Donnerstag, 25. April 2024

Autoreninterview Dieter Korger

Hallo zusammen.
Heute geht es mit dem Autor Dieter Korger weiter:

(Bild: Dieter Korger (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Wie wahrscheinlich die meisten: durch viel Lesen – einerseits Bücher, anderseits Comics. Von beidem konnte ich zu Schulzeiten nicht genug bekommen. Darüber hinaus habe ich schon früh angefangen, mir selbst und anderen Geschichten zu erzählen. Die konnten epische Längen entwickeln. So ab dem zarten Alter von vierzehn Jahren fing ich dann an, Geschichten aufzuschreiben. Eine war über hundert Seiten lang, alles handgeschrieben, mit dem Füllfederhalter. Und gleich volle Kanne Science-Fiction mit Fantasy. Mit Ende der Schule war dann klar, dass ich in Richtung Journalismus und Publizistik gehen wollte. So kam eins zum anderen, und das Schreiben und Redigieren hat nie aufgehört.

Wie integrierst du das Schreiben in deinen Alltag?
Das ist heute kein großes Problem mehr. Ich bin seit wenigen Jahren selbständig unterwegs und beschäftige mich nur noch mit Dingen, die mir intrinsisch Spaß machen und guttun. Während meiner langen Zeit als angestellter Redakteur bzw. Unternehmenskommunikator sah das anders aus. Ich hatte wenig Zeit fürs private Schreiben. Für meinen ersten SF-Roman, »Anschlag im Fegefeuer«, habe ich fünf Jahre gebraucht, für meinen 2021 erschienenen Zeitreiseroman »Cyprus Tower« gar über zehn Jahre. Da gingen viele freie Tage, Wochenenden und vor allem schlaflose Nächte für die Buchprojekte drauf.

Mit welcher deiner Geschichten sollte man beginnen, wenn man noch nichts von dir gelesen hat?
Die Frage bekomme ich derzeit immer wieder. Als door opener bietet sich wahrscheinlich »Nur ein Werbespot!« in der Anthologie »Ferne Horizonte – entfernte Verwandte« an. Die Story hat doch eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten, die ich beim Verfassen nicht für möglich gehalten hätte.

Wer aber nicht die ganze Anthologie kaufen möchte, was natürlich schade wäre, dem empfehle ich ganz offen »Cyprus Tower«. Der Roman ist rein als E-Book erhältlich und äußerst günstig zu erwerben.
Und es ist das Werk, auf das ich persönlich am meisten stolz bin, es herausgebracht zu haben.

Was ist dir wichtiger: Unterhaltung oder Moral?
Ich habe so eine Ahnung, warum du mich das fragst. Vermutlich wegen »Nur ein Werbespot!«. Ja, da geht es um die endlose Geldgier, für die manche Menschen glauben, jegliche Grenzen ungestraft übertreten zu dürfen … mit einer final fiesen Moral von der Geschicht´.

Es geht mir jedoch in keiner meiner Geschichten um Moral. Sie sollen in jedem Fall unterhalten, ganz klar! Wichtig ist mir zudem, dass die Storys eine Relevanz für die Welt von heute haben. Science-Fiction ist für mich, und da bin ich wohl nicht allein, vor allem ein Spiegel aus der Zukunft auf die Welt von heute. Deshalb findet sich in den meisten meiner Geschichten ein politischer bzw. gesellschaftspolitischer Bezugsrahmen, der den Lesenden eine Einordnung anbietet. Allerdings darf der Rahmen nicht den Plot bestimmen. Im Vordergrund steht immer die Unterhaltung.

Was schreibst du lieber: Romane oder Kurzgeschichten?
Aus heutiger Sicht definitiv Kurzgeschichten, denn ich brauch nachts mittlerweile mehr Schlaf … Doch im Ernst: Kurzgeschichten geben mir die Möglichkeit, innerhalb weniger Monate verschiedene neue Welten und Plots auszuprobieren. Ob die Geschichten dann genommen werden oder nicht, ist für mich erst mal zweitrangig. Klappt eine Story nicht, lege ich sie auf Eis und arbeite an der nächsten. In meinem Ideenkasten liegen noch zahlreiche bekritzelte Blätter, die um Beachtung winseln.

Mit wem würdest du einmal gerne zusammenarbeiten?
Kommt darauf an. Gemeinsam eine Geschichte zu schreiben, ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Wäre aber gewiss ein interessantes Experiment. Dafür müsste man sich gegenseitig ein bisschen besser kennen und wissen, wie die oder der andere tickt, damit was Gutes bei rauskommt. Namen hätte ich sogar im Kopf, aber die behalte ich lieber für mich.

Wenn es um Lektorat und Redaktion geht, mache ich seit letztem Sommer interessante Erfahrungen mit dem Magazin ›Exodus‹. 
Zunächst bin ich in die Schlussredaktion eingestiegen. Für die kommende Ausgabe bin ich dann zusätzlich von René Moreau als Lektor angefragt worden. Es ist spannend, mit den drei Herausgebern und den verschiedenen Autorinnen und Autoren zusammenzuarbeiten. Gerade dann, wenn ich bei Texten stärkeren Nachholbedarf sehe. Der Austausch zu den Storys ist jedenfalls
immer sehr angenehm und führt definitiv zu besseren Endergebnissen.

Dystopie oder Utopie: Wie siehst du Zukunft der Science Fiction?
Ob nun in Form von Dystopien oder Utopien – das Genre fristet in Deutschland eher ein Nischendasein. Der Markt ist klein; die Deutschen stehen eher auf Krimis. Interpretiere ich deine Frage hingegen danach, ob die Science-Fiction in Deutschland eher eine dystopische oder utopische Zukunftsperspektive hat, würde ich mich auf die Seite der Utopisten schlagen. Ich sprach vorhin von der Relevanz, die SF für uns als Gesellschaft haben kann, wenn sie als hochgerechnetes Abbild unserer Zeit in der Zukunft fungiert. Kreative Köpfe wie Aiki Mira mit »Neongrau« und »Neurobiest« oder Theresa Hannig mit »Pantopia« liefern dafür allerbeste Beispiele.

Die deutsche Science-Fiction sollte sich nach außen viel mehr Gehör verschaffen. In Think Tanks in den USA oder China, die sich der wissenschaftlichen Erforschung der Zukunft widmen, sitzen regelmäßig Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren mit am Tisch. Das passiert hierzulande noch zu wenig.
Ein ungewöhnliches Projekt, das in die gleiche Richtung geht und zu dem ich mich mit einer Story einbringen konnte, hat das NATO Defense College in Rom ins Leben gerufen. Das Ergebnis wird eine Graphic Novel sein, die im Juli zum 75. Geburtstag der Allianz erscheinen und die mögliche Entwicklung der Weltlage bis 2099 aufzeigen soll. Jeder Teilnehmende durfte in einer eigenen Shortstory völlig frei darstellen, was er oder sie sich vorstellt. – Auf das Gesamtergebnis im Comic-Format bin ich wahnsinnig gespannt.


Nachdem ihr wisst, was Dieter schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
dieterkorger.de/autor
www.instagram.com/dieterkorger25/

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Montag, 22. April 2024

F. Scott Fitzgerald "Die Straße der Pfirsiche"

Wenn man sich mit klassischer Literatur beschäftigt, kommt man an Fitzgerald und somit zwangsläufig auch an seiner Frau nicht vorbei.
"Die Straße der Pfirsiche" erzählt die reale Fahrt der beiden zu ihren Eltern, um zum Frühstück Pfirsiche essen zu können. Im Nachgang wird die Realität mit der Fiktion verglichen, doch zum großen Teil stimmen beide miteinander überein. 
So mag es seltsam anmuten, dass ein "Roadmovie" als Buch erschien, doch trotz allem, hat es das Buch zu einer gewissen Popularität geschafft. Hotel an Hotel, Motorschaden an zerstörten Reifen, vieles passiert auf der Fahrt nach Alabama und auch schon hier wird offensichtlich, wie sich die Beziehung der beiden entwickeln wird. 
Sollte man nicht um die Ehe der beiden wissen, sollte man sich zuvor kurz informieren, da dies im Buch erst nach dem eigentlich Text stattfindet und für den unwissenden Leser zu merklichen Irritationen führt. Die Geschichte der Fahrt hat natürlich einen wiederholenden Charakter und auch die Beschreibung der beiden wird mit zunehmender Textlänge anstrengend. Vieles missfällt ihnen und Contenance ist für die beiden ein Fremdwort. Wenn man um die beiden weiß, ahnt man worauf es hinausläuft, doch trotzdem ist man über Bissigkeit auch gerade zu Anfang ihrer Ehe sehr erstaunt. 

3 von 5 Rostlauben

Sonntag, 21. April 2024

Dan Adams "Manhattan 2060" Part 3

Der dritte Teil bildet auf so viele verschiedene Arten ein Ende, man mag es gar nicht alles aufzählen. Nachdem Captain Kirkland offiziell nicht mehr in die aktuellen Fälle involviert ist, stellt er für seine Gegner jedoch keine geringere Bedrohung dar. Um das D.S.O. in wahrsten Sinne des Wortes aus der Schusslinie zu halten, versucht er es auf seine eigene Art ...
Während die anderen des D.S.O. allmählich begreifen, wie weite Kreise die Verschwörung zieht, agieren sie immer vorsichtiger. Ein gegnerischer Gefangener wird zur Schlüsselfigur des letzten großen Angriffs, mit dem die Gerechtigkeit wieder hergestellt werden soll.
Am Ende müssen alle Fäden zusammengeführt werden und über das Schicksal eins jeden Charakters entschieden werden. In Manhattan 2060 scheint dies oftmals eine schwere Entscheidung, denn viele übertreten die Grenzen ihres jeweiligen Bereiches. Doch Dan Adams schafft es im letzten Band, eine schlüssige und leserfreundliche Lösung zu ersinnen.
Der letzte Band hebt sich gerade durch seinen hohen KI-Anteil hervor und verändert durch auch das Setting der Geschichte maßgeblich. Während andere Passagen des Buches sehr durch militärische Aktionen geprägt sind, bildet dies eine Balance. 
Eine sehr gute Serie, die zeigt, welche Gefahren, aber auch Chancen, die Zukunft nicht nur für Manhattan bietet. Wollen wir hoffen, dass es in Zukunft mehr Menschen vom Schlage des D.S.O. gibt, die die Menschen vor dem Bösen und manchmal auch vor sich selbst beschützen.

4 von 5 Cops

Donnerstag, 18. April 2024

Autoreninterview Manuel O. Bendrin Literaturinterview

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? 

Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität und Fantasie vermischt?

Es gibt sich die Ehre: Seìka.


(Foto: Manuel O. Bendrin, Grafik: Maximilian Wust)

Seìka, du bist in "Legende eines Helden" eine der Hauptfiguren. Erzähl doch ein bisschen von der Geschichte.
Oh, was gibt es da viel zu erzählen? Eine Rebellion aus Verzweiflung trieb mein Volk zu einer unbedachten Tat, die Krieg über das Reich der Menschen brachte. Es war selbstverständlich meine Pflicht, dieses Unrecht wieder gut zu machen. Dabei traf ich auf Īsarnaro, der genauso wie ich an einer Lösung mit möglichst wenigen Opfern auf allen Seiten interessiert war. Ich durfte ihn in dieser Geschichte begleiten, wie er nicht nur das eigene Volk in eine hoffentlich bessere Zukunft führte. Mein Part war nur marginal.

Siehst du dich als Protagonist oder Antagonist?
Weder noch. Dies ist nicht meine Legende oder seht ihr mich etwa als einen Helden?

Warum hast du Īsarnaro als deinen Begleiter auserwählt?
Begleiter? Das ist eine nette Ausdrucksweise für den Haftmeister, ganz ehrlich. Wir trafen durch Zufall aufeinander und so wurde ich Teil seiner Geschichte.

Woher nimmst du die Berechtigung für deine Handlungen?
Welche Handlungen? Sind Dinge wie atmen, essen – also leben, nicht in sich selbst berechtigt? Brauche ich dafür eine Rechtfertigung? Brauche ich eine Rechtfertigung, wenn ich spreche oder gehe? Brauche ich eine Rechtfertigung, wenn ich Freunde finde, scherze, mich freue oder trauere? Das klingt so, als täte ich mit jeder einzelner meiner Handlungen etwas Unrechtes, weil ich mich berechtigen muss. Ist leben und überleben etwa Unrecht?

Bereust du etwas? 
Ich bereue vieles in meinem Leben. Zu viel. Vielleicht aber auch nicht genug. Nur ein Tier kann sein ganzes Leben ohne Reue leben, denn nur ein Tier erkennt seine Fehler nicht.

Oder ich frage einmal anders, wie weit würdest du für dein Ziel gehen? Würdest du über Leichen gehen?

Tun wir das nicht alle jeden Tag aufs Neue? Wir töten, um zu leben. Nur so kann Leben sich erhalten.

Die gesamte Welt ist auf Leichen vergangener Generationen aufgebaut. Ganze Völker wurden ausgelöscht, um als Fundament einer neuer Zivilisation zu dienen. Es gibt immer zwei Gesinnungen, die gegeneinander kämpfen: erneuern oder erhalten. Damit man etwas erneuer kann, muss man zuerst das Alte vernichten – und leider auch jene, die es um jeden Preis schützen wollen. So wie diese die Erneuerer vernichten müssen, wenn sie das Bestehende erhalten wollen. Die größere Macht wird sich durchsetzen und die schwächere wird ausgelöscht. Ich glaube, ihr nennt dies Evolution.

Ist deine Geschichte mit diesem Band zu Ende erzählt?
Wurde denn meine Geschichte in diesem Buch erzählt? Soweit ich mich entsinne, ist jenes die Geschichte eines anderen. Meine Geschichte wurde nie begonnen zu erzählen, wie kann sie dann enden?

 

Ihr wollt mehr erfahren? Dann schaut hier vorbei:

http://www.manuelottobendrin.de
https://www.facebook.com/ManuelOttoBendrin/
https://www.instagram.com/manuel.o.bendrin
https://www.amazon.de/-/e/B07982DDS1


In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Sonntag, 14. April 2024

David Gray "Sherlock Holmes - Der Geist des Architekten"

Nachdem Watson die Baker Street 221B verlassen hat, kommt er lediglich zu Besuch, um mit Holmes neue Fälle zu klären. Ein Bekannter Mycrofts benötigt die Hilfe der beiden Ermittler, da sich in seinem neugebauten Haus ein Geist eingenistet hat. Selbstverständlich ist Holmes von Anfang an der Meinung, dass es Geister nicht gibt, dafür ist sein Verstand viel zu rational. Doch das Thema reizt ihn und so findet sich neben den beiden Ermittlern auch Inspector Lestrade ein, um den Verbrecher dingfest zu machen. Oder?
Ein neuer Holmes - ganz nach meinem Geschmack. 
Bei Holmes ist es für den Autor immer schwierig, mich zu begeistern. Zu nah am Original und ich halte die Texte für besseren Abklatsch, zu weit entfernt und ich denke, warum nennt man die Geschichte überhaupt Sherlock Holmes.
David Gray hat den Spagat für mich sehr gut geschafft. Mit dem Auftakt seiner Trilogie holt er alle wesentlichen Figuren aus den originalen Geschichten mit auf die Bühne und gibt ihnen eine jeweils eigene Nuance. Es handelt sich jeweils nur um ein kleines Detail, doch so baut er sich sein eigenes kleines Holmes Universum. Kleine versteckte Anekdoten und auch Plätze versetzen den Leser in nostalgische Stimmung, während die Geschichte neue Aspekte aus dem Charakter Sherlock Holmes lockt.
Die Illustrationen untermalen den eigenen Stil der Trilogie und es macht Spaß in die Baker Street zurückzukehren.

5 von 5 Consulting detectives

Samstag, 13. April 2024

Nadine Buch "Gruselstunde: Der vergessene Ort"

Still ruht der See; was bei anderen Geschichten heimelig wirkt, ist bei dieser Geschichte nur der Anfang von etwas Unerklärlichem. Als Jule mit ihren Freundinnen an einem warmen Sommertag zum See geht, scheint alles in friedlicher Stille zu liegen. Bis ... Jule anfängt Fotos von sich für ihren Schwarm zu machen. Auf den Bilder sieht sie einen Schatten, der dort nicht sein dürfte. Unwesentlich später entdecken die drei Freundinnen im Wald ein altes Haus, in dem seltsame Dinge geschehen ...
In ihrer ersten "Gruselstunde" führt die Autorin Leser ab 12 Jahren in eine düstere Geschichte, in der es um Rache und nicht gewährte Vergebung handelt.
Parallel skizziert sie den Schulalltag der drei Mädchen, der im Vergleich zu dem Geheimnis wie ein Spaziergang wirkt. 
Die Emotionen, und somit auch das Gruseln, halten sich die Waage und man kann entspannt mit den drei Freundinnen mitfiebern, wenn es um die Lösung des Rätsels geht.
Eine unterhaltsame Gruselgeschichte mit leicht mystischen und schaurigen Zeilen weckt die Neugier und man fliegt nur so durch die Seiten. Wer sich nicht zu viel gruseln möchte, sollte das Buch lieber bei Tageslicht lesen. 😊

4 von 5 Gruselstunden

Donnerstag, 11. April 2024

Autoreninterview Gernot Schatzdorfer

Hallo zusammen.

Heute geht es mit dem Autor Gernot Schatzdorfer weiter:

(Foto: Gernot Schatzdorfer (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Das war im Jahr 2008. Einem Mitmenschen, der mich gut kennt, sind zwei Besonderheiten an mir aufgefallen: Zum einen neige ich zu Rückzug und Alleinsein, zum anderen kann ich sprachlich gut formulieren und auch schwierige Sachverhalte präzise auf den Punkt bringen. So riet er mir zur Schriftstellerei, wo ich beide Eigenheiten verbinden und als Ressourcen zu nutzen kann.

Das erste Buch, was ich von dir lesen durfte, war "Der Lindwurmplanet". Jetzt ist frisch "Insektoid" herausgekommen.
Wie wählst du die Form deiner Außerirdischen?
Eine Inspirationsquelle sind Mythen, Märchen und Sagen. Für den „Lindwurmplaneten“ überlegte ich zum Beispiel, wie man Drachen oder Lindwürmer in einen Science-Fiction-Kontext stellen könnte. Solche archetypischen Figuren sind seit jeher fähig, unsere Emotionen und unser Unbewusstes anzusprechen.
In „Insektoid“ orientierte ich mich an der irdischen Biologie, konkret an Aussehen und Eigenschaften von Insekten. Mir ging es dabei auch darum, mir vorzustellen, wie völlig andersartiger Wesen die Welt und die Menschen wahrnehmen. Durch Facettenaugen sieht die Welt gleich ganz anders aus.
Eines sind meine Außerirdischen bestimmt nicht, nämlich menschenähnlich. Das hat zwar eine lange und in den Lesegewohnheiten auch gut etablierte Tradition in der klassischen Space Opera (Star Trek usw.), ist aber nicht mein Zugang.
 
Du bist bereits der zweite Physiker, den ich interviewen darf. Empfindest du es so, dass die Jobwahl auch mit einem spezifischen Literaturgeschmack einhergeht?
In meiner Berufsrealität bin ich gar kein Physiker, lediglich von der Ausbildung her, denn ich habe ein Lehramtsstudium für Mathematik und Physik abgeschlossen. Seither arbeite ich als Lehrer, wobei ich in den letzten Jahren gar nicht Physik unterrichtet habe, sondern nur Mathematik und Informatik.
Ich war aber schon in meiner eigenen Schulzeit sehr stark naturwissenschaftlich interessiert und habe damals auch mit dem Lesen von Science Fiction begonnen. Mein Interesse für dieses Genre speiste sich aus meiner Orientierung an Naturwissenschaft und Technik. Das ist bis heute so geblieben, aber inzwischen lege ich das Augenmerk beim Lesen wie auch beim Schreiben stärker auf das Menschliche und Zwischenmenschliche.
 
Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?
Am Anfang stehen Ideen. Wann immer mir etwas einfällt, schreibe ich es auf. Beispielsweise habe ich vor einiger Zeit einen Bericht über Hinweise auf einen Planeten gelesen, der zur Gänze aus Diamant besteht. Es kann aber auch ein zwischenmenschliches Motiv sein, das ich unter mir nahestehenden Menschen beobachte, etwa zwei Brüder, deren Brüderlichkeit in einer Extremsituation auf die Probe gestellt wird.
Gedankensplitter dieser Art habe ich zu einer inzwischen recht ansehnlichen Sammlung zusammengetragen, die ich laufend ergänze und immer wieder durchlese. Manchmal bleibe ich an einer Idee hängen und greife sie heraus, um eine Story daraus zu bauen. Bei einem längeren Text können auch mehrere Einträge einfließen, weitere kommen dann beim Konzepterstellen ohnehin von selbst dazu. Auch die thematische Vorgabe in einer Anthologie-Ausschreibung kann Ausgangspunkt einer Idee sein.
Dann überlege ich mir ein Rohkonzept für den Text. Dazu gehören die Personen (Hauptperson, Nebenrollen, Gegenspieler), das Setting bzw. der Weltenwurf und die Dramaturgie (Handlungsplot, Spannungsaufbau, Erzählperspektiven). Das alles halte ich auch schriftlich fest.
Das fertige Konzept gehe ich mehrmals durch und versuche es zu verbessern, zum Beispiel, indem ich Inkonsequenzen in der Handlung oder in der Charakterisierung von Personen korrigiere und weiter ins Detail gehe, etwa beim Einbau von Cliffhangern oder der Positionierung entscheidender Höhe- und Wendepunkte.
Bei längeren Texten schreibe ich als nächsten Schritt noch eine Kapitel- oder Szenenübersicht, in der jede Szene mit Ort, Zeit, Perspektive und Handlung beschrieben wird, fast so wie die Kurzfassung eines Filmdrehbuchs. Gelegentlich, wenn mehrere Handlungsstränge parallel laufen, schreibe ich auch einen zeitlichen Ablaufplan.
Im Zuge dieser Vorarbeiten können durchaus auch Wochen oder Monate vergehen.
Dann erst geht es ans Schreiben des eigentlichen Textes. Wenn die Erstfassung fertig ist, optimiere den Text noch in meistens in zehn bis zwanzig Überarbeitungsschritten. Diese Phase benötigt den größen Teil der Entstehungszeit eines Werkes.
Das Ergebnis schicke ich noch meistens an mehrere Testleserinnen und Testleser. Wenn ich deren Rückmeldungen eingearbeitet habe, ist der Text reif für das Einreichen bei einem Verlag.
Dazu gehört bei längeren Texten noch ein Exposé. Das ist aber schnell gemacht, weil mein Konzept ja schon schriftlich vorliegt.

Gibt es einen Text, den du heute anders schreiben würdest?
Ich würde heute alle meine Texte anders schreiben. Schließlich lerne ich mit jedem neuen Text dazu und sehe bei meinen älteren Werken immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten. Trotzdem lese ich auch meine alten Texte auch jetzt noch immer wieder mit viel Freude.
Ältere Texte, die ich nach längerer Zeit erstmals oder erneut veröffentliche, überarbeite ich normalerweise noch einige Male, um meinen jetzigen Erfahrungsstand einzubringen. Am Kern ändere ich nichts, es geht eher um handwerkliche Details.
 
Liest du neben deiner eigenen Schriftstellerei auch aktuelle Science Fiction von anderen Autoren? Oder liest du privat bewusst andere Genres?
Ich lese praktisch immer irgendetwas, und zwar überwiegend Science Fiction. Dabei lese ich nicht bewusst andere Genres, sondern immer dann, wenn mir etwas Interessantes unterkommt. Aber auch in anderen Genres oder im literarischen Mainstream zieht es mich häufig zu Romanen mit phantastischen Elementen.
 
Was bedeutet Science Fiction für dich?
Science Fiction bietet die Möglichkeit, die Frage „Was wäre, wenn?“ auf kreative Weise zu stellen und zu beantworten. So kann ich meine Faszination für die Ästhetik exakter, logischer Wissenschaft mit meinem Hang zum Träumen verbinden. Ich kann die ganze Bandbreite vom sachlichen Berichten über Spekulation bis hin zum fröhlichen Drauflosfabulieren abdecken und dem Zugang über den Verstand all das hinzufügen, was vom Herzen kommt: Menschlichkeit, Einfühlungsvermögen, Freundschaft und Liebe, aber auch Zorn, Hass und Rachedurst. Dazu kommen zeitlose gesellschaftliche Themen wie Toleranz und Umgang mit dem Fremden, Demokratie und Tyrannei, Freiheit und Sklaverei, Kriminalität und der Umgang damit, und vieles mehr.
Science Fiction ist also keine Flucht vor den menschlich wichtigen Dingen, sondern kann sie in phantasievoller Form auf den Punkt bringen.

Nachdem ihr wisst, was Gernot schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
schatzdorfer-graz.at/gernot
facebook.com/Gernot.Schatzdorfer/

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 10. April 2024

Nicholas Blake "Mord auf der Kreuzfahrt"

Als Detektiv immer wieder in Mordfälle zu stolpern, scheint eine besondere Eigenschaft von Nigel Strangeways zu sein. Nachdem er seiner Freundin versprochen hat, mir ihr ein paar Tage auf einem Kreuzfahrtschiff durch die griechische Ägäis zu schippern, kommt alles anders, als die beiden anfangs denken. Einige griechische Inseln sind bereits besichtigt, als es zu zwei Morden kommt und sich die Frage stellt: Wem kann man auf dem Schiff noch trauen?
Wieder einmal schafft es der Autor ein nahezu perfektes Locked-room-mystery zu schreiben. Doch dieses Mal habe ich den Fall vor Ende des Buches gelöst, aber der Reihe nach.
Nicholas Blake schafft es in seiner Reihe um den Scotland Yard Ermittler immer wieder den Leser zu überraschen. Meist trifft der Tod Nigel Strangeways im Feierabend oder gar im Urlaub, was einem als Leser schon ein bisschen Mitleid empfinden lässt, da der Ermittler nie zur Ruhe zu kommen scheint. Doch er ist bei jedem Fall mit Leib und Seele dabei und verblüfft die Leser mit seinen Schlussfolgerungen und der Tatsache, dass er nahezu jedes Details mitbekommt. Dabei ist er als Charakter äußerst charmant, da er nicht die Arroganz eines Sherlock Holmes oder eines Hercule Poirot besitzt. 
Parallelen oder zumindest Ähnlichkeiten zu Fällen von Agatha Christie wirken dabei nicht wie ein Abklatsch, sondern lösen beim Lesen eine gewisse Heimeligkeit aus, da man weiß, das Böse wird am Ende immer bestraft. 
Wer es allerdings bei Krimis etwas deftiger mag, wird an den Geschichten keine Freude haben. Da es sich um Kriminalromane handelt, kommt die Handlung nur sehr gemächlich in Gang und man lernt erst viel über die Figuren, bevor "etwas" passiert.
Ich persönlich liebe diesen Erzählstil, aber das ist bekanntlich eine Geschmackssache.

5 von 5 Kreuzfahrtschiffen

Dienstag, 9. April 2024

Dieter Rieken "Zweimal langsamer wie du"

Die Zukunft ist düster. Dieses Bild wird öfters vermittelt, wenn man Science Fiction liest. Klimaerwärmung, das Verlassen der Erde und andere mehr oder wenige realistische Ideen setzen Autoren in ihren Texten um.
In seinem Sammelband "Zweimal langsamer wie du" greift sich Dieter Rieken drei Themen für seine Geschichten heraus.

Die Titelgeschichte wird von den Auswirkungen des Klimawandels dominiert. Dabei sind es nicht nur die Handlungen der Personen, die bedrückend wirken, sondern gerade ihre Gedanken und ihre Träume zeichnen ein wesentlich klareres Bild, was neben der planetaren Auswirkungen auf die Menschheit in Zukunft wartet.

"Jonas und der Held Terranovas" zeigt schon mit der Namensgebung, an welche Geschichte diese Erzählung anknüpft. Die Menschheit hat die Erde verlassen und lebt auf Terranova; ein Ort, der ein Neubeginn sein sollte, der aber trotzdem von Vorurteilen der alten Welt durchzogen ist.

"Die Schneekönigin" zeigt auf, was passiert, wenn nicht die Hitze die Erde dominiert, sondern ein Kälteeinbruch vorherrscht. Wer gegen wen? Und vor allem zu welchem Preis?

Im Nachwort erläutert der Autor, dass er alle Geschichten für diesen Sammelband überarbeitet und ergänzt hat. Es ist interessant zu verfahren, welchen Wandel Geschichten durchleben können, bevor sie als Buch erscheinen. 

Geschichten über die Zukunft sollen, finde ich, noch mehr zum Nachdenken anregen, als es bereits andere Texte tun. Gerade deswegen wirken Science Fiction Texte oftmals unbequem. Sie legen den Finger in die sprichwörtliche Wunde und zeigen uns unsere Verfehlungen der Vergangenheit und der Gegenwart auf, um die Zukunft besser oder zumindest durchdachter anzugehen. Alle drei Geschichten haben einen unterschiedlichen Ansatz und doch ist es in meinen Augen gerade das Psychologische, das die drei Geschichten miteinander verbindet. Vielmehr als in anderen Geschichten, die ich bisher gelesen habe, geht es auch darum, was der Klimawandel o.Ä. mit uns als Menschen macht. Wo ziehen wir persönlich Grenzen, welche Hindernisse überwinden wir und welche Opfer müssen wir bringen, um ein Ziel zu erreichen. Es stellt sich auch die Frage, ob jedes Ziel erstrebenswert ist.

4 von 5 Erzählungen

Rezensionsexemplar von pmachinery.de

Donnerstag, 4. April 2024

Autoreninterview spezial Timo Kümmel

Hallo zusammen.

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass hinter dem Buch nicht nur ein Autor sondern auch ein Illustrator steht? Daher habe ich dieses Mal einen Illustrator gebeten, mir ein paar Fragen zu beantworten:

(Foto: Timo Kümmel (privat), Grafik: Maximilian Wust) 

Wie bist du zu den Illustrationen oder überhaupt zum Zeichnen gekommen?
Eine kreative Veranlagung und die Sehnsucht nach anderen Welten ist wohl schon immer Teil meiner DNA gewesen, egal ob es nun ums Zeichnen, Schreiben oder plastische Gestalten ging. Schon im Kindergarten habe ich mit Stecksystemen lebensgroße Roboter gebaut, die ich auf Rollen begeistert durch die Gänge geschoben und mir epische Geschichten dazu zusammenphantasiert habe. Mühten sich die anderen bei kreativen Schreibaufgaben in der Grundschule mit ein, zwei Seiten ab, salbaderte ich mir heißblütig 12-16 aus dem Oberstübchen und fand kein Ende.
Auch gehöre ich noch zu der Generation, die zumindest die ersten zehn Jahre weitestgehend ohne moderne Technik aufgewachsen ist, und eben gemalt, gebastelt und sich ständig irgendetwas ausgedacht hat, anstatt sich von einem flimmernden Display berieseln zu lassen.
Als Teenager stieß ich durch Perry Rhodan aufs Fandom und veröffentlichte bald erste Kurzgeschichten und Illustrationen in kleinauflagigen Fanzines, die damals noch recht stümperhaft aber mit viel Liebe in Copy-Shops zusammengetackert wurden.
Parallel dazu legte ich die Gleise für meinen kreativen Weg, absolvierte die Fachoberschule Gestaltung, schloss eine schulische Ausbildung zum Holzbildhauergesellen ab und studierte schließlich Freie Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.
Aus unterschiedlichen Gründen brach ich mein Studium nach vier Semestern ab und machte mich kurz darauf als Illustrator selbstständig. Erste bezahlte Aufträge hatte ich schon während meiner Zeit in Karlsruhe, bis ich wirklich davon leben konnte, sollten aber noch etliche Jahre und unzählige Nebenjobs ins Land ziehen. Und selbst heute ist das Leben als freiberuflicher Künstler ein ewiger Spießrutenlauf am Rande des Existenzminimums – und angesichts der alles platt walzenden und tödlich parasitären KI-Seuche unter einem Goliat-Damoklesschwert, das mich jeden Moment filetieren könnte ... aber lass uns keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, davon haben wir dieser Tage schon genug.

Unter Buchliebhaber gibt es die Redensart "Ich habe es nur wegen des Covers gekauft". Wie schätzt du es als Illustrator ein: Wie wichtig ist ein ausdrucksstarkes Cover?
Wenn keine treue Stammleserschaft bereit steht und den Titel hochhebt, ist es absolut elementar. Es ist die offene oder geschlossene Tür. Entweder springt der Funken durchs Cover über und man generiert den Moment an Aufmerksamkeit, um im Anschluss mit einem Versprechen von Inhalt, also dem Klappentext, überzeugen zu können, oder man wird die Menschen nur sehr viel später und mühsam durch Rezensionen, Mundpropaganda und Werbung erreichen können.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich stehe meist zwischen 5 - 8 Uhr auf, und setze mich dann sofort mit einer Kanne schwarzen Tees vor den Rechner. Idealerweise, um die Arbeit am aktuellen Bild fortzusetzen, aber je nachdem natürlich auch, um wichtigen Papierkram, die Korrespondenz oder Gestaltungszuarbeiten für diverse Kleinverlage und Selfpublisher zu erledigen. Oder, wie eben jetzt, auch mal um 2 Uhr morgens, um ein Interview zu beantworten, weil ich nicht schlafen kann, was bei mir alle vier, fünf Tage vorkommt.
In meiner „Freizeit“ lese ich dann noch die ganzen Manuskripte und kümmere mich um die Meldungen in den sozialen Kanälen und auf meiner Page. Wenn ich unterwegs bin, habe ich meist meine Kamera dabei, um Motive und Strukturen zu sammeln, die ich vielleicht verwenden könnte.
In dem Sinne gibt es für mich weder Wochenenden noch Urlaub (wofür ich sowieso kein Geld hätte). Ich arbeite, wann es passt und möglich ist, bin dafür aber auch nicht an Werktage oder Uhrzeiten gebunden, wenn etwas anderes ansteht oder es halt gerade mal nicht läuft.

Wonach suchst du dir die Projekte aus, an denen du arbeitest?​
In der Regel lehne ich nur sehr wenig ab, und das meist aus Zeitmangel oder weil wir nicht beim Honorar zusammen finden. Bei manchen passt der Inhalt aber auch einfach nicht zu mir, oder die Bildwünsche überhaupt nicht zu meiner Arbeitsweise und Motivsprache. Da versuche ich dann auf passende Kolleg:innen zu verweisen.

Wie ich auf deiner Homepage gesehen habe, hast du bereits mehrere Preise erhalten. Gibt es noch eine Auszeichnung, die du gerne erhalten würdest?
Mhm, die Preise für phantastische Kunst sind dünn gesät. Nachdem der Deutsche Phantastik Preis nun schon seit mehreren Jahren pausiert, gibt es da in meiner Wahrnehmung eigentlich nur noch den Kurd-Laßwitz-Preis und den Vincent-Preis. Für alle drei bin ich oft nominiert worden, die letzten beiden habe ich schon gewonnen, beim DPP bin ich zweimal auf dem zweiten Platz gelandet. Wobei sich das natürlich nicht abnutzt und ich mich immer wieder absolut geehrt fühle und riesig darüber freue, auch nur nominiert zu werden.
Aber unter dem Gesichtspunkt wäre es eine schöne Überraschung, wenn man mal jenseits des Genre-Fandoms wahrgenommen und eine Gestaltung einfach ob ihrer Wirkung und Ästhetik ausgezeichnet werden würde. Aber welche Preise es da gibt, wüsste ich überhaupt nicht zu sagen ... bzw. fällt mir nur der Deutsche Jugendliteraturpreis ein. Den zu gewinnen, wäre tatsächlich ein absoluter Meilenstein. Für die Bronzeplastik von Momo würde ich mir als beseelter Bewunderer von Michael Endes Werk einen kleinen Schrein bauen. Schau an, da haben wir die Antwort, haha.

Hast du eine eigene Lieblingsillustration?
Es gibt immer mal wieder Bilder, die mir mehr bedeuten und auf die ich wirklich stolz bin. Ganz sicher zählt dazu das Cover meines Bildbandes VORSEHUNG – auch, weil es eben ein ganz eigenes Bild ist, keine Illustration zu Gedanken anderer. Dazu komme ich leider nur noch sehr, sehr selten, weil sich die Aufträge die Klinke in die Hand geben und die Miete bezahlt werden will. Daneben bin ich zuletzt sehr glücklich über mein Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT gewesen und mag fast alle meine Karten und insbesondere auch die Arbeit an diesen, weil ich da noch viel ursprünglicher und zeichnend herangehe. Als Beispiele seien hier meine aktuellste Karte für den Roman FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE Teil 1 von Bernhard Trecksel und das Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU ins Feld geführt.

Ich bedanke mich für das nette Interview, die spannenden Fragen und die Bühne, mich und meine Arbeit zeigen zu dürfen!


Timo Kümmel:

https://timokuemmel.wordpress.com/

https://www.facebook.com/timo.kummel

https://www.instagram.com/timokuemmel/

https://mastodon.art/@timokuemmel

https://bsky.app/profile/timokuemmel.bsky.social


Bildnachweise:

Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT, Atlantis Verlag (https://amzn.to/4bNOWzb)



Cover und Panoramabild zu Timo Kümmels VORSEHUNG, Atlantis Verlag (https://timokuemmel.wordpress.com/vorsehung-ein-bildband/)



Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU, Thienemann Verlag (https://amzn.to/48uzTaE)



Karte zu Bernhard Trecksels FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE 1, Piper Verlag (https://amzn.to/42QSMTW)​




In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Montag, 1. April 2024

Dan Adams "Manhattan 2060" Part 2

Probleme über Probleme häufen sich im zweiten Teil der dritten Staffel von Manhattan. Glaubt man als Leser ein Schauplatz sei für die Vielfältigkeit von Ärgernissen ausreichend, katapultiert Dan Adams ihn in ein weiteres Szenario. Während das D.S.O. mit internen Umstrukturierungen und Intrigen zu kämpfen hat, steht der Drogenkrieg auf den Straßen nicht still, auch wenn er ein wenig in den Hintergrund tritt. 
KI und ein Form des Darknets treten an dessen Stellen und zeigen, dass Menschen meist nicht von ihrer Natur abweichen können, ob sie es nun wollen oder auch nicht.

Wer betrügt wen? Wer kontrolliert wen? Und wer ist überhaupt noch Herr der Lage? 
Diese und ähnliche Fragen springen beim Lesen immer wieder im Kopf herum, denn wie schon in den vorigen Bänden schafft es Dan Adams einen vermeintlichen Ruhebereich in der Geschichte aufzubauen, nur um ihn im nächsten Moment eindrucksvoll zu zerstören.
Ausruhen darf man sich als Leser nicht, denn ansonsten wird man von der Entwicklung der Geschichte überrannt. Kleine, versteckte Hinweise zeigen dem Leser aus wessen Richtung das nächste Unheil droht und so ist man nach knapp 190 Seiten gut gedanklich durchgeschüttelt und zweifelt, ob die Geschichte, und wenn ja für wen, ein gutes Ende nehmen kann.

4 von 5 Cops

Samstag, 30. März 2024

Dhonielle Clayton "Die Marveller"

Ella Durand ist die erste ihrer Familie, die einen Platz im Arkanum der Schule für Marveller erhalten hat. Das Besondere an ihr? Ihre Familie besteht nur aus Fabulierern. Nicht gerade die Feinde der Marveller, aber Begeisterung sieht bekanntlich anders aus. Es kommt, wie es in solchen Fällen kommen muss, die Marveller nutzen jede Gelegenheit Ella zu diskreditieren, auch wenn diese Möglichkeit künstlich herbeigeführt werden muss. Doch parallel geschieht eine viel größere Unordnung in der Welt. Denn das sicherste Gefängnis kann die berühmteste Insassin nicht dauerhaft einsperren.
Soweit zum Inhalt und jetzt die Frage, die sich bei einem Buch über ein Internat und Zauberei immer aufdrängt: Wieviel Ähnlichkeit hat das Buch mit Harry Potter?
Nun ... Der Autorin gelingt es eine eigene Welt mit ihren individuellen Protagonisten zu schaffen und aktuelle Probleme (die sich seit dem Erscheinen von Harry Potter ein wenig verändert haben) mit in ihre Geschichte einzubinden. Doch mehrere augenscheinliche Ähnlichkeiten lassen sind nicht von der Hand weisen. Drei Kinder, ein Bösewicht, mehrere böse Kinder, Vorurteile gegenüber "anderen", um nur einige Parallelen zu erwähnen.
Doch mit ihrer Sternenpost und Zeitungsberichten zeigt die Autorin, wie man mit Kreativität ein ähnliches Setting, auch mit eigenen Ideen würzen kann. 
Als Auftakt einer Serie angelegt, zeigt es, mit welchen Schwierigkeiten sich Ella und ihre Freunde in Zukunft herumschlagen müssen und gleichzeitig ist die Bühne bereitet, auf der sich weitere Abenteuer ereignen werden.
Doch ohne mich. Mir hat ein Buch aus dieser Welt gereicht.

3,5 von 5 Fabulierern

Donnerstag, 28. März 2024

Autoreninterview Nele Sickel

Hallo zusammen.

Heute stellt Nele Sickel sich und ihre neueste Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" vor:

(Foto: Nele Sickel (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe schon seit meiner Kindheit, so wie die meisten Autoren. Tatsächlich wollte ich schon in der Grundschule Schriftstellerin werden. Das habe ich mir damals sicherlich etwas glamouröser vorgestellt, aber ich bin heute sehr zufrieden.

Mir bist du hauptsächlich als Kurzgeschichtenautorin bekannt. Für "Blutspuren im Hyperraum" hast eine Novelle verfasst. Hattest du wegen der Länge des Textes eine andere Arbeitsweise als sonst?
Gelegentlich schreibe ich auch Romane, aber mit Kurzgeschichten habe ich inzwischen besonders viel Übung und ein echt praktisches Talent entwickelt: Ich habe ein gutes Gespür, wie sich meine Ideen in Wortzahlen umsetzen lassen, und kann deshalb einen Text von vorn herein ziemlich genau auf die geforderte Länge planen. Daher lief es mit der Novelle auch ziemlich glatt, obwohl ich mit diesem Format vorher noch nichts zu tun hatte. Es gibt natürlich verschiedene Szenen und Handlungsorte und eine ganze Handvoll Figuren. Deshalb habe ich zum Notizbuch gegriffen und einige Gedanken vorher aufgeschrieben und geordnet. So etwas mache ich für Kurzgeschichten in der Regel nicht. Die fließen meist an ein oder zwei Abenden auf das Papier.

Du bist bei der Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" auch Herausgeberin. Erzähl doch einmal ein bisschen, was deine Aufgaben als Herausgeberin sind.
Die Herausgeberschaft habe ich im Laufe des Projekts übernommen, weil der liebe Chris Grimm, von dem die Idee zu der Anthologie stammt, die Arbeit daran leider nicht mehr weiterführen konnte. Damit fielen die ersten Aufgaben für mich weg: nämlich ein Konzept zu entwickeln, einen Verlag zu suchen und Autoren einzuladen. Das hat alles Chris gemacht. Ich habe die Texte der anderen Autoren lektoriert, eine Reihenfolge dafür festgelegt und den Klappentext geschrieben. Ich war auch ein bisschen ins Cover-Design und das Layout involviert, was wirklich Spaß macht. Und jetzt, da das Buch erschienen ist, versuche ich natürlich, gemeinsam mit dem Verlag fleißig die Werbetrommel zu rühren.

Noch eine weitere Frage zur Anthologie:
Die Texte spiegeln sehr unterschiedliche Formen der Kriminalliteratur wider. Wie schwer ist dir die Zusammenstellung gefallen?
Bei dieser Anthologie wurden die Autoren speziell angesprochen und eingeladen, mitzumachen. Wir haben einander unsere Grundideen vorgestellt, ehe es ans Schreiben ging, damit nichts allzu Ähnliches herauskommt, aber im Übrigen hatte jeder freie Hand. Dass so unterschiedliche Texte dabei herausgekommen sind, liegt daran, dass wir alle vier ganz andere Themenschwerpunkte und Stile haben. Ich habe also nichts aktiv zusammengestellt, bin allerdings trotzdem sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Was gefällt dir mehr: eine Geschichte zu schreiben oder sie vor Publikum vorzutragen?
Schreiben. Aber es ist ganz ehrlich ein knapper Sieg. Ich liebe es, vor Publikum zu lesen und live miterleben zu können, wie meine Geschichten wirken.

Bei Instagram erzählst du immer mal wieder von deinen Schreibwochenenden. Wie unterscheidet sich das Texte schreiben in der Gruppe von der Arbeit im stillen Kämmerlein?
Tatsächlich schreiben wir selten zusammen. Unsere Gruppe trifft sich einmal im Monat live  – das sind die Wochenenden, an denen ich dann immer die schönen Fotos poste – und an einem anderen Abend online. Bei diesen Gelegenheiten kann jeder, der Lust hat, einen unveröffentlichten Text mitbringen und bekommt dazu intensives Feedback. Wir tauschen unsere Eindrücke über die Szene und die Figuren aus, suchen Logikfehler, machen Stilvorschläge und so weiter. Geschrieben und überarbeitet wird zu Hause. Wir setzen uns allerdings auch manchmal zu Schreibübungen zusammen, in denen wir uns dann gegenseitig Impulse geben. Auch das kann sehr inspirierend sein.

Falls jetzt jemand hellhörig geworden ist: Wir sind die Schreibgruppe WOBBS und treffen uns im Raum Braunschweig/Wolfsburg, haben aber Mitglieder aus allen möglichen Ecken Deutschlands. Und ja, neue Mitglieder sind uns immer gerne willkommen.

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?
Ohhh, das ist eine wirklich schwere Frage. Durch die vielen Anthologien habe ich schon jede Menge tolle Autoren und Verlage kennenlernen dürfen, mit denen ich immer wieder gerne zusammenarbeiten würde. Aber da könnte ich jetzt nicht eine Person vor den anderen hervorheben. Was ich wahnsinnig gerne irgendwann mal angehen würde, ist ein illustriertes Projekt. Also mit einem Illustrator oder einer Illustratorin? Oder vielleicht mit jemandem, der noch mal ein ganz anderes Kunstmedium mitbringt? Das wäre auf jeden Fall spannend. Ich experimentiere doch so gerne.


Nachdem ihr wisst, was Nele schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
www.perpetuum-narrabile.de
www.facebook.com/nelesickelautorin
www.instagram.com/nele_sickel

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Sonntag, 24. März 2024

Alexandra Lavizzari "Frauen in Cornwall"

Cornwall. Mit seinen Höhlen, seine Mythen, seinen Schmugglerringen war und ist es ein Fleckchen Erde, dass immer wieder die Kreativität der Menschen anregt und sie in die Geschichte des Landes oder auch ihre eigenen, erdachten Geschichten eintauchen lässt.
In vier kurzen Portraits bringt uns die Autorin folgende Damen näher:
Daphne du Maurier -Schriftstellerin
Barbara Hepworth - Bildhauerin
Virginia Woolf - Schriftstellerin
Ethel Smyth - Komponistin
Während die beiden Schriftstellerinnen den meisten zumindest dem Namen nach bekannt sein dürften, waren für mich Barbara Hepworth und Ethel Smyth bis zu diesem Buch Unbekannte.
Die Portraits legen den Fokus speziell auf die jeweilige Zeit der Damen in Cornwall und erläutern, wie sich die kornische Lebensart oder gar das Spiel aus Licht und Schatten in die Werke der Damen geschlichen hat. Denn oft sind es eher kleinere Elemente, die das Wesen der Werke beeinflusst haben. Die Sagenwelt und zu dem Zeitpunkt auch noch der Widerstand gegenüber Frauen in der Kunst zeigt sich in alle vier Biografien. Weiterhin wird beleuchtet, welche Hindernisse durch Krieg, Rationierungen und Vorteilen den Frauen in den Weg gelegt wurden und warum zum Beispiel Ethel Smyth erst lange nach ihrem Tod für ihre Stücke berühmt wurde.
Das Buch ist ein kleines Stück Zeitgeschichte, denn die Autorin legt bei ihrem Text wert darauf, auch äußere Umstände, Traditionen und Denkweisen einfließen zu lassen, um somit ein nahezu psychologisches Gesamtbild und die daraus folgende Inspiration der Damen zu porträtieren.

5 von 5 Künstlerinnen

Donnerstag, 21. März 2024

Autoreninterview spezial Udo Klotz

Hallo zusammen.
Heute entführt uns das Interview in die Welt der Literaturpreise. Udo Klotz ist der Treuhänder des Kurd Laßwitz Preises.

(Foto: Kurt Laßwitz (Bild T.H.-Homepage), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du an den Posten des Treuhänders für den Kurd Laßwitz Preis
gekommen?
1990 litt der Kurd Laßwitz Preis darunter, dass der damalige Treuhänder Uwe Luserke zunehmend durch seine Literarische Agentur gefordert war und keine Zeit mehr für die Organisation des KLP hatte. Thomas Tilsner, ein Kleinverleger aus München, der zuvor für seine Zeitschrift »Science Fiction Media« zweimal mit dem Sonderpreis des KLP ausgezeichnet wurde, wollte den Preis erhalten und fragte mich, ob wir die Abstimmenden mit einer Liste der erschienen Romane und Kurzgeschichten bei der Nominierung unterstützen könnten. Ich war damals mit zwei Mitstreitern, Gerd Rottenecker und Harald Junker, Herausgeber des Jahrbuchs Der Golem, das im Thomas Tilsner Verlag erschien und eine Jahresbibliographie zur phantastischen Literatur enthielt. Natürlich haben wir gerne geholfen, denn damals, in der Vor-Internet-Ära, war es nicht so einfach herauszufinden, was wo erschienen war, und wir hatten die Daten durch unsere Bibliographie. Thomas fragte mich dann, da ich auch in München wohne, ob ich als Briefkastenadresse für die Rückläufe, also Nominierungen und Wahlbögen, einspringe, weil er nicht als Verleger den KLP organisieren wollte und damit die Produkte seines Verlages hätte disqualifizieren müssen. Ich habe zugesagt und wurde dann erneut gefragt: »Du bist doch Diplom-Mathematiker, da kannst Du doch problemlos die Auswertung der Wahl machen?« Klar konnte ich. »Du fährst doch zu den »SF-Tagen NRW«, kannst Du da nicht die Wahlergebnisse verkünden?« Auch das habe ich gemacht, und spätestens ab dem Zeitpunkt war ich de facto der neue Treuhänder.
Als ich das realisiert habe, bin ich dann richtig eingestiegen, habe die Kategorien aktualisiert und verstärkt Abstimmungsberechtigte requiriert. Heute stimmen fast fünfmal so viele Personen wie damals ab, es gibt Laudationes, eine Webseite und eine Multimedia-Preisverleihung als großen Programmpunkt auf einem Con.

Als Treuhänder liest du sicherlich viele Texte. Auf wie viele kommst du im Jahr und welche Trends und Strömungen machst du aus?
Pro Jahr erscheinen grob geschätzt etwa 200 deutschsprachige SF-Romane in Verlagen, dazu über 1000 im Selfpublishing, weitere 150-200 übersetzte SF-Romane und rund 500 Kurzgeschichten, leider fast keine übersetzten. Davon werden etwa 50-60 deutschsprachige Romane, 30-40 übersetzte Romane und 60-70 Kurzgeschichten für den KLP nominiert und bilden die Longlist. Da ich als Treuhänder nicht nur abkläre, ob es sich bei den Werken um Erstveröffentlichungen handelt, sondern auch, ob sie definitiv zur SF zählen, versuche ich, in alle Nominierungsvorschläge zumindest hineinzulesen. Die meisten lese ich aber komplett. Da ich nicht darauf warten kann, was am Jahresende wohl nominiert werden wird, und weil ich mir auch rechtzeitig einen Überblick verschaffen will, lese ich so ab April oder Mai schon vieles, was wie ein vielversprechender Kandidat für den KLP aussieht, und komme so auf etwa 70-80 komplett gelesene Romane pro Jahr, etwa 40 angelesene sowie 110-130 Kurzgeschichten. Plus ein paar Werke, die mich sonst so interessieren, Sachbücher, etwas Fantasy, oder zur Recherche für Artikel in der »!Time Machine«. Was dann letztendlich auf der Wahlliste des KLP landet, habe ich eigentlich immer vorher komplett gelesen.
Kleinere Trends gibt es eigentlich immer, aber größere, wie man sie in der Fantasy in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausmachen konnte, sind in der SF eigentlich ausgeblieben, die gab es zuletzt in den 1980ern mit dem Cyberpunk und seinem Ableger, dem Steampunk. Vieles, was derzeit gehypt wird oder Trends auslöst, gab es schon vorher, wie ökologisch orientierte SF, die Klimaveränderung und das Artensterben als Thema, den Einfluss der Digitalisierung auf den Alltag, Künstliche Intelligenzen oder Nanotechnologie. Man findet solche Themen jetzt aber auch im Near Future Thriller oder in Romanen bei Publikumsverlagen, die nicht als SF gelabelt werden. Man kann zwar auch einen kleinen Trend hin zu größerer Diversität bei den Figuren feststellen, aber wenn man bedenkt, dass es hierfür schon Vorläufer in den 1970ern gab, ist da in den letzten 50 Jahren doch sehr wenig passiert – da ist die Realität deutlich bunter, obwohl die SF mit Androiden und Aliens doch noch so viel mehr Möglichkeiten bieten würde, unsere engen Perspektiven auszuweiten. Wir haben da noch viel Luft nach oben, und die anglophone SF ist der deutschsprachigen hier auch voraus.

Was ist die größte Schwierigkeit an deinem Job?
Das größte Problem ist eigentlich die sehr ungleichmäßige Verteilung der Arbeit übers Jahr. Es gibt Phasen, da bin ich sehr gut ausgelastet, weil vieles gleichzeitig erledigt werden muss, und dann gibt es eher ruhige Phasen. Das hängt auch stark davon ab, wann ich die Preisverleihung machen kann, denn diese benötigt immer eine größere SF-Convention als Rahmen. Lange Jahre konnte ich das regelmäßig im September beim ElsterCon in Leipzig oder beim PentaCon in Dresden machen, aber letzteren gibt es nicht mehr, und so war die Preisverleihung im Mai beim MetropolCon vor allem vom Zeitplan her eine Herausforderung.

Was sind deine unterjährigen Aufgaben als Treuhänder, wenn der Preis verliehen ist?
Im Prinzip gilt: Nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung. Mein KLP-Jahr beginnt eigentlich im Dezember mit dem Aufruf an die Abstimmungsberechtigen, mir bis Ende Januar die Nominierungsvorschläge zu schicken. Diese überprüfe ich dann, ob sie gemäß den Statuten zulässig sind, schicke alle gesammelten Daten zu einem Vorauswahlgremium, das einen qualitativen Check macht und informiere die Nominierten, sobald feststeht, was von der Longlist auf die Shortlist kommt, die später die Wahlliste bildet. Parallel erstelle ich die Webseiten für das aktuelle Wahljahr und die Wahlunterlagen. In zwei Kategorien, Hörspiel und Übersetzung, ist das aufwendiger, da gibt es eigene Jurys, die mit Material versorgt werden, beispielsweise Auszüge aus Original und Übersetzung. Nach dem Wahlende werte ich alles aus, informiere die Nominierten und Preisträger, aber auch die Fachpresse, und aktualisiere die Webseiten.
Dann schreibe ich die Laudationes und erstelle meine Powerpoint-Präsentation für die Preisverleihung. Die ich dann auch moderiere, meist mit Unterstützung von jemandem, der die Laudationes verliest. Nebenher läuft immer das Aktualisieren der Adressliste, da sind fast 700 Personen erfasst, die als SF-Schaffende gelten, also mit der SF mindestens einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen. Etwa 300 davon sind aktiv dabei und erhalten von mir die Unterlagen zur Nominierung oder Wahl.

Liest man die Impressen verschiedener SciFi-Zeitschriften, findet man dich auch dort wieder. Erzähl doch mal ein bisschen darüber.
Die »!Time Machine« habe ich schon erwähnt, das ist ein Fanzine, das seit 2018 einmal im Jahr erscheint und von Christian Hoffmann und mir herausgegeben wird. Auch wenn wir inzwischen viele Mitstreiter haben, die uns Essays oder Rezensionen zuliefern, stammt doch immer ein relativ großer Anteil der Texte aus der Feder von Christian und mir, manche längeren Essays schreiben wir auch gemeinsam. Einmal habe ich auch eine Solo-Ausgabe gemacht, da mein Artikel über Künstliche Intelligenz so ausgeufert ist, dass er eine eigene Ausgabe wurde, die dann auch für den European SF Award nominiert wurde. Zudem mache ich das gesamte Lektorat. Das scheint okay zu sein, denn vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, ob ich nicht für die »phantastisch!« ein paar Beiträge redigieren könnte, und so bin ich seit über zwanzig Ausgaben Teil des Lektoratsteams. Für die »Exodus« durfte ich schon zweimal den in der Galerie vorgestellten Grafiker porträtieren, und in der »Andromeda Nachrichten« erscheint ab und zu auch mal ein Beitrag von mir. Und nicht zuletzt habe ich noch die Kolumne im Jahrbuch »Das Science Fiction Jahr«, in der ich in einem langen Artikel die besten und interessantesten deutschsprachigen SF-Romane des Vorjahres vorstelle.
Das sind viele Aktivitäten, die gut parallel laufen, aber manchmal gibt es auch Überschneidungen. Und so durfte ich mir letztes Jahr in Berlin selbst den KLP Sonderpreis für unsere »!Time Machine« verleihen. Dass Christians und meine Arbeit hier, vor allem unsere Mischung aus Fachwissen und Humor, so gut ankommt, hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Hast du auch selbst Geschichten geschrieben?
Nein, da liegen nicht meine Stärken. Ich kann Geschichten ganz gut beurteilen, bin auch ab und zu mal Testleser für andere, aber am liebsten schreibe ich Essays über die Werke anderer, mal als Rezension, mal als Überblick zu einem spezifischen Thema, wie über Science Fiction, die auf dem Erdmond spielt, Verbrechen, die nur in der SF möglich sind, oder Humor in der SF.

Siehst du den KLP als Indikator dafür, welche Texte letztlich beim DSFP nominiert werden?
Es ist eigentlich nur zufällig, dass der KLP schneller seine Preisträger veröffentlicht als der DSFP. Natürlich beurteilen beide die gleichen Werke, und wir stimmen uns hier sogar ab, damit nicht die eine Seite etwas übersieht, das die andere Seite kennt, aber letztendlich sind es doch unterschiedliche Preise. Zum einen, weil der KLP mit zehn Kategorien viel breiter aufgestellt ist, also neben Romanen und Kurzgeschichten auch Übersetzungen und Grafiken, Hörspiele und Sachtexte sowie mit den Sonderpreisen auch Leistungen wie Lebenswerke, Con-Organisationen oder Herausgabe von Büchern und Magazinen bewertet. Zum anderen, weil beim KLP eine große Gruppe, zuletzt über hundert Personen, abstimmt, während beim DSFP eine kleine Jury bewertet und sich in Diskussionen auf die Shortlist und später den Preisträger einigt. So gibt es zwar Überschneidungen bei den Nominierungslisten, aber meist doch unterschiedliche Preisträger. Und da vieles doch zeitgleich abläuft, glaube ich nicht, dass die DSFP-Jury vom Ergebnis des KLP beeinflusst wird.

Nachdem ihr wisst, warum sich Udo kümmert, könnt ihr hier mehr erfahren:
kurd-lasswitz-preis.de/index.htm

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Timo Kümmel "Vorsehung"

Die Welt der Bücher wird oft mit Buchstaben und Worten gleichgesetzt. Doch ist das wirklich alles?Sicherlich ist es das berühmte Kopfkino, welches Buchstaben und Worte entfachen können, doch reicht das aus, um ein Buch den Leser zu bringen?
In meinen Augen nicht, denn nicht umsonst gibt es Preise für das beste Buchcover oder es sind gar Ausdrücke wie "Das Cover war blau" in den allgemeinen Sprachgebrauch eingezogen, wenn es um Bücher geht.
Leider treten Zeichner und Illustratoren immer hinter den Autor, weil es die Worte sind, die den größten Einfluss beim Lesen zu scheinen haben.

Doch wahrlich ist das Cover die Eintrittskarte für den Autor! Denn schweift der Blick des Lesers durch die Buchhandlung, bleibt er an einem guten Cover hängen.

Ihr meint, das ist nur Theorie? 

Ich habe gerade diesen Bildband beendet, der genau das widerspiegelt, was ich gerade erzählt habe.
Timo Kümmel präsentiert in diesem Band die verschiedenen Möglichkeiten, die sich einem Illustrator bieten. Neben Buchcovern, für die er schon ausgezeichnet wurde, hat er für Bücher kleine Illustrationen oder auch Landkarten - und mal ehrlich, wer liebt diese nicht - gestaltet. Chronologisch geordert zeigt er, was und wie vielfältig er im Lauf seiner Karriere schon gearbeitet hat.
Kleine schriftliche Einblicke in sein Leben runden den Band harmonisch ab.

Dieser Bildband zeigt, wie wichtig und gut die Arbeit von Künstlern ist - besonders wenn sie auf Timos Niveau arbeiten.
Daher: Kauft die Bücher von Illustratoren, ihr werdet beeindruckt sein.

5 von 5 Grafiken

Mittwoch, 20. März 2024

Jakob Thomä "Das kleine Buch der großen Risiken"

Die Welt geht unter.
So oder so ähnlich beginnen Dystopien.
Doch was ist dran an den Weltuntergangsszenarien? Dienen sie dazu Panik zu verbreiten? Oder sind die Gedanken doch eher realistischer Natur?
In "Das kleine Buch der großen Risiken" versammelt der Autor 26 Risiken von A bis Z, beginnend mit der Atombombe über Geoengineereing endet er mit den Zombies. Dabei sind die Risiken unterschiedlich schwerwiegend und auch nicht alle gleich wahrscheinlich. Es kann vielfach nicht gesagt, sondern nur gemutmaßt werden, in welcher Intensität ein Risiko auftreten wird.

Jedes Risiko wird in einem Einführungssatz umrissen und es wird eine erste Prognose für seine realistische Gefahreneinschätzung gegeben.
Im Anschluss wird das Risiko erörtert, wie schnell kann es eintreten, welche Umfang kann es haben und wie viele Menschen oder Erdteile wären betroffen.
Hört sich im ersten Moment beängstigend an, aber durch seine lockere Art zu schreiben, fängt der Autor die Panikmacherei immer wieder ein.
Nach der Analyse des Risikos wird zum Schluss noch einmal die Gefahreneinschätzung kontrolliert. War sie stimmig? Oder muss die Wahrscheinlichkeit noch oben oder unten korrigiert werden?

Das Buch ist mit seinen kurzen Kapiteln dazu geeignet, sich in die verschiedenen Probleme der Welt, welche natürlich nicht abschließend aufgezählt wurden, zu beschäftigen, ohne direkt eine Panikattacke auszulösen.

Mit wachem Geist liest sich das Buch perfekt über mehrere Tage und öffnet die Augen, um einige Dinge im Alltag anders zu gestalten.


4,5 von 5 Risiken

Donnerstag, 14. März 2024

Autoreninterview Aiki Mira Literaturinterview

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? 

Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität und Fantasie vermischt?

Es gibt sich die Ehre: Aruke.

(Foto: Aiki Mira, Grafik: Maximilian Wust)


Aruke, erzähl ein wenig, worum es in "Neurobiest" geht.
Es geht um neue biologische Entwicklungen und die Frage, wie wir damit umgehen wollen. Ich bin im synthetischen Amazonas aufgewachsen, ich habe Experimente am eigenen Körper erlebt und das lässt mich nicht mehr los! Was ist damals alles passiert? Was passiert heute mit meinem Körper? Es gibt eine Person aus meiner Vergangenheit, die ich dazu unbedingt sprechen muss. Tja, und jetzt habe ich die Chance, diese Person zu treffen und plötzlich geht es um viel mehr als das!


Welche Menschen stehen dir am nächsten?
Na, die Unerschütterlichen :) Das sind Kenoah, Crispin und Soho. Mit ihnen lebe und arbeite ich auf den Dächern von Berlin. Die drei bedeuten mir alles. 


Warum ist dir deine Arbeit im HQ so wichtig?
Im HQ, dem Hauptquartier der Unerschütterlichen, erledige ich nicht nur Auftragsarbeiten für das Institut für Synthetische Biologie, ich passe auch Körper an die Bedingungen des Klimawandels an. Tierkörper – aber auch meinen und den von Kenoah. Niemand bezahlt mich dafür, das tue ich, um uns allen im heißen, staubigen Berlin das Überleben zu sichern.


Wie sehr hat deine Vergangenheit deine Gegenwart beeinflusst?
Ha! Ich dachte, ich hätte das zurückgelassen. Aber wie kann ich das zurücklassen? Mit meinem Körper passieren Dinge, die ich nicht kontrollieren kann. Meine Vergangenheit bestimmt offenbar immer noch mein Leben.


Wenn du die Welt nachhaltig ändern könntest, womit würdest du beginnen?
Mein Herz schlägt für die Tiere und Menschen auf unserem Dach. Ihnen möchte ich ein lebenswertes Leben ermöglichen. Dafür arbeite ich.


Was ist dir wichtig?
Freiheit und Gemeinschaft. Deshalb habe ich das Leben auf dem Dach gewählt, ein hartes Leben im Abseits. Aber hier habe ich Menschen, die mir beistehen, und ich ihnen – egal, was kommt!



Hier geht es zum dazugehörigen Buch: eridanusverlag.de/buecher/neurobiest

Montag, 11. März 2024

Michaela Weiß "Finsterengel"

Als Sara die Augen öffnet, kann sie es nicht glauben. Sie wollte nicht mehr aufwachen und doch findet sie sich in einem Krankenhaus mit Verbänden an den Armen wieder. Neben ihrem Bett bewegt sich etwas. Eine Figur, ein Schatten und er spricht zu ihr. Ob er ihr Angst machen will, kann sie anfänglich nicht beurteilen, aber er wächst ihr immer mehr ans Herz und hilft ihr aus ihrer Situation herauszukommen. Denn ohne Hilfe, geht es einfach nicht.
Viel zu düster sind die Gedanken und ihre eigene Dunkelheit schwebt wie ein Damoklesschwert über ihr. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht und mit jedem Tag außerhalb des Krankenhauses und mit jeder Schneeflocke kommen auch schöne Momente zurück in ihr Leben.

Selten musste ich ein Buch so oft weglegen wie dieses Mal. Man bemerkt beim Lesen, dass die Autorin durch ihre Arbeit als Sozialpädagogin weiß, wie sehr Menschen leiden können und wozu sie es treiben kann. Eingeleitet wird das Buch daher mit Hilfestellen und dem Hinweis, dass man das Buch nur lesen sollte, wenn man die Geschichte aushalten kann. Denn es ist oftmals ein Aushalten.
So viele Gefühle stürzen beim Lesen auf einen ein, dass man öfter meint, in der Geschichte und ihren Gefühlen gefangen zu sein. Das Schicksal von Sara, dem Schatten und auch einiger anderer Nebencharaktere zeigt, wie sehr die Menschen darauf bedacht sind, eine Fassade zu wahren, auch wenn sie dahinter bereits heillos ertrinken.

Es ist ein Buch, was auf Grund des Themas schwierig zu lesen ist, aber in meinen Augen ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, wenn man seine Mitmenschen ein bisschen besser einschätzen können will.

5 von 5 Schatten

Danke an die Autorin für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 9. März 2024

Lilly Gollackner "Die Schattenmacherin"

Eine Welt ohne Männer - Utopie oder Dystopie?
Im Falle der Schattenmacherin stehen die Chancen für eine Utopie gut, denn durch eine Krankheit gibt es keine Männer mehr und Frauen regieren im wahrsten Sinne des Wortes die Welt.
Nach Krieg, Krankheit und zahlreichen Toten ist es an Ruth und dem Rat die Welt wieder in die gewünschten Bahnen zu lenken. Doch zwischen Trümmern, Hitze und Wasserknappheit ist das keine leichte Aufgabe.
Die Jahre vergehen und als Ruth in Rente gehen soll, kommen Dinge ans Tageslicht, die keine Frau vermutet hatte, oder vielleicht doch? Wer war dabei, als es hieß, die Welt neu zu ordnen?
Auf knapp 200 Seiten baut die Autorin ein Szenario auf, dass sich durch Argwohn und Distanz aufbaut. Die Erzählperspektive ist die Spitze des Reiches, so kann man vielfach nicht von großen Gefühlen ausgehen und muss auch mit einer gewissen Kälte oder sogar Kaltschnäuzigkeit leben. Doch was sie zeigt, ist Macht. Macht in ihrer reinsten und dominantesten Form und sie ist nur auf ihren Vorteil bedacht. Ist sie besser als die männliche Macht? Ist sie klüger oder andererseits sensibler?
Beim Lesen fliegt man nahezu durch das Buch, was durch ein hohes Erzähltempo und eine spannende Rahmenhandlung untermauert wird. 
Und wieder drängt sich die Frage auf - Utopie oder Dystopie?
Die Geschichte zeigt ... Das sage ich jetzt nicht. Was ich allerdings sage: Nichts ist jemals schwarz oder weiß.

4 von 5 Frauen

Donnerstag, 7. März 2024

Autoreninterview Terry B. Persson

Hallo Zusammen. 
Terry B. Persson dürfte den Science Fiction-Lesenden bekannt sein. Morgen erscheint seine Anthologie "Am Saum der Welten", wenn das nicht der richtige Zeitpunkt für ein Interview ist.


(Foto: Terry B. Persson privat, Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben, in dem Sinn, dass ich Texte auch beende, überarbeite und mit der Welt teile, das mache ich erst seit etwa 2 Jahren. Vorher wusste ich einfach nicht genau, wie das funktioniert. Ich glaube, ich hatte auch durch mein Literaturstudium ziemlich seltsame Vorstellungen vom Schreibprozess, davon musste ich mich erst einmal befreien. 

Ich habe dann irgendwann die Genreliteratur wieder für mich entdeckt und das war dann der Schlüssel: So was mach ich auch, habe ich mir gedacht und dann einfach losgelegt.

Bald erscheint »Am Saum der Welten«. Wie bist du auf den Titel und überhaupt auf das Thema der Anthologie gekommen?
Ich habe den Titel recht allgemein gehalten, um viele unterschiedliche Autor*innen anzusprechen. Da ich mich selbst gern in allen Ecken der Phantastik herumtreibe, wollte ich diese Vielfalt auch in der Anthologie abbilden. Das Wort »Welten« findet man ja im Titel unzähliger Phantastikveröffentlichungen, der Saum ist das, wo es spezieller wird: Mir ging es einerseits darum, verschiedene Visionen zu bündeln. Andererseits wollte ich Geschichten vom Rand, die nicht immer so präsent und mitunter etwas eigenwillig sind, einen Platz bieten.

Folgt man dir bei Instagram, hat man den Eindruck, dass du bei der Anthologie ziemlich viel selbst gemacht hast. Stimmt das?
Das stimmt und ich muss zugeben, ich hatte etwas unterschätzt, wie viel Arbeit das am Ende alles ist. Neben Lektorat, Korrektorat und Buchsatz kümmer ich mich auch noch um Marketing und alles Organisatorische. Zum Glück haben mich die Autor*innen tatkräftig unterstützt, sei es durch das aufmerksame Prüfen der Druckfahne oder einfach mal ein motivierendes Wort zwischendurch.

Eine Aufgabe, die ich als kleiner Kontrollfreak aber gern aus der Hand gegeben war, war die Erstellung der Coverillustration. Mit Christina S. Zhu habe ich da eine wunderbare professionelle Künstlerin beauftragt, die den Geist der Anthologie mit ihrer stimmungsvollen, leicht verspukten Zeichnung perfekt eingefangen hat.

Hast du schon die nächste Anthologie-Idee im Hinterkopf?
Da schwirren ein paar Ideen herum und ich habe auch schon ein paar Leute im Kopf, mit denen ich zusammenarbeiten will. Was es genau wird, weiß ich noch nicht, aber es wird wieder phantastisch! 

Ich möchte jetzt aber erst einmal das Feedback zu »Am Saum der Welten« abwarten und mir eine kurze Verschnaufpause gönnen.

Wenn du deinen Schreibstil charakterisieren müsstest, was wären die drei Adjektive (jaja, sonst sollen wir Autor*innen damit sparen), die dir in den Sinn kämen?
Zuckend, schwebend, dunkel?

Was regt deine Fantasie an?
Ich denke, es sind meist alltägliche Sachen. Ich mag Phantastik mit menschlichen Dimensionen und kleinen Sensationen. Explodierende Planeten und Landstriche verwüstende Drachen finde ich nicht so spannend, ich denke eher über am Hals kratzende Raumanzüge oder den Klang nach, den es macht, wenn man mit dem Fingernagel auf eine Drachenschuppe tappt.

Welche Schreibenden oder welches ihrer Werke hat dich als Leser und später auch als Autor am meisten beeinflusst?
Da muss ich an erster Stelle Ursula K. Le Guin denken, die vor ein paar Jahren meine Faszination für Fantasy wiedererweckt hat. Und sonst sind da noch M. John Harrison, Shirley Jackson, Alice Munro, Randall Kenan, Kij Johnson, Ted Chiang und ganz besonders die Kurzgeschichten von Kelly Link, die mich geprägt haben und motivieren, mein eigenes Ding zu machen.

Nachdem ihr wisst, was Terry schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
instagram.com/t_b_persson

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 6. März 2024

Valérie D'Arcy "Stracciatella in Space"

Was haben ein Außerirdischer, eine Kündigung und Stracciatella-Eis gemeinsam?
Sie spielen die Hauptrolle in der kürzlich erschienen Novelle "Stracciatella in Space" von Valérie D'Arcy.
Ein Außerirdischer wird von einem Planeten verjagt, weil er leider seinen Hosenstall nicht unter Kontrolle hat.
Auf Grund seiner Eskapade muss er auf der Erde notlanden und zerstört dabei Marys Kündigungs-Frusteis.
Doch Zeit zur Diskussion bleibt nicht, denn die Verfolger sind dem Außerirdischen immer noch auf den Fersen.

Mit knapp 80 Seiten ist diese Geschichte ein weiterer kurzer Ausflug der Autorin in die Welt der Science Fiction.
Lustig, mit einem Augenzwinkern und viel Parodie auf Stereotypen lädt die Geschichte zum Schmunzeln ein und zeigt, dass zumindest in Valéries Geschichte Außerirdische viel menschlicher sein können, als wir im ersten Moment meinen könnten.
Eine witzige Geschichte für zwischendurch, wenn man die Science Fiction nicht nur von ihrer ernsten Seite betrachtet.

4 von 5 Eistüten

Donnerstag, 29. Februar 2024

Sascha Mamczak "Science-Fiction"

Für viele Leser ist die Science Fiction immer noch die berühmte Büchse der Pandora. Doch spricht man mit begeisterten Science Fiction Lesern, kann man nichts besseres als Science Fiction lesen. Doch was ist SF? Ist es nun ein Genre oder doch eher eine Gattung oder doch nur ein Stilmittel?
Diese und viele weitere Fragen zum Thema SF werden in diesem kleinen Buch aus der Sachbuch-Reihe "100 Seiten" von Sascha Mamczak geklärt. 
Dabei geht es in dem Buch hauptsächlich um die Geschichte und damit um die Entstehung der Science Fiction. Weiterhin gibt es auch einen Erklärungsversuch, wann und vor allem warum die SF entstand und weshalb sie nicht früher entstehen konnte, zumal es vormals schon erste literarische Anzeichen gab.
Denn ohne den Nährboden der Wissenschaft, so die Kernthese des Buches, hätte sich die literarische Gattung nicht entfalten können. Der Wechsel von der Literatur zur Leinwand ist für den Autor nur folgerichtig und offenbart im wahrsten Sinne des Wortes "Neue Welten".
Als Einführung und auch als Nachschlagewerk für die Geschichte der SF ist das Buch sicher bestens geeignet. Jahrelange Leser der Science Fiction werden hier aber wahrlich kaum neue Erkenntnisse gewinnen.
Für den Anfänger sei noch erwähnt, es ist ein Sachtext über Science Fiction, daher nicht nach den ersten Seiten das Buch ins Weltall werfen, sondern einfach weiterlesen, es wird noch schlüssig und spannend.

4 von 5 Utopien

Autoreninterview Bernd Schuh

Hallo zusammen.

Heute geht es mit dem Autor Bernd Schuh weiter:

(Foto: Bernd Schuh privat, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Darauf gibt es keine  einfache Antwort. Jedenfalls gab es keine Initialzündung, auch kein Trauma wie bei manchen Schriftstellern, die nur durch Schreiben eine schlimme Erfahrung verarbeiten können. Ich habe eigentlich immer geschrieben, schon als Jugendlicher. Ob man es nun Gabe oder Sucht nennt, es ist ein Drang, den man nur schwer los wird – wenn man das denn will. Will ich nicht. Aber ich habe ihn unter Kontrolle, Zwinker-Smiley.

In früheren Interviews habe ich schon Monika Niehaus und Kai Focke zu ihren Publikationen in den Phantastischen Miniaturen befragt. Wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit Thomas Le Blanc?
Meine sehr gute und sehr langjährige Freundin Monika Niehaus hat mich in diesen Kreis eingeführt. Thomas war gleich von meiner ersten SF-Geschichte angetan. Seitdem bin ich dabei.

Sollte jemand von dir noch keine Geschichte gelesen haben, welche würdest du als Einstieg empfehlen?
Darf ich mehrere nennen? Wer’s ernst und versponnen mag, sollte sich durch „Simulachron 0“ arbeiten, in meinem Band „irre real“ bei p.machinery. Vorsicht, mitdenken! Auch „Verhör“ gehört in diese Kategorie. Man findet die Story in „Zweitausendvierundachtzig – Orwells Albtraum“, herausgegeben von Rainer Schorm und Jörg Weigand. Wer’s lieber heiter und kurz, aber schräg mag, dem empfehle ich meinen dritten Liebling „Kein Termin“, ebenfalls in „irre real“.

Wie charakterisierst du deinen eigenen Schreibstil?
Keine Ahnung. Ich bin sicher kein Joyce und auch kein Goethe. Aber ich könnte so schreiben – wenn es zur jeweiligen Geschichte passt. Das ist das Wichtigste, denke ich,  eine der Geschichte angemessene Flexibilität. Wenn du wissen willst, ob ich als Autor eine bestimmte „Handschrift“ habe, eine Wiedererkennbarkeit in Stil und Thematik, dann würde ich eher sagen: nein. Aber eine gute KI käme da vielleicht zu einem anderen Ergebnis.

Von Beruf bist du Physiker. Warum schreibst du Phantastik?
„Warum nicht?“, ist die erste Antwort, die mir einfällt. „Gerade deshalb!“ die zweite. Such dir eine aus! Eine andere Antwort wäre: Unter den, sagen wir, dreißig besten/bekanntesten/meistgelesenen SF-Schriftstellern sind mindestens ein Drittel Naturwissenschaftler. Ich neige zu der Auffassung, dass das eine (Physiker sein) mit dem anderen (Fantastik schreiben) nicht viel zu tun hat. Außerdem hätte bei mir deine Frage auch lauten können: Du bist Wissenschaftsjournalist. Warum schreibst du Fantastik? Und da würde ich sagen, wer über Wissenschaft schreibt, kommt ums Fantasieren nicht herum. Denn verantwortungsvoller Journalismus fragt auch immer nach den Folgen und Auswirkungen der Errungenschaften, über die er schreibt.

Wie lange schaffst du es, nicht zu schreiben?
Wie oben schon gesagt: Ich hab’s unter Kontrolle. Andere „Süchte“ helfen dabei. Die Wissenschaft hat mich nie ganz losgelassen, ich bin auch immer noch als Forscher aktiv, überwiegend auf dem Feld der Mathematik. Das beschäftigt mich manchmal monatelang, Monate, in denen ich ans Schreiben kaum denke.

An welchem Projekt arbeitest du aktuell?
An weiteren „Crazy dreams“, wie ich sie im ersten Story-Band „irre real“ beschrieben habe. Ein zweiter Band wartet auf Veröffentlichung, ebenfalls bei p. machinery. Diese Reihe will ich fortsetzen. Da kommt immer mal eine neue Geschichte dazu. Außerdem mache ich weiter bei den „Phantastischen Miniaturen“ bei Thomas LeBlanc mit.


Nachdem ihr wisst, was Bernd schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
wikipedia.org/wiki/Bernd_Schuh

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 28. Februar 2024

Robin Whiteman "Die Welt des Bruder Cadfael"

Die Buchreihe um den spätberufenen Mönch Bruder Cadfael kam in den 1990-er Jahren in den Buchhandel. Zu einer Zeit, als es noch nicht so viele Buchreihen über einen mittelalterlichen Detektiv gab, stach diese Reihe heraus und wurde auch verfilmt.
Bruder Cadfael hatte für Jerusalem gekämpft und war zur See gefahren, bevor er in Shrewsbury zur Kutte greift. In zwanzig Texten begleitet man seine Abenteuer oder vielmehr auch seine Ermittlungen. Durch seine Zeit vor der Abtei kennt er sich mit so manch weltlichem "Problem" aus, was vielen anderen Mönchen völlig fremd ist. 
Dieses Buch zur Serie beginnt mit einer Einführung von Ellis Peters und stellt im Anschluss den Charakter, den damaligen Zwist zwischen Kaiserin Maud und König Stephen sowie die Benediktiner vor, bevor es zum Schlagwortverzeichnis übergeht. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass diese reale und fiktive Orte und Personen der Geschichten beinhaltet um den Lesern einen umfassenden Überblick zum Realität und Fiktion zu geben. Abgerundet wird das Buch durch mehrere Karten sowie einige Stammbäume und eine Chronik.
Durch die Nähe zu der Detektivreihe ist das Buch vor allem für alle jene interessant, die die Serie oder zumindest einzelne Geschichten hieraus schon kennen. Den Einstieg in die Welt des Mönchs mit diesem Buch zu suchen, wäre in meinen Augen nicht ratsam, auch wenn die einleitenden Texte einen guten Überblick bieten.
Für mich als Kenner der Serie hat das Buch noch eine gewisse Tiefe in die Serie und in die Zeit gebracht. Ein Maß an Verständnis, das die Kriminalfälle und auch die Fernsehserie oftmals nur gestreift hat.

5 von 5 Mönchskräutern