mit der Gefahr, während ihr Dämon bis zum Schluss undurchsichtig bleibt. 

Die Autorin erzählt dabei viel über die erdachte Welt, ohne die Leser zu schnell durch Details zu verlieren. Allerdings fällt auf, dass sie eine Vorliebe für Farben hat und die Häufigkeit der Wiederholungen sind hier schon grenzwertig.
Ein netter Einstieg, der so manches Rätsel als Cliffhanger offen lässt.


3,5 von 5 Dämonen

Samstag, 30. August 2025

Helen Herbst "Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet"

Lady Agnes hat Sorgen und dabei kann sie nicht in Worte fassen, welche im Augenblick die größeren sind. Der tote Gärtner im Rosenbett oder die Tatsache, dass sie pleite ist. Hin- und hergerissen zwischen den beiden Gefühlslage sind ihre Angestellten Thomas und Grace eine unsagbare Stütze im Alltag, denn in einem großen Herrenhaus kann es sehr einsam sein. 
Doch als der Mord geschieht, können sich die drei Bewohner vor Besuchern kaum retten, auch wenn es zuweilen unangenehme Treffen sind. Schon im ersten Moment ist der Polizist äußerst feindselig und die alte Nachbarin, die eigentlich eher immer wie eine Dame wirkte, zeigt zunehmend gereizte Züge. Ausgerechnet in diesem Tohuwabohu wird Lady Agnes eingeladen, sich bei einer Gartenshow anzumelden, was im Dorf nicht bei allen auf Begeisterung stößt.

Detektivgeschichten sind dadurch gekennzeichnet, dass oftmals nicht die Polizei die Ermittlungen durchführt, sondern es sind die sogenannten einfachen Leute, die gerne belesen durch Kriminalromane, eine Ahnung vom Bösen und zwischenmenschlichen Beziehungen haben.
Die Gemütlichkeit fließt über die Eigenarten der Protagonisten und gerne auch deren Marotten in die Handlung ein. So ist es hier ein Haushalt, in dem alle Figuren größere und kleinere Geheimnisse haben und eine Schrulligkeit an den Tag legen, die immer wieder die Mundwinkel zucken lassen. Ein Butler, der schon morgens den Sonnengruß auf der eigenen Rasenfläche vollführt, ist schon ein sehr amüsantes Bild. Sonderlich komplex sind die Krimis nicht, da sie sich vielmehr auf die Personen und das Dorfleben konzentrieren.

Eine gelungene Mischung, die viele der englischen Werte hochhält und mit einem Augenzwinkern um moderne und auch tollpatschige Elemente ergänzt.

4 von 5 Rosengärten

Donnerstag, 28. August 2025

Autoreninterview Maria Orlovskaya

Hallo zusammen.
Diesen Monat habe ich eine Autorin gefunden, die dieses Jahr schon für ihre Texte ausgezeichnet wurde. Maria schafft es mit ihren Geschichten, die Lesenden zum Nachdenken anzuregen und über den Tellerrand zu schauen. 

(Foto: Maria Orlovskaya (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, habe ich mir epische Science Fantasy Stories ausgedacht und mit meinen Stofftieren nachgestellt. Die Hauptfiguren — ein matriarchales Adelsgeschlecht mit 12 Töchtern — bereiste die Sterne: auf unserem alten Perserteppich.
Meine Großmutter kam damals vorbei und meinte: “Warum fängst du nicht an, diese Geschichten aufzuschreiben?” Und ich so: „Ja, why not?!“

Du hast dieses Jahr den dritten Platz beim Kurt Lasswitz Preis für deine Kurzgeschichte geholt. Erzähl ein bisschen darüber, wie du diese Zeit erlebt hast.
Ja, irgendwie crazy alles. Kurz nach der Nominierung habe ich mich so gefühlt, als wäre ich jetzt eine “Person des öffentlichen Lebens” und habe alle möglichen peinlichen Captions und Bilder auf meinem Instagram-Profil archiviert. Aber irgendwie merkte ich dann, dass sich ja doch niemand so wirklich für mein Instagram interessiert :)
Die Preisverleihung auf dem WetzKon war allerdings herrlich. Und die Lesung hat auch sehr großen Spaß gemacht.

Bist du bei deinen Texten eher Team Utopie oder Dystopie?
Defintiv Dystopie. Wenn ich in die Kolumne von Theresa Hannig reinlese (oder besser gesagt reinhöre, denn ich habe sie in Wetzlar lesen hören) dann tut sich für mich definitiv ein Bild auf, das ich mit dem englischen Wort endearing beschreiben würde. Sorry an alle Lektoren, die meine Anglizismen hassen. Aber leider liebe ich meine Anglizismen sehr und an dieser Stelle wären andere (deutsche) Worte, wie z.B. niedlich sehr unangebracht. Denn es wäre schön, wirklich sehr schön, wenn ich daran glauben könnte.
Auch Star Trek spielt in einer Utopie. Einer Utopie, die aus der Linse des kalten Krieges entstanden ist.

Generell lässt sich sagen, dass jede Utopie aus einer bestimmten Linse heraus entsteht; aus einem bestimmten Blickwinkel. Die Utopie des einen ist des anderen Dystopie. Viele Dinge, die für mich technokratisch utopisch wären, z. B. ein KI-Filter für zwischenmenschliche Kommunikation, würden die meisten verschreien. Auf der anderen Seite finde ich Utopien, die andere Autor*innen sorgfältig zusammengeschustert haben, sehr dystopisch. Und nicht nur das: ich finde viele Gespräche, die ich mit meinen Freund*innen führe, zutiefst dystopisch.
Ich glaube, das interessanteste an einer Dystopie ist, dass die Charaktere nicht merken, dass sie in einer leben und der Leser mitgenommen wird, auf diese Reise der Erkenntnis. Dass es am Ende doch eine war.
Genauso glaube ich, dass die meisten nicht wissen, dass wir bereits in dystopischen Verhältnissen leben. Oder noch besser: dieser Aussage im Generellen zustimmen und doch blinde Flecken genau an den Stellen aufweisen, die ich aufzeigen möchte.

Wie und vor allem wo entstehen deine Geschichten?
In meinem Kopf, idk. Idk, Ngl, Lmao: Lektoren hassen diese Tricks. Aber ich glaube, eine jugendlich ausgerichtete Sprache ist zukunftstauglich. Und stehe dazu.
Spaß beiseite: meistens ist es sehr unglamourös. Es gibt irgendeine Ausschreibung irgendwo, und ich brainstorme Ideen. Und schaue mir an, was in den USA gerade gut ankommt. Eine gute Faustregel ist: das, was dort gerade cool ist, wird bei uns in max. einem Jahr auch langsam cool werden.
Also: orientiert euch an Clarkesworld, Kinder.

Ja und einige dieser Ideen schaffen es dann in die engere Auswahl, andere nicht. Zum Thema Worldbuilding kann ich die Bücher von Marie Brennan sehr empfehlen – zum Thema Dramaturgie Truby und Vogler. Die beiden letzteren haben wir auch an der Uni nahegelegt bekommen.

Auf deinem Instagram-Account habe ich gesehen, dass du auch Musik machst. Beflügelt das Schreiben die Musik oder ist es eher anders herum?
Irgendwann mit achtzehn habe ich mich ausschließlich auf Musik konzentriert und das Schreiben (wie sehr sehr oft in meinem Leben) aufgegeben. Weil die Musik keine Angriffsfläche bietet. Ein Ton ist vielseitig interpretierbar und ein Akkord, selbst wenn er moll sein mag, lässt keine Schlüsse auf den Menschen dahinter ziehen. Oder zumindest nur sehr schwammige. Doch das literarische Wort nagelt dich fest. Wenn du Pech hast, stellt es deine Biografie bloß – oder schlimmer noch: deine politische Meinung. Deswegen wollte ich mich hinter dem Ton verstecken.
Bis ich dann einundzwanzig war und es satt hatte, etwas Normales studieren zu müssen. Da ich fürs Konservatorium zu schlecht war und Gamedesign mir von meinem intellektuellen Moskauer Familienhaus verboten wurde, musste ich für die Bewerbung an der Babelsberger Uni wieder mit dem Schreiben anfangen. Oder zumindest ein paar alte Sachen von Staub befreien, um sie dort
einzureichen.

Was tust du bei einer Schreibflaute?
Wenn man professionell schreibt, und noch keinen Durchbruch hatte, kann man sich “Flauten” nicht leisten. Ich glaube Flauten sind etwas für Menschen, die entweder schon sehr komfortabel von ihrer Literatur leben können, oder für solche, die es von Anfang an nicht ernst gemeint haben.
Klingt vielleicht hart, aber anders sehe ich es nicht.

An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Von zwei Projekten kann ich kaum erzählen, denn sie liegen gerade bei zwei anonymisierten Stipendien vor und ich möchte eine Disqualifizierung nicht riskieren, weil ich mich hier verplappere. Ansonsten versuche ich, ein Manuskript von mir so aufzubereiten, dass es dramaturgisch ansprechender wird.
Da man es dem Climate Fiction zuordnen könnte, wäre das sogar ein Kandidat für 2-3 Agent*innen und Verlage, mit denen ich schon länger aus der Ferne flirte. Wer weiß, vielleicht klappt es ja?
Ich glaube ja kaum dran. Aber vielleicht drückt mir der* ein*e oder andere hier die Daumen.
Eine Sache, die ich allerdings verraten kann: ich arbeite an einem Stoff für die Anthologie “Zu den Wurzeln” vom Ohneohren Verlag, die leider jetzt eingefroren wurde. Das Worldbuilding ist bisher aber so cool, dass ich wahrscheinlich dennoch etwas daraus machen werde. Es geht um eine flat-earth-ancient-aliens-eske Theorie und dass diese vor mehreren Jahrtausenden zu 100% die Realität war.
Gerne könnt ihr dazu den Begriff “versteinerte bäume verschwörungstheorie” googeln. Ich finde das Konzept ziemlich knorke, auch wenn es wahrscheinlich zu 100% nicht der Realität entsprochen hat.

Aber wer weiß: idk, ngl. idc.

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Maria erfahren:
www.mariaorlovskaya.com
www.instagram.com/maorlovskaya

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.