Diese Woche treffen wir erneut einen Bekannten. Wer meinem Blog schon länger folgt, kennt Jürgen Bärbig oder Nathan Winters bereits. Neben seiner Schriftstellerei hat er sein Tätigkeitsfeld erweitert und sich zum Hörsprecher ausbilden lassen. Spannend? Das fand ich auch und habe ihm erneut ein paar Fragen gestellt.
Wie kam es dazu, dass du Hörbuchsprecher geworden bist?
Es hat damit angefangen, dass ich mit meinem Freund, dem Musiker Werner Wieczorek, Live Hörspiel Lesungen zu meinen Romanen veranstaltet habe. Mit Musik, Text und passenden Sounds.
Da wurde ich zum ersten Mal darauf angesprochen, ob ich auch Hörbücher einlesen würde. Was ich damals noch nicht tat. Die Idee fand ich aber gut. Ich habe mich dann weitergebildet, Kurse und Seminare besucht und ein wenig Schauspielunterricht genommen.
Gleichzeitig hat mich Werner dabei auf technischer Seite beraten. Welches Mikro brauche ich, welches Interface, Software usw. Ralph Edenhofer, ein SF Autor aus Aachen gab mir dann den ersten Auftrag und meine Arbeit kam bei den Leuten gut an. Also habe ich weitergemacht. Neben dem Schreiben ist das Sprechen eine tolle Möglichkeit kreativ zu sein. Ich bin wirklich happy, das hauptberuflich machen zu dürfen.
Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Der ist tatsächlich recht unspektakulär. Ich stehe dann meistens um halb sieben auf und trinke erst mal einen Kaffee und esse etwas. Danach mache ich Aufwärmübungen, um die Stimmbänder aufzuwärmen. Das sieht dann schon sehr lustig aus und klingt auch so. Anschließend wird gebrummt, gekaut, geschmatzt und Probe gelesen, bis ich das Gefühl habe loslegen zu können.
Als Nächstes mache ich mir einen Tee mit einem Stück Ingwer. Nichts mit Kohlensäure, oder irgendwas, das Geräusche machen könnte. Auch was die Kleidung angeht, darf nichts Rascheln, Klimpern oder Klappern, denn man hört alles.
Dann lege ich los. Meistens arbeite ich sechs bis sieben Stunden mit einer längeren Pause dazwischen. Nach dieser Zeitspanne wird es auch langsam stickig in der Kabine, die Konzentration lässt nach und die Fehler häufen sich. Dann wird es Zeit aufzuhören.
Ist es für dich schwieriger, dich in die Figuren hineinzuversetzen, wenn du sie nicht selbst erschaffen hast?
Es kommt auf die Figuren an. Da ist es ein bisschen wie im richtigen Leben. Manche Personen liegen einem mehr, als andere. Mit manchen kommt man sofort ins Gespräch, mit anderen gar nicht. So ähnlich verhält es sich mit Roman-figuren. Manche handeln und reden, da fällt es mir leicht mich in sie hineinzuversetzen, bei anderen erfordert es mehr Arbeit, bis man begriffen hat wie sie ticken. Aber sich diese Figuren zu erarbeiten um sie authentisch wirken zu lassen, ist dann unglaublich spannend und herausfordernd.
Wie viel Freiraum hast du, wenn du Hörbücher einsprichst?
Zuerst einmal lese ich das Buch, mache mir Notizen und versuche die handelnden Figuren zu begreifen und ihnen eine Stimme zu geben, die ich dann später bei den Aufnahmen verwenden will. Wenn ich dann die Möglichkeit dazu habe, spreche ich mit den Autoren und stelle ihnen die Stimmen vor. Das gibt ihnen Gelegenheit noch eigene Wünsche zu äußern, die ich dann versuche umzusetzen. Sie sagen mir dann auch, ob ich kleine Änderungen im Text vornehmen kann. Das sind dann aber dann wirklich nur Kleinigkeiten, wie ein Wort weglassen, oder eins hinzufügen.
Der Haupttext bleibt aber vom Sprachduktus her meiner Interpretation überlassen. Es geht nicht, dass der Autor einem bei jedem Satz über die Schulter schaut. Da wäre keine konstruktive Arbeit möglich.
Was empfindest du leichter, Texte selber zu schreiben oder einzusprechen?
Beides ist auf seine eigene Art eine Herausforderung. Bei meinen eigenen Texten muss ich allerdings auf viel mehr Dinge achten. Sind die Charaktere fesselnd geschrieben, passen die Dialoge, wirken sie so als hätten echte Menschen sie gesprochen. Wie ist das Setting, wie deutlich sind die Bilder, die ich beim Leser erzeugen will. Wie ist überhaupt die Grundstimmung im Buch.
Erzähle und zeige ich das, was ich erreichen will?
Beim Hörbuchsprechen muss ich das nicht, da ist die Herausforderung das bereits geschrieben Wort mit Leben zu füllen. Wird es spannend muss ich spannend lesen, ist es dramatisch muss ich die Stelle auch dramatisch lesen. Sind die Charaktere traurig, lustig, wütend oder genervt muss man mir das anhören, denn sonst klingt es falsch.
Wie gesagt, beides ist auf seine eigene Art herausfordernd.
Kannst du im Vorfeld abschätzen, wie viel Zeit du benötigst, um einen Text einzusprechen?
Das kann ich immer nur ungefähr sagen. Es hängt hauptsächlich mit der Komplexität des Textes zusammen und dem Genre. Science Fiction finde ich zum Beispiel schwieriger, als einen Thriller oder ein Jugendbuch.
Dann ist wichtig wie viel Dialog es gibt und wie gut ich die Stimmung treffe in einer Unterhaltung zwischen den Charakteren. Da kann es passieren, dass ich unzufrieden bin und die Stelle mehrmals lese. Ich muss selbst davon überzeugt sein, dann kann ich den Text auch guten Gewissens wieder abgeben.
Erzähl ein bisschen über deine aktuellen Projekte.
Ich habe gerade die Aufnahmen zu „Minna und die magische Stadt“ abgeschlossen. Das ist ein Jugendroman von Carina Zacharias. Und eigentlich müsste ich jetzt mit der Arbeit am sechsten Teil von Ralph Edenhofers C23 Reihe beginnen, aber leider muss ich operiert werden, was meine Terminplanung ein wenig durcheinander wirbelt. Aber danach steht dieses Projekt an erster Stelle.
Im schriftstellerischen Bereich arbeite ich gerade zusammen mit meinem Lektor an meinem viktorianischen Roman „Der Schatten von Avamoore“, der im Oktober beim Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Außerdem steht die Überarbeitung eines älteren Romans von mir an, über den ich leider noch nichts verraten darf, der aber ebenfalls im Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Nur soviel – es wird abenteuerlich.:-)
Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Jürgen erfahren:
instagram.com/juergen_baerbig/
Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.