Sonntag, 31. Dezember 2023

Zeitschrift des Monats ...


Eigentlich sollte hier die letzte Zeitschriftenvorstellung für dieses Jahr kommen und dann kam alles anderes. Während alle Lesenden ihre Statistiken veröffentlichen, wieviel sie dieses Jahr geschafft haben, bin ich an zwei Lesezielen vorbeigeschrammt. Aber warum? Das seht ihr auf dem Bild. 
Neben der meiner ersten Mitarbeit an einer Anthologie durfte ich für die abgebildeten Zeitschriften und der Internetzeitschrift "Reisswolf" Kurzgeschichten, Rezensionen und Interviews schreiben oder auch geben.
Bin ich als Zahlenmensch enttäuscht, dass ich an meinen vermeintlichen Zielen vorbeigeschrammt bin? Vielleicht ein kleines bisschen, aber umso mehr freut es mich, mit wem ich dieses Jahr alles zusammenarbeiten durfte, wer in mich Vertrauen setzt und Zeit in mich investiert:
Neben den Bloggern, die die Veröffentlichung der Sherlock Anthologie begleitet haben, eine Verlegerin und ein Herausgeber, die an das Projekt glaubten und mich eingebunden haben. 
Diese Verlegerin ist es auch, die mit mir im nächsten Jahr eine weitere Anthologie auf die Beine stellen will. Ich grinse immer noch im Kreis, wenn ich sehe, wie viele Menschen diese Ausschreibung gut heißen und sich beteiligen wollen.
Die Lektoren, die nicht müde wurden, mir bei meinen Versuchen meine Stimme zu finden, immer darum bemüht waren, meinen eigenen Stil zu unterstützen, meine Fehler selber zu finden und an die Geschichten geglaubt haben (drei Kurzgeschichten warten noch auf das Urteil der Verlage...).
Die Herausgeberinnen und Herausgeber der Zeitschriften, die mir Platz in ihrem Magazin einräumen oder mich auch mitwurtscheln lassen. 
Den Schreibenden, die mich Interviews mich mit ihnen führen lassen und die meine Meinung zu ihren Geschichten interessiert und sogar ihre Romanfiguren auf Literaturinterviews loslassen. Es war mir ein Fest. Selbstverständlich auch den Schreibenden, die mir Tipps und Tricks zur Seite stehen und nicht meinen, nur ihre Schreibe sei wichtig. 
Hab ich jemanden vergessen? Mit Sicherheit. Denn inzwischen sind es so viele in der Welt der Buchstaben, denen man "Danke" sagen könnte, dass es utopisch ist, an alle gedacht zu haben, also auch noch an alle anderen "Danke".

Walter Moers "Die Schimauski-Methode"


Wem ist Walter Moers kein Begriff?
Eben.
Doch Professor Doktor Schimauski? Dieser sensationelle Erfinder oder auch Entdecker war mir bis vor ein paar Wochen noch unbekannt. In einem Antiquariat in Mannheim kreuzte er meinen Weg und die gemeinsame Lesezeit war schnell eine beschlossene Sache.
Doch mal unter uns, ich hätte das nicht erwartet ...
In sieben Interviews erzählt Prof. Dr. Schimauski von seinen manchmal zufälligen Entdeckungen. Wusstest ihr zum Beispiel, dass in jedem Toaster in kleiner Drache wohnt, der euren Toast röstet? Oder dass das Schellemännchen einfach immer wegläuft, weil es Angst vor seinem Gegenüber hat?
Oder wisst ihr gar um den "Skandal im Märchenland"?
Nein? 
Dann herrscht bei euch die gleiche Bildungslücke wie bei mir, bevor ich das kleine schmale Buch zum Jahresende gelesen habe.
Walter Moers versprüht hier einen ganz anderen Charme als in seinen aktuelleren Werken und doch ist es so, dass man beim Lesen die meiste Zeit schmunzeln will, denn ernst kann man diese Interviews nicht nehmen.
Ein gelungener Lesespaß auf unter hundert Seiten und der perfekte Abschluss eines abwechslungsreichen Lesejahres.

5 von 5 Entdeckungen

Mary Ann Fox "Je dichter der Nebel"

Es gibt diese Serien, bei denen man schon auf der ersten Seite wieder in die Szenerie der Reihe eintaucht. Sie sind so charmant geschrieben und die Einbettung des neuen Falls fügt sich so in die Handlung, dass man ein Gefühl des Ankommens verspürt. 
Beim inzwischen neunten Fall um Mags Blake wird es noch einmal persönlich. Sicherlich kommt hier das eine oder andere Augenrollen, da die Ermittlerin immer irgendwann in einer Serie persönlich betroffen ist, aber die Autorin schafft es mit jedem neuen Band, die Fälle und die Gefahren nicht aufgesetzt oder klischeehaft wirken zu lassen.
In einem kleinen Ort wie Rosehaven ist es nun so, dass jeder jeden kennt und somit ist auch das Gefahrenpotenzial nahezu natürlich.
Der aktuelle Fall betrifft den Pilot aus Rosehaven, der bei einer tödlichen Schlägerei zugegen gewesen sein soll. Schnell ist ermittelt, dass sich das Opfer und der Täter kannten und das in der Vergangenheit die Treffen nicht rosig verliefen. Doch ist das schon alles?
Wie schon in vorigen Bänden bindet die Autorin die cornische Lebensweise, die Flora und die Fauna in ihre Erzählung ein und es ist wie immer ein Fest für ein paar Stunden in das kleine Dorf zurückzukehren, um zusammen mit den Bewohner den neuesten Fall zu klären.
Neben dem Kriminalfall spielen auch die dörflichen Befindlichkeiten eine Rolle und so macht es Spaß mit jedem Band mehr über die einzelnen Charaktere zu erfahren.

4 von 5 Gärtnerinnen

Samstag, 30. Dezember 2023

Corinna Griesbach (Hrsg) "Ich feier das!" Haller 20

Wie unterschiedlich ein Thema interpretiert werden kann, sieht man gerade bei Kurzgeschichten und den dazugehörigen Anthologien. Zum Jahresende hatte ich das Glück zu der Sonderausgabe der Haller im Jubiläumsband 20 "Ich feier das!" einen Beitrag schreiben zu dürfen.

Während bei mir mit dem Wort "Feier" eine Party-Geschichte Gestalt annahm, haben die anderen Autorinnen und Autoren teilweise gänzlich andere Themen beigesteuert. Mal witzig, mal nachdenklich, ist es der Herausgeberin Corinna Griesbach gelungen, sehr verschiedenen Texte zusammenzutragen und sie zu einem kleinen, feinen Band zusammenzustellen, der in jedes Bücherregal passt.
Untermalt werden die Geschichten von Illustrationen, die von mehreren Künstlerinnen und Künstlern erstellt worden. 
Eine weitere Besonderheit sind die geführten Interviews mit den Schreibenden, wodurch man einen exklusiven Einblick in die Autorenwelt und deren Ambitionen erhält.

Ein Hoch auf die Kurzgeschichte und seine Ausdrucksform!

Ein Hoch auf die 20. Haller!

Wir feiern das. :-)

Die Sternebewertung entfällt auf Grund meiner eigenen Beteiligung. ;-) 

Mittwoch, 27. Dezember 2023

Aleksia Sidney "Weihnachten mit Sherlock Holmes"

Sherlock Holmes Kurzgeschichten zu schreiben ist in meinen Augen eine Kunst.
Bei den Pastiches darf das Original nicht zu sehr kopiert werden und doch darf bei den klassischen Adaptionen nicht der nostalgische Charme verloren gehen, den diese Geschichten ausmachen.
So ist es für mich immer die berühmte Büchse der Pandora, wenn ich zu einer Pastiche-Anthologie greife. Doch dieses Mal bin ich wirklich begeistert. 

"Weihnachten mit Sherlock Holmes" ist genau das, was sich der Leser von einer klassischen Holmes-Zusammenstellung wünscht.
Watson erzählt vom Afghanistan-Krieg, er sucht seinen Revolver, wobei Sherlock sich nicht zu sehr langweilt, sodass die 7%-Lösung nicht zum Einsatz kommt. Dafür sind aber Mrs Hudson und Inspector Lestrade von der Partie.
Holmes und Watson ermitteln in den Kurzgeschichten auch außerhalb von England und einige Schurken erkennt man aus den Originalen.

Bekannte Autoren haben sich an Sherlock Holmes gewagt und ihm ihre Weihnachtsgeschichte geschenkt, wobei die Geschichten für diese Ausgabe neu zusammengestellt wurden.
Der bekannteste Autor dürfte mit Sicherheit Anthony Horowitz sein, aber auch die Geschichten von z.B. Anne Perry, Reginald Hill und Laurie R. King haben ihren Reiz und finden ihren Platz im Gedächtnispalast des großen Detektives und seines Chronisten.
Auch wenn Weihnachten gerade vorbei ist, darf es echte Holmes-Fans nicht abhalten, zu dem Buch zu greifen.

4,5 von 5 Detektiven

Dienstag, 26. Dezember 2023

Aiki Mira "Neurobiest"

Berlin hat sich im Jahr 2100 verändert. Doch reichen die Veränderungen aus, um das weltweite klimatische Chaos einzudämmen? Oder haben sich die Probleme lediglich verschoben und die Menschen sind nicht weiter als zuvor?
Wie schon in "Neongrau" zeigt Aiki Mira in dem neuen Roman eine Welt, die zeitlich nicht allzu weit von unserer entfernt ist und doch wirken manche Dinge aus heutiger Sicht noch unglaublich. Aruke lebt "oben" in Berlin und versucht mit Forschungen, die Welt zu beeinflussen. Doch vieles an sich selbst bleibt ihr verschlossen und erst die Menschen in ihrem Umfeld zwingen Aruke sich zu erinnern, auch wenn die Erinnerungen oftmals als Flut hereinbrechen.
Aiki hat in den Texten ein unglaubliches Gespür für Spannung. Von Beginn an wird die Handlung zweigleisig aufgebaut und der Lesende wird zumindest anfangs mit vielen Dingen im Unklaren gelassen. Was, warum und vor allem  auch wer, liegt unter dem Mantel des Schweigens und auch die Frage, was es mit der aktuellen Situation zu tun hat, bleibt verborgen.
Moderne Ideen (der vielfältigsten Art), Spannungselemente aus dem Krimigenre und zwischenmenschliche Gefühle aus den klassischen Dramen machen das Buch zu einer explosiven Mischung, die besonders nach der Hälfte des Buches so an Fahrt aufnehmen, dass man das Buch kaum zur Seite legen will.
Gibt es Dinge, die man nicht hätte lesen wollen? Ja bestimmt und doch ist es so, das alles zum Ende den Platz findet, um die Geschichte abzurunden und den Lesenden sprachlos, aber doch literarisch bestätigt zurückzulassen.

4 von 5 Experimenten

Corinna Griesbach "Ich feier das! Haller 20"


Kurz vor Weihnachten kam noch meine letzte Veröffentlichung für dieses Jahr an.
In der Jubiläumsausgabe der Zeitschrift "Haller" durfte ich eine kleine Geschichte mit dem Titel "Der 111. Geburtstag" beisteuern. Wie vermeintlich Kleinigkeiten eine Geburtstagsplanung beeinflussen können, lest ihr hier: pmachinery.de/haller20
Auf 80 Seiten präsentiert die Zeitschrift Illustrationen, Geschichten und dazugehörige Interviews mit den Schreibenden. 
Eine feine kleine Kurzgeschichtensammlung für die Tage zwischen den Jahren.
Für weitere Ausgaben stöbert ein wenig auf der Internetseite des Verlages: haller.pmachinery.de/

Dienstag, 19. Dezember 2023

Lena Richter "Dies ist mein letztes Lied"

Was ist es, das uns Menschen berührt? Woraufhin werden wir aufmerksam?
Zumeist ist es die Optik einer Person, eines Gegenstandes oder auch einer Szenerie, die den ersten Eindruck vermittelt. Doch ist das es, was nachhallt? Ist es das, was sich uns einprägt? Oder sind es vielmehr unauffällig scheinenden Sinne wie Geschmack, Geruch oder auch Gehör?
Wer sich noch nicht der Macht von Geräuschen oder Musik bewusst ist, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt.

In acht Kapiteln beziehungsweise Liedern wird die Geschichte von Qui und der Liebe und der Kraft von Musik erzählt. Denn Musik hat eine Macht, die oftmals unterschätzt wird. Sie ist wie die Liebe so stark und auch so verzweifelt wie der Schmerz. Denn Qui spielt die Lieder nicht nur zum Genuss. Türen öffnen sich und Qui begegnet anderen Menschen und berührt sie mit der Musik. Mal ist die Musik trostspendend, mal ist sie heilend, aber immer ist die Musik sie selbst und ein großer Teil von Qui. Selbst in den unwägbaren Situationen kämpft sich die Musik in den Vordergrund und erfüllt ihre jeweilige Mission.

Das Buch berührt, die Novelle klingt nach und noch mehrere Tage nachdem ich das Buch beendet habe, fehlen mir noch immer die Worte. Die Geschichte dringt tief in den Lesenden, löst alle Emotionen aus, ohne dabei plakativ oder gar kitschig zu werden.

Eine Erzählung, die ich in einer solchen Intensität selten gelesen habe. Wut, Trauer, Frust, Leid, alle Emotionen kommen mit dieser Novelle ans Tageslicht und die Lieder hallen immer noch nach, während die Taschentücher stets in Griffweite sind.

5 von 5 Liedern

Samstag, 16. Dezember 2023

Juliane Stadler (Hrsg) "Richter der Nacht"

Früher war alles besser?
Die Toten oder zumindest die Betroffenen in den zehn Kurzgeschichten sehen das anders. 
Die historischen Kriminalerzählungen, zusammengestellt von Juliane Stadler, Dirk Röse und Jana Hoffhenke, spiegeln in ihrer Bandbreite die unterschiedlichen Probleme wider, denen sich die Bevölkerung des Mittelalters oder auch noch der frühen Renaissance gegenüber sahen.
Willkür, Machtgier oder schlicht das persönliche Verlangen ließ schier wahllos alle Mauern des Anstandes fallen und der einzelne Mensch und dessen Bedürfnisse mussten hinten anstehen. Wobei es sich natürlich immer so verhielt: Je mehr Macht die einzelne Person hatte, desto mehr konnte sie ihre Position missbrauchen.

Viele der Erzählungen basieren auf historischen Tatsachen oder Begebenheiten und betten ihre Verwicklungen in ein historisches Pulverfass.
Spannend zu lesen sind alle Geschichten, wobei es bei Sammlungen immer so ist, dass den Lesenden die eine oder die andere Geschichte mehr einfängt. Zu dieser Anthologie muss man allerdings sagen, dass keine Geschichte negativ auffällt und man als Leser aus jeder Geschichte mindestens eine neue historische Information mitnimmt. Alle Schreibenden haben es geschafft, historische Informationen mit einer spannenden Geschichte zu verknüpfen und eine sehr gute Anthologie geschaffen.
Nachdem weitere Anthologien aus dem Verlag auf meinem SuB verweilen, ist die Messlatte mit "Richter der Nacht" hoch gelegt.

5 von 5 Richtern

Donnerstag, 14. Dezember 2023

Monika Niehaus "Austern im Halbschlaf"

Was macht eine promovierte Biologin, wenn sie nicht in ihrem Fachbereich unterwegs ist? 
Sie schreibt für die Phantastische Bibliothek in Wetzlar Phantastische Miniaturen und das nahezu durchgängig. Denn wie schon Bernd Schuh im Nachwort andeutet, Promovierte können gebildet sein und Worte kennen, doch sie richtig und vielseitig zu benutzen, das ist die Kunst, die gerade diese Autorin meisterhaft versteht. 
Denn so zahlreiche Bände die Phantastischen Miniaturen umfassen, so vielfältig waren auch die Themen und zu fast allen hat die Autorin ihren Beitrag geleistet, die in diesem Buch vereinigt werden.
Seien es "Fachtexte", Science Fiction, Karl May, Bücherwelten; sie schafft es in der Kürze der Texte in den Köpfen der Leser eine eigene Welt entstehen zu lassen und sie mit ihren Pointen manchmal unsanft in die Realität zurück zu katapultieren. 
Mit Charme und Esprit bestechen ihre Texte, welche gern mit Humor gespickt sind und dieser darf auch gerne sehr schwarz sein. 
Natürlich muss bei der Vielzahl der Geschichten gesagt werden, dass nicht jede einzelne Geschichte den entsprechenden Geschmack des Lesers treffen kann, dafür sind wir alle zu verschieden. Aber alle sind handwerklich einwandfrei und die Intention der jeweiligen Geschichte ist klar ersichtlich. Allein das müssen andere Autoren Monika Niehaus erst einmal nachmachen.
Wer neugierig ist, wie vielseitig eine einzelne Autorin ihre Texte gestalten kann, greift zu dieser Anthologie und lässt sich in die verschiedenen Welten entführen.

4,5 von 5 Miniaturen

Dienstag, 12. Dezember 2023

Tonio Schachinger "Echtzeitalter"

Die Schulzeit. Eine Zeit im Leben, die mancher gern vergessen oder mancher sich herbeisehnen würde, wenn man die heutigen Probleme bedenkt.
Till kommt in Wien an ein Internat, das für seinen, nennen wir es, sehr speziellen Deutschlehrer bekannt ist. Ist man seiner Meinung und ordnet sich ihm unter, ist alles gut, aber wehe wenn nicht. Da Till im Lauf seiner Schulzeit immer mehr Zeit in Onlinegaming investiert, sind die Auseinandersetzungen vorprogrammiert.
Das Buch begleitet Till die gesamte Schulzeit. Alle die kleinen und großen Ereignisse in der Schule, oder auch im Privaten werden in diesem Roman erzählt. 

"Echtzeitalter" hat dieses Jahr den Deutschen Buchpreis gewonnen und ist daher in fast aller Munde. Doch wie schon zu meiner eigenen Schulzeit sitze ich mit dem Buch in der Hand und suche die Intention des Autors. Das Lokalkolorit ist wunderschön herausgearbeitet, die täglichen Gespräche in der Schule sind flüssig und witzig zu lesen und doch habe ich mehrfach das Gefühl gehabt, dass mir an der Geschichte etwas fehlt.
Doch was?
Vielleicht läuft mir manches doch zu glatt in der Geschichte, die natürlich auch vor dem Schicksal keinen Halt macht. 

Eine Geschichte über die Schulzeit und das Internat. Eine Geschichte über das Erwachsenwerden. Aber ohne Zaubersprüche und fliegende Besen.

3,5 von 5 Schulfächern

Montag, 11. Dezember 2023

Andreas Suchanek "Flüsterwald - Das Weihnachtsamulett"

Wie haltet ihr es mit Weihnachtstraditionen?
Habt ihr welche und sind diese jedes Weihnachten unumstößlich?
Eine sehr schöne Weihnachtstradition hat sich Andreas Suchanek ausgedacht. Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit erscheint ein Weihnachtsspezial aus seiner Flüsterwald-Reihe.
Der Clou: Die jeweilige Kurzgeschichte spielt immer an den Tagen um Weihnachten und zeigt die verschiedenen Bräuche im und um den Flüsterwald.

Dieses Jahr ist das Weihnachtsamulett verschwunden und es droht an Weihnachten nicht zu schneien. Undenkbar!
Also machen sich die Freunde wieder auf in den Flüsterwald und ob ihr es glaubt, oder nicht, es gibt tatsächlich noch neue Völker, die wir als Lesende noch nicht kennen.
Kleine versteckte Witze, mit einer gehörigen Portion Realitätsbezug, heitern die Geschichte noch zusätzlich auf.

Eine rührende Geschichte, die auch sehr dem Weihnachtsgedanken entgegenkommt.

5 von 5 Folianten

Donnerstag, 30. November 2023

Zeitschrift des Monats "Nova"

Zumeist sind es Bücher, die einem als Leser ins Auge springen, dabei gibt es wahrlich viele andere Möglichkeiten an Texte, Berichte und Geschichten zu kommen. Dieses Jahr nehme ich euch einmal im Monat in die Welt der Zeitschriften mit. Die Zeitschriften umfassen die verschiedenen Genres wie Krimis, Fantasy, Science-Fiction oder bilden ein buntes Crossover. Von Printausgaben über Downloads, von kostenlosen Exemplaren bis hin zum Hochglanzmagazin ist so manches dabei, was das Leserherz höher schlagen lassen kann. So genug der Einleitung, schauen wir uns die elfte Zeitschrift an:


Name: Nova - Magazin für spekulative Literatur
Turnus: ein- bis zweimal jährlich
Preis: Printausgabe 17,90 Euro / eBook 5,99 Euro
Bezugsadresse: pmachinery.de/imprints/nova-magazin-fuer-spekulative-literatur
Seitenumfang: circa 220 bis 260 Seiten

Die Zeitschrift "Nova" wird als Imprint von pmachinery.de vermarktet. Veröffentlicht wird sie ein- bis zweimal im Jahr und richtet sich in erster Linie an die Science Fiction Szene, wobei in der letzten Zeit Übergänge zu anderen Genres durchaus erwünscht sind. 
Wie auf der Internetseite ersichtlich, besteht die Nova zum größten Teil aus Kurzgeschichten und wird je nach Ausgabe mit Essays oder Sachtexten untermauert. Zum Beispiel wurden in der NOVA 32 nach seinem Tod Herbert W. Franke drei der vier Texte gewidmet. 
"Nova" gilt neben "Exodus" als die Science Fiction Kurzgeschichtensammlung im Zeitschriftenformat und zeichnet sich durch einen angesehenen und fundierten Stamm an Schreibenden aus.

Aktuell ist die dreiunddreißigste Ausgabe erschienen, die man über die Internetseite beziehen kann. 

Hier geht es zur Webseite: pmachinery.de/imprints/nova-magazin-fuer-spekulative-literatur

Samstag, 25. November 2023

Ana J. Reinhardt (Hrsg) "Verrufen"

Was braucht es, um dich zu schocken? Oder nein, nicht schocken, sondern vielmehr, was musst du lesen, damit es dich gruselt?
In "Verrufen" streben mehrere Autorinnen und Autoren an, dich das Fürchten zu lernen. Doch wie bei so vielen anderen Dingen im Leben, gibt es kein Rezept, um alle Lesenden gleich zu erschrecken. Der eine zuckt noch nicht einmal mit der Braue, während der andere vielleicht schon eine Gänsehaut verspürt.

Thematisch, also wo der Grusel platziert ist, ist die Anthologie sehr breit gefächert aufgestellt. Man reist durch die Zeit und an die verschiedensten Plätze, um die Szenarien der Autorinnen und Autoren kennenzulernen. Mal subtil, mal etwas plakativer stellt die Sammlung Neues und Altbekanntes vor. Dabei merkt man, dass die Schreibenden ihr Handwerk verstehen und sich nicht das erste Mal mit dieser Art von Erzählung beschäftigen.
Einige Geschichten strahlen heller durch ihre Traurigkeit (Florian Krenn), während andere einen bitterbösen Nachgeschmack zurücklassen (Nicole Hölderle).

Eine abwechslungsreiche Sammlung für einen Nachmittag, wenn draußen der Sturm an die Ecken pfeift und man sich mit dem Buch, einer Decke und einer Tasse Tee sich fürchten kann.

3,5 von 5 Gruselgeschichten 

Freitag, 24. November 2023

Dominic Sandbrook "Weg in die Dunkelheit"

Es gibt diese Bücher, die einen beim Lesen sehr belasten und doch sind sie wichtig.
Bücher über den Ersten Weltkrieg gibt es viele. Dabei das "Richtige" für sich zu finden, scheint in der schieren Masse beinahe unmöglich.
Welchen Schwerpunkt möchte man lesen? Welches Land oder welche Hintergründe interessieren einen am meisten?

So viele Fragen und so viele Perspektiven, wie soll man sich entscheiden?

"Weg in die Dunkelheit" richtet sich zwar ein jüngeres Publikum, aber gerade wenn man die Ereignisse in seinem Gedächtnis auffrischen möchte, ist das Buch besonders geeignet.
Vom Historiker Dominic Sandbrook verfasst, bietet das Buch eine gelungene Mischung aus historisch relevanten Kernfakten und Einzelschicksalen. Der Autor begleitet in jedem der Kapitel einen oder mehrere Personen, die sich im Krieg auf ihre Art besonders hervorgetan haben und berichtet anhand ihres Lebenslaufs, wie sich der Krieg entwickelt.

Die Sprache ist hierbei sachlich neutral und schlicht der Schrecken um die Ereignisse lässt das Blut von Zeit zu Zeit in den Adern gefrieren.
Man lernt viel Neues, wenn man sich nicht schon in das Thema Erster Weltkrieg eingelesen hat.

Zeitweise muss man mit dem Buch pausieren, wenn Menschlichkeit und Brutalität aufeinander treffen, aber gerade das macht das Buch in meinen Augen so lesenswert.

5 von 5 Geschichten


Mittwoch, 22. November 2023

Alexandra Benedict "Mord im Christmas Express"

"Mord im Christmas Express" entführt den Leser auf eine Reise von London in die schottischen Highlands. Das Wetter ist äußerst winterlich und auf der Strecke überwältigen die Schneemassen den Zug, er muss mit der Weiterfahrt pausieren. Doch während die Reisenden auf Rettung warten, überleben einige diese Zeit nicht.
Eine ehemalige Polizistin nimmt sich dessen an und versucht die Vorkommnisse zu klären, auch wenn sie dabei zunehmend behindert wird.

Soweit zum Inhalt und jetzt wird es in meinen Augen schwer. Das Buch wird in der Presse und auch in der Aufmachung mit Agatha Christie und einem cosy crime verglichen. Doch schon direkt zu Anfang des Buches wird man mit der gewaltbelasteten, privaten Vergangenheit der Ermittlerin konfrontiert. Immer wieder wird darauf Bezug genommen und auch die aktuellen Geschehnisse werfen ihre Schatten. Dabei will ich nicht sagen, dass der Text nicht gut geschrieben und das Geschriebene nicht wichtig ist, doch mindert es die berühmte Leichtigkeit des Genres cosy crime. Dieser nutzt gerne das Element der Gemütlichkeit, um damit die Härte des Vergehens ein wenig auszugleichen. Davon kann hier nicht die Rede sein. Ich bin kein Freund von Trigger-Warnungen, aber in diesem Buch werden viele schmerzhafte Erlebnisse auf den berühmten Tisch gebracht, dass die Vergleiche cosy crime und Agatha Christie fehl am Platz sind.
Sprachlich sei auch noch anzumerken, dass das Buch sich der modernen Sprache und nicht der Sprache von klassischen Kriminalromanen bedient, was für mich ein weiterer Grund ist, warum mir das Buch in Hinblick auf die Bewerbung nicht so gut gefallen hat.

Trotz allem schafft es die Autorin eine bedrückende Geschichte zu erzählen, daher:

3,5 von 5 Zügen

Dienstag, 21. November 2023

Fabcaro "Die weisse Iris"

Bereits zum 40. Mal sind die unbeugsamen Gallier in ein Abenteuer verstrickt. Auch wenn es nicht mehr um den originalen Zeichner und Texter handelt, haben es die Nachfolger geschafft, die Nostalgie um die ersten Bände wieder komplett aufleben zu lassen. Doch ist das weise?
Mehrere Passagen erinnern an bekannte Texte wie z.B. "Der Seher" und scheinen nur in Details auf die neue Zeit adaptiert zu sein.
Einzelne Bilder zeigen Streiks und andere Probleme unserer Zeit, wobei Bildaufbau und Sprachfärbung eindeutig auf die älteren Abenteuer abzielen.
Während der Römer versucht, das Dorf durch "good vibes" und Achtsamkeit weichzuspülen, ist es an Asterix und Obelix die Dorfbewohner wieder zu den Raufbolden zu machen, als die sie seit 39 Bänden bekannt sind.

Schmunzler und Lacher hält der Band trotz allem bereit und ich bin gespannt, ob der nächste Band sich wieder ein bisschen mehr modernen Charme zutraut.

4 von 5 Galliern

Mittwoch, 15. November 2023

Nadine Buch (Hrsg) "Hand und Pfote"

Leise tapst die Pfote aufs Linoleum, ein klägliches Maunzen dringt ans Ohr:

Willkommen bei den Tierarzt-Kurzgeschichten von "Hand und Pfote".

In zwanzig Kurzgeschichten erzählen verschiedene Schreiberlinge Situationen aus dem Alltag einer Tierarztpraxis.
Wenn man sich im ersten Moment fragen sollte, wie die Herausgeberin Nadine Buch bei zwanzig Geschichten für Abwechslung sorgt, dem sei gesagt, sie kann!
Denn Tierärzte haben einen genauso vielfelligen Beruf wie manch andere und somit staunen die jeweiligen Tierärzte nicht schlecht, wer sie so alles in ihrer Praxis besuchen kommt.
Mal ist die Uhrzeit das Ungewöhnliche, mal ist es der Gast.
Die Schreiberlinge treffen dabei auch immer wieder unterschiedliche Töne, denn auch im Alltag eines Tierarztes ist nicht immer alles rosarot und es gilt die Entscheidungen im Sinne des Tieres zu treffen. So hart das manchmal auch sein darf.
Dann gibt es die witzigen Geschichten, bei denen man die Slapstick in der Praxis vor dem inneren Auge sehen kann.
Aber alle Geschichten haben eins gemein: Die liebliche Behandlung aller Tiere, die in die Praxen gebracht werden.

4 von 5 Pfoten

Danke für das Rezi-Exemplar.

Sonntag, 12. November 2023

Kate Summerscale "Das Buch der Phobien und der Manien"

Wovor hast du Angst?
Ist es der Clown, der um die Ecke schleicht?
Ist es die Spinne, die über den morgendlichen Frühstückstisch krabbelt?
Oder fröhnst du lieber der Lust des Kaufens? 
Oder zählst du gar, während du den Schlüssel in das Schloss steckst?
Kate Summerscale entführt den Leser in 99 Obsessions durch die Welt der Ängste und Zwänge. Altbekannte Verhaltensweisen wie Kleptomanie, Klaustrophobie oder Kaufsucht reihen sich neben unbekannteren Besessenheiten in diesem Buch der Kuriositäten ein. Durch zahlreiche Querverweise werden zwischen den einzelnen Manien Verbindungen hergestellt und einzelne Eigenheiten werden in Abhängigkeiten aufgelistet. Denn wo ein Zwang ist, gesellt sich gerne ein weiterer dazu.
Mit Reisen in die Geschichte, zu den unterschiedlichsten Autoren und Autorinnen zeigt das Buch, was es heißt, von den Zwängen beherrscht zu sein.
Mal muten diese im ersten Moment lustig an, doch sollte man sich immer bewusst machen, wie schlimm es für die jeweiligen Betroffenen ist.
Ein Buch, was viel über die Psychologie der Menschen aussagt und die Augen für andere öffnet.

5 von 5 Manien

Montag, 6. November 2023

Jennifer Estep "Sense of Winter"

Charlotte und Desmond sind zurück. Nachdem sie im ersten Band die Section 47 ordentlich aufgemischt haben, nutzen sie ihre Synästhesie und seine Cleaner-Fertigkeiten für ein Abenteuer in Deutschland. Während alle anderen ihre Weihnachtsfeiertage nutzen, sind die beiden für einen Spezialauftrag unterwegs. Es gilt mehr über magische Waffen und verschwundene Antiquitäten zu erfahren. Doch dass die beiden sich plötzlich zusammen mit Gabriel mitten in einer fürchterlichen Auseinandersetzung wiederfinden ... Sie hätten damit rechnen sollen.

Ich empfehle definitiv den ersten Band zuvor zu lesen, da sich die Geschichte in einigen Teilen auf den ersten Band bezieht. Zwar gibt es einzelne Rückblenden, doch vieles bleibt da nur oberflächlich.
Wer schon den ersten Band gelesen hat, weiß, wie sehr die Bücher vor Fantasie und übermächtigen Figuren sprühen. Als Leser wird man sofort in das Geschehen geworfen und der Zwiespalt zwischen behaglicher Weihnachtsatmosphäre und Aktion zieht sich durch das gesamte Buch. Dabei gilt wie schon im ersten Teil: Die gesamte Gefühlspalette wird fortwährend befeuert. ;-)

Wer Charlotte schon im ersten Band liebgewonnen hat, wird hier nicht enttäuscht. Sie ist als "Ziffer" nicht unbedingt die Kollegin, die man sich als erstes wünscht, aber gerade ihre darüberhinausgehende Kreativität macht für mich den unglaublichen Charme dieser Figur aus.
Da die Geschichte hauptsächlich auf der Burg spielt, ist die Geschichte nicht nur kürzer, sondern auch weniger komplex, als es der erste Band war.
Trotzdem sorgt das Buch gerade in der hektischen Vorweihnachtszeit für eine amüsante Lesestunden und als Fan sollte man definitiv auch zum Weihnachtsband greifen.

4 von 5 Nussknackern

Samstag, 4. November 2023

Clarissa Bühler "Wechselbalg"


Was macht ein Jugendlicher, wenn die hauptsächliche Bezugsperson stirbt?
Nein, ich spoiler nicht, aber viele Möglichkeiten gibt es nicht. Zumal wenn dieser Jugendliche in der restlichen Familie kaum Halt findet. Lediglich der Bruder nimmt sich seiner vermehrt an und versucht sein Leben vollends auf ihn einzustellen.
Daneben gibt es die junge Studentin Marie. Aus einem kleinen Dorf stammend versucht sie in Freiburg mit dem Studium Fuß zu fassen und merkt doch schnell, dass das alles eine ganz andere und verängstigende Welt ist. Warum sie sich überhaupt zum Studium hat hinreißen lassen, das fragt sie sich nicht nur einmal.

Das Buch erzählt kapitelweise die Geschichte von Marie, Mo und Jo. Mo ist derjenige, der dem Leser am nächsten ist und von dem wir am meisten, auch über die anderen beiden, erfahren. Der Schreibstil ist oftmals sehr brutal realistisch und das Buch eignet sich nicht für jemanden, der gerade einen Menschen verloren. Sehr nah an der Realität und auch an dem damit verbundenen Schmerz macht es nicht leicht dieses Buch zu lesen und das Geschehene zu realisieren.
Oft und auch lange bleibt verborgen, was die Beziehung zwischen den drei Charakteren sein soll und wie sich ihre Lebenswege kreuzen, denn eins ist klar, kein Mensch ist eine Insel. So sehr wir uns das auch oftmals wünschen.

4 von 5 Behandlungen

Danke an die Autorin für das Rezi-Exemplar.

Dienstag, 31. Oktober 2023

Philip Kerr "1984.4"

Jeder Schreiberling hat ein Werk, das ihn beeindruckt und vielleicht auch selbst zum Schreiben animiert hat. Sich selbst hinzusetzen und die eigene Version des geliebten Buches zu schreiben, kann ein Glücksgriff werden oder aber ein Fehlgriff.
Ich schwanke immer noch mit meinem Urteil, während ich diese Zeilen schreibe.
Ich hatte das Original extra zuvor gelesen, weil es in meiner Erinnerung nicht mehr präsent genug war, um die beiden Bücher vergleichen zu können. Denn das ist es, was ein Autor mit der eigenen Version erreicht. Er wird mit dem Original verglichen. Ob bewusst oder unbewusst spielt dabei keine Rolle, er muss sich dem Vergleich stellen.

Philip Kerr siedelt seine Version "1984.4" im Jahr 2034 an. Die "freiwillige" Euthanasie ist vorgeschrieben und wird rigide durch den Senior Service kontrolliert. Florence schafft es aus dem Volk zum Service und wird zur besten Schülerin, die der Service je hatte, bis ihre eigene Mutter vorzeitig erkrankt und Florence sich bei einer Verfolgung in einem alten Kino widerfindet.

Ich mag Philip Kerrs Art zu schreiben, doch ... ich weiß nicht, wie ich das Buch bewerten soll. Das Buch ist in so vielen Punkten dem Original ähnlich, dass es kaum eine eigene Dynamik entwickelt. Die Personen bleiben grau und man hat das Gefühl, eine Kopie des Originals zu lesen, welches lediglich in ein paar Punkten modernisiert wurde. Man leidet nicht so sehr mit den Protagonisten, man hat kaum eine Bindung zu ihnen.
Das Buch als Abklatsch zu bewerten, würde allerdings dem Autoren auch nicht gerechnet. Vielleicht ist es der Tatsache geschuldet, dass das Buch posthum veröffentlicht und er keine eigene Überarbeitung mehr vornehmen konnte, was die blasse Art des Autors in dem Buch erklären könnte.
Trotzdem war das Buch es für mich als Lektion das Lesen wert. Manche großen Texte gehören unangetastet. Man kann bei einer Neuadaption so oder so nur verlieren.

Eine Sternebewertung kann ich aus den oben genannten Gründen dieses Mal nicht vornehmen.

Zeitschrift des Monats "Totenschein"

Zumeist sind es Bücher, die einem als Leser ins Auge springen, dabei gibt es wahrlich viele andere Möglichkeiten an Texte, Berichte und Geschichten zu kommen. Dieses Jahr nehme ich euch einmal im Monat in die Welt der Zeitschriften mit. Die Zeitschriften umfassen die verschiedenen Genres wie Krimis, Fantasy, Science-Fiction oder bilden ein buntes Crossover. Von Printausgaben über Downloads, von kostenlosen Exemplaren bis hin zum Hochglanzmagazin ist so manches dabei, was das Leserherz höher schlagen lassen kann. So genug der Einleitung, schauen wir uns die zehnte Zeitschrift an:


Name: Totenschein
Turnus: ein- bis zweimal jährlich
Preis: Printausgabe 2,90 Euro
Bezugsadresse: carstenschmitt.com/totenschein-story-zine/
Seitenumfang: circa 8 Seiten

Neben dem eigenwilligen Namen fällt die Zeitung auch mit ihrer besonderen Optik auf. Gedruckt im für Zeitungen üblichen Format und Schriftbild besticht sie gerade durch ihrer Kürze. Ein Gedicht findet sich neben versetzt gedruckten Kurzgeschichten von Carsten Schmitt und Tanja Karmann, hier eine kleine "Werbung", dort ein Memento Mori ist diese Zeitung für Fans der unheimlich-phantastischen Literatur ein wahrer Augenschmaus. Als Duo-Projekt angelegt stellen nur Tanja Karmann und Carsten Schmitt die Texte aus und sorgen damit für eine ausgesprochene Authentizität.

Aktuell ist die fünfte Ausgabe erschienen, die man über die Internetseite beziehen kann. Als "Dauertotenschein" ist die Zeitung auch als Abonnement erhältlich.

Hier geht es zur Webseite: carstenschmitt.com/totenschein-story-zine/

Sharon Gosling "Lighthouse Bookshop"

Ein Leuchtturm voller Bücher - ein Traum für Rachel, nachdem sie ihr Heim verlassen musste. In einem kleinen schottischen Dorf kommt sie zur Ruhe und findet in den Bewohnern die Familie, die sie niemals hatte. Doch als der Besitzer des Leuchtturmes stirbt, kommen viele Dinge ans Tageslicht. Manche hätten verborgen bleiben sollen und bei anderen bedauert man, dass sie nicht schon eher zutage gekommen sind.
Bücher.
Leuchtturm.
Konfliktlösungen.

Das Buch bietet alles, was Bücherliebhaber brauchen. Die Handlung bindet das Thema Bücher, Bücher sammeln und Bücher pflegen in einer Intensität ein, wie ich es selten bei einem Roman erlebt habe. Dabei ist es wie mit den Büchern selbst, sie drängen sich nicht auf. Sie sind geduldig und warten auf ihre jeweilige Zeit. Keines drängelt sich vor und alle warten, bis sie in der Handlung ihren Platz haben, um ihre Kraft zu entfalten.
Die Figuren sind liebevoll und detailliert ausgestaltet und man ist traurig, wenn man diese Gemeinschaft auf der letzten Seite verlassen muss.
Denn während des gesamten Buches wächst der Wunsch in einem Leuchtturm zu wohnen und dort die eigene Bibliothek aufzubauen.

Wären da nicht die Treppen ...

5 von 5 Leuchttürmen

Montag, 30. Oktober 2023

Sven Nieder (Hrsg) "Planta Nubo"

Wie könnte eine neue Welt aussehen, nachdem wir sie ausgebeutet haben? 
Diese spannende Frage haben sich die Herausgeber Sven Nieder und Andi Bottlinger in "Planta Nubo" gestellt. Sie schaffen ihre eigene Welt mit Baumgiganten, sogenannten Arboren, auf denen die Menschen mit den Fragmenten der früheren Zivilisation leben und versuchen eine neue Gemeinschaft anzusiedeln.
20 Autor:innen haben ihre Zukunftsvision in das vorgebenene Setting eingepflanzt und so streifen die Lesenden durch eine vermeintlich konstante und doch jeweils individuelle Welt. Probleme gibt es selbst nach dem Zusammenbruch zuhauf, denn man schafft nicht einmal eben eine neue Welt.
Die Umwelt leidet immer noch und Menschen gehen auch in der vermeintlich neuen und somit besseren Welt verloren. Somit handeln die Texte von ähnlichen Themen, wie es andere Zukunftsanthologien tun, doch die Aussicht ist durch den Solarpunk eher positiv gestimmt. Besinnung auf natürliche Ressourcen, das Nutzen von bereits vorhandenen Techniken und das heute noch stiefkindliche Thema Recycling oder auch das Reparieren von Dingen rückt in den Mittelpunkt des Interesses.
Natürlich liegt den einzelnen die eine oder andere Geschichte mehr als die andere und manche Inhalte haben größere Schnittmengen als andere, doch zeichnet die Anthologie ein optimistischeres Bild einer Vision als manch andere Zukunftsbücher.
Optisch hochwertig aufgemacht, ist zu dem Buch ein Brettspiel erschienen, welches die Welt von "Overgrown" visualisiert und spielerisch erfahrbar macht.
In einer Welt, in der die Natur im Mittelpunkt steht und der Mensch seinen Platz akzeptiert, findet die Solarpunk-Anthologie ihren Platz und lässt trotz aller jetzigen Widrigkeiten leise auf die Zukunft hoffen.

4 von 5 Luftschiffen

Danke an den Verlag für das Rezi-Exemplar.

Sonntag, 29. Oktober 2023

Tim Collins "Meisterdetektiv Sherlock Bones: Die Jagd nach den Kronjuwelen"

Sherlock Holmes ist wahrsten Sinne des Wortes "auf den Hund gekommen". Im ersten Band von Tim Collins' Reihe über Sherlock Bones wird der bekannte Detektiv zum Hund und Dr. Watson wird zur Katze Dr. Catson. Die Handlung bliebt in London, doch werden die Straßennamen angepasst. So residieren die beiden in der Barker Street oder das vornehme Viertel nennt sich Belling Hill. Neben kleinerer Diebstähle wurden die Kronjuwelen der Mops-Königin gestohlen und Inspektor Bluthund kann mit seiner Einheit von Hundewelpen den Fall nicht allein lösen. Somit ist es an dem großen Detektiv, dessen Lupe und seiner Chronistin sich des Falles anzunehmen und ihn zu lösen.
Neben der eigentlichen Geschichte gilt es für den Leser 30 Rätsel zu lösen. Bilderrätsel, versteckte Nachrichten, Vergleichsbilder, dem Rätselfreudigen stehen die verschiedenen Rätsel zur Auswahl und begleiten die Kapitel. 
Wie schon in den originalen Texten sind die Hierarchien auch in dieser Kinder-Rätsel-Geschichte offensichtlich: Sherlock Bones ist der große Held und Dr. Catson und Inspektor Bluthund sind die Nebencharaktere, die ohne den großen Detektiv den Fall nicht lösen würden.
Neben den Rätseln laden seitengroße Bilder zum Erforschen des etwas anderen Holmes/Bones-Universum ein und dem Autor gelingt es den charmanten Spagat zwischen Original und eigener Interpretation zu meistern. Der Fall ansich ist für einen erwachsenen Leser schnell gelöst und doch liest man die Geschichte auf Grund ihres Charmes gerne zu Ende.
Ein gelungener Start in eine neue, etwas andere Sherlock Holmes, ich meine, Sherlock Bones Reihe.

4,5 von 5 Hundeknochen 

Montag, 16. Oktober 2023

Laura Vinogradova "Wie ich lernte, den Fluss zu lieben"

Wieviel kann ein Mensch ertragen, bis er unter seinen Sorgen zusammenbricht?

Rute hatte es nie leicht im Leben. Die Mutter, eine Vagabundin, zerrte Rute mit ihrer Schwester von Mann zu Mann und ihre Wahl war dabei nie sonderlich glücklich.
Als Rutes Vater stirbt, fällt sie in einen unsagbar tiefes Loch. Die Mutter im Gefängnis, die Schwester seit Jahren verschwunden. Obwohl Rute ihren Vater nicht kannte, macht sie sich auf, um sein kleines Haus am Fluss zu besuchen und bleibt dort länger, als sie ursprünglich geahnt hätte.

Wo andere Bücher auf die Tränendrüse drücken, lässt sich die Autorin in ihrem Erstling Zeit die Stimmung und die Zerrissenheit ihrer Protagonistin aufzubauen, was ihr auf 124 Seiten gut gelingt. Ähnlich einem Krimi, bekommt man immer nur einzelne Versatzstücke und wundert sich anfangs, wie und warum sie sich so verhält.
Rute ist dabei nicht zu stereotypisch, wie es bei anderen Bücher dieses Genres oft der Fall ist.

Die Autorin zeichnet wunderschön die zerrissene Frau, die in ihrem Leben eigentlich alles hat und trotzdem unsagbar traurig ist.
Sie schafft es Gefühle in Worte zu packen, sie so zu drehen, dass auch Menschen, die diese Zerrissenheit nicht kennen, sich ein Bild dieser Schwere machen können.
Ohne zu überzeichnen, gelingt es ihr, das Leben einer jungen Frau zu zeigen und zu beweisen, dass jeder nur einen Schritt von seinem eigenen Fluss entfernt ist.

Ein starkes Debut, was neugierig auf weitere Werke macht.

5 von 5 Flüssen 

Danke an Schönebücher Magazin und Paperento für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Piper Digital "Weihnachtsduft und Erfindergeist"

Adventskalender gibt es viele -  aber dieses Buch ist etwas ganz besonderes.
Während andere "Buch-Adventskalender" eine Geschichte erzählen oder man bei der Geschichte zum Mitraten animiert wird, bietet dieses Buch Einblicke in 26 andere Bücher.
Wie das sein kann? 

Der Verlag hat verschiedene Autorinnen gebeten, kleine Weihnachtsgeschichten zu ihren bereits veröffentlichten Büchern über 26 berühmte Frauen zu schreiben.

So reist man durch die verschiedenen Jahrhunderte und in die unterschiedlichsten Länder, wobei man dort jeweils an einer Weihnachtssequenz teilnimmt. Abgerundet werden die Texte mit einer kleinen Biografie über die ausgewählte Dame. Und manchmal bekommt man einen Hinweis darauf, ob die erzählte Geschichte auf einer wahren Begebenheit fußt oder ob die Autorin kreativ ihre Geschichte in die Historie eingebettet hat. Abschließend erfährt man, in welchem Roman die Lebensgeschichte der berühmten Frau geschildert wird.

Das Buch ist eine sehr interessante Art einen Adventskalender zu gestalten. An jedem Tag lernt man eine mal mehr, mal weniger bekannte Persönlichkeit kennen und man kann, wie eine Art Leseprobe, ausprobieren, welcher Schreibstil der Autorinnen einem zusagt. Gleichzeitig ist das Buch wie ein großer Wunschzettel, bei dem man nach und nach abhaken kann, über welche Frau man mehr erfahren möchte.

Ein tolles Buch, perfekt für die Vorweihnachtszeit.

4 von 5 Adventskalendern

Samstag, 7. Oktober 2023

Anke Küpper & Franziska Henze (Hrsg) "Tee. Matcha. Mord"

Eine gute Tasse Tee ...
So bekannt die Weisheit ist, desto mehr hinterfragt man sie, wenn man diese Anthologie beendet hat. Denn, soviel sei gesagt, auch wenn der Tee natürlich nicht immer die Ursache ist, das wäre schlichtweg zu einfach, so spielt er in der jeder der zwanzig Kurzgeschichten eine zentrale Rolle. 
Anke Küpper und Franziska Henze beweisen nach ihren Anthologien Tatort Nord und Tatort Nord 2 erneut ein wahnsinniges Gespür für gute Geschichten. Denn bedenkt man, wie literarisch eng das Thema für die Kurzgeschichtensammlung gesteckt ist, überrascht auch diese Anthologie mit ihrer Themenvielfalt und den sehr unterschiedlichen Herangehensweisen.
Mal historisch, mal zur See, mal im Garten und mal, nein noch mehr verrate ich nicht.
Die Geschichten laden alle zum Miträtseln ein und man kann seine Menschenkenntnis ein um das andere Mal testen.
Dabei handeln die Geschichten nicht nur in Deutschland. Auch hier schöpfen die Herausgeberinnen aus den Vollen und die Krimis führen uns in fremde Länder und somit auch an andere Sitten heran, was den Rätselspaß erhöht.
Ganz nebenbei lernt man viel über Tee. Seine Geschichte, seine Zubereitung und den jeweiligen Charakter der einzelnen Sorten.
Spannend sind die Erzählungen bis zur jeweils letzten Seite und man fragt sich, wie die beiden Herausgeberinnen die drei Anthologien toppen wollen.

5 von 5 Teekannen

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Autoreninterview Birgit Böllinger

Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einer interessanten Autorin gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte. Wobei Autorin es diese Woche erneut nicht trifft. Birgit Böllinger arbeitet hinter den Kulissen, als Pressesprecherin für unabhängige Verlage. Was es damit auf sich hat? Lest selbst: 

Birgit Böllinger (privat)

Wie bist du in die Verlagswelt gekommen?
Bis 2020 hatte ich einen ganz „normalen“ Job als Pressesprecherin bei einer überregionalen Behörde.
In der Freizeit betrieb ich jedoch einen Blog, damals hieß er „Sätze & Schätze“ – gelesen habe ich immer schon viel und der Blog war eine wunderbare Möglichkeit, mich mit anderen auszutauschen, aber auch Literatur kennenzulernen, die mir in der Buchhandlung möglicherweise nicht begegnet wäre: Die ganze Bandbreite toller Veröffentlichungen der unabhängigen Verlage. Das Bloggen nahm immer mehr Zeit ein in meinem Leben und auch der Wunsch, mit Mitte 50 vielleicht beruflich noch etwas anderes zu tun. Als mich eine Kollegin aus einem unabhängigen Verlag fragte, ob ich mir vorstellen könnte, nebenberuflich ihren Job zu übernehmen, zögerte ich nicht lange. Inzwischen bin ich selbständig und habe mich auf die Pressearbeit für unabhängige Verlage und im Auftrag von Autor*innen spezialisiert. Und ich kann nach drei Jahren sagen: Es war die richtige Entscheidung.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Weniger glamourös, wie manche vielleicht meinen 😊. Ich lese natürlich viel, die Verlage, für die ich tätig bin, schicken mir in der Regel schon vor Erscheinen die Manuskripte der Bücher, die ich bewerben soll. Dann entwickle ich ein Konzept: Wen könnte das Buch interessieren, welche Kritiker*innen, Journalist*innen und Blogger*innen soll ich ansprechen? Als nächstes folgt der Entwurf einer Pressemitteilung, die hoffentlich neugierig macht, dann die Aussendung per Mail und telefonisches Nachhaken. Wichtig ist natürlich die Präsenz auf den beiden Messen, um Kontakte zu knüpfen zu Multiplikator*innen oder diese eben frisch zu halten.

Unterscheidet sich deine private Lektüre von dem, was du arbeitstechnisch lesen musst?
Privat nehme ich mir immer mal wieder Leseprojekte vor – das heißt, ich lese mehrere Bücher einer Autorin, eines Autors, die mich interessieren, hintereinander. Das sind dann oftmals Klassiker*innen. Diesen Sommer habe ich mich durch die halbe Maigret-Reihe von Georges Simenon gelesen, das hat einfach Spaß gemacht.

Hat man auch nach Jahren in der Branche und trotz aller Professionalität Lieblingsbücher, bei denen man sich besonders freut, dass man sie bei der Veröffentlichung begleiten darf?
Das kann ich eigentlich so nicht sagen. Oftmals sind es ja auch mir völlig unbekannte Autor*innen, die ich für die unabhängigen Verlage betreue. Da staune ich immer wieder über die Vielfalt und den Reichtum, den diese engagierten Verleger*innen entdecken. Ich würde es eher so formulieren: Durch die Edition Faust habe ich erst einen Zugang zu Graphic Novels gefunden, die STROUX edition hat mir die Vielfalt der nordischen Literatur eröffnet und über den axel dielmann verlag habe ich herrlich schräge Romane, beispielsweise von Michael Wäser, entdeckt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Was ist deine Lieblingsaufgabe in deinem Job?
Das „Einsammeln“ schöner Rezensionen. Ich freue mich einfach, wenn ich merke, dass die Bücher auch bei anderen gut ankommen.

Gibt es Autoren, die du besonders gerne einmal persönlich kennenlernen würdest?
Sehr schwierige Frage! Es gäbe so viele, aber ich hätte vermutlich einen riesigen Bammel davor, doofe Fragen zu stellen 😊 Nun ja, Wilhelm Genazinos Bücher liebe ich durch die Bank. Ich konnte ihn noch bei einer Lesung erleben, er war so bescheiden und sympathisch. Mit ihm hätte ich gerne noch einen langen Spaziergang durch Frankfurt gemacht.

Welches Buch liegt aktuell auf deinem Nachttisch?
Noch eines von Georges Simenon: „Maigret und die junge Tote“. Dann ist es aber auch gut mit der Krimi-Phase.

Nachdem ihr wisst, was Birgit für die Buchbranche auf die Beine stellt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt. 

Dienstag, 3. Oktober 2023

Theodor Fontane "Auf der Suche"

Kurzgeschichten sind keine moderne Erfindung und sie sind nur bedingt eine Erfindung der englischen Literatur. Denn auch wenn die Engländer sie bis heute besser zu wissen schätzen als die Deutschen, gab es auch schon vor über hundert Jahren Deutsche die Kurzgeschichten schrieben.
Der vorliegende Band von Theodor Fontane fasst erstmals sechs seiner Kurzgeschichten in Buchform zusammen und zeigt, dass auch er schon wusste, was eine gute Kurzgeschichte ausmacht. 
Stimmung, Atmosphäre und gegebenenfalls auch Moral und Anstand in einen kurzen Text zu packen, das kann bekanntlich nicht jeder und so ist ein Fest diese wundervollen, atmosphärisch dichten Texte zu lesen. Sie wirken heute ein bißchen aus der Zeit gefallen, da es viele Dinge aus Fontanes Zeit nicht mehr gibt, aber spätestens der Anhang zeigt, wo damals in den Texten die unterschiedliche Brisanz lag (Stichwort: Kuppelei oder auch Laborant). 
Beim Lesen muss man sich anfänglich auf die Sprache einstellen, denn der Verlag hat glücklicherweise darauf verzichtet, den Text zu modernisieren. Eine Tatsache, die ich bei älteren Texten durchaus begrüße. Man taucht dadurch noch mehr in die vergangene Zeit, ihre Werte und ihre Vorstellungen ein und ist dabei in einer kleinen Zeitkapsel gefangen, die man erst beim Schließen des Buches wieder verlassen muss.
Ein fortwährendes Carpe diem liest sich zwischen den Zeilen und man ist erstaunt, wieviel Anmut in den Zeilen steckt. 
Wer Fontane bereits kennt, findet sehr deutlich seine Art der Kritik wieder und wer ihn nicht kennt, kann ihn in sechs Geschichten kennenlernen.

5 von 5 short stories

Samstag, 30. September 2023

Zeitschrift des Monats "Weltenportal Magazin"

Zumeist sind es Bücher, die einem als Leser ins Auge springen, dabei gibt es wahrlich viele andere Möglichkeiten an Texte, Berichte und Geschichten zu kommen. Dieses Jahr nehme ich euch einmal im Monat in die Welt der Zeitschriften mit. Die Zeitschriften umfassen die verschiedenen Genres wie Krimis, Fantasy, Science-Fiction oder bilden ein buntes Crossover. Von Printausgaben über Downloads, von kostenlosen Exemplaren bis hin zum Hochglanzmagazin ist so manches dabei, was das Leserherz höher schlagen lassen kann. So genug der Einleitung, schauen wir uns die neunte Zeitschrift an:



Name: Weltenportal Magazin
Turnus: ein- bis zweimal jährlich
Preis: kostenlose pdf, Printausgabe 10,00 Euro
Bezugsadresse: weltenportalmagazin.de
Seitenumfang: bis zu 100 Seiten

Das Weltenportal Magazin lässt sich nicht in ein Genre pressen. Bewusst wird bei der Auswahl der Kurzgeschichten darauf geachtet, dass die unterschiedlichsten Bereiche von Science Fiction und Fantasy bedient werden, um dem Namen der Zeitschrift gerecht zu werden.

Auch wenn die Kurzgeschichten den größten Umfang der Zeitschrift einnehmen, ist es aber nicht so, dass es nur Kurzgeschichten in ihr zu finden sind. Neben Rezensionen, mehrseitigen Artikeln, sind Interviews ein wichtiger Bestandteil einer jeden Ausgabe. Unterschiedliche Reporter:innen und Autor:innen bringen Abwechslung und sogenannte Literaturinterviews sorgen für einen frischen Wind.

Als Co-Redakteurin und Weltenportalreporterin könnte man mir Befangenheit vorwerfen, aber die Zeitschrift ist so gut; sie spricht für sich selbst. Die neueste Ausgabe ist heute erschienen.


Hier geht es zur Webseite: weltenportalmagazin.de

Julie Peters "Ein Sommer im Alten Land"

Die meisten Veränderungen im Leben kommen dann, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Alix ist für einen Auftrag ihrer Firma in den USA, als sie dort von ihrem Freund überrascht wird. Doch auf dem Weg zum Treffen ereignet sich ein schwerer Unfall.
Körperlich größtenteils unversehrt kann sie nach dem Unfall nichts mehr riechen, ein unüberwindbares Hindernis in ihrem Job als Parfümeurin. Wie eine Kettenreaktion bricht ihr gesamtes Leben auseinander, denn der Job war das Wichtigste in ihrem Leben.
Doch ein Ausflug auf den Apfelhof ihrer Großtante lässt sie ihre bisherigen Lebensumstände hinterfragen und auch, wer noch zu ihrem Leben gehört.
Oftmals trifft man im Leben auf Scheidewege und in vielen Fällen ist man sich dessen gar nicht bewusst. Wer vorher groß tönt, dann und dann mache ich das und das, hat noch nie eine wirkliche einschneidende Situation erlebt. Gerade das ist es, was den Roman in meinen Augen so realistisch und Alix so glaubhaft macht. Sie, die immer einen Plan hatte, die immer wusste, was als nächstes geschieht oder zu geschehen hat, ist vor den Kopf gestoßen. Sie trifft Entscheidungen, nur um sie im gleichen Moment zu bedauern und sich zu wünschen, es wäre nicht so, sondern anders passiert.
Eine angenehme Sprache, kleine Zwistigkeiten, das eine oder andere große Problem, Julie Peters schafft es, die verschiedenen Lebenspunkte zu verbinden und zu zeigen, dass nicht alles im Leben einzeln betrachtet werden kann, auch wenn es sich die Protagonistin noch so sehr wünscht. 
Das Buch zeigt zudem, dass Menschen so sehr sie es sich immer wieder wünschen, keine Inseln sind und das wir andere brauchen, um das Beste aus uns rauszuholen.

4 von 5 Apfelbäumen

Donnerstag, 28. September 2023

Autoreninterview Jens Korch


Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, der mir meine Fragen beantworten möchte. Wobei Autor es diese Woche gar nicht trifft. Jens Korch ist der Mann, wenn es um "Schöne Bücher" geht. Was es damit auf sich hat? Lest selbst:


Jens Korch (Foto von privat)

Wie bist du in die Verlagswelt gekommen?
Ich habe Betriebswirtschaft studiert und parallel als Journalist für eine Tageszeitung gearbeitet, dort dann später auch mein Volontariat gemacht - und insgesamt 20 Jahre als Redakteur gearbeitet. Parallel hatte ich mich einer Kollegin den Verlag Edition Wannenbuch gegründet, was mehr eine Schnapsidee war. Die Idee für die wasserfesten Bücher für die Badewanne entstand am Pool in der Toskana und wir haben schnell viele Fans damit gewinnen können. Irgendwann ließ sich der Verlag nicht mehr "nebenher" zur Redakteursarbeit managen, so dass ich den alten Job gekündigt und mich ganz auf den Verlag konzentriert habe.

Das "Schöne Bücher Magazin" erscheint jetzt seit mehreren Jahren. Hast du damals erahnen können, wie dankbar das Magazin genommen wird?
Nein, das war nicht abzusehen. Es war anfangs auch nur ein Versuch, entwickelt kurz nach dem Pandemie-bedingten Aus für die Leipziger Buchmesse 2020. Über eine Verlagsgruppe bei Facebook habe ich Mitstreiter für das Schöne-Bücher-Magazin gesucht. Wir wollten damit unsere Titel den Buchhändlern und Lesern zeigen, die nicht zur Buchmesse kommen konnten. Ich hatte auf vielleicht zehn Verlage gehofft, aber wir waren am Ende 50. Über die vergangenen Jahre ist aus den "Schönen Bücher" ein richtiges Netzwerk geworden. Wir arbeiten eng zusammen, denn viele Verlage schaffen mehr als einer zusammen. Das Schöne-Bücher-Magazin erscheint zweimal im Jahr und ist ein Mix aus Katalog und Magazin - mit Neuerscheinungen und Verlagsporträts.

Ausgehend von dem Magazin, ist die "Schöne Bücher Bibliothek" eine logische Konsequenz gewesen?
Es war zumindest ein Wunsch von mir - und das nicht zuletzt der herausfordernden Zeit für Verlage geschuldet. Denn über unser Netzwerk ist mir aufgefallen, dass wir uns doch alle noch viel enger zusammentun und davon gegenseitig profitieren können. Ich hatte im Herbst 2022 unter den Verlagen gefragt, wer sich so ein Projekt vorstellen könnten. Zum Auftakt der Schöne-Bücher-Bibliothek, einer gemeinsamen verlagsübergreifenden Buchreihe, sind wir nun mit zehn Verlage im Herbst 2023 gestartet. Ein knappes Jahr intensive Arbeit liegt hinter uns. Und es war echt oftmals gar nicht so einfach, die unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen - zum Beispiel beim Design - der Verlage unter einen Hut zu bekommen.

Erzähl etwas zu der Entstehung der "Schönen Bücher Bibliothek". Hattest du einige der teilnehmenden Verlage als Wunschkandidaten im Sinn oder gab es ein Bewerbungsverfahren?
Ich habe es bewusst offen gehalten, einzige Vorgabe war: Es soll eine Belletristik-Reihe für Erwachsene werden. Ansonsten hatten die Verlage aus dem Schöne-Bücher-Netzwerk bei der Auswahl ihrer Stoffe absolut freie Hand. Am Ende ist ein bunter Genre-Mix herausgekommen, der es in die Schöne-Bücher-Bibliothek geschafft hat: Wir haben den spannenden Mallorca-Mystery-Thriller ebenso dabei wie einen Mittelalterroman, Reisenotizen aus aller Welt oder Science-Fiction.

Hattest du ein Mitspracherecht, welche Bücher die anderen Verlage veröffentlichen?
Nein, das sollten und mussten die Verleger selbst entscheiden. Ich wusste zwar vorher, wie die Titel heißen, die bei den Kollegen veröffentlicht wurden. Aber lesen kann ich sie jetzt erst, nachdem sie erschienen sind. Was mir aufgefallen ist: Da sind so viele Perlen dabei, die es wert sind, mehr Sichtbarkeit zu bekommen. Genau das ist ja für kleine Verlage oft die größte Herausforderung. Wenn Leser nicht wissen, dass es ein bestimmtes Buch überhaupt gibt, wie sollen sie es dann kaufen?

Wie kam es zu deiner Auswahl des Titels "Wie ich lernte, den Fluss zu lieben?"
Über eine befreundete Verlagskollegin kam ich zur Frankfurter Buchmesse 2022 in Kontakt mit dem Stand von Latvian Literature. Die Plattform bringt lettische Verlage mit Verlagen aus dem Ausland in Berührung - und vermittelt so auch Kontakte zu Verlagen aus dem baltischen Land. Ich habe ein paar Titel zur Auswahl bekommen und konnte mich schnell für "Upe" ("Der Fluss") von Laura Vinogradova begeistern. Die Übersetzung stammt von Britta Ringer und der in Riga ansässige Verlag Zvaignze ABC hat mir als kleinem Verlag zugetraut, den Titel auf Deutsch zu vertreiben - was mich sehr gefreut hat. Lauras Buch hat den Europäischen Literaturpreis gewonnen und das ist auch ein Pfund, was bei der Vermarktung hilft.

Was ist in den nächsten Wochen zu der "Schönen Bücher Bibliothek" noch geplant und wie kann man die Aktion unterstützen?
Die Verlagskollegen aus dem Schöne-Bücher-Netzwerk haben mehr als 30 Veranstaltungen im ganzen Land geplant, bei denen Autorinnen und Autoren ihre Bücher der Bibliotheksreihe vorstellen. Im Oktober stellen wir gemeinsam an einem Stand auf der Frankfurter Buchmesse aus, haben dort jede Menge Präsentationen. So sind wir beim renommierten "Open Books"-Programm vertreten - und zwar am Buchmessesamstag ab 20 Uhr im Kunstverein Frankfurt. Das ist ein tolles Podium, um die Schöne Bücher Bibliothek zu präsentieren. Wer die Verlage unterstützen mag, kommt gern zur Buchmesse vorbei und schaut sich die Buchreihe an. Oder geht zum Buchhändler seines Vertrauens und liest in einen der Titel rein. Übrigens haben wir für die Bibliothek sehr eng mit Blogger und Buchhändlern zusammengearbeitet. Zu jedem Titel gibt es einen Paten-Buchhändler und ebenso einen Paten-Buchblogger. Die Paten konnten die Titel vorher lesen und unterstützen uns auch bei Veranstaltungen. Wer die Paten sind (und mehr zu den Büchern) steht hier: www.schoenebuecher.net/bibliothek


Nachdem ihr wisst, was Jens herausgibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
schoenebuecher.net/bibliothek

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt. 


Mittwoch, 27. September 2023

George Orwell "1984"

Einen Klassiker zu bewerten ... Keine leichte Aufgabe. Was könnte man schreiben, was nicht schon Lesende in den Jahrzehnten vor einem selbst geschrieben haben?
Den Inhalt muss ich, glaube ich, keinem mehr nahelegen. Zu bekannt ist das Werk "1984" und einige spezielle Elemente daraus. Nur soviel sei gesagt, das Ende hat mich trotz allem überrascht und vor allem nach dem gesamten Mittelteil erstaunt zurückgelassen.

Greife ich zu hoch, wenn ich "1984" die Mutter aller Dystopien nenne? Oder darf man es gar keine Dystopie mehr nennen, da vieles heute schon Realität ist?
Gerade bei SciFi bin ich immer wieder erstaunt, wieviel "hellseherische Fähigkeiten" die Autoren mitunter beweisen.
Mit Dingen, die einem normalen Menschen nicht im Traum einfallen würde, schaffen diese Autoren Welten, die Jahrzehnte später kaum von der Wirklichkeit zu unterscheiden sind.
Gerade "1984" besticht durch ein Wechselbad der Gefühle. Glaubt man kurzzeitig, dass sich Winstons Welt zu etwas Besserem gewandelt hat, weiß man unterschwellig, dass das nicht das Ende sein kann.
Abgründe ergeben sich immer wieder von Neuem und der Leser ahnt, dass der Tiefpunkt noch nicht erreicht sein kann.
Wollte Orwell den Leser gerade in der damaligen Zeit wachrütteln? Oder wollte er lediglich seine Befürchtungen niederschreiben?

Beides ist denkbar und für uns, die das Jahr 1984 bereits passiert haben, bleibt die Frage, ob sich die restlichen Annahmen von ihm auch noch erfüllen werden ...

4,5 von 5 Kameras

Samstag, 23. September 2023

G. Z. Schmidt "Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit"

In welche Zeit würdet ihr reisen oder alternativ welchen Menschen würdet ihr retten, wenn ihr die Zeit beeinflussen könntet?
Adam lebt seit dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel oberhalb der kleinen Bäckerei. Viel haben sie nicht, doch sie haben sich mit dem Leben und seinen Umständen arrangiert. Eines Tages erscheint ein Mann und erzählt Adam, dass er auf dem Speicher einen Schatz besitzt. Was danach folgt sind die Unwägbarkeiten vieler kleiner und auch großer Zeitreisen, die Adam dahinführen, dass er sich seines Lebens und seiner Aufgabe darin bewusst wird.
Ob und wie Zeitreisen möglich sein könnten, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Was der Roman immer wieder betont, ist das Philosophische und Zwischenmenschliche. Ob und wie sich die Menschen oder Zeitreisen ändern oder ob die Realität ein Produkt der Zeitreise ist. Vieles ist und bleibt ein Rätsel. Die Menschen, die neben Adam die Geschichte tragen, sind so unterschiedlich, wie das Leben sie schreibt. Mal hilfsbereit und zugänglich, dann wieder in sich gekehrt oder gar bösartig, spiegeln die Charaktere das Leben und die Figuren in ihm wider. 
Beim Lesen vergisst man oftmals die Zeit -  wie wirklich passend - denn das Buch ist durchgängig spannend. Dabei wechselt das Setting zwischen historisch und mystisch ein wenig hin und her und als Leser muss man zum Ende doch ein wenig schmunzeln, wie sich alles zusammenfügt. 
Ein Roman, der neben der klassischen Unterhaltung auch, wie beiläufig, ein bisschen Wissen vermittelt. Ein kurzweiliges Vergnügen, was uns wieder einmal zeigt, man hat das Leben selbst in der Hand -  man muss nur daraus etwas machen.

4,5 von 5 Schneekugeln

Donnerstag, 21. September 2023

Autoreninterview Luc Peier

Hallo zusammen.

Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte. Luc Peier bringt heute seinen ersten Fantasy-Roman heraus. Ein guter Zeitpunkt, ihm einige Fragen zu stellen:



Luc Peier (Foto von privat)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Im Sommer 2020 hatte ich eine spontane Idee für eine Fantasy-Welt und fand Gefallen daran, an dieser „herumzubasteln“. Es entstanden Gottheiten, Völker, Kulturen, politische und Schulsysteme – einfach alles, was mir für eine Welt wichtig war und woran ich Spaß hatte, es zu kreieren. Nach ein paar Monaten war die Welt soweit fertig und ich überlegte mir, wie sich eine Geschichte darin abspielen könnte. Dann begann ich zu schreiben.

Erzähl uns ein bisschen über "Verdàn".
Verdàn ist die Welt der Menschen. Von außen betrachtet könnte man meinen, dass es sich um eine normale mittelalterliche Welt handelt – dem ist natürlich nicht so. Die Völker in Verdàn folgen ihrer jeweiligen Gottheit und sehen deren Sinn als den wichtigsten an. Für die Kazein ist es der Sehsinn, für die Lyd der Hörsinn, für die Evv der Tastsinn und für die Hamay der Geruchs- und Geschmackssinn. Entsprechend ist die Lebensweise der Völker ausgerichtet und auch die Ausbildung innerhalb eines Volkes konzentriert sich auf die Förderung des für sie wahren Sinnes. Das macht Verdàn, die Welt der Menschen, speziell.

Neben der Handlung hast du dir auch eine komplette Götterwelt erdacht. War dir das bei der Planung des Romans wichtig?
Ja, es war die erste Idee und somit der Ursprung meiner Geschichte. Inspiriert von der griechischen Mythologie habe ich mir Gedanken dazu gemacht, wie „meine“ Götterwelt Kamea ausschauen könnte. Ich kam dann auf die Idee, dass die Götter – anstatt klassisch für Krieg, Liebe, etc. – insbesondere für die menschlichen Sinne verantwortlich sein könnten. Abgeleitet davon entwickelte ich das Konstrukt der Droma und der Teys – also wie die Interaktion zwischen Götter und Menschen erfolgt – und erschuf anschließend Verdàn, die Welt der Menschen.

Da ich gerade nach Planung fragte: Wieviel hast du für dein Buch geplant und recherchiert?
Das Schreiben der Geschichte folgte keinem Plan. Die Fertigstellung und die Vermarktung des Buches plante ich allerdings möglichst detailliert, unter anderem auch deshalb, weil finanzielle Entscheidungen damit verbunden waren. Das benötigte durchaus seine Zeit. Recherchiert habe ich vor dem Schreiben vor allem hinsichtlich Schreibhandwerk. Ohne Literatur- und Schreibkenntnissen musste ich erst einmal wissen, wie man eigentlich eine Geschichte schreibt, worauf man achten soll etc.. Fachliche Recherche habe ich fortlaufend durchgeführt. Wie die menschlichen Sinne funktionieren oder wie man mit einem Schwert kämpft sind nur zwei von vielen Themen, die ich zuerst lernen musste.

Was fasziniert dich an deiner Welt am meisten?
Ich finde die Frage spannend, wie die Menschheit wohl wäre, wenn sie ihr Dasein auf einen Sinn oder mehrere Sinne ausrichten würde. Damit wären viele Konsequenzen – wie bspw. Schulfächer – verbunden, die ich in meiner Geschichte aufgreifen versuchte. Die Idee der Sinne lässt das Leben der Menschen aus einem anderen Blickwinkel darstellen.

Welche deiner Figuren ist dir am ähnlichsten?
Diese Frage könnte mein Umfeld wohl besser beantworten. Ich persönlich glaube nicht, dass ich große Ähnlichkeiten mit einer Figur habe. Vielleicht gibt es einzelne Charakterzüge, die an meine Person erinnern. Ich bin aber zu nahe an der Geschichte, um das beurteilen zu können.

Arbeitest du bereits an dem Fortsetzungsband?
Momentan liegt der Fokus auf der Vermarktung von Band 1. Erste Ideen für den zweiten sind zwar bereits vorhanden, aber meine Leserinnen und Leser müssen sich wohl noch etwas gedulden. Meine Zeit als Hobby-Autor ist begrenzt. Ich bin aber zuversichtlich, dass, wenn es mich wieder packt, zügig ein neuer Text entstehen kann.

Nachdem ihr wisst, was Luc schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
verdan-buch.ch
instagram.com/verdan_buch

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.


Mittwoch, 20. September 2023

Tom Hillenbrand "Die Erfindung des Lächelns"

Oft ist es der erste Eindruck, der der sich lebenslang hält. Doch was sich hinter der Fassade abspielt, bekommt man nur selten zu sehen.
Paris, in der Zeit der Belle Époque, genauer gesagt: Es ist 22. August 1911.
Das Unglaubliche ist geschehen, aus den Räumen des Louvre ist ein Gemälde verschwunden. Eigentlich war es beim Publikum nicht beliebt, aber der Verlust löst nahezu einen Hype aus.
Die Mona Lisa ist verschwunden. Zwei Polizeistationen sind betraut, die Zeitungen berichten ohne Unterlass und trotz einiger Verdächtigungen bleibt sie erst einmal verschwunden und doch ist das nicht alles.
Denn in Paris gehen noch andere Dinge vor sich. Dinge, von denen auch die Polizei nichts ahnt und erst recht nicht der kleine Bürger von der Straße.
Aleister Crowley stattet der Stadt zunehmend Besuche ab und Pablo Picasso verlässt die Stadt nur noch selten. Doch was haben sie mit der Mona Lisa zu tun?

Wer die Geschichte um den Raub der Mona Lisa kennt, wird sich bei diesem Detektivroman umstellen müssen. Er lebt von der Atmosphäre der Zeit. Man riecht den Absinth, man hört die Musik, sieht die entstehenden Gemälde und die Mädchen scharenweise Cancan tanzen.
Doch gerade diese vielfältigen Schauplätze sind es, die oftmals von dem Raub ablenken und den Leser auf die Nebenschauplätze führt. Die Mona Lisa wird zur Randfigur ihrer eigenen Entführung und verliert an Bedeutung.

Als Zeitdokument - auch wenn es wahrlich ein Roman ist - ist das Buch interessant zu lesen, aber für mich war es eine Reizüberflutung.

Auch der erhoffte Detekivroman versteckt sich unter den vielen Handlungssträngen, was für mich den Vergleich des französischen Sherlock Holmes nur bedingt nachvollziehbar macht.

3 von 5 Gemälden

Luc Peier "Verdàn - Sehen"

In einer Welt, die unserer doch in vielerlei Hinsicht völlig fremd ist, muss ein Held sich mit den gleichen Problemen herumschlagen, wie es auch bei uns der Fall ist.
Als Salàr von der Schule nach Hause kommt, lebt in seinem Dorf nicht eine Menschenseele mehr. Lediglich seine Schwester kann er unter den Toten nicht finden und macht sich mit seiner besten Freundin Tana in die Wälder hinter dem Dorf auf, denn als Hamay riecht er Dinge, bevor er sie sieht.
Die Welt von Verdàn ist zersplittert: Die einzelnen Volksstämme unterteilen sich in vier Gruppen, die in unterschiedlichen Ausprägungen nach ihren Sinnen leben, wobei hier jedes Volk vom anderen lernen könnte, wenn sie denn nicht verfeindet wären.
Doch nicht nur in Verdàn herrscht Zwietracht. Auch in der Götterwelt kämpfen Neid, Hass und Missgunst gegeneinander an und es vermag keiner zu vermitteln. Eher wird es mit den Jahren immer noch schlimmer.

Luc Peier hat mit "Verdàn - Sehen" seinen ersten Roman vorgelegt. Im Bereich der Fantasy angesiedelt, beeinflussen den Roman auch viele Elemente, die Lesern aus Götterwelt"dramen" bekannt sein dürfen. Eigene Götter, eine eigene Welt, verschiedene Volksstämme, eigene Maßeinheiten; der Autor hat sehr viel seiner Fantasie überlassen und nutzt nicht die genrebedingten Phrasen.
Das Buch ist nicht klassisch der Kampf Gut gegen Böse, wie man ihn in der Gattung oft antrifft, vielmehr ist es auch ein Familiendrama. Salàr bleibt allein zurück und muss sich eine neue Familie suchen und auch die Götterwelt gleicht oftmals einem schlechten Kaffeekränzchen.
Gerade durch die vielen eigenen Begrifflichkeiten (die in einem Glossar am Ende des Buches erläutert werden) braucht man als Leser ein wenig, bis man in die Welt vollkommen eintauchen kann. Mit den Kapiteln wechselt man zwischen Verdàn und der Götterwelt, was die Erzählstruktur belebt und den Leser neugierig der Geschichte folgen lässt.
Einige Elemente lassen einen verdutzt zurück, doch ist es auch in der Realität so, dass wir die anderen Menschen nie ganz verstehen.

Ein gutes Erstlingswerk und ein interessanter Einstieg in die Welt von Verdàn.

4 von 5 Hamay


Vielen Dank an den Autor für das Rezi-Exemplar.

Montag, 18. September 2023

Rainer Schorm (Hrsg) "Die Zukunft im Blick"

"Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag alles Liebe, zum Geburtstag viel Glück."
"Die Zukunft im Blick" ist eine Geburtstagsanthologie zu Ehren von Rainer Erlers 90. Geburtstag. Seit Jahrzehnten beeinflusst er mit seinen Filmen und seinen Texten die deutsche Film- und später auch Literaturszene.
Mit dem für ihn eigenen Stil - der sich stark an Sachtexten orientiert und damit sehr dokumentarisch anmutet - hat er sich Ende der 60-er Jahre anfangen einen Namen zu machen. Er legt den Finger in Wunden, die schmerzen und hat dabei immer zukünftige Entwicklungen im Blick. Dabei nutzt er für sich selbst die Formulierung Science Thriller als Science Fiktion, was bei vielen Texten aus heutigen Sicht definitiv angebracht ist.
"Fleisch" oder "Das blaue Palais" sind die Werke, die oft in einem Atemzug mit Rainer Erler genannt werden. Auch wenn sein Werk wesentlich umfangreicher ist, bilden die beiden Texte tragende Säulen in seiner Karriere.

Die Anthologie von Rainer Schorm und Jörg Weigand umfasst unterschiedliche Textgattungen:
Zum einen haben die beiden Herausgeber alte Zeitungen nach Texten über Rainer Erler durchforstet und ebenso werden Interviews des Jubilars abgedruckt.
Ergänzt wird die Sammlung durch ein zeitgenössisches Skript.
Doch damit nicht genug, neben Zeitdokumenten wurden von verschiedenen Autorinnen und Autoren Sach- oder Prosatexte geschrieben.
Mal gibt ein Autor seine erste Begegnung mit den Werken von Rainer Erler wider, mal wird das erste Treffen mit ihm reflektiert.
Ein anderer Autor rollt für den Leser Rainer Erlers Vita auf, was ich für Leser meiner Generation als Einführung unglaublich hilfreich fand.
Bei den Prosatexten wechseln sich verschiedenste Herangehensweisen ab. Einige Texte sind im Fahrwasser des Jubilars geschrieben und zeigen, wie der Autor selbst seine Texte verfasst.
Andere nutzen einzelne Elemente aus den "klassischen" Geschichten und entwickeln daraus ihre eigene Geschichte.
Und wieder andere ... nein, ich habe schon zuviel verraten.

Das Buch ist für Fans des Jubilars eine gute Zusammenfassung seines Werkes und zeigt, dass seine Beeinflussung bis in die heutige Zeit reicht.
Für Leser jüngerer Generationen bietet dieses Buch einen Einstieg in die Ära "Rainer Erler" und weckt den Wunsch, nicht nur amerikanische Autoren zu lesen, wenn es um Science Fiction geht.

4 von 5 Tortenstücken 

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.