Donnerstag, 30. Oktober 2025

Autoreninterview Helen Herbst

Hallo zusammen.

Diesen Monat habe ich eine Autorin gefunden, die uns mit ihren cosy crimes in eine etwas andere englische Gesellschaft führt und es ist spannend, ihr dabei zu folgen. 

(Foto: Birgit Poindl_Sabine Preißl (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Buchstaben haben mich von Anfang an fasziniert. Ich habe mit großer Freude lesen gelernt und schon früh angefangen, mit Sprache zu spielen – sei es beim Schreiben von Aufsätzen oder beim Analysieren von Grammatik. In der Volks-schule war ich ein richtiger Bücherwurm und habe alles verschlungen, was mir in die Hände fiel.
In meiner Jugend trat das Lesen etwas in den Hintergrund, das Leben war laut und bunt. Doch als ich später meine Kinder bekam und ihnen Geschichten vorlas, erwachte meine alte Liebe zu den Büchern wieder mit voller Kraft. Und mit ihr kam der Gedanke: Warum nicht selbst schreiben? Warum nicht eigene Welten und Figuren erfinden, denen andere genauso gern begegnen würden, wie ich es einst getan habe?
Das war mein Weg vom Bücherwurm zur Geschichtenerzählerin.

Wie kam es zu deinem Krimi „Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“?
„Lady Agnes und der tote Gärtner im Rosenbeet“ trug ursprünglich den Arbeits-titel „Warum der Gärtner sterben musste“. Es war das erste Exposé, das ich für meine Literaturagentin entworfen habe. Die Idee dazu kam mir an einem Dezembernachmittag. Ich saß am Schreibtisch und wusste nur, dass ich einen humorvollen Krimi entwickeln wollte.
Dann dachte ich daran, dass Adel mich schon immer fasziniert hat. Vor meinem inneren Auge sah ich eine elegante ältere Lady in ihrem Herrenhaus am Tisch sitzen. Sie war zwar privilegiert, aber wirkte unnahbar und einsam. Plötzlich kam der Butler durch die Tür herein. Ich habe ihn nicht herbeigedacht, er ist einfach gekommen. Dass der Gärtner gestorben ist, ist eine Hommage an das Sprichwort „Der Mörder ist immer der Gärtner“. Bloß: Der kann es ja in diesem Fall nicht gewesen sein.😊
Und so ist es bis heute. Dem Entwickeln der Geschichten liegt zuerst ein Plan zugrunde, eine gewisse Idee und zwischendurch verselbständigen sich Figuren und Szenen in meinem Kopf. Es ist die pure Freude für mich.

Gibt es für Lady Agnes ein konkretes literarisches Vorbild?
Eigentlich nicht im klassischen Sinn. Lady Agnes trägt jedoch Züge von Persönlichkeiten, die mich immer fasziniert haben. In ihrer Haltung und Unnahbarkeit erinnert sie mich an die Queen, wie ich sie bei Auftritten im Fernsehen erlebt habe – würdevoll, beherrscht und zugleich schwer zu durchschauen. Ihr Stil hat etwas von der Eleganz einer Anna Wintour, und ihr Wissensdrang spiegelt die Neugier vieler Menschen wider, die sich nie mit einfachen Antworten zufriedengeben.
Trotz ihrer adeligen Herkunft ist Lady Agnes im Kern ein Mensch wie jeder andere – mit Sehnsüchten, Sorgen und dem Wunsch, verstanden zu werden. Ich möchte, dass sie im Lauf der Reihe ihre durch Stand und Erziehung geprägte Distanz nach und nach verliert und lernt, Nähe zuzulassen. Denn genau darin liegt für mich ihr wahrer Reiz – hinter der Fassade einer Lady verbirgt sich ein verletzlicher Mensch mit Herz und Sehnsüchten.

Neben dem Kriminalfall räumst du auch mit Vorurteilen auf (Adel hat Besitz und Geld). Hat dich das bei anderen Büchern bewusst gestört, dass du hier eine andere Herangehensweise wählst?
Ja, da sprichst du einen interessanten Punkt an. Man denkt gemeinhin, adelig zu sein bedeute automatisch, über Geld und Macht zu verfügen. Dabei stecken dahinter oft viel Tradition, Verpflichtung und Verfall. Das wollte ich in meinem Buch – bei allem Humor – bewusst aufgreifen.
Lady Agnes lebt in einem bröckelnden Herrenhaus, mit mehr Stolz als Geld und sie muss sich behaupten, statt sich auf Standesprivilegien verlassen zu können. Das bringt Spannung und manchmal auch ein bisschen Melancholie.

Welcher ist dein liebster Charakter?
Ich liebe alle Bewohner des Herrenhauses – Lady Agnes, ihren Butler Henderson und die Köchin Grace. Und natürlich habe ich auch den Kommissar Edward Sterling und die Gerichtsmedizinerin Emily Corps ins Herz geschlossen. Deshalb fällt es mir gar nicht so leicht, einen Lieblingscharakter zu benennen.
Aber ich glaube, Henderson ist mir besonders nah gekommen. Er ist als Figur sehr greifbar geworden.
Vielleicht, weil sein ausgeprägter Aberglaube ihm etwas Eigenwilliges, fast Rührendes verleiht. Durch diese Eigenart spüre ich ihn beim Schreiben besonders deutlich – als würde er mir manchmal selbst zuflüstern, was als Nächstes passiert.

Viele Cosy Crimes werden direkt mit den großen Klassikern wie z. B. Agatha Christie verglichen. Worüber würdest du mit ihr sprechen, wenn du die Möglichkeit hättest?
Ich würde Agatha Christie gerne fragen, worauf sie beim Entwickeln ihrer Krimis besonderen Wert gelegt hat, mich nach ihren eigenen literarischen Vorbildern erkundigen und sie nach ihrer Schreibroutine fragen. Außerdem würde mich interessieren, ob sie heute einen Cosy Crime über Social Media, Influencer und moderne Skandale schreiben würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie daran großen Spaß hätte!

Wird es weitere Bände um Lady Agnes geben?
Ja, das wird es. Bereits nächstes Jahr, voraussichtlich im Sommer, wird ein neuer Band mit Lady Agnes erscheinen. So viel darf ich verraten: Dieses Mal dreht sich alles um Scones – und um einen vergifteten Gourmetkritiker.

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Helen erfahren:

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

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