Donnerstag, 6. August 2020

#AutoralsLeser: Helmut Barz

Oftmals nehmen wir Leser in einer Person nur den Autor war, doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit.
Ein Autor ist auch selbst ein Leser und ist durch das, was er gelesen hat beeinflusst. Doch spiegelt sich das Gelesene im Geschriebenen wider?
Wollen wir doch einmal sehen.  😉
Heute hat dieser Autor die Fragen zu seinem Leseverhalten beantwortet: 




1) Welches sind die drei besten Bücher, die du je gelesen hast?
Ich finde es immer schwierig, Fragen wie diese zu beantworten, da sich mein Lesegeschmack häufig ändert. Ich neige auch dazu, mich an Büchern oder Genres, die besonders gut gefallen, zu überfressen: So habe ich zum Beispiel für die Katharina-Klein-Krimis zuerst alle Gerichtsmedizin-Krimis, derer ich habhaft werden konnte, gelesen – für Westend Blues. Für African Boogie habe ich dann wahre Agatha-Christie- und Dorothy-L.Sayers-Orgien gefeiert. Bei Dolphin Dance waren es dann die Klassiker der schwarzen Serie und für Damenopfer Polit-Thriller. 
Außerdem wird ein Teil meines Lesens durch meinen fast unerschöpflichen Wissensdurst getrieben. Daher lese ich es sehr viele Sachbücher, jeweils zu Themen, die mich aktuell interessieren. Daher ruhen in meinem Sachbuch-Regal Bücher zu Film und Theater neben philosophischen Werken, psychologischen Fachtexten und einer umfassenden Sammlung zum Thema Kriminalistik und Kriminologie.
Ich will aber trotzdem einmal drei Bücher nennen, zu denen ich im Geiste oder auch lesenderweise immer wieder zurückkehre. Diesen Büchern ist eins gemein: Sie adressieren auf die eine oder andere Weise die Conditio Humana.

Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis (die vierbändige Trilogie)
Ich habe diese Bücher schon sehr früh für mich entdeckt. Und da zu diesem Zeitpunkt nur der erste Teil auf Deutsch erschienen war, waren sie mein Einstieg in das Lesen englischsprachiger Bücher. Es gibt wohl kaum ein Buch, das auf der einen Seite derart komisch ist, sich auf der anderen Seite aber auch intensiv mit denen Verzweiflungen des Menschseins auseinandersetzt.
Wie tiefsinnig Douglas Adams wirklich war, sieht man in diesem Talk: https://www.youtube.com/watch?v=_ZG8HBuDjgc

Harpo Marx: Harpo spricht
Die Autobiografie von Harpo Marx ist fast ein Bildungsroman, eine Simplicissimus-Geschichte. Sie erzählt den Aufstieg der Marx-Brothers aus den Armenvierteln New Yorks zu Hollywood-Stars. Harpo Marx geht dabei mit einer äußerst nativen Sicht durch die Welt, beschreibt Begegnungen mit Menschen liebevoll. Dabei sind für ihn alle Menschen gleich, ob es nun der alternde Stepptänzer, der russische Grenzbeamte oder gar Arnold Schönberg ist. Darüber hinaus erzählt das Buch einen Aspekt der Geschichte des Theaters in New York und in den USA sowie zu den Anfängen des Tonfilms.
Zum Einstieg: https://www.youtube.com/watch?v=rlVpZWAZVCU

Dan Ariely: Predictably Irrational
Der US-amerikanisch-israelische Psychologe Dan Ariely beschreibt anhand von Experimenten die irrationalen Grundlagen unserer Entscheidungsfindung. Das ist nicht nur ausgesprochen erkenntnisfördernd, sondern auch sehr unterhaltsam. Zu den Themen, die eine Buch behandelt, gehören zum Beispiel Fragen wie: „Heftpflaster schnell abreißen oder langsam abziehen?“ oder „Ist der Geschmack von Wein vom Preis abhängig? (Schmeckt teurer Wein besser, weil er teurer ist?)“. Es lohnt sich dieses Buch, gemeinsam mit „The Undercover Economist“ (Tim Harford) und „Freakonomics“ (Stephen J. Dubner und Steven Levit) zu lesen.
Zum Einstieg lohnen sich übrigens die TED-Talks von Dan Ariely: https://www.ted.com/speakers/dan_ariely

2) Wo liest du am liebsten?
Zunächst einmal das Medium: Aktuell lese ich am liebsten über einen E-Book-Reader. Der ist leicht, ich kann die Schriftgröße an meine beginnende Alterssichtigkeit anpassen, und über das beleuchtete Display kann ich auch spät im Bett noch lesen, ohne meine Lebensgefährtin zu wecken.
Das bringt mich schon zu meinen Lieblingsorten: Am häufigsten lese ich im Bett. Bei Sachbüchern oder generell bei gedruckten, gebundenen Büchern setze ich gerne an einem Tisch. Das kann entweder Esstisch in meiner Wohnung oder der Küchentisch bei meiner Lebensgefährtin sein.

3) Welches Buch hast du zuletzt gelesen und würdest es weiterempfehlen?
Auch hier gibt‘s gleich mal drei Empfehlungen:

Jasper Fforde: The Constant Rabbit
Wie üblich schafft Jasper FForde auch in seinem neuen Roman eine gleichzeitig dystopische und totkomische Welt: im Großbritannien von heute gibt es ein Problem. Aufgrund eines nicht näher beschriebenen Events gibt es 1,2 Millionen anthropomorphisierter Kaninchen. Diese Kaninchen in Menschengröße wollen eigentlich nichts anderes, als friedlich mit ihren menschlichen Nachbarn zusammenleben. Doch Jasper FForde nutzt dieses Set-up, um sich mit den populistischen, ausgrenzenden und fremdenfeindlichen Tendenzen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Das ist düster und gleichzeitig zum Totlachen. Allerdings ist das Buch bisher noch nicht auf Deutsch erschienen.

Jim Butcher: Peace Talks (Dresden Files 16)
Auch im neuen Band der Dresden Files geht es heiß her. Winter Knight und Wizzard Harry Dresden soll die Friedensverhandlungen zwischen unterschiedlichen übernatürlichen Nationen schützen und bewachen. Das geht natürlich schief. Was ursprünglich mal als Cross-over zwischen klassischen Detektiv-Romanen und Urban Fantasy begann, hat sich inzwischen zu einer kosmischen Geschichte über Magie und Mythen entwickelt. Dieser Band dürfte allerdings nicht für den Einstieg in die Serie geeignet sein. Ich empfehle, mit dem ersten Band, „Storm Front“, zu beginnen.

Kevin Wilson: Nothing To See Here
In seiner bösartigen Satire erzählt Kevin Wilson von einer jungen Frau, die als Nanny für ein Geschwisterpaar engagiert wird. Dieses Geschwisterpaar hat allerdings ein Problem: Sie stehen gelegentlich einfach mal so in Flammen. Und ja, das ist wörtlich gemeint ...

Und zum Abschluss noch eine Enttäuschung:
Suzanne Collins: The Ballad of Songbirds and Snakes (Prequel zur Hunger Games Trilogie)
Auf diesen Band hatte ich mich sehr gefreut, da ich die Hunger Games sehr schätze. Doch das Buch hat mich ausgesprochen enttäuscht. Es fühlt sich in weiten Teilen ausgesprochen lieblos herunter erzählt an. Außerdem verbreitet Suzanne Collins ein ausgesprochen seltsames Frauenbild: Wo Katniss mit all ihren Ecken und Kanten im Wesentlichen überleben will, ist die zweite Hauptfigur (und Antagonisten des späteren Präsidenten Snow) eine ausgewachsene Psychopathin ohne einen Funken Empathie für ihre Mitmenschen. Ich frage mich, was Suzanne Collins uns damit erzielen wollte: Snow ist vom lavierenden und nicht ganz Standesdünkel-freien Jüngling zum brutalen Diktator geworden, weil er sich in die falsche Frau (die in Ermangelung echter Gegenmodelle sich leicht als „Frau an sich“ lesen lassen würde) verliebt hat?

Nun ja, immerhin hat Collins bei der Strukturierung des Buches gleich an die Verfilmungen gedacht. Natürlich lässt sich auch dieser, inhaltlich eher magere Band in zwei Teilen verfilmen. Ein Schelm, wer schlechtes dabei denkt.

Nachdem ihr nun wisst, was er liest, könnt ihr hier schauen, was er schreibt:

Und hier könnt ihr ihn auch live erleben: https://www.coeurart.de/lesung-am-8-august-2020

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch auf die nächste Woche und auf einen weiteren Autor.


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