Freitag, 26. Juli 2024

Erik Hauser "Verhext, verzaubert - und verloren"

Stell dir vor, du fährst von deiner Beförderungsfeier nach Hause und dann …
Du fährst auf einer Straße entlang und spürst plötzlich, dass du jemanden anfährst und damit nicht genug, es ist der Tag vor deiner Hochzeit …
Guter Rat ist da teuer und du bringst die Verletzte nach Hause, nur um festzustellen, dass deine Klamotten bei ihr im Bad liegen.

Auf 58 Seiten ersinnt Erik Hauser eine kleine Erzählung, in der moderne Hexen eine zentrale Rolle spielen. Eingebettet in schlechtes Wetter und Luft geschwängert von Kräutern wird beim Lesen trotz der Kürze eine heimelige Atmosphäre erzeugt, die den Leser in eine kleine Welt entführt, die so ganz selbstverständlich neben unserer existiert.

Mit einem Händchen für Witz und Ironie unterhält der Autor in dieser kurzen Novelle den Leser und zeigt, welche Macht Gefühle haben und dass Hexen auch nur Menschen sind.

4 von 5 Hexen

Donnerstag, 25. Juli 2024

Autoreninterview spezial Frank Weinreich

Hallo zusammen.
Nachdem die letzten Spezial-Interviews euch so gefallen haben, gibt es heute eins mit einem Lektor.

(Bild: Frank Weinreich (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du Lektor geworden?
Eher zufällig. Ich habe in den Neunziger Jahren studiert und oft Haus- und Abschlussarbeiten von Kommilitoninnen und Kommilitonen korrekturgelesen, wovon bald eine ganze Reihe Leute wussten. Eigentlich hatte ich jedoch eine Unikarriere im Auge, bin dann aber angesichts der Bologna-Reformen vor der dadurch entstehenden Studienatmosphäre mit Bachelor und Master zurückgeschreckt, weil dies nicht mehr meine freie Uni war, die ich so liebte. Ein Studienfreund, der auch  schon unter meinem Rotstift gelitten hatte, gründete zu der Zeit einen Verlag und fragte mich, ob ich den Posten des Lektors übernehmen wolle. Als dann Mitte der 00er-Jahre Helmut Pesch von Lübbe mit dem Angebot auf mich zukam, für den Verlag Science Fiction und Fantasy als Außenlektor zu übernehmen, war der Rest, wie man so sagt, Geschichte.

Inzwischen habe ich schon einige Büchermenschen interviewt. Es zeichnet sich ab, dass man sich beim Lektorieren auch auf Genres spezialisieren soll. Wie siehst du das?
Es ist für die Manuskripte sicherlich insgesamt besser, wenn die Lektorin, der Lektor das Genre besonders gut kennen. Und eine Spezialisierung führt natürlich auch dazu, dass man selbst als Redakteur/Redakteurin immer besser wird, was alle Belange des Genres angeht. Genres haben oft eine typische Dramaturgie oder sogar ein spezifisches Wording, das die Leserinnen und Leser erwarten, was beides bedient werden muss, also auch im Auge der Lektor/in zu sein hat. Das Alltagsgeschäft besteht üblicherweise nicht darin, einen James Joyce nach einem Stanislaw Lem, nach einem J.R.R. Tolkien zu lektorieren, sondern Genre-standards zu redigieren. Es ist aber nicht unbedingt nötig, Spezialist/in zu sein, wenn die Lektorierenden gewissenhaft vorgehen; nur muss man sich in Genres, die einem weniger bekannt sind, jeweils zeitaufwendiger einarbeiten. Wenn also gute Genrekenntnisse auch eine schöne Sache sind, darf man bei allen freien Lektorinnen und Lektoren auch nicht vergessen, dass wir als Berufsgruppe nach den Zahlen der Künstlersozialkasse im Durchschnitt einen recht geringen Verdienst haben. Da kann man es sich als Romanzenspezialist/in nicht unbedingt leisten, das Angebot, einen Thriller zu lektorieren, auszuschlagen, nur weil die eigene Spezialisierung eine andere ist.

Wie kann man sich deine Arbeitsweise mit einem zu lektorierenden Text vorstellen?
Kopfüber hinein und einmal hindurch schwimmen. Dem folgen ein oder zwei Korrekturdurchgänge (Korrektur meines eigenen ersten Durchgangs, nicht Suche von Schreibfehlern), je nach Qualität des Ausgangsmaterials. Ich bin immer auch ein (meist recht) begeisterter Leser und lasse mich bewusst von der Story überraschen. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die erst einmal alles lesen, sich Notizen machen und dann an die Textarbeit gehen. Das würde mir dann doch einiges an Spaß daran nehmen, also lerne ich die Geschichte beim Überarbeiten kennen. Bei so richtig spannenden Büchern – in den letzten zwei Jahren etwa die Jade-Daniels-Trilogie von Stephen Graham Jones, dem meiner Meinung nach derzeit besten Horrorautor weltweit – muss ich mich nur immer wieder ermahnen, langsam und sorgfältig vorzugehen und nicht dem Wunsch nachzugeben, sofort erfahren zu wollen, was als Nächstes passiert. Das klappt aber bisher ganz gut. 

Macht es für dich einen Unterschied, ob dir der Text persönlich gefällt? Oder kannst du dich professionell vom Inhalt abgrenzen und dich nur "den Fehlern" widmen?
Den Fehlern widmen sich hauptsächlich Korrektorinnen und Korrektoren, und für diesen Arbeitsschritt ist es in der Tat egal, ob man das Genre oder den Text mag oder nicht. Ich betreue noch immer einen Kunden aus meiner Anfangszeit, für den ich Quartalsberichte korrigiere – ein ‘Genre’, das eher langweilig ist, aber dass ich anscheinend trotzdem so zufriedenstellend bearbeite, dass der Kunde nach über fünfzehn Jahren immer noch kommt. Scherz beiseite. Das Lektorat erfordert Textarbeit auf allen Ebenen – Dramaturgie, Stil, inhaltliche Korrektheit und Sprache – weshalb man tief in Texte eintaucht und sie, wie schon gesagt, auch mehr als einmal liest. Das macht natürlich mehr Spaß, wenn einem der Text auch persönlich gefällt. Die Arbeit erfordert aber auch Distanz zum Manuskript, um etwaige Schwächen zu erkennen und Stärken möglichst noch akzentuieren zu können. Natürlich ist es toll, wenn man eine sehr gute Story, die womöglich auch noch stilistisch exzellent erzählt ist, auf dem Tisch hat, aber es darf auf der rationalen Arbeitsebene eben keinen Unterschied machen, wie man an den Text herangeht. Dass man sich Jahre später vor allem an die richtig guten Manuskripte erinnert, ist eine emotionale Sache, die man bei der konkreten Textarbeit außen vor halten muss.

Wenn du selbst schreibst, findet man deine Texte in der Sekundärliteratur. Wie wählst du deine Themen aus, über die du schreibst?
Ich bin studierter und promovierter Philosoph, und die großen Fragen der Philosophie treiben mich immer noch um: Was können wir wissen? Wie sollen wir leben? Was ist, und was ist nicht, und gibt es da überhaupt einen Unterschied? Neben den Geistesgrößen der Geschichte sind es vor allem Autorinnen und Autoren der Phantastik, die sich mit diesen Fragen beschäftigen (und die in vielen Fällen – Ursula Le Guin, Douglas Adams und viele, viele mehr – selbst genau solche Geistesgrößen sind) und Bücher schreiben oder Filme drehen oder Computerspiele entwerfen, die sich mit eben diesen Fragen beschäftigen. Das ist Kunst. Aber Kunst spricht im Gegensatz zu wissenschaftlichen Ausführungen in der Regel verklausuliert, umschreibt, benutzt Metaphern, Allegorien, Satiren. Es macht mir großen Spaß und ist mir auch eine kleine Berufung, diese Dinge herauszuarbeiten und Interpretationen anzubieten, die das Verständnis phantastischer Kunst und Literatur ein bisschen verbessern helfen. Meine konkreten Themen wähle ich dann nach eben dem Kriterium des Gehalts aus, den ich darin sehe. Und natürlich muss mich das Thema interessieren, weshalb viele meiner Aufsätze und Bücher eben doch oft um Politik, Ethik und Ontologie in der Phantastik kreisen. Aber diese Themen finde ich auch nirgends besser aufbereitet als in diesem Genre der unbegrenzten Möglichkeiten.

Wieviel Zeit benötigst du, wenn du für einen Sekundärtext recherchierst?
Das lässt sich nicht sicher beantworten; Tage bis Monate, je nach Umfang und Thema. Schreibe ich zu Tolkien im Speziellen oder High Fantasy oder der politischen Bedeutung von Science Fiction im Allgemeinen profitiere ich von einem gesunden Grundwissen, das es mir ermöglicht, ein Textgerüst zügig zu erstellen und dann nur noch punktuell Aussagen zu verifizieren oder für Behauptungen ‘Munition’ aus vorgängiger Literatur zu sammeln. Bei einem neuen Thema ist das natürlich anders. Ein Beispiel: Irgendwann im nächsten Jahr steuere ich einen Beitrag zu einem Band über die britische TV-Serie “Robin of Sherwood” aus den Achtzigern bei. Es wird wieder um grundlegende Fragen wie den phantastischen Überbau des eigentlich historischen Themas gehen. Da muss ich wegen aktuell noch bestehender Unkenntnis erst einmal ein paar Bücher über die Figur Robin Hoods lesen und dann meine Geschichtskenntnisse über das normannisch-britische Hochmittelalter auffrischen müssen, und das wird dauern. Die Fantasy-artige Atmosphäre dieser besonderen Geschichte von Robin und den Merry Men dann mit Mythen und Magie in Verbindung zu bringen wird hingegen schneller gehen, weil Mythen meine Leib- und Magenspeise sind. 

Ein Tag ohne Science Fiction und Fantasy ist für dich ...
Schwer zu beurteilen, weil er seit meiner Jugend nicht mehr eingetreten ist. (Wenn wir SF/Fantasy auf Phantastik im Allgemeinen erweitern 😀)

Ich danke für dieses Interview 😀


Nachdem ihr Frank kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
textarbeiten.com
polyoinos.de
facebook.com/frank.weinreich

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Montag, 22. Juli 2024

Guido Fuchs "Vorwiegend heiter bis boshaft: Spitznamen in der Literatur"


Es sind oft die ungewöhnlichen Titel, die mir bei der Suche interessante Literatur ins Auge springen lassen. Dieses mit 256 Seiten noch recht kurze Sachbuch lädt den Leser ein, sich mit der Gattung der Spitznamen zu beschäftigen.
Denn, wem das vor der Lektüre noch nicht klar ist, ein Spitzname ist kein Kosename.
Mitnichten!
Und auch die Ausprägung des Spitznamens kann durchaus sehr unterschiedlich sein, da dieser sehr viele Varianten unter sich führt.
Es gibt die, die auf Äußerlichkeiten beruhen, jene, die auf dem Verhalten fußen und solche, die über Generationen vererbt werden.
Nicht zu verwechseln mit Namensabwandlungen oder -verniedlichungen des eigentlichen Namens oder Vornamens, dies ist auch wieder ein ganz anderes Feld.
Unterteilt in die verschiedenen Varianten stellt der Autor dem Leser diese einzeln vor. Dabei geizt er, wie der Titel des Buches schon andeutet, nicht an literarischen Verweisen. Immer wieder bringt er die große Literatur ins Spiel, zitiert Thomas Mann, Günter Grass, Erich Kästner und auch die internationalen werden zu passender Zeit erwähnt.
Am Stück lässt sich das Buch auf Grund der Informationsdichte nicht so gut lesen, da es schon fast wie ein Nachschlagewerk anmutet. Doch nimmt man das bei der Masse an Informationen gerne in Kauf und teilt sich das Buch entsprechend ein.

4 von 5 Spitznamen

Freitag, 19. Juli 2024

Galax Acheronian "Science Fiction Stories III"

Bereits zum dritten Mal präsentiert Galax eine Zusammenstellung seiner eigenen Kurzgeschichten. In den vorliegenden Sammelband haben es dieses Mal acht Erzählungen geschafft. 

Auch der dritte Band zeigt erneut, dass Galax abseits des Mainstreams seine Geschichten und Figuren findet. Dieses Mal sind die Geschichten über die gesamte Welt und auch hoch hinaus ins Weltall verstreut. Seine Figuren sind alles nur nicht alltäglich und doch sind die Probleme der anderen.
Umweltschutz und zumindest die Rettung von dem, was noch von der Natur übrig ist, spielt in mehrere Geschichten rein und gibt den Erzählungen neben den Charakteren auch eine weltweite Komponente. Galax denkt viele unserer heutigen Probleme weiter, doch ohne den Lesenden zu verängstigen. Natürlich ist die Welt der Zukunft nicht rosarot - bei Gott nicht - doch immer noch sind die Menschen dabei, das zu retten, was ihnen wichtig ist. Wobei …

Ab und zu führt Galax den Lesenden auch aufs Glatteis und die Geschichte hat eine unerwartete Wendung, so wie es bei spannenden Erzählungen sein soll. 

Melancholie, Witz, Ernsthaftigkeit und auch Trauer liegen wie schon bei der vorigen Zusammenstellung nah beieinander und so ist jede Geschichte eine Wundertüte - man weiß zu Anfang nicht, welche Emotion man bekommt.

4 von 5 Zukunftsvisionen

Donnerstag, 18. Juli 2024

Autoreninterview spezial Rhea Hermes

Hallo zusammen.
Nachdem ich die letzten Interviews hauptsächlich mit Schreiberlingen geführt habe, darf ich euch dieses Mal die Antworten der Psychologin Rhea Hermes vorstellen. Was sie mit der Schreiberei zu tun hat? Lest selbst.

(Foto: Rhea Hermes privat, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Oh. Ich würde sagen, das kam durch meine Begeisterung für Abenteuer-geschichten. Als Kind habe ich abends im Bett zum Beispiel die Geschichten von Enid Blyton verschlungen und konnte vor lauter Abenteuer-Fantasien kaum einschlafen. Tagsüber versuchte ich dann, diese Geschichten nachzuspielen. Ich rannte durch die Gegend, über die Felder und durch den Wald, und suchte verschollene Schmugglerschätze und verborgene Geheimgänge. Wenn das aufgrund des Wetters nicht möglich war, verbrachte ich Stunden damit, die Geschichten mit Buntstiften und Wachsmalkreide auf Papier zu bringen und meine Ideen wie auf einer Bilderbuchseite in Worte zu fassen. Einige dieser Geschichten existieren noch heute (lacht).
Sie sind nicht sehr lang und voller Rechtschreibfehler, aber eine unglaublich wertvolle Erinnerung.
Ich glaube, darum hat es sich auch so natürlich angefühlt, dass mein Debüt-Buch ein Abenteuerroman für Kinder wurde. »Die Geheimnisse der Pfefferbucht« wird bald zwei Jahre alt und ich denke oft an die gemeinsame Reise, auf die ich mich mit Lily, Kieran und Charli, meinen kleinen Protagonist*innen, begeben habe.

Du hast mir erzählt, du arbeitest gerade an deinem ersten Ratgeber. Wie legst du hierbei die Schwerpunkte?

Viel kann ich über das Buch leider noch nicht verraten, hoffe jedoch, dass ich es im Herbst an die ersten Testleser*innen übergeben kann. Im Grunde tue ich das, was ich schon jeden Tag mit großer Leidenschaft tuen darf: Ich tauche in die menschliche Psyche ein und hoffe, dass ich dabei so viele Leser*innen mitnehmen kann wie möglich. Ich versuche, wie auch in meinen Beiträgen auf Instagram, auf verständliche und vor allem unterhaltsame Weise Einblicke zu geben und abseits der Pop-Psychologie aufzuklären. Wichtig ist es mir immer, wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Erfahrungen
aus meiner eigenen Privatpraxis zu verbinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Wissen uns befähigt. Befähigt, selbst viel für unsere mentale Gesundheit und unser Wohlbefinden tun zu können. Unser Gehirn ist ein faszinierendes Organ und ein ganz fantastisches Werkzeug, aber es hat eben seine kleinen Macken (lacht)
Der Ratgeber ist im übertragenen Sinn eine Art Reiseführer für diejenigen, die sich selbstbewusst auf Neuanfänge einlassen wollen, aber unsicher oder ängstlich sind, wie ihr Weg aussehen könnte, und noch vor den Herausforderungen und mentalen Hindernissen zurückschrecken.

Auf deinem Instagram gibst du Tipps und erstellst Umfragen. Wie wichtig ist aus psychologischer Sicht die Wortwahl?
Durch die Wahl unserer Worte können wir unsere persönlichen Bewertungen und Meinungen ausdrücken und bestimmte Stimmungen und Bilder erzeugen. Zum Beispiel kann die Beschreibung eines Protagonisten als »müde ins Bett sinkend« oder als »erschöpft ins Bett fallend« ganz unterschiedliche Emotionen bei Leser*innen hervorrufen. In Aktionsszenen können Worte wie »ineinander krachen« direkt Tempo vermitteln, ohne dass die Details des Aufpralls beschrieben werden müssen, weil wir innerhalb derselben Sprache oft sozial geteilte Vorstellungen mit einem ganz bestimmten Wort und seiner Kraft verknüpfen. So können Worte auch gezielt genutzt werden, um zu beruhigen, zu vermitteln oder eben auch um Angst zu schüren und unangenehme Gefühle zu erzeugen.
Allerdings hat auch das seine Grenzen, denn Leser*innen bringen immer ihre eigenen Erfahrungen und Vorstellungen in einen Text ein, was ein natürlicher und normaler Prozess ist. Diesen Einfluss kann ich als Verfasser*in von Texten aber niemals kontrollieren. Und es erfordert sehr bewusste Anstrengungen, sich möglicherweise auf eine völlig andere oder neue Perspektive und Wahrnehmung einzulassen – sowohl beim Verfassen als auch beim Konsumieren von Texten.
 
Kommen wir zur Literatur: Was liest eine Psychologin in ihrer Freizeit?
Du meinst neben Fachliteratur (lacht). Ich mag vor allem Geschichten, über denen ein Geheimnis liegt. Das kann der historische Familienroman ebenso gut sein wie der spannende Krimi. Und ich mag tatsächlich auch Bücher, in denen es kein klassisches Happy Ending gibt.
Damit stoße ich allerdings häufig auf Unverständnis (lacht)

Wenn du Romane oder Krimis liest, was ist dabei dein Eindruck? Spiegeln sich Autor*innen in den Geschichten selbst oder schaffen sie Figuren, die weit ab von ihrer eigenen Persönlichkeit sind?
Du meinst, ob Krimi- oder Thrillerautor*innen alles versteckte Serienmörder sind? (lacht)
Aus psychologischer Sicht gibt es dazu tatsächlich sehr unterschiedliche Ansätze. Autor*innen können ganz bewusst oder unbewusst Teile ihrer eigenen Persönlichkeit einfließen lassen. Das passiert womöglich auf Basis starker Selbstreflexion. Manchmal projizieren sie ihre eigenen Ängste, Wünsche oder Erfahrungen auf die Figuren, die sie schaffen, weil ihnen dieses Spektrum an Emotionen vielleicht besonders vertraut und bekannt ist.
Auf der anderen Seite nutzen Autor*innen ihre Kreativität, um Charaktere zu erschaffen, die weit von ihrer eigenen Persönlichkeit entfernt sind. Sie können ganz wunderbar in die Rolle von Mörder*innen, Detektiven oder anderen fiktiven Figuren schlüpfen. Hierbei geht es weniger um Selbstreflexion, sondern mehr um die Kunst des Erzählens. Und um die Fähigkeit, gedanklich andere Perspektiven einzunehmen und Ereignisse anders wahrzunehmen, als sie es vielleicht im Alltag tun.
Auch intensive Recherche kann Autor*innen in die Lage ihrer Charaktere versetzen und ihnen die  Möglichkeit geben, Gedanken und Gefühle nachzuvollziehen. Dies erfordert mitunter ein gewisses Maß an Empathie und die Fähigkeit, sich in unterschiedliche Persönlichkeiten und Emotionen hineinfühlen zu können.
Insgesamt ist es vermutlich eine Mischung aus persönlicher Erfahrung, kreativer Freiheit und empathischer Vorstellungskraft. Besonders spannend finde ich es immer, wenn Autor*innen auf mich zukommen, um mich bezüglich Persönlichkeitseigenschaften oder psychologischen Prozessen nach Unterstützung zu fragen - was ich übrigens immer sehr gerne tue, soweit es meine Zeit zulässt. Es ist total schön zu sehen, wie intensiv sich viele Autor*innen mit bestimmten Themen bereits befasst haben und was für ein großartiges Verständnis sie durch ihre Arbeit und Recherchen bereits haben. Oft sind vielleicht nur noch feinste Nuancen – meist im Verständnis von psychologischere Begrifflichkeiten – zu klären.

Was sagt die Wahl des Genres über die Autor*innen aus?
Es kann ganz unterschiedliche Gründe haben, warum sich Autor*innen für das eine oder andere Genre entscheiden. Es kann durchaus auf Persönlichkeits-merkmale oder persönliche Interessen hinweisen. Wer zum Beispiel sehr offen ist, im Sinne der Persönlichkeitstheorie, und Vorlieben für Mysterien und Rätsel hat, schreibt womöglich lieber humorvolle Krimis oder düstere Thriller.
Autor*innen können die Wahl des Genres aber auch von ihren eigenen Erfahrungen abhängig machen. Ein/e Autor/in, der/die viel über Liebe und Beziehungen nachdenkt, könnte sich für Romane in diesem Genre entscheiden. Auch gesellschaftliche Trends oder der Zeitgeist können sich widerspiegeln. In Zeiten politischer Unsicherheit oder sozialer Veränderung, tendieren mehr Autor*innen zu dystopischen Romanen oder erschaffen konträre Helden-Welten.
Es kann jedoch genauso gut sein, dass Autor*innen ganz bewusst Genre wählen, die sie herausfordern, in denen sie neue Ideen ausprobieren wollen – abseits ihrer ganz eigenen Erfahrungen und Lebensrealität.
Und die Realität zeigt uns auch, dass es einige Autor*innen gibt, die aus großer Leidenschaft und Interesse heraus in dem einen Genre begonnen haben und am Ende erfolgreich in einer ganz  anderen Richtung unterwegs sind. Insgesamt ist die Wahl des Genres vielschichtig und ganz individuell. Es gibt keine festen Regeln – von persönlichen Interessen bis hin zu »durch Zufall dazu gekommen« ist alles möglich.

Wie menschlich sind Buchcharaktere deiner Meinung nach?
Es kann sich sehr stark unterscheiden, wie sehr Buchfiguren aus psychologischer Sicht echten Menschen ähneln. Manche Charaktere können sehr komplex sein und eine Reihe von Emotionen, Motivationen und inneren Konflikten aufweisen und im Laufe der Geschichte Entwicklungen durchlaufen. Diese Figuren sind vielseitig und mehrdimensional, haben Schwächen, Stärken und eine einzigartige Persönlichkeit, die sie wie echte Menschen wirken lässt. Ich denke, dass wir uns gerade mit solchen Figuren beim Lesen auch sehr viel schneller und stärker identifizieren.
Andererseits gibt es auch eher stereotype Charaktere, die vereinfachte oder übertriebene Eigenschaften aufweisen. Diesen Figuren fehlt es möglicherweise an Tiefe oder realistischen Beweggründen, und ihr Verhalten wirkt künstlich oder klischeehaft.
Letztlich hängen die menschlichen Qualitäten der Buchfiguren von der Fähigkeit und Kreativität der Autor*innen ab, vollständige und glaubwürdige Charaktere zu schaffen. Eine gut geschrieben Figur wird psychologisch reichhaltig und fesselnd sein und beim Lesenden Gefühle hervorrufen. Umgekehrt kann es natürlich auch passieren, dass es Autor*innen zwar meisterhaft schaffen, authentische und komplexe Figuren zu erschaffen, einige Leser*innen aber dennoch enttäuscht sind, da sich die Figuren in einer für sie völlig unerwarteten Weise verhalten. Die Frage ist dann, ob die Autor*innen den Leser*innen einen wichtigen Entwicklungsschritt vorenthalten haben oder ob die Leser*innen stereotype Vorstellungen haben oder sich vielleicht so stark mit der Figur identifizierte, dass ihr Verhalten einfach nur dem persönlichen Erfahrungs-horizont widerspricht – es ist tatsächlich nicht einfach, alle Leser*innen zufrieden zu stellen. Selbst als ganz fantastische/r und ausgezeichnete/r Autor/in wirst du deine Kritiker finden, die ein Verhalten unglaubwürdig, nicht nachvollziehbar oder für unrealistisch halten.
Aber auch das ist irgendwie wieder sehr menschlich, oder? (lacht) Wir kennen das ja vielleicht auch aus unserem Alltag. Sowohl im positiven wie negativen Sinne können uns Menschen überraschen, weil wir aufgrund dessen, dass eine Person zum Beispiel eher still und zurückhaltend auf uns wirkt, gar nicht mit so einem Nachdruck und engagiertem Handeln in einer ganz bestimmten Situation gerechnet hätten (lacht)

Nachdem ihr Rhea kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
neuronensalto.de
instagram.com/neuronensalto

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 17. Juli 2024

Jean Bastide "Idefix und die Unbeugsamen 6"

Ein paar Bände habe ich seit dem letzten übersprungen, doch allein auf Grund des leuchtenden Covers musste der Comic aus der Bahnhofsbuchhandlung mit. Bereits zum sechsten Mal haben Idefix und seine Freunde ihren eigenen Comicband ergattert. Wieder kommt der Band als kleine Klappbroschur mit Idefix und seine tierischen Freunde daher.

Wir befinden uns immer noch um Jahr 52 v. Chr. und die römischen Polizeihunde (formschön in der klassischen römischen Uniform) machen die Straßen von Lutetia unsicher.
Klappt man den Comic auf, werden die tierischen Helden wie in den klassischen Asterixheften vorgestellt und mit ihren Fähigkeiten dem Leser nahegebracht.
Die erste der drei kurzen Episoden dreht sich dieses Mal um eine Schnellstrecke zwischen Lutetia und Rom, für die ein Wald komplett abgeholzt werden soll.
In der zweiten soll Rache an den Besatzern genommen werden, doch der Aufstand entwickelt sich nicht so wie gedacht.
Die letzte Episode steht unter dem Stern von "panem et circenses". In Lutetia gibt es kein Brot mehr, bis der Zirkus kommt ...
Die Zeichnungen sind etwas moderner gehalten, doch die üblichen Comic-Effekte wie Sprechblasen, kursive und fette Schrift bleiben dem Leser erhalten.
Erneut eine lustige Abwechslung zu den originalen Asterixheften, auch wenn sie nicht ganz an den klassischen Witz heranreichen.

4 von 5 Hundepatrouillen

Dienstag, 16. Juli 2024

Walter Christian Kärger "Der Dienstmädchenmörder"

Sherlock Holmes bekommt Konkurrenz. 

München. 1886. Hajo von Zündt, Pathologe an der Münchener Universität, beschleicht eine Vorahnung, als ihm die Leiche einer jungen Frau zur Untersuchung gebracht wird. Sie soll sich ertränkt haben, doch die Untersuchung wirft mehr als nur Zweifel auf. Mit seinem Adoptivbruder Adam und seiner Assistentin Charlotte versucht Hajo hinter die Fassade zu blicken und dem leitenden Ermittler Manteuffel die Beweise zu liefern, die der Mörder so geflissentlich zu verstecken sucht. Doch wer annimmt, dass es sich nur um die Münchner Kreise dreht, der hat die Rechnung ohne das Moor gemacht.

Während Sherlock Holmes die Baker Street in London und natürlich auch die Umgebung von Verbrechen befreit, nimmt Hajo von Zündt die gleiche Aufgabe in München für sich in Anspruch. Von Adel, dazu gebildet und ohne jeglichen Schnick-Schnack der High Society arbeitet er im Gegensatz zu seinen Adelsgenossen und ist ebenso an den Umwälzungen der Zeit freudig interessiert. Nicht mit Spott begegnet er der aufstrebenden Emanzipation und er unterstützt auch die Entwicklung der Kriminalistik, deren Schlussverfolgerung, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, ihn tief beeindruckt.

Ein facettenreicher Charakter erlebt somit seinen ersten Fall. Die Nähe und Inspiration von Sherlock Holmes ist hier nicht von der Hand zu weisen und auch mehrere, kleinere Begebenheiten weisen auf den Doyleschen Kanon hin. Jedoch schafft es der Autor einen eigenen und eigenwilligen Charakter zu erschaffen, der in der Zeit des Umbruchs seinen eigenen Weg sucht und oftmals auch findet. Ergänzt wird der Kriminalfall um so manch historische Information, die beim Lesen die Deutsche Geschichte und auch den technologischen Fortschritt näher bringt. 

Ein gelungener Fall mit fulminanten Ende und der Hoffnung, dass es bald einen zweiten Band um Hajo von Zündt geben wird.

5 von 5 Ermittlern

Donnerstag, 11. Juli 2024

Autoreninterview Dan Adams Literaturinterview

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? 
Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität und Fantasie vermischt?

Heute im Interview: Captain Kirkland

(Foto: Bastei Lübbe, Grafik: Maximilian Wust)


Die Entwicklungen der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass auch bei dem D.S.O. und auch darüber hinaus nicht alle auf der richtigen Seite stehen. Meinst du, dass du immer den richtigen Weg eingeschlagen hast?
Sicher nicht. Wenn ich das behaupten würde, wäre ich ein Lügner. Es gibt, glaube ich, niemanden auf der Welt, der immer alles richtig machen würde. Aber was ich sagen kann, und worauf ich stolz bin, ich war nie bestechlich. Ich bin auch keine faulen Kompromisse eingegangen. Alles was ich getan habe, tat ich zum Wohl meiner Familie, von New York und meinem Team.

Was lässt dich morgens noch aufstehen?
Eine Tasse echter Kaffee. Nein, Spaß beiseite. Meine Frau und meine Kinder. Ich will, dass sie in einer Stadt leben, in der sie keine Angst haben müssen um auf die Straße zu gehen. Das ist nicht einfach, ganz bestimmt nicht, und ich war auch oft kurz davor zu resignieren. Aber … wenn ich nichts getan hätte, hätte ich meinen Kindern nicht mehr in die Augen sehen können. Also, Sie fragen nach meiner Motivation: Meine Familie ist meine Antwort.

Hast du deine Suspendierung kommen sehen?
Mit meinen Aktionen gegen Tribeca bin ich vorsichtig gewesen, aber ganz ehrlich, ich habe schon damit gerechnet, dass ich nicht ungeschoren davon komme. Stafford hatte mich auf dem Kieker, da war es nur eine Frage der Zeit bis ich ihm was liefere, das er gegen mich verwenden konnte. Wer weiß, vielleicht wollte ich auch suspendiert werden. Als Grund sozusagen um mit allem aufhören zu können. Um kein schlechtes Gewissen zu haben. Keine Ahnung, wenn ich´s weiß, ruf ich Sie an und sag es Ihnen.
Was mir in diesem Zusammenhang aber wichtig ist: Ich wollte meine Leute vom D.S.O. da raushalten. Wenn jemand Ärger bekam, dann sollte das nur ich sein, nicht sie.

Wovor hast du am meisten Angst?
Wovor habe ich am meisten Angst? Das ist einfach. Davor, dass meiner Familie oder Menschen, die mir viel bedeuten, etwas zustößt. Das ist ein ziemlicher Druck. Früher war es mir gelungen nicht daran zu denken, aber je älter ich wurde und je länger ich den Job gemacht habe, desto schwieriger wurde es. Wissen Sie, im Laufe der Zeit erlebt man so einiges und es wird einem klar, dass es nichts gibt, was Menschen sich nicht gegenseitig antun würden. Das frustriert und das laugt einen aus. Aber was viel schlimmer ist, man wird überängstlich. Irgendwann ist man dann einfach fertig.

Militär oder Technik, was ist der größere Feind von Manhattan?
Knapp gesagt – das Militär. Die Technik ist nur ein Werkzeug. Entscheidend ist die Frage wer sie benutzt und zu welchem Zweck. Sehen Sie, wenn es die Fluttore vor New York nicht gäbe, wäre Manhattan längst untergegangen. In dem Fall ist die Technik für einen guten Zweck eingesetzt worden. Aber wenn jemand versucht ihren Computer zu hacken, oder mit einer Pistole auf sie schießt, dann ist daran nichts Gutes. Es ist immer der Mensch, der entscheidet wie er seine Möglichkeiten einsetzt. Klingt ziemlich philosophisch, aber genauso ist es.

Welche Entscheidungen bereust du und welche deiner Entscheidungen hat Manhattan geschadet?
Mhh, gute Frage. Was bereue ich? Ich hab nie die Balance zwischen meiner Familie und meinem Job als Captain des D.S.O. gefunden. Rückblickend hatte meine Arbeit immer Vorrang, aber aus dem Grund heraus, meiner Familie ein gesichertes Umfeld zu bieten. Das war sicher idealistisch, vielleicht auch unrealistisch, aber das hat mich immer angetrieben. Ansonsten gibt es sicher Dinge, die ich bereuen könnte, aber ich bin kein Mensch der zurückblickt und sagt: Das hättest du anders machen müssen. Die Vergangenheit lässt sich nun mal nicht ändern.
Und ob ein paar meiner Entscheidungen Manhattan geschadet haben? Das weiß ich nicht. Aber egal was ich getan habe, die Prämisse für mich war immer, nur das Beste für die Stadt und seine Bewohner zu wollen. Manchmal hat das geklappt und manchmal nicht. Aber in diesem Zusammenhang gibt es dann schon etwas, das mir auf der Seele liegt. Im Laufe der Jahre habe ich im Dienst gute Cops verloren, die mir viel bedeutet haben. In einer Stadt wie New York, gibt es ständig Tote … leider. Wenn es dann aber Kollegen trifft, die einem unterstellt sind und die man bereits viele Jahre kennt, nimmt einen das ganz schön mit.

Was wünscht du dir für Manhattan und somit auch für das D.S.O.?
In einem Wort: Frieden. Die Stadt und das D.S.O. haben viel erlebt und es wäre schön zu wissen, dass sie zur Ruhe kommen könnten. Aber ich bin auch Realist und weiß, dass dies nie passieren wird. Die Stadt ist einfach zu groß und Verbrechen wird es immer geben. Menschen werden ermordet, weil ein anderer etwas haben will. Manchmal geschieht es aus Gier, manchmal aus Not, aber immer mit der gleichen hässlichen Fratze. Aufhalten können wir es nicht. Aber … wir werden nicht müde, es zu versuchen.

Ihr wollt mehr erfahren? Dann schaut hier vorbei:
facebook.com/Dan-Adams
instagram.com/juergen_baerbig
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In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Brandon Sanderson "Handbuch für den genügsamen Zauberer"

Holde Maiden, edle Recken,
mich dünkt, ich soll Euch berichten über die Schrift "Handbuch für den genügsamen Zauberer" von Brandon Sanderson?
So sei es.

Eine Reise ins Mittelalter, oder vielmehr eine Reise in eine Dimension des Mittelalters? Genauer gesagt, in eine Version des englischen Mittelalters. Römer? Kelten? Hunnen? Was darf es genauer sein?
Mit dem Zeitreise-Package macht sich John auf den Weg aus der Zukunft zurück in die Vergangenheit. Doch als er ankommt, hat er alles vergessen. Alles, was ihm bleibt, sind herumfliegende Seiten aus einem Handbuch, bei dem es um Zeitreisen, deren Gefahren und Werbeslogans geht.
Doch auch die Vergangenheit birgt ihre Gefahren und so sind seine Nanobots nicht nur einmal überlebenswichtig.

Was habe ich erwartet?
Nun, schwer zu sagen. Irgendwas zwischen "Ein Yankee am Hofe des König Artus" und einer spannenden Zeitreisegeschichte. Wirklich mitgerissen hat mich die Geschichte nur auf den ersten hundert Seiten. Die Einbindung des Handbuches mit seinen FAQs und Werbeslogans ist eine gelungene Sache und hebt das Buch von anderen ab. Doch die Geschichte wirkt auf mich nach den hundert Seiten immer konstruierter. Tatsachen über die Dimensionen werden festgelegt, nur um hinterher durch Ausnahmen wieder umgangen zu werden und bei den Charakteren mangelt es mir zeitweilig an Verständnis.
Sprachlich und auch der Humor liegen allerdings auf meiner Linie und somit bin ich am Ende hin und her gerissen, was ich abschließend sagen soll. 

Vielleicht dies:
Das Buch war nicht my cup of tea, doch, oh holde Leserschaft, so bildet Euch Euer eigenes Urteil, auf das Euch die Erzählung gefallen möge.

3 von 5 Zeitreisenden

Mittwoch, 10. Juli 2024

Anthologieprojekt "Hinter Mauern" - Zwischenstand

Heute einmal keine Rezension, sondern ein etwas anderer Beitrag:
Vielleicht habt ihr es schon letzte Woche gesehen, aber jetzt schreibe ich auch darüber.
Ich habe bereits zum zweiten Mal die Ehre, für den Burgenwelt-Verlag eine Anthologie herauszugeben. Nachdem wir 98 Geschichten gelesen und geschaut haben, welche Geschichten zusammenpassen, haben wir uns für 17 Geschichten entschieden, die zusammen die Anthologie "Hinter Mauern" bilden. Auch meine kleine Kriminalgeschichte hat es in die Auswahl geschafft.
Wir haben darauf geachtet, dass die Geschichten sowohl in verschiedenen Zeiten als auch an unterschiedlichen Orten spielen und dabei thematisch vielseitig sind.

Was folgt nun? 
Der Feinschliff. 
Lektorat und Korrektorat.
Layout und Werbung.
Es gibt noch viel zu tun, bis wir das Buch in Händen halten. Es wird eine spannende Zeit.

Hier noch einmal alle Beteiligten:
Isabella Benz
Tanja Brink
Antonia Dorah
Sabine Frambach
Christoph Grimm
Wolfgang Kemmer
Jeannette Kreiser
Christian Tobias Krug
Christine Kulgart
Sarah Lutter
Michael Schwendinger
Caroline Seeger
Tatjana Stöckler
Ulrike Stutzky
Yngra Wieland
Maximilian Wust
Ute Zembsch

P.S. Ich freu mich so. 

Donnerstag, 4. Juli 2024

Autoreninterview spezial Jana Hoffhenke

Hallo zusammen.
Nachdem ich die letzten Interviews hauptsächlich mit Schreiberlingen geführt habe, darf ich euch dieses Mal die Antworten der Verlegerin Jana Hoffhenke vorstellen.

(Foto: Sarah Lutter, Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du Verlegerin geworden?
Da muss ich etwas ausholen, denn es gibt kein typisches „das wollte ich schon immer werden“, eher eine Aneinanderreihung von Zufällen und Fügungen. In 2011 habe ich den Burgenwelt Verlag gegründet, mit dem ich mich gedanklich aber schon ein paar Jahre beschäftigt hatte. Wie kam das? Ich krabbelte kurz nach der Jahrtausendwende häufig in alten Gemäuern und Ruinen mittelalterlicher Burgen herum und suchte gleichzeitig nach passender Literatur zu den jeweiligen Objekten, weil ich einfach mehr erfahren wollte. Was ich fand, war mir zu wenig. Und weil ich unterwegs andere Menschen traf, denen es genauso ging, wollte ich Abhilfe schaffen und irgendwann schwebte mir eine schicke Sachbuch-Reihe im Kopf herum. Soviel zur Grundidee, die ich bis heute immer noch nicht umgesetzt habe – aber ich bin ja noch jung *grins*.
Schlussendlich landete ich thematisch erst mal in der Belletristik, bei Romanen und Anthologien, die Ursprungsidee wollte ich dann später angehen. Das Konzept funktionierte auf Anhieb sehr gut. Doch wie passt da jetzt der Eridanus Verlag hinein? Hat sich der leidenschaftliche Trekkie in mir irgendwann gelangweilt? Nun, schuld daran ist mein Mann, Jürgen Hoffhenke, der meinen Spaß an der Verlagsarbeit ein paar Jahre von außen beobachtete und den das Fieber irgendwann gepackt hatte. Als SF-Fan entschloss er sich 2015 kurzerhand, einen eigenen SF-Verlag zu gründen. Seitdem teilen sich beide Verlage die komplette räumliche und technische Infrastruktur und sogar einige der Autor:innen.
Inzwischen habe ich beide Verlage hauptverantwortlich unter meine Fittiche genommen, bei grundlegenden Entscheidungen und Entwicklungen beziehe ich Jürgen aber natürlich nach wie vor mit ein.

Der Eridanus-Verlag setzt bei seinen Veröffentlichungen auf eine Mischung aus Romanen und Anthologien. Geht das Konzept auf?
Knackig zusammengefasst: Anthologien machen den meisten Spaß, die Romane sorgen dafür, dass ich sie überhaupt machen kann. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Anthologien in der Regel eher ein Desaster. Dem gegenüber steht jedoch ein unglaublich erfüllender Entstehungsprozess. Eine Ausschreibung zu konzipieren, Geschichten zu lesen, mit vielen oft grundlegend verschiedenen Autor:innen und Menschentypen zu arbeiten – das macht richtig Spaß. Es kostet aber auch viel Zeit, weswegen ich in den letzten Jahren selbst kaum noch als Herausgeberin tätig war, sondern andere ans Ruder ließ. Leider, muss ich sagen, denn das fehlt mir schon ziemlich. Zumindest für eine Ausschreibung im Burgenwelt Verlag schlüpfe ich deshalb aktuell endlich gerade mal wieder in die Rolle der Herausgeberin. Jetzt bin ich ein wenig abgeschweift … um deine Frage zu beantworten: Ja, die Mischung funktioniert für mich perfekt!

Mehrere Titel aus deinem Verlag waren in den letzten Jahren für Preise (Deutscher SF-Preis, Kurt Laßwitz-Preis u.a.) nominiert. Wie fühlt sich diese Bestätigung bei all den Mühen an?
Ich würde gern ganz idealistisch sagen, dass mir das nicht so viel bedeutet, aber es löst schon ein wirklich gutes Gefühl aus. Wobei ich sagen muss, dass ich meinen Anteil daran nicht überbewerten sollte und will. Ohne die Schöpfer der Texte, aus denen wir dann ein Buch machen, wäre kein Preis zu gewinnen. Und damit die Bücher von entsprechenden Juroren wahrgenommen und positiv beachtet werden, braucht es auch Menschen, die im Hintergrund mitwirken, darüber sprechen und beim Marketing unterstützen. Da habe ich im Verlag richtig tolle Hilfe (Chris, Sarah, Detlef und all ihr anderen, danke euch!) So ein Preis ist also immer ein Gemeinschaftserfolg.
Ich freue mich übrigens besonders darüber, wenn Freunde oder Bekannte, die weder mit der SF-Szene noch mit der Buchbranche etwas zu tun haben, mich plötzlich auf Nominierungen oder Preise ansprechen und mir dazu gratulieren. Es lässt sich im Alltag oft gar nicht so leicht vermitteln, was ich hier eigentlich in meinem Verlagsbüro den ganzen Tag so mache, das ist dann immer ein guter Gesprächsaufhänger.

Ich nutze diesen Gesprächsaufhänger gleich mal: Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Gut dass du nicht gefragt hast, wie ein normaler Arbeitstag bei mir aussieht, den gibt es nämlich nicht. Fast jeder Tag ist eine kleine Überraschungstüte und kein Tag gleicht dem anderen. Heute zum Beispiel habe ich die ersten 2-3 Heiß-getränke im Büro genutzt, um Geschichten der aktuellen Ausschreibung (von der ich vorhin sprach) zu lesen. Außerdem habe ich ein eingesandtes Manuskript geprüft und eine Absage verschickt. Dann zwei noch offene Bestellungen verpackt und Rechnungen beglichen sowie Belege verbucht – da hatte sich einiges angesammelt. Die meiste Zeit hocke ich einfach vor dem Rechner, schreibe Autor:innen, Geschäftspartnern, Dienstleistern, stimme Themen und Termine ab, plane zeitliche Abläufe oder Veranstaltungen, kommuniziere mit Netzwerk-partnern, mache Buchhaltung (gähn!) und wickle den ganzen notwendigen rechtlichen und sonstigen adiminstrativen Kram rund um das Verlagsgeschäft ab. Manchmal sitze ich aber auch mehrere Stunden nur an einem Buchlayout und höre dabei verdammt gute Musik. Das liebe ich! Generell ist die konkrete Arbeit an einem Buch das, was mich am meisten an meinem Job ausfüllt, zu sehen, wie das Produkt Stück für Stück Form annimmt, bis ich es dann in der Hand halte. Und ich liebe es, mit Autorinnen und Autoren zu sprechen, nehme mir gern mal Zeit für ein ausgiebiges Telefonat oder wenn möglich ein persönliches Treffen – das beschleunigt kreative Prozesse ungemein.

Wenn ein Autor oder eine Autorin mit einer Romanidee an dich herantritt, was löst bei dir den Funken aus, um daraus ein Projekt zu konzipieren?
Wenn es doch darauf eine schlichte Antwort gäbe! Manchmal stimmen Plot, Stil, Thema und der generelle Eindruck eines Manuskripts perfekt und ich kann mich trotzdem nicht zu einer Realisierung durchringen. Manchmal weiß ich schon nach wenigen Seiten: Das ist es!
Oft wird nach Absagen nachgehakt, woran es denn gelegen hat. Am Anfang habe ich mir oft die Mühe gemacht, dann eine hilfreiche Antwort zu verfassen. Da dies aber zu häufig in einem diskussionsartigen Schlagabtausch endete, tue ich dies in der Regel nicht mehr. Ich kann eigentlich als Tipp nur geben: Schaut vorher genau, ob das eingesandte Manuskript wirklich zu den Verlagsvorgaben passt. Und allem, was in irgendeiner Form heraussticht, widme ich oft mehr Aufmerksamkeit, was die Chancen natürlich erhöht.

Was unterscheidet deinen eigenen Lesegeschmack von dem der Verlegerin?
Früher habe ich Bücher fast ausschließlich aus dem Themenfeld gelesen, in dem ich heute verlagstechnisch unterwegs bin. Inzwischen lese ich ehrlich gesagt in meiner Freizeit kaum noch SF-Romane oder Historisches, weil es mir kaum noch gelingt, die Arbeitsbrille abzusetzen. Ich suche da eher einen kompletten Ausgleich. Momentan lese ich hauptsächlich Sachbücher oder wissenschaftliche Fachzeitschriften zu den verschiedensten Themen oder auch gern mal einen seichten Krimi, wenn ich kaputt bin. Und ich lese sehr gern Bücher anderer Kleinverlage, da gibt es oft echte Perlen zu entdecken.

Welches Buch liest du gerade?
Ich lese gerade „Chicago Run“, den dritten Teil einer Marathon-Thriller-Serie von Frank Lauenroth. Ich habe vor einiger Zeit meine Leidenschaft fürs Laufen wiederentdeckt und stieß in diesem Zusammenhang zufällig auf diese Reihe. Lustigerweise hat Frank vor zwei Jahren auch eine Geschichte für die Eridanus-Anthologie „Alien Contagium“ beigesteuert, deshalb konnte ich sogar ein signiertes Exemplar erbeuten. ;-) Mir gefällt es richtig gut.

Nachdem ihr wisst, was Jana herausgibt, könnt ihr hier mehr über ihre Bücher erfahren:
burgenweltverlag.de
eridanusverlag.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 3. Juli 2024

Benjamin Keck "Die Gruben von Itar"

Was ist das Schlimmste, was einem passieren kann? 
Man gerät in eine Schlägerei und am nächsten Tag muss man den "Gegner" auf eine Reise gleiten. Rya meint sich einem Witz gegenüber zu sehen, als der Bettler ihr diese Aufgabe unterbreitet. Es ist zuviel geschehen und sie kann in der Stadt nicht bleiben, doch die Mission steht unter keinem guten Stern und so findet sie sich neben ihrem "Gegner" in den Gruben von Itar wieder, einen Ort, den man nicht mehr verlässt ...
So lautet der Auftakt zur Trilogie um die Welt von Palneor. Eine gepflegte Schlägerei zu Beginn - keine Sorge, weitere folgen -, Mythen, Entdeckungen und Geheimnisse, all das erleben Rya, Tiam und Zelin in den Gruben.
Doch während für viele die Gruben ein Platz voller Düsternis, Mord und Bestechung sind, finden sich hier die - doch sehr unterschiedliche - Freunde und mit ihren unterschiedlichen Temperamenten bringen sie den Nordstamm auf Vordermann. 
Wie auch bei anderen Fantasyepen ist die Erzählung getragen aus einer Mischung von Ernsthaftigkeit, ihrer eigenen Form der Religion, Hass und Freundschaft, was den Lesenden an die drei Protagonisten bindet. Schnell findet man Zugang zu den dreien und lernt, dass Gold glänzt und vieles erleichtert, aber wie immer im Leben ist es nicht alles. 
In seinem ersten Band liefert Benjamin Keck das Setting, das Personalgefüge und den Grundgedanken - ich feiere ja immer noch die Idee der Bettler - es bleibt abzuwarten, wie er die Erzählung weiterspinnt und wen der Lesende im zweiten oder auch dritten Teil wiedersieht.

4 von 5 Gruben