Donnerstag, 7. Mai 2020

Autoreninterview mit Helmut Barz Teil 3

Hallo zusammen,
heute geht es weiter in unserer kleinen Fragerunde mit dem Autor Helmut Barz. Wer die beiden vorigen Beiträge bereits gelesen hat, hat ihn schon ein wenig kennenlernen können. Die heutigen Fragen beziehen sich auf seine Serie um die Kriminalpolizistin Katharina Klein.



Ich liebe besonders den zweiten "Katharina Klein" Band. Wie kam es zu der Idee, einen Klassiker neu zu interpretieren?

Der Band, der offenbar meine Leser*innen sehr polarisiert, ist auch mein Lieblingskind in der Reihe, und das nicht nur, weil ich darin meine Liebe zum afrikanischen Kontinent und meine Schwärmerei für Agatha Christie und Dorothy L. Sayers ausleben konnte.
Die Keimzelle für das Buch legte ein Fernsehbericht zu den Wahlen in Kenia im Jahr 2008. Diese offensichtlich manipulierten Wahlen führten zu starken Unruhen. Die Fronten verliefen so, dass die Touristen an der Küste nicht mehr zu den Flughäfen in Mombasa und Nairobi gelangen konnten und fürs Erste in ihren Resorts und Hotels festsaßen. Der Fernsehbericht beschäftigte sich unter anderem mit einem dieser Resorts und der dort zwangsweise aufenthaltsverlängerten deutschen Urlauber*innen. Diese legten jedoch einen beeindruckenden Stoizismus an den Tag: Wenn wir schon festsitzen, dann können wir das Ganze auch genießen. Bedroht fühlten sie sich nicht. Auch wenn sie aus ihrem Resort nicht raus konnten und die Lebensmittelversorgung via Hubschrauber erfolgte. Daraus ist bei mir die Idee entstanden: Das wäre doch eigentlich ein tolles Setting für so einen richtig typischen Agatha-Christe-Krimi, wenn auch mit deutschen Touristen anstatt englischer Reisenden. Fehlt nur noch ein passender Mörder. Und ein Ermittler. Das Ganze habe ich mir dann erst mal auf einer Karteikarte notiert und mehr oder minder vergessen.
Dann stand auf einmal der Verlag mit dem Wunsch nach einem zweiten Band bei mir vor der Tür. Und ich habe meine Ideen durchforstet. Dabei bin ich wieder auf diese Karteikarte gestoßen. Zunächst habe ich den Gedanken verworfen. Katharina Klein ist sicher manches, doch sicher keine Agatha-Christe-Ermittlerin. Wenn man sie schon verorten will, dann doch eher in der amerikanischen Hardboiled-Literatur, der ich dann übrigens in "Dolphin Dance" (https://www.coeurart.de/produkt/dolphin-dance-originalausgabe/) eine eigene Hommage gewidmet habe, die allerdings subtiler daherkommt als in "African Boogie".
Doch meine Gedanken sind immer wieder zu dieser Idee zurückgekehrt. Und plötzlich fand ich die Frage, was eigentlich passiert, wenn sich eine Hardboiled-Ermittlerin in einen Agatha-Christie-Krimi verirrt, ausgesprochen spannend. Und so habe ich dann spaßeshalber mal angefangen, das Buch zu konzipieren. Und irgendwie bin ich dann dabei geblieben.
Ich habe die Handlung dann allerdings nach Tansania verlegt und eine etwas einfachere Lösung geschaffen, um die Urlauber zu isolieren. Der Hintergrund der Unruhen in Kenia ist ausgesprochen komplex und hätte zu viele Buchseiten beansprucht.

Mal ganz unter uns: Ist mit ... nicht ... gemeint?
Nun, der eine oder andere Leser mag die Anspielungen auf Frankfurter und hessische Prominenz verstanden haben: Aber - jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist natürlich rein zufällig.
Und wenn sich ... in ... wiedererkennen will, sollte er oder sie die Beschreibung der Person noch mal ganz genau durchlesen: Sind Sie wirklich so? Nein? Dann sind Sie vermutlich auch nicht gemeint.
Außerdem, wird, wer mich kennt, einige Menschen aus meinem Umfeld wiedererkannt haben. Das geschah natürlich mit deren Einverständnis. Und auch ich selbst trete übrigens mehrfach in den Romanen auf - meist in nicht sehr sympathischen Rollen.
Die Agentur "stop!" (mit Ausrufezeichen) aus "Westend Blues" ist eine typische "New Economy"-Agentur. Das Vorbild ist nach Platzen der Blase untergegangen - zu Recht. Und, nein, der Name wird nicht verraten. 

Du sagst, dass deine Charaktere Ähnlichkeiten zu realen Personen haben können, aber wie ist es mit den Orten in deinen Büchern? Wählst du Orte aus, die dir besonders gut gefallen?
Viele Orte in meinen Büchern haben ihre Entsprechung in der Realität. Oft sind es Orte, die mir gefallen. Typisches Beispiel ist die Karl-Kreutzer-Villa, die Heimat der Sonderermittlungseinheit seit "Damenopfer". Diese am Main gelegene Villa ist in weiten Teilen dem Liebieghaus (https://de.wikipedia.prg/wiki/Liebieghaus) nachempfunden, das übrigens eine vergleichbar dramatische Geschichte hat und im Sommer einer der schönsten Orte in der Frankfurter Innenstadt ist.
Andere Orte verwende ich mit einem gewissen Augenzwinkern, weil ich diese kenne und Frankfurter natürlich wissen, wer oder was gemeint ist. So gibt es übrigens tatsächlich ein italienisches Restaurant, das als Vorbild für Antonio Kurz`Imperiumssitz gedient hat. Das "Blaue Café" basiert auf der Balalaika (https://www.yelp.com/biz/balalaika-frankfurt-am-main?hrid=PFmgLI5gywcKAkcVt11w0w), wenn auch auf den Räumlichkeiten des ersten Standorts hinter der Dreikönigskirche.
Wieder andere Orte nutze ich, um etwas über Personen auszusagen. Katharina Klein wohnt beispielsweise in einer Eigentumswohnung im Frankfurter Westend - ein subtiler Hinweis darauf, dass sie offenbar nicht ganz unvermögend ist (was ja im Laufe der Bücher eine entscheidene Rolle spielt).
Weitere Orte nutze ich, weil ich sie eben brauche, zum Beispiel das Frankfurter Polizeipräsidium. Die Architektur im Inneren des Polizeipräsidiums habe ich jedoch massiv fiktionalisiert, um kein potenzielles Sicherheitsrisiko zu schaffen.
Im neuen Buch "Brumm!" nutze ich viele Orte in Offenbach. So liegt etwa die Hinterhofmanufaktur, in der die fiktive Werbeagentur des Buches angesiedelt ist, in meiner unmittelbaren früheren Nachbarschaft. Das "Haus der Schmerzen" (Textildiscounter-Filiale, SM-Studio, Zahnarztpraxis) gibt es auch.
Andere Orte wiederum entspringen vollständig meiner Phantasie, etwa die "Zwillingsvillen" in "Dolphin Dance" oder das Luxusresort "Golden Rock" aus "African Boogie".


Vielen Dank für die Beantwortung der heutigen Fragen zu deinen Katharina-Klein-ermittelt-Romanen. Bis zum Erscheinen von "Brumm" am 11.05.20 folgen auf meinem Blog noch zwei weitere Fragerunden. Eine davon folgt bereits heute Abend. Ich hoffe, ihr seid wieder dabei.

In der Zwischenzeit könnt ihr euch aber gerne selber schon einmal weiter informieren. Hier sind die entsprechenden Links zu Helmuts Seiten:

Die genutzten Fotos hat der Autor selbst zur Verfügung gestellt.

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