Donnerstag, 28. März 2024

Autoreninterview Nele Sickel

Hallo zusammen.

Heute stellt Nele Sickel sich und ihre neueste Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" vor:

(Foto: Nele Sickel (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe schon seit meiner Kindheit, so wie die meisten Autoren. Tatsächlich wollte ich schon in der Grundschule Schriftstellerin werden. Das habe ich mir damals sicherlich etwas glamouröser vorgestellt, aber ich bin heute sehr zufrieden.

Mir bist du hauptsächlich als Kurzgeschichtenautorin bekannt. Für "Blutspuren im Hyperraum" hast eine Novelle verfasst. Hattest du wegen der Länge des Textes eine andere Arbeitsweise als sonst?
Gelegentlich schreibe ich auch Romane, aber mit Kurzgeschichten habe ich inzwischen besonders viel Übung und ein echt praktisches Talent entwickelt: Ich habe ein gutes Gespür, wie sich meine Ideen in Wortzahlen umsetzen lassen, und kann deshalb einen Text von vorn herein ziemlich genau auf die geforderte Länge planen. Daher lief es mit der Novelle auch ziemlich glatt, obwohl ich mit diesem Format vorher noch nichts zu tun hatte. Es gibt natürlich verschiedene Szenen und Handlungsorte und eine ganze Handvoll Figuren. Deshalb habe ich zum Notizbuch gegriffen und einige Gedanken vorher aufgeschrieben und geordnet. So etwas mache ich für Kurzgeschichten in der Regel nicht. Die fließen meist an ein oder zwei Abenden auf das Papier.

Du bist bei der Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" auch Herausgeberin. Erzähl doch einmal ein bisschen, was deine Aufgaben als Herausgeberin sind.
Die Herausgeberschaft habe ich im Laufe des Projekts übernommen, weil der liebe Chris Grimm, von dem die Idee zu der Anthologie stammt, die Arbeit daran leider nicht mehr weiterführen konnte. Damit fielen die ersten Aufgaben für mich weg: nämlich ein Konzept zu entwickeln, einen Verlag zu suchen und Autoren einzuladen. Das hat alles Chris gemacht. Ich habe die Texte der anderen Autoren lektoriert, eine Reihenfolge dafür festgelegt und den Klappentext geschrieben. Ich war auch ein bisschen ins Cover-Design und das Layout involviert, was wirklich Spaß macht. Und jetzt, da das Buch erschienen ist, versuche ich natürlich, gemeinsam mit dem Verlag fleißig die Werbetrommel zu rühren.

Noch eine weitere Frage zur Anthologie:
Die Texte spiegeln sehr unterschiedliche Formen der Kriminalliteratur wider. Wie schwer ist dir die Zusammenstellung gefallen?
Bei dieser Anthologie wurden die Autoren speziell angesprochen und eingeladen, mitzumachen. Wir haben einander unsere Grundideen vorgestellt, ehe es ans Schreiben ging, damit nichts allzu Ähnliches herauskommt, aber im Übrigen hatte jeder freie Hand. Dass so unterschiedliche Texte dabei herausgekommen sind, liegt daran, dass wir alle vier ganz andere Themenschwerpunkte und Stile haben. Ich habe also nichts aktiv zusammengestellt, bin allerdings trotzdem sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Was gefällt dir mehr: eine Geschichte zu schreiben oder sie vor Publikum vorzutragen?
Schreiben. Aber es ist ganz ehrlich ein knapper Sieg. Ich liebe es, vor Publikum zu lesen und live miterleben zu können, wie meine Geschichten wirken.

Bei Instagram erzählst du immer mal wieder von deinen Schreibwochenenden. Wie unterscheidet sich das Texte schreiben in der Gruppe von der Arbeit im stillen Kämmerlein?
Tatsächlich schreiben wir selten zusammen. Unsere Gruppe trifft sich einmal im Monat live  – das sind die Wochenenden, an denen ich dann immer die schönen Fotos poste – und an einem anderen Abend online. Bei diesen Gelegenheiten kann jeder, der Lust hat, einen unveröffentlichten Text mitbringen und bekommt dazu intensives Feedback. Wir tauschen unsere Eindrücke über die Szene und die Figuren aus, suchen Logikfehler, machen Stilvorschläge und so weiter. Geschrieben und überarbeitet wird zu Hause. Wir setzen uns allerdings auch manchmal zu Schreibübungen zusammen, in denen wir uns dann gegenseitig Impulse geben. Auch das kann sehr inspirierend sein.

Falls jetzt jemand hellhörig geworden ist: Wir sind die Schreibgruppe WOBBS und treffen uns im Raum Braunschweig/Wolfsburg, haben aber Mitglieder aus allen möglichen Ecken Deutschlands. Und ja, neue Mitglieder sind uns immer gerne willkommen.

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?
Ohhh, das ist eine wirklich schwere Frage. Durch die vielen Anthologien habe ich schon jede Menge tolle Autoren und Verlage kennenlernen dürfen, mit denen ich immer wieder gerne zusammenarbeiten würde. Aber da könnte ich jetzt nicht eine Person vor den anderen hervorheben. Was ich wahnsinnig gerne irgendwann mal angehen würde, ist ein illustriertes Projekt. Also mit einem Illustrator oder einer Illustratorin? Oder vielleicht mit jemandem, der noch mal ein ganz anderes Kunstmedium mitbringt? Das wäre auf jeden Fall spannend. Ich experimentiere doch so gerne.


Nachdem ihr wisst, was Nele schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
www.perpetuum-narrabile.de
www.facebook.com/nelesickelautorin
www.instagram.com/nele_sickel

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Sonntag, 24. März 2024

Alexandra Lavizzari "Frauen in Cornwall"

Cornwall. Mit seinen Höhlen, seine Mythen, seinen Schmugglerringen war und ist es ein Fleckchen Erde, dass immer wieder die Kreativität der Menschen anregt und sie in die Geschichte des Landes oder auch ihre eigenen, erdachten Geschichten eintauchen lässt.
In vier kurzen Portraits bringt uns die Autorin folgende Damen näher:
Daphne du Maurier -Schriftstellerin
Barbara Hepworth - Bildhauerin
Virginia Woolf - Schriftstellerin
Ethel Smyth - Komponistin
Während die beiden Schriftstellerinnen den meisten zumindest dem Namen nach bekannt sein dürften, waren für mich Barbara Hepworth und Ethel Smyth bis zu diesem Buch Unbekannte.
Die Portraits legen den Fokus speziell auf die jeweilige Zeit der Damen in Cornwall und erläutern, wie sich die kornische Lebensart oder gar das Spiel aus Licht und Schatten in die Werke der Damen geschlichen hat. Denn oft sind es eher kleinere Elemente, die das Wesen der Werke beeinflusst haben. Die Sagenwelt und zu dem Zeitpunkt auch noch der Widerstand gegenüber Frauen in der Kunst zeigt sich in alle vier Biografien. Weiterhin wird beleuchtet, welche Hindernisse durch Krieg, Rationierungen und Vorteilen den Frauen in den Weg gelegt wurden und warum zum Beispiel Ethel Smyth erst lange nach ihrem Tod für ihre Stücke berühmt wurde.
Das Buch ist ein kleines Stück Zeitgeschichte, denn die Autorin legt bei ihrem Text wert darauf, auch äußere Umstände, Traditionen und Denkweisen einfließen zu lassen, um somit ein nahezu psychologisches Gesamtbild und die daraus folgende Inspiration der Damen zu porträtieren.

5 von 5 Künstlerinnen

Donnerstag, 21. März 2024

Autoreninterview spezial Udo Klotz

Hallo zusammen.
Heute entführt uns das Interview in die Welt der Literaturpreise. Udo Klotz ist der Treuhänder des Kurd Laßwitz Preises.

(Foto: Kurt Laßwitz (Bild T.H.-Homepage), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du an den Posten des Treuhänders für den Kurd Laßwitz Preis
gekommen?
1990 litt der Kurd Laßwitz Preis darunter, dass der damalige Treuhänder Uwe Luserke zunehmend durch seine Literarische Agentur gefordert war und keine Zeit mehr für die Organisation des KLP hatte. Thomas Tilsner, ein Kleinverleger aus München, der zuvor für seine Zeitschrift »Science Fiction Media« zweimal mit dem Sonderpreis des KLP ausgezeichnet wurde, wollte den Preis erhalten und fragte mich, ob wir die Abstimmenden mit einer Liste der erschienen Romane und Kurzgeschichten bei der Nominierung unterstützen könnten. Ich war damals mit zwei Mitstreitern, Gerd Rottenecker und Harald Junker, Herausgeber des Jahrbuchs Der Golem, das im Thomas Tilsner Verlag erschien und eine Jahresbibliographie zur phantastischen Literatur enthielt. Natürlich haben wir gerne geholfen, denn damals, in der Vor-Internet-Ära, war es nicht so einfach herauszufinden, was wo erschienen war, und wir hatten die Daten durch unsere Bibliographie. Thomas fragte mich dann, da ich auch in München wohne, ob ich als Briefkastenadresse für die Rückläufe, also Nominierungen und Wahlbögen, einspringe, weil er nicht als Verleger den KLP organisieren wollte und damit die Produkte seines Verlages hätte disqualifizieren müssen. Ich habe zugesagt und wurde dann erneut gefragt: »Du bist doch Diplom-Mathematiker, da kannst Du doch problemlos die Auswertung der Wahl machen?« Klar konnte ich. »Du fährst doch zu den »SF-Tagen NRW«, kannst Du da nicht die Wahlergebnisse verkünden?« Auch das habe ich gemacht, und spätestens ab dem Zeitpunkt war ich de facto der neue Treuhänder.
Als ich das realisiert habe, bin ich dann richtig eingestiegen, habe die Kategorien aktualisiert und verstärkt Abstimmungsberechtigte requiriert. Heute stimmen fast fünfmal so viele Personen wie damals ab, es gibt Laudationes, eine Webseite und eine Multimedia-Preisverleihung als großen Programmpunkt auf einem Con.

Als Treuhänder liest du sicherlich viele Texte. Auf wie viele kommst du im Jahr und welche Trends und Strömungen machst du aus?
Pro Jahr erscheinen grob geschätzt etwa 200 deutschsprachige SF-Romane in Verlagen, dazu über 1000 im Selfpublishing, weitere 150-200 übersetzte SF-Romane und rund 500 Kurzgeschichten, leider fast keine übersetzten. Davon werden etwa 50-60 deutschsprachige Romane, 30-40 übersetzte Romane und 60-70 Kurzgeschichten für den KLP nominiert und bilden die Longlist. Da ich als Treuhänder nicht nur abkläre, ob es sich bei den Werken um Erstveröffentlichungen handelt, sondern auch, ob sie definitiv zur SF zählen, versuche ich, in alle Nominierungsvorschläge zumindest hineinzulesen. Die meisten lese ich aber komplett. Da ich nicht darauf warten kann, was am Jahresende wohl nominiert werden wird, und weil ich mir auch rechtzeitig einen Überblick verschaffen will, lese ich so ab April oder Mai schon vieles, was wie ein vielversprechender Kandidat für den KLP aussieht, und komme so auf etwa 70-80 komplett gelesene Romane pro Jahr, etwa 40 angelesene sowie 110-130 Kurzgeschichten. Plus ein paar Werke, die mich sonst so interessieren, Sachbücher, etwas Fantasy, oder zur Recherche für Artikel in der »!Time Machine«. Was dann letztendlich auf der Wahlliste des KLP landet, habe ich eigentlich immer vorher komplett gelesen.
Kleinere Trends gibt es eigentlich immer, aber größere, wie man sie in der Fantasy in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausmachen konnte, sind in der SF eigentlich ausgeblieben, die gab es zuletzt in den 1980ern mit dem Cyberpunk und seinem Ableger, dem Steampunk. Vieles, was derzeit gehypt wird oder Trends auslöst, gab es schon vorher, wie ökologisch orientierte SF, die Klimaveränderung und das Artensterben als Thema, den Einfluss der Digitalisierung auf den Alltag, Künstliche Intelligenzen oder Nanotechnologie. Man findet solche Themen jetzt aber auch im Near Future Thriller oder in Romanen bei Publikumsverlagen, die nicht als SF gelabelt werden. Man kann zwar auch einen kleinen Trend hin zu größerer Diversität bei den Figuren feststellen, aber wenn man bedenkt, dass es hierfür schon Vorläufer in den 1970ern gab, ist da in den letzten 50 Jahren doch sehr wenig passiert – da ist die Realität deutlich bunter, obwohl die SF mit Androiden und Aliens doch noch so viel mehr Möglichkeiten bieten würde, unsere engen Perspektiven auszuweiten. Wir haben da noch viel Luft nach oben, und die anglophone SF ist der deutschsprachigen hier auch voraus.

Was ist die größte Schwierigkeit an deinem Job?
Das größte Problem ist eigentlich die sehr ungleichmäßige Verteilung der Arbeit übers Jahr. Es gibt Phasen, da bin ich sehr gut ausgelastet, weil vieles gleichzeitig erledigt werden muss, und dann gibt es eher ruhige Phasen. Das hängt auch stark davon ab, wann ich die Preisverleihung machen kann, denn diese benötigt immer eine größere SF-Convention als Rahmen. Lange Jahre konnte ich das regelmäßig im September beim ElsterCon in Leipzig oder beim PentaCon in Dresden machen, aber letzteren gibt es nicht mehr, und so war die Preisverleihung im Mai beim MetropolCon vor allem vom Zeitplan her eine Herausforderung.

Was sind deine unterjährigen Aufgaben als Treuhänder, wenn der Preis verliehen ist?
Im Prinzip gilt: Nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung. Mein KLP-Jahr beginnt eigentlich im Dezember mit dem Aufruf an die Abstimmungsberechtigen, mir bis Ende Januar die Nominierungsvorschläge zu schicken. Diese überprüfe ich dann, ob sie gemäß den Statuten zulässig sind, schicke alle gesammelten Daten zu einem Vorauswahlgremium, das einen qualitativen Check macht und informiere die Nominierten, sobald feststeht, was von der Longlist auf die Shortlist kommt, die später die Wahlliste bildet. Parallel erstelle ich die Webseiten für das aktuelle Wahljahr und die Wahlunterlagen. In zwei Kategorien, Hörspiel und Übersetzung, ist das aufwendiger, da gibt es eigene Jurys, die mit Material versorgt werden, beispielsweise Auszüge aus Original und Übersetzung. Nach dem Wahlende werte ich alles aus, informiere die Nominierten und Preisträger, aber auch die Fachpresse, und aktualisiere die Webseiten.
Dann schreibe ich die Laudationes und erstelle meine Powerpoint-Präsentation für die Preisverleihung. Die ich dann auch moderiere, meist mit Unterstützung von jemandem, der die Laudationes verliest. Nebenher läuft immer das Aktualisieren der Adressliste, da sind fast 700 Personen erfasst, die als SF-Schaffende gelten, also mit der SF mindestens einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen. Etwa 300 davon sind aktiv dabei und erhalten von mir die Unterlagen zur Nominierung oder Wahl.

Liest man die Impressen verschiedener SciFi-Zeitschriften, findet man dich auch dort wieder. Erzähl doch mal ein bisschen darüber.
Die »!Time Machine« habe ich schon erwähnt, das ist ein Fanzine, das seit 2018 einmal im Jahr erscheint und von Christian Hoffmann und mir herausgegeben wird. Auch wenn wir inzwischen viele Mitstreiter haben, die uns Essays oder Rezensionen zuliefern, stammt doch immer ein relativ großer Anteil der Texte aus der Feder von Christian und mir, manche längeren Essays schreiben wir auch gemeinsam. Einmal habe ich auch eine Solo-Ausgabe gemacht, da mein Artikel über Künstliche Intelligenz so ausgeufert ist, dass er eine eigene Ausgabe wurde, die dann auch für den European SF Award nominiert wurde. Zudem mache ich das gesamte Lektorat. Das scheint okay zu sein, denn vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, ob ich nicht für die »phantastisch!« ein paar Beiträge redigieren könnte, und so bin ich seit über zwanzig Ausgaben Teil des Lektoratsteams. Für die »Exodus« durfte ich schon zweimal den in der Galerie vorgestellten Grafiker porträtieren, und in der »Andromeda Nachrichten« erscheint ab und zu auch mal ein Beitrag von mir. Und nicht zuletzt habe ich noch die Kolumne im Jahrbuch »Das Science Fiction Jahr«, in der ich in einem langen Artikel die besten und interessantesten deutschsprachigen SF-Romane des Vorjahres vorstelle.
Das sind viele Aktivitäten, die gut parallel laufen, aber manchmal gibt es auch Überschneidungen. Und so durfte ich mir letztes Jahr in Berlin selbst den KLP Sonderpreis für unsere »!Time Machine« verleihen. Dass Christians und meine Arbeit hier, vor allem unsere Mischung aus Fachwissen und Humor, so gut ankommt, hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Hast du auch selbst Geschichten geschrieben?
Nein, da liegen nicht meine Stärken. Ich kann Geschichten ganz gut beurteilen, bin auch ab und zu mal Testleser für andere, aber am liebsten schreibe ich Essays über die Werke anderer, mal als Rezension, mal als Überblick zu einem spezifischen Thema, wie über Science Fiction, die auf dem Erdmond spielt, Verbrechen, die nur in der SF möglich sind, oder Humor in der SF.

Siehst du den KLP als Indikator dafür, welche Texte letztlich beim DSFP nominiert werden?
Es ist eigentlich nur zufällig, dass der KLP schneller seine Preisträger veröffentlicht als der DSFP. Natürlich beurteilen beide die gleichen Werke, und wir stimmen uns hier sogar ab, damit nicht die eine Seite etwas übersieht, das die andere Seite kennt, aber letztendlich sind es doch unterschiedliche Preise. Zum einen, weil der KLP mit zehn Kategorien viel breiter aufgestellt ist, also neben Romanen und Kurzgeschichten auch Übersetzungen und Grafiken, Hörspiele und Sachtexte sowie mit den Sonderpreisen auch Leistungen wie Lebenswerke, Con-Organisationen oder Herausgabe von Büchern und Magazinen bewertet. Zum anderen, weil beim KLP eine große Gruppe, zuletzt über hundert Personen, abstimmt, während beim DSFP eine kleine Jury bewertet und sich in Diskussionen auf die Shortlist und später den Preisträger einigt. So gibt es zwar Überschneidungen bei den Nominierungslisten, aber meist doch unterschiedliche Preisträger. Und da vieles doch zeitgleich abläuft, glaube ich nicht, dass die DSFP-Jury vom Ergebnis des KLP beeinflusst wird.

Nachdem ihr wisst, warum sich Udo kümmert, könnt ihr hier mehr erfahren:
kurd-lasswitz-preis.de/index.htm

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Timo Kümmel "Vorsehung"

Die Welt der Bücher wird oft mit Buchstaben und Worten gleichgesetzt. Doch ist das wirklich alles?Sicherlich ist es das berühmte Kopfkino, welches Buchstaben und Worte entfachen können, doch reicht das aus, um ein Buch den Leser zu bringen?
In meinen Augen nicht, denn nicht umsonst gibt es Preise für das beste Buchcover oder es sind gar Ausdrücke wie "Das Cover war blau" in den allgemeinen Sprachgebrauch eingezogen, wenn es um Bücher geht.
Leider treten Zeichner und Illustratoren immer hinter den Autor, weil es die Worte sind, die den größten Einfluss beim Lesen zu scheinen haben.

Doch wahrlich ist das Cover die Eintrittskarte für den Autor! Denn schweift der Blick des Lesers durch die Buchhandlung, bleibt er an einem guten Cover hängen.

Ihr meint, das ist nur Theorie? 

Ich habe gerade diesen Bildband beendet, der genau das widerspiegelt, was ich gerade erzählt habe.
Timo Kümmel präsentiert in diesem Band die verschiedenen Möglichkeiten, die sich einem Illustrator bieten. Neben Buchcovern, für die er schon ausgezeichnet wurde, hat er für Bücher kleine Illustrationen oder auch Landkarten - und mal ehrlich, wer liebt diese nicht - gestaltet. Chronologisch geordert zeigt er, was und wie vielfältig er im Lauf seiner Karriere schon gearbeitet hat.
Kleine schriftliche Einblicke in sein Leben runden den Band harmonisch ab.

Dieser Bildband zeigt, wie wichtig und gut die Arbeit von Künstlern ist - besonders wenn sie auf Timos Niveau arbeiten.
Daher: Kauft die Bücher von Illustratoren, ihr werdet beeindruckt sein.

5 von 5 Grafiken

Mittwoch, 20. März 2024

Jakob Thomä "Das kleine Buch der großen Risiken"

Die Welt geht unter.
So oder so ähnlich beginnen Dystopien.
Doch was ist dran an den Weltuntergangsszenarien? Dienen sie dazu Panik zu verbreiten? Oder sind die Gedanken doch eher realistischer Natur?
In "Das kleine Buch der großen Risiken" versammelt der Autor 26 Risiken von A bis Z, beginnend mit der Atombombe über Geoengineereing endet er mit den Zombies. Dabei sind die Risiken unterschiedlich schwerwiegend und auch nicht alle gleich wahrscheinlich. Es kann vielfach nicht gesagt, sondern nur gemutmaßt werden, in welcher Intensität ein Risiko auftreten wird.

Jedes Risiko wird in einem Einführungssatz umrissen und es wird eine erste Prognose für seine realistische Gefahreneinschätzung gegeben.
Im Anschluss wird das Risiko erörtert, wie schnell kann es eintreten, welche Umfang kann es haben und wie viele Menschen oder Erdteile wären betroffen.
Hört sich im ersten Moment beängstigend an, aber durch seine lockere Art zu schreiben, fängt der Autor die Panikmacherei immer wieder ein.
Nach der Analyse des Risikos wird zum Schluss noch einmal die Gefahreneinschätzung kontrolliert. War sie stimmig? Oder muss die Wahrscheinlichkeit noch oben oder unten korrigiert werden?

Das Buch ist mit seinen kurzen Kapiteln dazu geeignet, sich in die verschiedenen Probleme der Welt, welche natürlich nicht abschließend aufgezählt wurden, zu beschäftigen, ohne direkt eine Panikattacke auszulösen.

Mit wachem Geist liest sich das Buch perfekt über mehrere Tage und öffnet die Augen, um einige Dinge im Alltag anders zu gestalten.


4,5 von 5 Risiken

Donnerstag, 14. März 2024

Autoreninterview Aiki Mira Literaturinterview

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? 

Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität und Fantasie vermischt?

Es gibt sich die Ehre: Aruke.

(Foto: Aiki Mira, Grafik: Maximilian Wust)


Aruke, erzähl ein wenig, worum es in "Neurobiest" geht.
Es geht um neue biologische Entwicklungen und die Frage, wie wir damit umgehen wollen. Ich bin im synthetischen Amazonas aufgewachsen, ich habe Experimente am eigenen Körper erlebt und das lässt mich nicht mehr los! Was ist damals alles passiert? Was passiert heute mit meinem Körper? Es gibt eine Person aus meiner Vergangenheit, die ich dazu unbedingt sprechen muss. Tja, und jetzt habe ich die Chance, diese Person zu treffen und plötzlich geht es um viel mehr als das!


Welche Menschen stehen dir am nächsten?
Na, die Unerschütterlichen :) Das sind Kenoah, Crispin und Soho. Mit ihnen lebe und arbeite ich auf den Dächern von Berlin. Die drei bedeuten mir alles. 


Warum ist dir deine Arbeit im HQ so wichtig?
Im HQ, dem Hauptquartier der Unerschütterlichen, erledige ich nicht nur Auftragsarbeiten für das Institut für Synthetische Biologie, ich passe auch Körper an die Bedingungen des Klimawandels an. Tierkörper – aber auch meinen und den von Kenoah. Niemand bezahlt mich dafür, das tue ich, um uns allen im heißen, staubigen Berlin das Überleben zu sichern.


Wie sehr hat deine Vergangenheit deine Gegenwart beeinflusst?
Ha! Ich dachte, ich hätte das zurückgelassen. Aber wie kann ich das zurücklassen? Mit meinem Körper passieren Dinge, die ich nicht kontrollieren kann. Meine Vergangenheit bestimmt offenbar immer noch mein Leben.


Wenn du die Welt nachhaltig ändern könntest, womit würdest du beginnen?
Mein Herz schlägt für die Tiere und Menschen auf unserem Dach. Ihnen möchte ich ein lebenswertes Leben ermöglichen. Dafür arbeite ich.


Was ist dir wichtig?
Freiheit und Gemeinschaft. Deshalb habe ich das Leben auf dem Dach gewählt, ein hartes Leben im Abseits. Aber hier habe ich Menschen, die mir beistehen, und ich ihnen – egal, was kommt!



Hier geht es zum dazugehörigen Buch: eridanusverlag.de/buecher/neurobiest

Montag, 11. März 2024

Michaela Weiß "Finsterengel"

Als Sara die Augen öffnet, kann sie es nicht glauben. Sie wollte nicht mehr aufwachen und doch findet sie sich in einem Krankenhaus mit Verbänden an den Armen wieder. Neben ihrem Bett bewegt sich etwas. Eine Figur, ein Schatten und er spricht zu ihr. Ob er ihr Angst machen will, kann sie anfänglich nicht beurteilen, aber er wächst ihr immer mehr ans Herz und hilft ihr aus ihrer Situation herauszukommen. Denn ohne Hilfe, geht es einfach nicht.
Viel zu düster sind die Gedanken und ihre eigene Dunkelheit schwebt wie ein Damoklesschwert über ihr. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht und mit jedem Tag außerhalb des Krankenhauses und mit jeder Schneeflocke kommen auch schöne Momente zurück in ihr Leben.

Selten musste ich ein Buch so oft weglegen wie dieses Mal. Man bemerkt beim Lesen, dass die Autorin durch ihre Arbeit als Sozialpädagogin weiß, wie sehr Menschen leiden können und wozu sie es treiben kann. Eingeleitet wird das Buch daher mit Hilfestellen und dem Hinweis, dass man das Buch nur lesen sollte, wenn man die Geschichte aushalten kann. Denn es ist oftmals ein Aushalten.
So viele Gefühle stürzen beim Lesen auf einen ein, dass man öfter meint, in der Geschichte und ihren Gefühlen gefangen zu sein. Das Schicksal von Sara, dem Schatten und auch einiger anderer Nebencharaktere zeigt, wie sehr die Menschen darauf bedacht sind, eine Fassade zu wahren, auch wenn sie dahinter bereits heillos ertrinken.

Es ist ein Buch, was auf Grund des Themas schwierig zu lesen ist, aber in meinen Augen ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, wenn man seine Mitmenschen ein bisschen besser einschätzen können will.

5 von 5 Schatten

Danke an die Autorin für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 9. März 2024

Lilly Gollackner "Die Schattenmacherin"

Eine Welt ohne Männer - Utopie oder Dystopie?
Im Falle der Schattenmacherin stehen die Chancen für eine Utopie gut, denn durch eine Krankheit gibt es keine Männer mehr und Frauen regieren im wahrsten Sinne des Wortes die Welt.
Nach Krieg, Krankheit und zahlreichen Toten ist es an Ruth und dem Rat die Welt wieder in die gewünschten Bahnen zu lenken. Doch zwischen Trümmern, Hitze und Wasserknappheit ist das keine leichte Aufgabe.
Die Jahre vergehen und als Ruth in Rente gehen soll, kommen Dinge ans Tageslicht, die keine Frau vermutet hatte, oder vielleicht doch? Wer war dabei, als es hieß, die Welt neu zu ordnen?
Auf knapp 200 Seiten baut die Autorin ein Szenario auf, dass sich durch Argwohn und Distanz aufbaut. Die Erzählperspektive ist die Spitze des Reiches, so kann man vielfach nicht von großen Gefühlen ausgehen und muss auch mit einer gewissen Kälte oder sogar Kaltschnäuzigkeit leben. Doch was sie zeigt, ist Macht. Macht in ihrer reinsten und dominantesten Form und sie ist nur auf ihren Vorteil bedacht. Ist sie besser als die männliche Macht? Ist sie klüger oder andererseits sensibler?
Beim Lesen fliegt man nahezu durch das Buch, was durch ein hohes Erzähltempo und eine spannende Rahmenhandlung untermauert wird. 
Und wieder drängt sich die Frage auf - Utopie oder Dystopie?
Die Geschichte zeigt ... Das sage ich jetzt nicht. Was ich allerdings sage: Nichts ist jemals schwarz oder weiß.

4 von 5 Frauen

Donnerstag, 7. März 2024

Autoreninterview Terry B. Persson

Hallo Zusammen. 
Terry B. Persson dürfte den Science Fiction-Lesenden bekannt sein. Morgen erscheint seine Anthologie "Am Saum der Welten", wenn das nicht der richtige Zeitpunkt für ein Interview ist.


(Foto: Terry B. Persson privat, Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben, in dem Sinn, dass ich Texte auch beende, überarbeite und mit der Welt teile, das mache ich erst seit etwa 2 Jahren. Vorher wusste ich einfach nicht genau, wie das funktioniert. Ich glaube, ich hatte auch durch mein Literaturstudium ziemlich seltsame Vorstellungen vom Schreibprozess, davon musste ich mich erst einmal befreien. 

Ich habe dann irgendwann die Genreliteratur wieder für mich entdeckt und das war dann der Schlüssel: So was mach ich auch, habe ich mir gedacht und dann einfach losgelegt.

Bald erscheint »Am Saum der Welten«. Wie bist du auf den Titel und überhaupt auf das Thema der Anthologie gekommen?
Ich habe den Titel recht allgemein gehalten, um viele unterschiedliche Autor*innen anzusprechen. Da ich mich selbst gern in allen Ecken der Phantastik herumtreibe, wollte ich diese Vielfalt auch in der Anthologie abbilden. Das Wort »Welten« findet man ja im Titel unzähliger Phantastikveröffentlichungen, der Saum ist das, wo es spezieller wird: Mir ging es einerseits darum, verschiedene Visionen zu bündeln. Andererseits wollte ich Geschichten vom Rand, die nicht immer so präsent und mitunter etwas eigenwillig sind, einen Platz bieten.

Folgt man dir bei Instagram, hat man den Eindruck, dass du bei der Anthologie ziemlich viel selbst gemacht hast. Stimmt das?
Das stimmt und ich muss zugeben, ich hatte etwas unterschätzt, wie viel Arbeit das am Ende alles ist. Neben Lektorat, Korrektorat und Buchsatz kümmer ich mich auch noch um Marketing und alles Organisatorische. Zum Glück haben mich die Autor*innen tatkräftig unterstützt, sei es durch das aufmerksame Prüfen der Druckfahne oder einfach mal ein motivierendes Wort zwischendurch.

Eine Aufgabe, die ich als kleiner Kontrollfreak aber gern aus der Hand gegeben war, war die Erstellung der Coverillustration. Mit Christina S. Zhu habe ich da eine wunderbare professionelle Künstlerin beauftragt, die den Geist der Anthologie mit ihrer stimmungsvollen, leicht verspukten Zeichnung perfekt eingefangen hat.

Hast du schon die nächste Anthologie-Idee im Hinterkopf?
Da schwirren ein paar Ideen herum und ich habe auch schon ein paar Leute im Kopf, mit denen ich zusammenarbeiten will. Was es genau wird, weiß ich noch nicht, aber es wird wieder phantastisch! 

Ich möchte jetzt aber erst einmal das Feedback zu »Am Saum der Welten« abwarten und mir eine kurze Verschnaufpause gönnen.

Wenn du deinen Schreibstil charakterisieren müsstest, was wären die drei Adjektive (jaja, sonst sollen wir Autor*innen damit sparen), die dir in den Sinn kämen?
Zuckend, schwebend, dunkel?

Was regt deine Fantasie an?
Ich denke, es sind meist alltägliche Sachen. Ich mag Phantastik mit menschlichen Dimensionen und kleinen Sensationen. Explodierende Planeten und Landstriche verwüstende Drachen finde ich nicht so spannend, ich denke eher über am Hals kratzende Raumanzüge oder den Klang nach, den es macht, wenn man mit dem Fingernagel auf eine Drachenschuppe tappt.

Welche Schreibenden oder welches ihrer Werke hat dich als Leser und später auch als Autor am meisten beeinflusst?
Da muss ich an erster Stelle Ursula K. Le Guin denken, die vor ein paar Jahren meine Faszination für Fantasy wiedererweckt hat. Und sonst sind da noch M. John Harrison, Shirley Jackson, Alice Munro, Randall Kenan, Kij Johnson, Ted Chiang und ganz besonders die Kurzgeschichten von Kelly Link, die mich geprägt haben und motivieren, mein eigenes Ding zu machen.

Nachdem ihr wisst, was Terry schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
instagram.com/t_b_persson

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 6. März 2024

Valérie D'Arcy "Stracciatella in Space"

Was haben ein Außerirdischer, eine Kündigung und Stracciatella-Eis gemeinsam?
Sie spielen die Hauptrolle in der kürzlich erschienen Novelle "Stracciatella in Space" von Valérie D'Arcy.
Ein Außerirdischer wird von einem Planeten verjagt, weil er leider seinen Hosenstall nicht unter Kontrolle hat.
Auf Grund seiner Eskapade muss er auf der Erde notlanden und zerstört dabei Marys Kündigungs-Frusteis.
Doch Zeit zur Diskussion bleibt nicht, denn die Verfolger sind dem Außerirdischen immer noch auf den Fersen.

Mit knapp 80 Seiten ist diese Geschichte ein weiterer kurzer Ausflug der Autorin in die Welt der Science Fiction.
Lustig, mit einem Augenzwinkern und viel Parodie auf Stereotypen lädt die Geschichte zum Schmunzeln ein und zeigt, dass zumindest in Valéries Geschichte Außerirdische viel menschlicher sein können, als wir im ersten Moment meinen könnten.
Eine witzige Geschichte für zwischendurch, wenn man die Science Fiction nicht nur von ihrer ernsten Seite betrachtet.

4 von 5 Eistüten