Donnerstag, 29. Mai 2025

Autoreninterview Jürgen Bärbig - Hörsprecher-Edition

Hallo zusammen.
Diese Woche treffen wir erneut einen Bekannten. Wer meinem Blog schon länger folgt, kennt Jürgen Bärbig oder Nathan Winters bereits. Neben seiner Schriftstellerei hat er sein Tätigkeitsfeld erweitert und sich zum Hörsprecher ausbilden lassen. Spannend? Das fand ich auch und habe ihm erneut ein paar Fragen gestellt.

(Foto: Jürgen Bärbig (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie kam es dazu, dass du Hörbuchsprecher geworden bist?
Es hat damit angefangen, dass ich mit meinem Freund, dem Musiker Werner Wieczorek, Live Hörspiel Lesungen zu meinen Romanen veranstaltet habe. Mit Musik, Text und passenden Sounds.
Da wurde ich zum ersten Mal darauf angesprochen, ob ich auch Hörbücher einlesen würde. Was ich damals noch nicht tat. Die Idee fand ich aber gut. Ich habe mich dann weitergebildet, Kurse und Seminare besucht und ein wenig Schauspielunterricht genommen.
Gleichzeitig hat mich Werner dabei auf technischer Seite beraten. Welches Mikro brauche ich, welches Interface, Software usw. Ralph Edenhofer, ein SF Autor aus Aachen gab mir dann den ersten Auftrag und meine Arbeit kam bei den Leuten gut an. Also habe ich weitergemacht. Neben dem Schreiben ist das Sprechen eine tolle Möglichkeit kreativ zu sein. Ich bin wirklich happy, das hauptberuflich machen zu dürfen.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Der ist tatsächlich recht unspektakulär. Ich stehe dann meistens um halb sieben auf und trinke erst mal einen Kaffee und esse etwas. Danach mache ich Aufwärmübungen, um die Stimmbänder aufzuwärmen. Das sieht dann schon sehr lustig aus und klingt auch so. Anschließend wird gebrummt, gekaut, geschmatzt und Probe gelesen, bis ich das Gefühl habe loslegen zu können.
Als Nächstes mache ich mir einen Tee mit einem Stück Ingwer. Nichts mit Kohlensäure, oder irgendwas, das Geräusche machen könnte. Auch was die Kleidung angeht, darf nichts Rascheln, Klimpern oder Klappern, denn man hört alles.
Dann lege ich los. Meistens arbeite ich sechs bis sieben Stunden mit einer längeren Pause dazwischen. Nach dieser Zeitspanne wird es auch langsam stickig in der Kabine, die Konzentration lässt nach und die Fehler häufen sich. Dann wird es Zeit aufzuhören.

Ist es für dich schwieriger, dich in die Figuren hineinzuversetzen, wenn du sie nicht selbst erschaffen hast?
Es kommt auf die Figuren an. Da ist es ein bisschen wie im richtigen Leben. Manche Personen liegen einem mehr, als andere. Mit manchen kommt man sofort ins Gespräch, mit anderen gar nicht. So ähnlich verhält es sich mit Roman-figuren. Manche handeln und reden, da fällt es mir leicht mich in sie hineinzuversetzen, bei anderen erfordert es mehr Arbeit, bis man begriffen hat wie sie ticken. Aber sich diese Figuren zu erarbeiten um sie authentisch wirken zu lassen, ist dann unglaublich spannend und herausfordernd.

Wie viel Freiraum hast du, wenn du Hörbücher einsprichst?
Zuerst einmal lese ich das Buch, mache mir Notizen und versuche die handelnden Figuren zu begreifen und ihnen eine Stimme zu geben, die ich dann später bei den Aufnahmen verwenden will. Wenn ich dann die Möglichkeit dazu habe, spreche ich mit den Autoren und stelle ihnen die Stimmen vor. Das gibt ihnen Gelegenheit noch eigene Wünsche zu äußern, die ich dann versuche umzusetzen. Sie sagen mir dann auch, ob ich kleine Änderungen im Text vornehmen kann. Das sind dann aber dann wirklich nur Kleinigkeiten, wie ein Wort weglassen, oder eins hinzufügen.
Der Haupttext bleibt aber vom Sprachduktus her meiner Interpretation überlassen. Es geht nicht, dass der Autor einem bei jedem Satz über die Schulter schaut. Da wäre keine konstruktive Arbeit möglich.

Was empfindest du leichter, Texte selber zu schreiben oder einzusprechen?
Beides ist auf seine eigene Art eine Herausforderung. Bei meinen eigenen Texten muss ich allerdings auf viel mehr Dinge achten. Sind die Charaktere fesselnd geschrieben, passen die Dialoge, wirken sie so als hätten echte Menschen sie gesprochen. Wie ist das Setting, wie deutlich sind die Bilder, die ich beim Leser erzeugen will. Wie ist überhaupt die Grundstimmung im Buch.
Erzähle und zeige ich das, was ich erreichen will?
Beim Hörbuchsprechen muss ich das nicht, da ist die Herausforderung das bereits geschrieben Wort mit Leben zu füllen. Wird es spannend muss ich spannend lesen, ist es dramatisch muss ich die Stelle auch dramatisch lesen. Sind die Charaktere traurig, lustig, wütend oder genervt muss man mir das anhören, denn sonst klingt es falsch.
Wie gesagt, beides ist auf seine eigene Art herausfordernd.

Kannst du im Vorfeld abschätzen, wie viel Zeit du benötigst, um einen Text einzusprechen?
Das kann ich immer nur ungefähr sagen. Es hängt hauptsächlich mit der Komplexität des Textes zusammen und dem Genre. Science Fiction finde ich zum Beispiel schwieriger, als einen Thriller oder ein Jugendbuch.
Dann ist wichtig wie viel Dialog es gibt und wie gut ich die Stimmung treffe in einer Unterhaltung zwischen den Charakteren. Da kann es passieren, dass ich unzufrieden bin und die Stelle mehrmals lese. Ich muss selbst davon überzeugt sein, dann kann ich den Text auch guten Gewissens wieder abgeben.

Erzähl ein bisschen über deine aktuellen Projekte.
Ich habe gerade die Aufnahmen zu „Minna und die magische Stadt“ abgeschlossen. Das ist ein Jugendroman von Carina Zacharias. Und eigentlich müsste ich jetzt mit der Arbeit am sechsten Teil von Ralph Edenhofers C23 Reihe beginnen, aber leider muss ich operiert werden, was meine Terminplanung ein wenig durcheinander wirbelt. Aber danach steht dieses Projekt an erster Stelle.
Im schriftstellerischen Bereich arbeite ich gerade zusammen mit meinem Lektor an meinem viktorianischen Roman „Der Schatten von Avamoore“, der im Oktober beim Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Außerdem steht die Überarbeitung eines älteren Romans von mir an, über den ich leider noch nichts verraten darf, der aber ebenfalls im Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Nur soviel – es wird abenteuerlich.:-)

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Jürgen erfahren:
instagram.com/juergen_baerbig/

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Ellen Norten (Hrsg) "Daedalos 16"

Zehn phantastische Kurzgeschichten, wie immer gespickt mit einem Klassiker, stellt diese Ausgabe vor. Der Klassiker, ergänzt um einige historische und literarische Angaben, rundet die vorigen neun Geschichten ab. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Geschichten seien können und dabei doch eine Einheit bilden. Doch wie schafft Ellen Norten das von Ausgabe zu Ausgabe?
Ein Element ist der leichte Schauer, der einem beim Lesen jeder Geschichte über den Rücken läuft. Dabei kann der Schauer durch Verschiedenes ausgelöst werden. Die Schreibenden sind hier sehr einfallsreich und so kommt es zu keinen inhaltlichen, wohl gefühlsmäßigen, Wiederholungen.
Ein weiteres, nicht unwichtiges Detail, sind die Illustrationen. Fast immer im Stil von Kupferstichen gehalten, bilden die Schwarzweiß-Bilder eine perfekte Ergänzung zum Text.
Doch was bieten die Texte?
Nun, auf jeden Fall Abwechslung und Spannung:
Da gibt es den Text über eine Feuersbrunst und die vermeintlich letzte Überlebende, bis plötzlich ein Text in einem Magazin auftaucht.
Dann folgen zwei Frauen, die eine betört die Männer auf ihre ganz eigene Art, die andere darf nicht in die Bibliothek ihres Mannes, bis sie sich Zutritt verschafft.
Die Herausgeberin überrascht mit einer Geschichte, die einen außergewöhnlichen Hund ins Zentrum stellt. 
Es folgen ein paar gruseligere angesiedelte Geschichten, die noch stärker auf die Psyche des Lesenden zielen, wobei es dabei kein Wunder ist, erneut Alexander Klymchuk zu begegnen. Dieser Autor weiß, wie er die Lesenden in seine Text zieht.
Der Klassiker glänzt dieses Mal durch schwarzen Humor, selten habe ich bei einer düsteren Geschichte so gelacht.

Für mich ist dies die bisher beste Zusammenstellung und ich freue mich auf weitere Ausgaben.

5 von 5 Kurzgeschichten

Danke an pmachinery.de für das Rezi-Exemplar.

Samstag, 24. Mai 2025

Nils Westerboer "Lyneham"

Perm soll jetzt ein Zuhause sein und doch ist es so unwirklich, wie es nur sein kann. Die Landung ist hart, die Tage danach noch härter. Denn ein Mensch fehlt. Mama. Doch warum? Schon auf der Erde kam sie erst spät abends nach Hause, da die Forschung sie immer stark in Beschlag nahm. Und nun? Wo ist sie? Und warum ist auf Perm immer noch so vieles anderes als auf der Erde?
Als mittleres Kind der Familie Meadows begleiten wir Lesenden Henry durch das Buch. Erste Begegnungen mit anderen Siedlern, sowie die ersten Irritationen, wenn es nicht so läuft wie Rayser es wünscht. Weder so künstlerisch wie sein Bruder Chester noch so clever wie seine Schwester Loy, ist er immer derjenige, der dem Lesenden am nächsten ist. Der, der die Welt nicht versteht, der sich nicht zurecht findet und das, obwohl der mehr weiß, als er zugibt.
Doch nicht nur Henry erzählt; eingebettet in die Geschichte, werden auch die Informationen eingestreut, wie es gelang, dass die Meadows Perm betreten können. Denn der Planet war nicht dazu gedacht Menschen von der Erde aufzunehmen. Vieles widerspricht dem, was auf der Erde mal Standard war, bevor alles zusammenbrach. Forschung, Neugier und Tatendrang waren gefragt, doch stets mit dem Hintergedanken, zu welchem Preis?
Wissenschaft und Psychologie wechseln sich in "Lyneham" stetig ab. Die Forschungsreihen und ihre Auswirkungen mögen anfangs ermüdend wirken, doch zeigen sie auf, mit welch vielfältigen Aufgaben sich Menschen auf fremden Planeten auseinandersetzen müssen. Wir landen dort nicht einfach und sind da. Dies führt der Autor dem Lesenden immer wieder vor Augen. 
Emotional beginnt das Buch recht leise. Man bemerkt das Leid und auch die unterschwelligen Machenschaften und Verknüpfungen erst nach und nach. Wie auch im Leben zeigen die Protagonisten den einen das eine den anderen ihr wahres Gesicht. 
Mit dieser Mischung baut der Autor erst langsam die Spannung auf, um sie später umso intensiver zu entladen.

4 von 5 Biomen

Sonntag, 18. Mai 2025

Frank Lauenroth "Delter"


Während ein Roman eine einzelne Geschichte erzählt, geht es bei Kurzgeschichtensammlungen, wie der Name schon sagt, um mehr als nur eine Geschichte. Viele Facetten spielen in die jeweiligen Geschichten rein und einen Sammelband kann man nicht so ohne Weiteres beurteilen wie einen Roman. 

Jede Kurzgeschichte braucht ein Thema, ein Setting, einen Spannungsbogen. Je nach Thema braucht sie mal mehr, mal weniger Hintergrundinformationen. Sie ist für einen Wettbewerb geschrieben oder sie musste einfach in die Welt hinaus.

Warum ich das so explizit erkläre? Die Kurzgeschichte hat in der deutschen Literatur leider nicht den besten Ruf. Immer wird der Roman hochgehalten und als das Beste vom Besten dargestellt.  Doch es gibt Beweise, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. 

"Delter" ist der Name einer Kurzgeschichte in diesem Sammelband. Als letzte im Buch platziert, rundet sie die vorigen Texte perfekt ab. Denn sie zeigt, was Frank alles schreiben kann. Bleiben wir bei diesem Text; im Weltall angesiedelt, sind mehrere Kreolyten auf einer Mission unterwegs, doch sie unterliegen einer strengen Hierarchie. Was passiert, wenn sich einer dem nicht beugen will?

Ein anderer Text zeigt, was passiert, wenn Teddys für ihre Rechte ins Feld ziehen müssen. Feuer und anderen Widrigkeiten ausgesetzt, müssen sich die flauschigen Wesen behaupten, denn sonst kann ihnen keiner zu Hilfe eilen.

Was gibt es noch? Glückspiel, Geistesblitze, Timing, einen Toyplanet ... Nein, ich zähle jetzt nicht alle Geschichten auf, denn auch das ein Teil des Charmes von Kurzgeschichtensammlungen. Man bekommt eine Wundertüte voller Geschichten und wenn man Glück hat, sind sie alle etwas Besonderes.

5 von 5 D3017

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 17. Mai 2025

Roland D. Gerste "Wie Technik Geschichte macht"

Die Technik hat in den letzten gut fünfhundert Jahren unentwegt unglaubliche Fortschritte gemacht. Beispiele? Die gibt es zahlreich. Das Buch "Wie Technik Geschichte macht" fängt mit einer für uns heute grundlegenden Technik an, dem Buchdruck.
Denn ohne die Erfindung von Gutenberg hätte sich weder die Anzahl der Menschen, die lesen können, in dem unglaublichen Tempo erhöht, noch hätten Nachrichten, Ideen oder schlicht Informationen so schnell verbreitet werden können, wie es danach der Fall war.
Ein weiteres Beispiel? Algorithmen.
Denn ohne diese und ohne Ada Lovelace und Alan Turing hättet ihr jetzt kaum ein Smartphone, Ipad oder sonstiges in der Hand und könntet diese Rezension lesen.
Natürlich sind das nur theoretische Annahmen, dass wenn es diese drei Menschen nicht gegeben hätte, diese Techniken nicht entwickelt worden wären.
In anderen Kapiteln des Buches z,B. "Der Traum vom Fliegen" oder auch "Herzschläge" wird sehr deutlich, dass es bei der Entwicklung von Technik auch oft um Zeit geht. Denn selten ist es wirklich so, dass nur eine Person über eine Entwicklung nachdenkt. Gerade bei Erfindern ist der Ehrgeiz eine nahezu unerschöpfliche Triebfeder, die es ihnen ermöglicht, über das bekannte Wissen hinaus zu denken und so neue Wege zu beschreiten.
Dass die Technik im Anschluss für Dinge verwendet wird, die die Erfinder nicht vorausgesehen haben, zeigt das Kapitel "Spaltende Kerne" und es erklärt, was einmal in der Welt ist, verschwindet auch so schnell nicht wieder.

Insgesamt lässt sich das Buch sehr flüssig lesen. Dabei sind die Kapitel sehr unterschiedlich in der Länge und auch in der Informationsdichte aufgebaut, sodass man nicht in allen Bereichen gleich viel über die Entwicklung, die vermeintliche Konkurrenz und auch die Einsatzmöglichkeiten erfährt.
Ein tolles Buch, was zeigt, wie die Welt wurde, was sie heute ist.

4 von 5 Erfindungen

Donnerstag, 15. Mai 2025

Rie Qudan "Tokyo Sympathy Tower"

In einer nahen Zukunft stellt sich die japanische Gesellschaft dem Gedanken, warum Menschen straffällig werden. Ist es wirklich ihre eigene Schuld? Oder ist der homo felix Teil des Problems?
Mitten in Tokio soll neben dem Olympia Stadion ein Tower entstehen, der ein Gefängnis beinhaltet, das aber nicht mehr so genannt werden soll. 
Ein Hauptcharakter ist Sara. Sie ist Architektin, groß geworden in einer Welt, in der Zeichnen ebenso wie Worte Macht bedeuten. Macht über einen Raum, Macht über Menschen. Doch dies ist nur bedingt negativ besetzt. Denn Japaner denken viel darüber nach, was ihre eigenen Verhaltensweisen beim Gegenüber auslösen, verletzen sollen diese wahrlich niemals.

Auf gerade einmal einhundertsechzig Seiten wird die Handlung und auch somit das Gehirn des Lesenden auf eine gehörige Probe gestellt. Perspektivwechsel, Zeitenwechsel, Pro und Contra. Es ist ein wilder Ritt, den man in diesem vermeintlich kurzen Buch erlebt. Und dabei schwebt immer die Frage über den Menschen, wen beeinflusse ich wie mit meinen Entscheidungen. Wen beschütze ich, wen stoße ich vor den Kopf. Leise schwingt auch der erwähnte Gedanke mit, wie hängen Glück und Kriminalität zusammen? Kann man Glück im wahrsten Sinne des Wortes erzwingen?
Bei vielen Szenen sind die Übergänge zwischen Gedanken und Realität allzu fließend, somit erfährt man zeitweilig wenig über die Beweggründe der Personen und auch ihre Handlungen bleiben diffus. 
Ein Buch, was zum Nachdenken anregt, denn bei vielem ist nichts so wie es scheint. Oder vielleicht doch?

4 von 5 Gefängnissen

Sonntag, 11. Mai 2025

Priscilla Galloway "Alchemist, Bogenschütze und 98 andere Jobs aus dem Mittelalter"

Schon vor einiger Zeit habe ich es mir angewöhnt, neue Themenbereiche durch Kinderbücher anzueignen. Warum?
Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Man wird nicht unnötig mit Begriffen konfrontiert, die einem noch nichts sagen und ich kann mir Wissen nach und nach aufbauen.
Ein weiterer Pluspunkt: Kinderbücher sind oftmals bebilderter als Erwachsenenbücher, was mir beim Lernen eine weitere Stütze ist. Denn bekanntlich lernt man durch mehrere Reize schneller.
Aber nun zum Punkt.
Dieses 94-seitige Kinderbuch stellt insgesamt einhundert Berufe aus dem Mittelalter vor. Dabei sind verschiedene Schwierigkeits- und Ekelgrade vorhanden, denn seien wir einmal ehrlich, unsere Nasen hätten im Mittelalter wirklich Probleme, die Gerüche oder vielmehr den Gestank auszuhalten.
Meist werden zwei Berufe auf einer Seite vorgestellt und mit einer charmanten Bebilderung versehen. Dabei kommt es öfters vor, dass die Bilder eine kleine Anekdote aus dem Berufszweig erzählen und man so über den Text hinaus einen Einblick in den Berufsalltag bekommt.
Weiterhin gibt es kleine Schaukästen, in denen kindgerecht der Unterschied zwischen Zünften und Gilden erläutert, die Ausbruch der Pest geschildert und der Lehnseid erklärt wird.
Angefangen mit einer kleiner Einführung in das Mittelalter werden die Berufe ihrer Zugehörigkeit nach zusammen vorstellt. Da gibt es Brot-Jobs, religiöse Berufe oder auch Reiseberufe. Unterteilt in zehn Bereiche lernt man viele Berufe kennen, die es heute nicht mehr gibt oder es kristallisieren sich kleine, aber feine Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen heraus (z.B. Bader, Arzt und Chirurg).
Als Einstieg in die mittelalterliche Arbeitswelt perfekt geeignet, aber natürlich eine sehr oberflächliche Betrachtung, die man im Anschluss vertiefen kann.

4,5 von 5 Ausrufern

Montag, 5. Mai 2025

C. Gina Riot "Die Abenteuer des Barden Spikero - Diebesgut & Hexenmal"

Eigentlich könnte es so einfach sein: Spikero wurde von einer Truppe Seeleute angeheuert, um ihnen die Reise nach Thal mit seinem Gesang und seiner Laute zu versüßen. Thal, die Stadt seiner Träume, in der er seine Bardenkarriere vorantreiben, durch deren Gassen er schlendern und es sich gut gehen lassen will. Doch alles kommt irgendwie anders. Seine Liebste hat keine Zeit für ihn, die Preise in der Stadt sind unsäglich und nach seinem ersten Auftritt muss er seine Einnahmen abgeben. Missmutig schleicht er durch die Gassen und stolpert nahezu von einem Problem ins nächste, bis er auch noch die falschen Leute auf sich aufmerksam macht.
Diebesgut & Hexenmal ist der erste Band der Mittelalter-Fantasy-Krimi-Trilogie, welche die Autorin in ihrer Erdenwelt ansiedelt. Eingeleitet wird das Buch mit einer wunderschönen Karte, auf welcher man sich einen Überblick über die Erdenwelt verschaffen kann. Der erste Band beginnt mit der Ankunft in Thal und spielt in den Gassen der Stadt. Schnell fühlt man sich in diesen heimelig und man versucht mit Spikero zusammen zu erkunden, wer ihm Gutes will oder auch eben nicht. Viele Menschen begegnen ihm in den ersten Tagen und wie im realen Leben muss er entscheiden, wem er vertrauen kann und wem nicht.
Spikero, der sich in der Stadt nicht so wirklich auskennt, ist dabei ein Charakter, den man ab und an einmal richtig gut durchschütteln will. Nie scheint was gut, immer scheint er zu meckern und alle sind gegen ihn. Ist er dadurch unsympathisch? Mitnichten. Gerade seine Art zeigt, wie ungeduldig und unzufrieden wir Menschen oftmals sind. Während für andere Charaktere das Glas halbvoll ist, ist es für stets halbleer und anderen geht es besser als ihm.
Doch als er mit seinen Ermittlungen beginnt, wendet sich das Blatt. Er hat ein Ziel, für das er akribisch kämpft und das er lange Zeit nicht aus den Augen lässt.
Spikero ist ein Charakter, der innerhalb des Buches wächst und zeigt, wie sehr man an sich arbeiten kann und das auf eine äußerst charmante Weise. 
Die Mischung aus Fantasy, Mittelalter und Krimi ist der Autorin sehr gut gelungen und ich freu mich schon auf den zweiten Band.

4,5 von 5 Lauten 

Donnerstag, 1. Mai 2025

Autoreninterview James Goodwin Literaturinterview

Wer meinem Account schon länger folgt, weiß, dass ich es liebe, Romanfiguren zu interviewen. Dieses Mal hat sich der Bibliothekar Arthur Tingwell aus James Goodwins Krimi "Mord in Little Barkham" Zeit für ein paar Fragen genommen.
Willkommen in der Zukunft und im Internet, Mr. Tingwell.

(Cover: digital publishers, Grafik: Maximilian Wust)

Nach dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges hat es Sie in das kleine, beschauliche Dorf Little Barkham verschlagen. Ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen?
Das kann man wohl sagen! Raus aus der Metropole London und rein in das idyllische Dorfleben. Wer träumt nicht von einem Leben auf einem Cottage, umgeben von wilder Heide und einem Birkenhain? Obendrein ist zwischen Dorking und Guildford, also unweit meiner neuen Heimat, Agatha Christie verschwunden. Wir erinnern uns: am 3. Dezember 1926 löste sich die Queen of Crime für elf Tage buchstäblich in Luft auf. Bis heute ist ihr Verschwinden ein Grund für allerlei Spekulationen.

Doch nach dem Mord ist es sicherlich vorbei mit der Idylle?
Zweifellos! Mrs Prudences Tod macht die Menschen um mich herum fassungslos. Meine Nachbarin, die verehrte Mrs Keene, hat es trefflich auf den Punkt gebracht: Keiner verdient so ein Schicksal. Keiner in Little Barkham.

Sie selbst nennen sich gerne "Bibliothekaris arrogantus". Nur weil Sie gebildet sind, meinen Sie auch arrogant zu sein? Oder ist das eher die Einschätzung Ihrer Mitmenschen?
Bisweilen kann es schon etwas Arrogantes haben, wenn man mit seiner Bildung hausieren geht. Sie müssen verstehen, ich liebe meine Romanwelten. Agatha Christies Mordkomplotte lassen mich ebenso wenig los wie Daphne Du Mauriers Schauerromanzen. Meine Schwärmerei wird allerdings nicht überall mit Wohlwollen aufgenommen.

Beschreiben Sie doch einmal einen typischen Tag in Little Barkham. Einen ohne Mord ...
Little Barkham unterscheidet sich darin kaum von den umliegenden Dörfern. Morgens fährt ein Großteil der Einheimischen per Überlandbus oder Auto nach London. Die meisten gehen dort ihrem Broterwerb nach. Die Daheimgebliebenen verrichten ihre Geschäfte vor Ort. Zum Beispiel Mr und Mrs Smolinski, die gemeinsam einen Krämerladen betreiben. Oder Mrs Chamberlain, die ein kleines Café nahe der Dorfkirche führt. Von denjenigen, die nicht in der Pflicht ihrer Arbeit stehen, besuchen etliche unsere Leihbücherei. Und damit wären wir bei mir und meiner Tätigkeit als hiesiger Bibliothekar.

Warum lieben Sie Agatha Christie und ihre Charaktere und nicht Sherlock Holmes? Liegt das an Ihrer Affinität zum Landleben?
Ich mag sowohl Agatha Christie als auch Arthur Conan Doyle. Doch Sherlock Holmes‘ Ausflüge ins Ländliche - wie bei „Der Hund der Baskervilles“ - sind mir seine liebsten Abenteuer. Was ich bei Agatha Christie bevorzuge, ist das Tableau an Verdächtigen, das sie uns mit jedem neuen Krimi präsentiert. Die Verdächtigen stehen eher im Mittelpunkt der Handlung, weniger ihre Detektive Miss Marple oder Hercule Poirot. Das gefällt mir ungemein.

Wie wichtig ist eine gute Menschenkenntnis in Ihrem Job bzw. auch beim Leben in einer kleinen Dorfgemeinschaft?
Ich werde oft als wahrer Menschenfreund bezeichnet. Meine Hoffnung ist, dass mit der Philanthropie auch meine Menschenkenntnis wächst. Hin und wieder habe ich mich in meinen Mitmenschen arg getäuscht, insbesondere in einige meiner Nachbarn. Angesichts dieser Fehlurteile würde ich schon sagen: Ja, eine gute Menschenkenntnis kann das Zusammenleben und letztlich auch meine Arbeit erleichtern. Schließlich ist der Buchgeschmack eines Menschen sehr individuell ausgeprägt.

Würden Sie denn noch einmal einspringen, wenn der Polizist wieder auf das falsche Pferd setzt?
Ah, Sie spielen auf Inspector Birdwhistle an. Aus meiner Sicht ein Kriminalist, der sich höchst eigenwilliger Methoden bedient. Andererseits muss ich zugeben, dass diese eifrige Beamtenseele eine seltsame Faszination ausstrahlt. Wenn es allein nach mir ginge, würde ich den Inspector gern dabei beobachten, wie er erneut aufs falsche Pferd setzt. Aber das soll keineswegs bedeuten, dass ich einen weiteren Mord in Little Barkham herbeisehne …

Neugierig geworden? Dann schaut hier vorbei:
digital-publishers.com/de/romane/mord-in-little-barkham-historisch-cosy-crime