Dienstag, 19. August 2025

Mac Conin "Nirgendwann - Plan B war auch Mist"

Jo hat es nicht leicht. Sie ist eine zugereiste Kölnerin. Ist das ihr einziges Problem? Anfangs erscheint es so. Doch wie bei einer Zwiebel entblättert sich die Geschichte Seite für Seite und lässt den Lesenden Schicksale und Machenschaften erfahren, die er bei vermeintlich locker-leichten Einleitung nicht vermutet hätte.
Dreh- und Angelpunkt ist die Zülpicher Straße in Köln. Hier spielt der größte Teil der Geschichte. Erzählt aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten (u.a. auch ein Büdchen) erfährt man viel über das Leben um und auf der Straße. Wie die Menschen hier früher lebten, was sich verändert hat. Wer gegangen und wer geblieben ist. Einzelne Charakter verbringen nahezu ihr ganzes Leben hier (Herr Hänsel) und andere sind erst kurz dort (Jo). Doch für alle ist die Straße ein Zuhause. Unbewusst sind sie eine Gemeinschaft, wie sie das Büdchen in der heutigen Zeit kaum mehr kennt. 
Das Büdchen nimmt in der Geschichte neben den anderen Erzählenden eine Sonderstellung ein. Eigentlich ein Institut des Viertels ist es mehr als ein schlichter Kiosk. Früher traf man sich hier und tauschte Neuigkeiten aus, doch wie sich die Gesellschaft verändert, ändert sich auch das Verhalten der Kaufenden. Vielfach ist das Büdchen ein Spiegel der Gesellschaft und wirft in die Handlung die eine oder andere Weisheit hinein, ohne dabei zu stören.
Die Geschichte wühlt dabei den Lesenden sehr oft auf. Alle Ungerechtigkeiten, die man sich vorstellen kann, treffen auf die verschiedenen Protagonisten und doch schafft es der Autor ein stimmiges Bild zu schaffen. Denn die Welt ist nicht rosarot. Manchmal vielleicht, aber definitiv nicht immer. Und so zeigt er an den verschiedenen Lebensläufen, was Stärke, Zusammenhalt und Gemeinschaft bedeuten, selbst wenn die Tage nahezu dunkel erscheinen.
Ein gelungenes Buch über menschliche Beziehungen und dem Wunsch ein sorgenfreies Leben zu führen.

4 von 5 Entscheidungen

Danke an den Autor für das Rezensionsexemplar.

Montag, 18. August 2025

R. L. Stine "Der Werwolf ist unter uns"

Und wieder gibt es eine kleine Runde Nostalgie. Nachdem die beiden letzten Bücher aus der Gänsehaut-Reihe Kurzgeschichten-Sammlungen waren, gab es jetzt gruseln in Romanlänge.

Besessen davon einen Werwolf zu fangen, verschlägt es Vater und Sohn nach Europa und dort in einen tiefen, dunklen Wald. Tagelang liegen sie auf der Lauer, bis der Vater einen Fallensteller als Werwolf ausmacht. Die große Maschinerie des Marketings wird angeworfen und kurz vor Kundgebung geschieht das Unfassbare.

Im Gegensatz zu den modernen Thrillern, in denen noch eine Abwegigkeit und noch eine Unmöglichkeit einen unglaublichen Täter hervorbringt, sind diese Bücher klarer in ihren Intentionen. Sicherlich ist das zum einem der Tatsache geschuldet, dass es sich um Kinderbücher handelt und zum anderen muss auf der Länge die Geschichte logisch zu Ende erzählt werden.

Spannung schafft der Autor in jedem Fall und wenn mir gerade kein Fell wächst, stehen mir die Haare doch noch ein wenig zu Berge.

4,5 von 5 Werwölfen

Samstag, 16. August 2025

Olivia Monti "Die Toten von nebenan"

Frau Löffler ist gestorben. Nicht, dass sie das im ersten Moment bemerkt. Allerdings sieht sie auf einmal ihre tote Großmutter und andere Bewohner der Straße, die nicht mehr auf der Erde weilen. Wenn man das überhaupt so nennen kann. Denn die Toten teilen sich mit den Lebenden die Straße und die Wohnungen. Was zu manchem Gerangel führt. Da kommt Herr Tober den Toten gerade recht. Er will die Straße von den Lebenden befreien und sie nur für die Toten lebenswert machen.
Es beginnt ein Machtkampf zwischen Lebenden und Toten, Tober und den Toten und ...

Wer mit wem gegen wen und vor allem warum?
Ränkespiele zeichnen sich immer wieder durch wechselnde Konstellationen der Beteiligten auf und das ist auch hier der Fall.
Während Herrn Tober schnell böse Absichten unterstellt werden können, sind die Toten der Straße einem oftmaligen Hin und Her unterworfen, wie es auch im wahren Leben oft so spielt. Die Toten unterliegen dabei den gleichen Gefühlen wie die Lebenden und so sind Hass, Neid und auch Vorurteile im vermeintlichen Jenseits an der Tagesordnung.
Mit sehr kurzen Kapiteln hält die Autorin zusätzlich die Spannung hoch und die Situationswechsel erinnern an einen modernen Actionfilm.
Immer wieder ist es an den Figuren, Stellung zu beziehen, sich dem Bösen entgegen zu stellen und trotzdem das eigene Leben nicht aus den Augen zu verlieren. Hier bleibt die Autorin vage und lässt keine Figur über das gesellschaftliche "Richtig" und "Falsch" urteilen, was man zwischendrin annehmen könnte.
Ein Buch, was die Lesenden über Ungerechtigkeiten und Verhaltensweisen sinnieren und über den eigenen Umgang mit anderen nachdenken lässt.

4 von 5 Flüchen

Danke an die Autorin für das Rezensionsexemplar

Montag, 11. August 2025

Geoff Rodoreda "George Orwell in Stuttgart, Nürnberg, Köln"

Während einige Autoren als Schreibtischtäter gelten und von der Welt nicht viel gesehen haben, hat George Orwell in seinem recht kurzen Leben so viel erlebt, dass es auch für mehrere reichen würde.
In den Zwanziger und Dreißiger Jahren war er mehr in der Welt unterwegs als so manch anderer Engländer. Geboren in Bihar kommt seine Mutter erst später nach England zurück. Von dort zieht es ihn nach Burma zum Polizeidienst. Anschließend kränkelte er, bevor er in London einen Job als Buchhändler annimmt. Zwischenzeitlich zieht es ihn immer wieder zu seiner Tante nach Paris, dann zum Spanischen Bürgerkrieg. Erneut in England adoptieren seine Frau und er einen Sohn, bevor es ihn am 8.4.1944 über den Ärmelkanal für zwanzig Kriegsberichterstattungen nach Frankreich und schließlich nach Deutschland zieht. 
Trotz Krieg, Krankheit und Kind widmet er sich mit Leidenschaft seinen Texten für The Observer und Manchester Evening News. Geoff Rodoreda hat aus den Berichten, vereinzelten Briefen und anderen Dokumenten die Zeit wiederaufleben lassen, die seiner Meinung nach prägend für die Erschaffung von "1984" ist. Sicherlich hat Orwell seine Idee zu dem Roman schon vorher gehabt, aber die Gespräche mit den Menschen vor Ort und ihre Verzweiflung spiegeln sich im Text wider. Dabei ist es vielfach erstaunlich, welche Position der bekannte Autor in seinen Ausführungen einnimmt.
Geoff Rodoreda konzentriert sich in seinem Text nicht nur auf den Monat in Deutschland. Er schildert in dem Buch fast das komplette Leben Orwells. Was im ersten Moment enttäuschend wirken kann, da die deutsche Episode nicht das ganze Buch umfasst, liefert es dafür ein besseres Verständnis von Orwell und seiner Einstellung. Ohne die bewussten Hinweise auf Orwells Episoden vor Deutschland wären viele seiner Äußerungen nicht nachvollziehbar.
Zahlreiche Zusammenfassungen innerhalb des Textes verfestigen die neuen Informationen und lassen Orwells Leben nicht allzu schnell am Leser vorbeiziehen.
Ein interessanter Blick hinter die Kulissen von "1984".

4 von 5 Staaten 

Sonntag, 10. August 2025

Reinhard Kuhnert "Was unvergessen bleibt"

In vier längeren Kurzgeschichten entführt uns der Autor in die Vergangenheit. Vor dem Hintergrund, was zählt ein Leben, widmet er sich hier dem Verlust, dem Tod und der Einsamkeit. Das mag im ersten Moment niederschmetternd klingen, doch ist dem nur bedingt so.
In der ersten Geschichte muss ein Mann seinen Hirntumor entfernen lassen und danach versuchen, sich an sein Leben zu erinnern. Die Flucht aus der DDR, der Verlust seines Bruders, Vaters und der seiner Mutter. Die erste enttäuschte Liebe, vieles, was verloren schien, treibt wieder an die Oberfläche und lässt ihn an die alten Zeiten denken.
Die zweite Geschichte beginnt mit einer Beerdigung. Nur zwei Menschen sind in das Dorf zurückgekehrt und nehmen Abschied. Was hatte der Mann falsch gemacht, dass sein Tod so wenige Menschen zu berühren scheint. Alles begann mit einer Karnevalsveranstaltung.
Die Fahrt nach Weimar läutet die dritte Geschichte ein. Bettina ist nicht begeistert, dass sie ihrem Bruder bei einem Gespräch mit der Mutter unter die Arme greifen soll. Tina war immer die Böse, die in den Westen gegangen ist und die Familie im Stich gelassen hat.
Für die vierte Geschichte geht es auf eine Insel, genauer gesagt, nach Irland. Eine Frau war unterwegs und als sie zurückkehrt, heißt es, ihr Mann sei verstorben. Doch Barde und Draufgänger, der er war, glaubt sie an eine Verwechslung.
So unterschiedlich die Erzählungen auf den ersten Blick sein mögen, alle handeln von den Beziehungen zwischen den Menschen und was im Leben wirklich zählt. 
Ist eine Meinungsverschiedenheit so wesentlich, dass man den Kontakt abbricht?
Hat ein Mensch Schuld auf sich geladen, wenn er versucht seine Familie zu beschützen?
Was bleibt von uns, wenn wir unsere Erinnerungen verlieren?
Diese vermeintlich großen Fragen werden in schöne Erzählungen gepackt und zeigen, wie wir miteinander umgehen und wie wir es stattdessen lieber sollten.

4,5 von 5 Grenzgängern

Dienstag, 5. August 2025

Ben Guterson "Das World Famous Nine"

Willkommen im "World Famous Nine", dem Kaufhaus, in dem wirklich alle Wünsche erfüllt werden. Neben Verkaufswaren, gibt es zahlreiche Restaurants und Cafés, eine Dachterrasse mit Blick auf das hauseigene Riesenrad, einen Leseraum für die Angestellten, eine Galerie und und und …

Doch als Zander von seinen Eltern zu der Inhaberin Zina, welche zugleich seine Oma ist, gebracht wird, häufen sich die Zwischenfälle in dem wunderschönen Kaufhaus. Während die ersten Tage der Erkundung des Gebäudes dienen, wird Zander immer mehr in die Geschichte des Haus hineingezogen und entdeckt, dass es ein Rätsel zu lösen gibt, was über die Zukunft des Kaufhauses entscheiden wird.

Wer bereits Bücher von Ben Guterson gelesen hat, weiß um seine Liebe für Rätsel und Gedanken, die man um die berühmte Ecke betrachten muss. So ist es auch hier.
Zander macht in den paar Tagen eine unglaubliche Entwicklung durch und ist nach den Ereignissen nicht mehr derselbe Junge wie zu Anfang der Geschichte.
Im Gegensatz zu seiner Reihe "Winterhaus" ist es hier an manchen Stellen ein wenig überzeichnet und man könnte fast meinen, man liest eine Heldengeschichte aus der Antike. Auch sprachlich bin ich an manchen Stellen nicht sicher, ob die Einordnung ab neun Jahren nicht etwas zu viel von einem jungen Leser erwartet, da der verwendete Wortschatz sehr beachtlich ist.

Schlussendlich ist es aber wieder ein gelungenes Buch, was die Neugier von Kindern bestärkt und sie anhält sich mit Rätseln zu befassen.

4 von 5 Aufzügen

Donnerstag, 31. Juli 2025

Autoreninterview Dag (Galaxy of Shadows) Literaturinterview

Wer meinem Account schon länger folgt, weiß, dass ich es liebe, Romanfiguren zu interviewen. Dieses Mal treffen wir Dag aus Dan Adams Space Opera "Galaxy of Shadows".
Gerade sind Dag, Guus und Kaylah über einem Planeten abgestürzt. Während einer Verschnaufspause nimmt sich Dag Zeit, einige Fragen zu beantworten.


Angesichts der Lage, in der wir uns gerade befinden, ziehst du das Unglück immer magisch an?
Hm, sagen wir mal so. Unglück ist mir ein zu großes Wort. Ich würde es eher Pech nennen. Ich plane die Dinge, die ich so tue, meistens ganz genau. Aber dann gibt es da Ereignisse, oder Personen, die mir dazwischen kommen und meine Pläne über den Haufen werfen. Das ist dann Pech, aber das ist nichts, wovon ich mir Angst machen lasse. Ich nehme das als neue Herausforderung und improvisiere. Darin bin ich ziemlich gut. Ein Unglück ist etwas, dass du nicht beeinflussen kannst. Du kannst es nur über dich ergehen lassen und hoffen, dass du heil rauskommst. Ist mir bisher noch nicht so oft passiert. Das würde man dann wohl Glück im Unglück nennen. (grinst)

Doch nun einmal von Anfang an, wie kam es dazu, dass du Kaylah retten musstest?
Nun, es gibt da ihren Vater, Gavan. Das ist ein Mann, bei dem ich ein bisschen in der Kreide stehe. Und..., ich weiß nicht, ob Du Gavan kennst, aber das ist einer, bei dem man besser keine Schulden hat. Es gab da in der Vergangenheit ein paar Sachen, die bei mir schief gelaufen sind und Gavan hat mir finanziell unter die Arme gegriffen. Aber, so was macht er nicht aus Freundlichkeit, das kostet zumindest einen Gefallen. Als Kaylah dann entführt wurde, hat er ihn einge-fordert. Da ich ein wenig was vom Finden und Wiederbeschaffen verstehe, fiel seine Wahl dann auf mich.

Siehst du dich als Outlaw?
Ein Outlaw? Hm. Das ist ein so abwertendes Wort (Grinst): Ich würde es anders nennen. Ich bin ein Freelancer, jemand den man anheuern kann, wenn man eine Sache nicht selbst erledigen will. Und wenn ich dafür das Gesetz brechen muss, nun, dann ist das lediglich eine kleine Notwendigkeit. Outlaws sind andere. Das sind brutale Typen, die andere überfallen und dabei über Leichen gehen. So einer bin ich nicht. Ich mag es ruhig, unkompliziert und unauffällig. Die Outlaws, die ich kenne, und ich kenne nicht viele, sind laut und prahlerisch. Solche Typen haben ein großes Ego und ein noch größeres Mundwerk. Die werden meist nicht alt und ich habe vor sehr alt zu werden.

Was braucht man, um in dieser Welt zu bestehen?
Gute Nerven, das vor allen Dingen. Und es hilft unsichtbar werden zu können. Wenn es Stress gibt macht es Sinn unterzutauchen und bloß keine Spuren hinterlassen. Dann wächst meist Gras über ein Problem. Die Leute vergessen schnell. Manche sagen ja, schießen zu können wäre auch hilfreich. Ich sehe das anders. Ich bin kein guter Schütze und lebe trotzdem noch. Weißt du, wenn du jemanden umlegst, dann gibt es immer einen, dem das nicht gefällt und der sich rächen will. Wenn ich Streit mit jemandem habe, gibt es meist nur ein paar Prügel. Das ist in Ordnung, so läuft das Geschäft. Du haust jemanden übers Ohr und dann kann es eben mal passieren, dass man eine Abreibung kriegt.

Du sagst, du giltst als schwarzes Schaf der Familie, was wärst du geworden, wenn alles richtig gelaufen wäre?
Pfff, wer kann das schon sagen. Meine Mutter wollte immer, dass ich studiere, oder meiner Schwester folge und an die Akademie gehe, um etwas aus mir zu machen. Aber ich war faul und kein besonders guter Schüler. Außerdem hatte ich ständig Ärger. Sie ist daran verzweifelt. Im Nachhinein tut es mir leid, dass ich ihr soviel Kummer bereitet habe. Sie hätte ein bisschen Unterstützung verdient. Besonders da mein Vater nie da war. Und wenn er da war, hat er sich betrunken und mit ihr gestritten.
Mein Vater war ein Dooner, aber Mutter war ein herzensguter Mensch. Sie wäre sicher enttäuscht von mir, aber das Leben, das sie für mich wollte, hätte mich nicht glücklich gemacht. Kannst du dir vorstellen, dass ich als Raumschiff-ingenieur in den Werften gearbeitet hätte? Nein? Siehst du, ich auch nicht. Also tue ich das, was ich jetzt eben so tue.

Und wie sieht der perfekte Tag in deinem jetzigen Leben aus?
Kurz gesagt. Am liebsten bleibe ich an so einem Tag mit Kaylah im Bett und tue, was man da eben so tut. Du verstehst mich. Dann natürlich ausschlafen, ich hasse es früh aufstehen zu müssen. Und an so einem Tag mache ich mir keine Sorgen ums Geld. Das ist sonst ständig ein Problem und sorgt dafür, dass ich unentspannt bin. Ich muss zugeben, ich bin nicht gut darin mein Geld zusammenzuhalten.
Ach ja, schön ist es auch, wenn ich mal an so einem Tag nicht in Schwierigkeiten stecke. Einfach Nichtstun und genießen, das wäre perfekt. Findet aber leider viel zu selten statt.

Werden wir den Planeten wieder lebend verlassen?
Ich habe schon in vielen Schwierigkeiten gesteckt und gedacht – hier kommst du nicht lebend raus, aber hey, ich bin hier, lebendig. Und ich lass niemanden im Stich. Ich bin Optimist, und das solltest du auch sein. Wir kriegen das hin. Vertrau mir. Ich weiß was ich tue. (zwinkert und grinst)

Neugierig geworden? Dann schaut hier vorbei:
bastei-luebbe.de/Science-Fiction-Fantasy/Galaxy-of-Shadows-Die-graue-Zone
www.instagram.com/juergen_baerbig

Yvonne Tunnat, Chris Witt (Hrsg) "Ihr Körper, das Schiff"

Jede Anthologie ist eine Wundertüte, denn jede Kurzgeschichtensammlung wird durch ihre zahlreichen Wechsel getragen.
Bei 15 Geschichten, wie in dieser Zusammenstellung, müssen sich die Lesenden auf 15 Stile und 15 Themen einlassen.
15 Mal werden sie in eine Welt katapultiert, die unserer ähnlich, aber doch so ganz anders ist.
Man rauscht dabei nicht durch die Seiten, denn diese Geschichten berühren beim Lesen anders, als es reine Unterhaltungsliteratur tut. Die Texte rühren tiefer, denn auch die Themen regen mehr zum Nachdenken an. Oft wird die Science Fiction als das Genre, wenn man es so nennen will, verstanden, dass den Lesenden den Spiegel verhält. Wenn ihr jetzt nichts tut, passiert in zehn oder zwanzig Jahren diese oder jene Geschichte. 
Die Themengebiete, die die beiden Herausgeberinnen in der internationalen SF gesammelt haben, sind vielfältig. Während sich in Deutschland viele Texte mit KI oder anderer Technik beschäftigen, haben es die beiden geschafft, eine Sammlung zusammenzutragen, die nicht nur die technische Seite der Zukunft beleuchtet. Viele Erzählungen beschäftigen sich damit, was die Zukunft, die Technik, der Klimawandel oder auch die Verlangsamung des Altersprozesses mit uns Menschen macht.
Wie reagieren wir, wenn wir nach Jahren der Suche einen neuen Planeten entdecken? Was passiert, wenn es keine Sonne gibt und man sich im Kleinen organisieren muss?
Wird es uns überhaupt noch geben oder sind wir verschwunden? Oder wenn wir noch da sind, wie stellen wir uns dem Tod und dem damit einhergehenden Leid?
Yvonne und Chris schaffen es mit einer sehr guten Mischung und der entsprechenden Platzierung der Geschichten innerhalb des Buches, die Lesenden zum Nachdenken anzuregen, sie mit Problemen zu konfrontieren und so vielleicht die Augen für die Zukunft zu öffnen. Doch bei jedem dystopischen Gedanken gibt es auch den utopischen und auch wenn es oftmals zum Verzweifeln ist, die Hoffnung auf das Gute darf niemals fehlen, auch nicht in einer guten Anthologie.

5 von 5 Körpern

Danke an die Herausgeberinnen für das Rezensionsexemplar.

Mittwoch, 30. Juli 2025

Silia Wiebe "Unsere Mütter"

Es ist die erste Bindung und somit auch die prägendste. Dabei muss sie nicht liebevoll oder zärtlich sein. Sie kann auch das komplette Gegenteil darstellen und trotzdem lebenslang Einfluss auf das eigene Leben haben. Die Rede ist natürlich von der Beziehung zur Mutter.

Das Sachbuch erzählt von zwölf Mutter-Tochter-Beziehungen. Augenscheinlich dieselbe Beziehung, doch keine gleicht der anderen.
Die zwölf Töchter sind in sehr unterschiedlichen Verhältnissen aufgewachsen, sind zum Zeitpunkt des Interviews nicht im gleichen Alter und ihre jeweilige Beziehung zu der Mutter ist verschieden.

Die Autorin schafft es mit den Texten zwei sehr wesentliche Grundsätze zu zeigen: Zum einen kann man keine Beziehung mit einer anderen vergleichen und zum anderen beweist sie, dass alle folgenden Beziehungen auf der zur Mutter fußen.
Wie bei einem psychologischen Gespräch setzen sich die Töchter, die eine eher schwierige Beziehung zur Mutter haben, in ihren Texten damit auseinander. Mal war die Mutter bei der Geburt zu jung, mal war sie krank. Und natürlich wirkt sich die schon die eigene Beziehung der Mutter zu ihrer Mutter auf das Verhältnis aus.

Die Töchter, die ein gutes Verhältnis zur Mutter haben, erzählen, was sie alles mit ihr erleben und wie ihre Mutter das Leben bereichert.
Doch es gibt hier und da auch Zwischentöne, mal ein übergriffiger Kommentar, mal eine Spur zu viel Kontrolle.

Das Buch bildet ein Kaleidoskop an Verhältnissen und jede Geschichte ist einzigartig.
Manche sind sehr traurig, einige schon fast ein bisschen lustig.
Aber alle sind emotional und berühren beim Lesen, weil man doch, egal wie die eigene Beziehung ist, entweder Mitleid oder Freude für die Erzählerinnen empfindet.

Ein Buch, was die Vielschichtigkeit von Beziehungen herausarbeitet, ohne dabei zu bewerten.

4 von 5 Beziehungen

Dienstag, 29. Juli 2025

Olivier Sauzereau "Jules Verne - Eine Comic-Biographie"

Jules Vernes Leben auf 56 Seiten darzustellen erfordert eine gewisse Konsequenz, Dinge zu verkürzen und sich auf einzelne Schlüsselerlebnisse zu fokussieren.
Der Autor Olivier Sauzereau und der Maler Wyllow haben sich daran gewagt und ein wunderschönes Werk geschaffen.
Angelehnt an die klassischen frankobelgischen Comics aus den 60-er und 70-er Jahren, allerdings verbessert um einen Hauch mehr Plastiziblität bei den Figuren, zeigen die beiden Jules Vernes Lebenshöhepunkte und auch seine Tiefpunkte. 
Angefangen mit seiner Geburt wird sein Leben in sechs Kapitel aufgeteilt. In jedem wird eine oder mehrere Episoden aus dem Familien- oder Schriftstellerleben erzählt. Begegnungen, die sein Leben prägten, waren zahlreich und so ist es nicht erstaunlich, dass sich der Meister der Wissenschaftsromans auf seinen Bruder Paul und seinen Herausgeber jahrlange stütze und ihnen blind vertraute, als sich der Ruhm endlich einstellte.
Denn zu Anfang sah es gar nicht so aus, als ob er der bekannte Autor werden würde, den wir heute alle kennen und schätzen. Mit seinem Genre des Wissenschaftsromans hat er eine neue Gattung geschaffen, die die ersten Leser auch auf Grund der Details für Tatsachenberichte hielten.
Jedes Kapitel endet mit einem Faktencheck, denn nicht alle Begegnungen, die im Buch dargestellt werden, sind historisch belegt. Es wird auf Grund seines Wissens allerdings davon ausgegangen, dass er mit einigen Wissenschaftlern Kontakt hielt und sich ebenfalls von ihnen beraten ließ.
Ein Zeitstrahl mit Vernes eigener Biographie und dem Weltgeschehen bildet den Abschluss des jeweiligen Kapitels und rückt somit seine Geschichte und die der Welt nebeneinander. Gerade diese Zeitstrahle zeigen in meinen Augen deutlich, wie sehr Jules Verne von der Zeit, in der er gelebt hat, profitiert hat. Forscherdrang, Erkundungstouren, nie hatten die Menschen mehr Hunger auf die Welt und Technik wie zu dieser Zeit.
Um einen Einblick und ein Interesse für das Leben hinter den Büchern zu wecken, ist das Buch ein sehr guter Einstieg, für Kenner ist es wahrscheinlich eher ein knappe Zusammenfassung eines großartigen Lebens.

5 von 5 Abenteuern

Samstag, 26. Juli 2025

Dan Adams "Galaxy of Shadows - Graue Zone"

Kennt ihr diese Autoren, bei denen ihr einfach alles lesen müsst, was sie schreiben? Deren Stil euch so gut gefällt, dass ihr, egal welches Genre der Autor gerade bedient, die Geschichte inhalieren müsst?
Nein? Dann tut ihr mir leid, weil es ein tolles Gefühl ist.
Ja? Willkommen im Club. :-)
Dan oder Nathan oder Jürgen schafft es seit Jahren mich mit seinen Texten zu begeistern. Er hat eine Art zu schreiben, bei der auf keiner einzigen Seite Langeweile aufkommt und bei der nicht ein Gedanke zu viel ist. 
Kennengelernt habe ich ihn über eine viktorianische Buchreihe und nun entführt er uns Leser in die Weiten des Weltraums.
Wie auch andere Space Operas hat Dan eine eigene Mischung aus Tatsachen und Fiktion geschaffen. Elemente aus der Weltraumforschung fließen in seine Geschichten genauso ein, wie erdachte Völker, Planeten und deren Konflikte.
Sein Protagonist Dag hat es sich mit seinem Geldgeber verscherzt, zu lange hat er nichts zurückgezahlt und nun soll er dessen Tochter retten. Soweit, so gut, doch damit fangen Dags Probleme erst an. Denn während der Rettung kommt es zu Übergriffen und er und sein Co-Pilot landen in der grauen Zone. In einer Welt, die fern ab von der Konföderation ihren eigenen Gesetzen gehorcht, hausen Lebewesen unter erbärmlichen Bedingungen, werden geknechtet und unterdrückt. 
Doch es braucht ein Heer, um sie zu befreien und das gibt es nicht um die Ecke.
Dan Adams verwebt im ersten Band seiner Space Opera verschiedene Arten von Konflikten: familiäre. freundschaftliche und völkerübergreifende. Dag bleibt, trotz vielschichtiger Erzählstruktur immer der Anker der Geschichte, zu dem die Handlung immer wieder zurückkehrt.
Doch trotz aller Konflikte kommen auch die Gefühle nicht zu kurz.
Neben Welten, Wesen und Konfliktideen erfindet der Autor auch Waffen, Gerätschaften, Systeme und Strukturen, die ihren eigenen Charakter haben. Alles ist auf diese Welt abgestimmt und gehorcht den eigenen Gesetzen. Der Autor schafft sein eigenes Universum, ohne dabei ein bereits bestehendes zu kopieren.
Dan Adams kreiert eine Space Opera, die den Namen Opera zurecht trägt.

4 von 5 Galaxien

Mittwoch, 23. Juli 2025

Alexander Hoffmann "Brillanter Abgang"

Hans Bäumler staunt nicht schlecht, als er statt vier Millionen Schulden auf einmal zweihundert Millionen Guthaben auf seinem Konto hat. Während er vor Schreck wie gelähmt ist, beginnt seine Freundin Tonja das Geld schnellstmöglich vom Konto zu verteilen, bevor noch jemand etwas merkt. In einer Nacht- und Nebelaktion verschwinden die beiden in Tonjas Heimatdorf Guguljak, um sich für einige Zeit bedeckt zu halten und den deutschen Behörden keine Spur zu liefern.
Derweil hat in Deutschland ein kleiner Sachbearbeiter die Fehlüberweisung bemerkt und gibt es in der Hierachiekette weiter, bis sich letztlich der oberste Chef selbst einschaltet.

Die Geschichte von Hans Bäumler und der Bank wird in Perspektivwechseln erzählt. Mal erfährt man, wie es Bäumler im Ausland ergeht, dann handelt ein Kapitel von dem Bankmitarbeiter.
Unterschiedlicher könnten die beiden Leben nicht verlaufen und was innerhalb von zwei Jahren passiert, lässt den Leser mal schmunzeln und mal staunen.

Auch wenn ich mehrfach recht sicher war, wohin die Geschichte führen wird, hat es der Autor immer wieder geschafft, mich zu überraschen und die Erzählung in stets neue Bahnen zu lenken. Dabei bleibt die Handlung schlüssig und nachvollziehbar und driftet nicht irgendwann in das Fantastische ab.

Neben einem Einblick in die Welt der Antiquitäten bekommt man auch ein Gespür dafür, wie es hinter den Kulissen der Finanzwelt zugeht und wie klein gerade hier die Welt doch ist.

Mit seiner Liebe zum Lokalkolorit ist ein ungewöhnlicher, aber dafür sehr lesenswerter Kriminalroman.

4,5 von 5 Fehlüberweisungen

Freitag, 18. Juli 2025

Elise Downing "Küstenpfade"

Von einer, die loszog, die britische Insel zu umrunden. 
Als Elise sich entschließt die britische Insel zu umlaufen, gibt es den berühmten Küstenwanderweg noch nicht. Es gibt lediglich Teilbereiche und viele werden im Jahr ihrer Wanderung erst erschlossen. Warum ich das direkt zu Anfang sage? Weil es die Schwere ihrer Umrundung unterstreicht und viele Momente mit ihr erklärt. Oftmals muss sie an oder gar auf Straßen laufen, denn längst nicht auf jedem Kilometer kann man dicht an der Küste den Blick auf das Meer genießen. Ich persönlich glaube, das hätte es für sie in vielen Momenten erleichtert.
Doch von Anfang an: Elise ist nicht die ausgebildete Läuferin, wie man es vermuten mag, wenn man eine solche Wanderung anstrebt. Den einen oder anderen Lauf hat sie zwar absolviert, aber 8.000 Kilometer, davon war bisher noch nie die Rede und doch scheint der Zeitpunkt perfekt. Sie kündigt ihren Job, ihre Beziehung ist schon zuvor fast zum Erliegen gekommen und sie zieht wieder bei ihren Eltern ein.
Mit einem Rucksack und einem Zelt macht sie sich im November auf und läuft los.
Die nächsten Monate begleitet man sie und es ist ein schieres Wechselspiel der Gefühle. Viele Stunden am Tag mit sich allein zu sein, kann neben der körperlichen Anstrengung unheimlich hart sein, dazu auch die Abgeschiedenheit und das Heimweh. Vieles drückt ihr gerade zu Beginn der Reise auf das Gemüt und sie wirkt unzufrieden und frustriert. 
Doch mit jedem Kilometer gewinnt sie an Stärke, Selbstvertrauen und findet eine Ruhe, die sie zu Anfang nicht hatte.
Sie berichtet von den Orten, die sie gesehen hat, erzählt von ihren Ängsten und Anekdoten, denn sie hat bei vielen Menschen übernachtet und wer die Engländer kennt, weiß, dass sie ihre ganz besondere Art haben. 
Es ist ein Buch, das zeigt, wie man wachsen kann. 
Es ist ein Buch, das zeigt, wie man zu sich selbst und einen Fokus findet. Das meine ich nicht nur im esoterischen Sinne. Beim Wandern hat man viel Zeit zum Nachdenken und nach Gespräche mit anderen, kann ein Lauf bekanntlich Berge versetzen.

4 von 5 Laufschuhen 

Donnerstag, 17. Juli 2025

Christopher Lincoln "Nachts in der Bibliothek"

Jeder, wirklich jeder hat schon einmal davon geträumt, eine Nacht in einer Bibliothek zu verbringen. Doch so wie es bei den Geschwistern Page und Turner geschieht, so hätte es sich kein Kinder besser ausdenken können. 
Die Graphic Novel startet mit einem Besuch der beiden bei Bibliothek von New York.
Ihre Mission: Es gilt ein Buch schätzen zu lassen, welches ihr Vater wie seinen Augapfel hütet. Doch während sie versuchen den richtigen Ansprechpartner zu finden, bricht in der Bibliothek das reinste Chaos aus. Denn wie wir alle wissen, haben Bücher ihr Eigenleben und das plötzliche Auftauchen von Figuren, die gerade ihren Büchern entsprungen sind, gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Was aber nicht immer gelingt und so ... Aber nein, mehr verrate ich hier nicht ...

Christopher Lincoln bedient sich in diesem Band all der Klassiker, die wir Lesenden so unglaublich lieben und führt so ein jüngeres Publikum an diese Perlen der Weltliteratur. Denn während die Handlung immer weiter vorangetrieben wird, nimmt der Autor sich auch Zeit, die einzelnen Figuren und deren dazugehöriges Buch kurz vorzustellen. Somit ist die Graphic Novel beides, eine spannende Abenteuergeschichte und gleichzeitig ein Nachschlagewerk für bekannte Klassiker.
Die Mischung ist ihm gut gelungen, da Spannung und Bildung gleichwertig nebeneinander stehen und er zudem bei den Klassiker eine Auswahl an verschiedenen Genres bedacht hat. 

Gerade für Heranwachsende, die sich mit Literatur auseinandersetzen und ein Gefühl dafür bekommen möchten, was es heißt in einer Bibliothek zu arbeiten - wenn auch in real nicht ganz so fantastisch - ist dies ein Buch, was sie anregen kann, weiter zu denken und Figuren und Erkenntnisse in ihr Leben zu lassen, die Abseits von Smartphones und digitaler Berieselung einen wohlverdienten Ausgleich schaffen.

5 von 5 Bibliothekarinnen

Samstag, 12. Juli 2025

Edi Estermann "Der Elefant im Personalladen"

Jeder, wirklich jeder hat schon einmal die Wegstabeln verbuchselt, bei manchen geschieht das allerdings öfter als bei anderen und da bietet es sich an ein Buch zu schreiben.
444 Versprecher hat der Autor in seinem Buch "Der Elefant im Personalladen" zusammengeführt und sorgt damit für Lacher und aber auch für das eine oder andere Kopfschütteln.
Zu Anfang erklärt er, wie er die sehr unterschiedlichen Redewendungen und Sprichwörter zu sammeln begann. Ausschlaggebend ist da sein direkter Bekanntenkreis und die Reisen mit der Bahn haben auch einige Beiträge beigesteuert.
Die Themenbereiche bilden das Grundgerüst, an dem er die Sprichwörter und ihre Fehlinterpretationen aufreiht. Bei eigenen Sprichwörter bietet er auch eine historische Einordnung und erklärt den Lesenden, wie es zu den Texten gekommen ist. Manchmal, wenn ein Sprichwort einen Sinnwandel vollzogen hat, erklärt er auch, was ursprünglich mit den Zeilen gemeint war.
Es ist somit ein Ausflug in die Welt der Sprache und somit auch gerade bei älteren Phrasen eine Reise zu den Missverständnissen unserer Zeit, wenn man nicht mehr wirklich die Probleme früherer Generationen verstehen kann.
Am Stück sollte man das Buch allerdings nicht lesen, da sonst einige der feinen Versprecher in der Masse schlicht untergehen. Dann und wann einige Seiten erhöhen den Schmunzelfaktor und lassen das Buch über Tage den Alltag mit einem Lächeln versüßen.

4 von 5 Versprechern

Montag, 30. Juni 2025

Thomas Harding "Die Einstein-Vendetta"

Nichts ist so schlimm wie die Wahrheit und doch wird gerade diese oft mit Füßen getreten. Bei diesem Buch handelt es sich, soweit möglich, um einen Tatsachenbericht. Keine Fiktion, keine Beschönigungen, alles Tatsachen.
Während Albert Einstein vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewandert ist, blieb sein Cousin Robert Einstein in Europa. Anfangs in Deutschland siedelte er später wieder nach Italien um und meinte so den Anfeindungen entgehen zu können. Doch das war lediglich eine Hoffnung.
Erst recht lasch umgesetzt, wurden die Gesetze mit jedem Tag strikter verfolgt, um dann letztlich von den Deutschen mit Akribi vollführt zu werden.
Das am Ende des Schicksals zahlreiche Mitglieder der Familie Einstein tot sind, lässt noch über Jahre später Ermittler, Anverwandte und Gesellschaft verzweifeln.
Der Autor hat sich bei seinem Bericht unglaublich viel Mühe gegeben, die verschiedenen Augenzeugen mit ihren jeweiligen Blickwinkeln zu Wort kommen zu lassen. Wechselweise kommen Familienangehörige, Personal und später auch die Anwälte - direkt oder indirekt - zu Wort und erklären, warum leider vieles nicht so einfach ist, wie es den Anschein hat.
Ein bedrückendes Zeitdokument, was einem zahlreiche Ungerechtigkeiten vor Augen führt.

5 von 5 Beweisstücken

Samstag, 28. Juni 2025

Makoto Yukimura "Vinland Saga 2"

Neben "Atelier of Witch Hat" ist über Umwege auch eine zweite Mangaserie bei mir auf dem SUB eingezogen. Während AoWH sich mit Zauberei, Büchern und verschiedenen Welten auseinandersetzt, mutet die "Vinland Saga" fast wie ein Geschichtsbuch im Mangaformat an. 

Ein Geflüchteter, ein Jäger und sein Werkzeug. So setzt sich die Geschichte fort. Während Thors einfach nur seine Ruhe genießen will, ist sie ihm nicht vergönnt. Er wird zum Aufbruch gezwungen und das mit fatalen Folgen für alle. 
Währenddessen wird ein zwielichtiger Handel abgeschlossen, der sich auf die ganzen Meere auswirken wird und auch das wahrlich nicht zum Guten.

Im Gegensatz zu der Detailverliebtheit von AoWH sind hier die Zeichnungen auf Grund der Kampfszenen oft hektisch oder bestehen auch mal gerne nur aus einem "Wusch". Man kennt das aus alten Fernsehcomics, bei denen die Animation noch nicht fortgeschritten war. 
Doch zeigt dieser Band auch tiefere Emotionen, die durch das schwarz-weiß sehr gut unterstrichen werden. Hintersinnige Emotionen und Gewalt wechseln sich in diesem Band stärker ab als noch im ersten.

Immer werden kleine historische Anmerkungen eingestreut und auch eine Sensibilität für das Leben der Wikinger geschürt. Denn Eis und Schnee machen das Leben und gerade den Ackerbau nahezu unmöglich. Doch muss man deswegen immer Krieg führen oder andere Dörfer überfallen? Vielleicht findet sich die Antwort in den nächsten Bänden.

4 von 5 Drachenköpfen

Donnerstag, 26. Juni 2025

Autoreninterview Ute Zembsch Fiktivinterview

Wer meinem Account schon länger folgt, weiß, dass ich es liebe, Romanfiguren zu interviewen. Dieses Mal geht es weit in die Vergangenheit.
Deutschland, 772. Helgard hat gerade ihrer Ausbildung als Seherin abgeschlossen, als sie sich auf ihre erste Reise machen muss. Allein. Nun muss sie sich beweisen und zeigen, dass Nortrun sie zu einer weisen Frau geformt hat. Doch bevor die Geschichte so richtig beginnt, darf ich ihr ein paar Fragen stellen. Da sie selbst in Runen schreibt, übersetzt die Autorin Ute Zembsch die Antworten.

(Cover: Detlef Klewer (Burgenwelt Verlag), Grafik: Maximilian Wust)


Helgard, war es dein Wunsch, Seherin zu werden?
Oh, ja. Ich bewunderte unsere Wala Nortrun schon als Kind. So viel Weisheit und Würde, dann noch die starke Verbindung zu unseren Göttinnen, Göttern und der Geisterwelt. So wollte ich auch sein und gab alles, damit sie mich als Schülerin wählt.

Warum musste die Ausbildung so weit entfernt von deiner Familie stattfinden?
Kennen die Menschen einen seit klein auf, hegen sie gewisse Vorbehalte, dabei bewahrheitete sich schon das eine oder andere, dass ich in sehr jungen Jahren sagte. Zudem lenke es mich von dem ab, was wirklich wichtig ist, meinte Nortrun, und nahm mich in ihre Hütte auf. Wir reisten viel, damit ich ihr Wirken, die Welt und die verschiedenen Ortsgeister kennenlerne.

Hast du Zweifel, was deine neue Aufgabe anbelangt?
Ganz ehrlich? Wenn meine Meisterin mit Runen weissagt oder die Grenze zwischen der Alltags- und der Geisterwelt überschreitet, um mit ihren geistigen Verbündeten zu wirken, kommt es mir so natürlich vor. Bei mir selbst denke ich immer, ich sei vermessen. Was, wenn ich Fehler mache, weil die Götter, Geister und Ahnen mir ihre Gunst verwehren? Trage ich doch ein Geheimnis mit mir herum, dass sie gewiss nicht gutheißen. Aber schweigen wir darüber.

Wie schaffst du es, dich auf deine Kräfte zu konzentrieren?
Es brauchte schon einige Übung, um mich nicht mehr ablenken zu lassen, auch von Gedanken, die sich dazwischendrängen. Zuerst atme ich ganz bewusst ein und aus, singe für die Geister, um sie herbeizulocken und mich von der Alltagswelt abzuschirmen. Wichtig ist auch, sich vollständig auf die Frage oder das Ziel des Seelenflugs (ich glaube, heute wird eher „Trancereise“ gesagt) einzulassen, dann führt mich mein Schutzgeist zur Antwort. Lausche ich den Runen, höre ich ihre Stimmen in meinem Kopf. Bei allem bevorzuge ich Stille um mich herum.

Welche Empfindungen löst der Stab bei dir aus?
Ehrfurcht, da er zuvor einer anderen, sicher erfahrenen Wala gehörte. Leider erzählte mir Nortrun nichts über sie. Der Geist des Stabs -wie alles in der Welt ist auch er beseelt- zeigt sich mir müde, irgendwie krank. Ich möchte ihm so gerne helfen, Heilung bringen. Durch seine Verbindung zu seiner früheren Trägerin auch ihr.

Was erhoffst du dir durch deine Kräfte?
Es ist mein Herzenswunsch, den Menschen, dem Land und seinen Wesen Heilung, Hoffnung und Schutz zu bringen, gerade nach dem, was ich in meiner Vision sah. Nicht alle Bilder, die ich in der Geisterwelt sehe, sind eindeutig, einiges muss ich nach bestem Wissen deuten. Aber hier bin ich mir ganz sicher, dass uns Westfalen große Gefahr droht.

Wohin wird dich dein Weg führen, nachdem du bei deinem Bruder warst?
Mein eigentliches Ziel ist unser Oberhaupt, aber mein Zwillingsbruder und ich hängen sehr aneinander, daher suche ich ihn nach der Ankunft im Dorf zuerst auf und nehme seine Gastfreundschaft und die seines Weibes in Anspruch. Für den Abend lasse ich eine Versammlung einberufen, bei der ich vor den Augen und Ohren der Freien die Botschaft der Geister verkünde. So stark, wie meine Vision war, muss ich sie vor dem Feind mit seinem unglaublich großen Heer warnen. Mögen sie auf mich hören und sich gut vorbereiten. Mögen wir und unsere Freiheit gerettet werden.

Neugierig geworden? Dann schaut hier vorbei:
instagram.com/utezembsch/
burgenweltverlag.de/zembsch-ute
burgenweltverlag.de/romane/der-stab-der-seherin

Mittwoch, 25. Juni 2025

Ute Zembsch "Der Stab der Seherin"

Es ist eine Zeit des Umbruchs, als Helgard von Nortrun mit der Aufgabe bedacht wird, die ihr Schicksal sein soll. Sie soll den Dörfern helfen, sich gegen das immer weiter anwachsende Frankenheer durchzusetzen.
Keine leichte Aufgabe, denn noch ist sich Helgard ihrer Kräften und Stärken nicht bewusst. Gerade zu Anfang sind es Zweifel, die sie immer wieder verharren lassen und sie davon abbringen, sich selbst zu vertrauen.
Die Autorin schafft mit ihrem Buch zweierlei Dinge, einerseits bringt sie uns die dunkle Zeit näher, in der Deutschland noch heidnisch war und andererseits zeigt sie, wie schwer es ist den eigenen Platz zu finden. Denn es ist nicht nur Helgard zweifelt, auch andere Figuren haben innerhalb des Buches immer wieder Probleme, vor denen sie vermeintlich allein stehen und die es zu bewältigen gilt.
Während gerade die Übergänge von erzählenden Elementen leben, schaffen es die Dialoge, durch ihre Hin- und Hergerissenheit den Leser neugierig auf die Charaktere zu machen. Wer wird sich wie entwickeln und wer verfolgt letztlich welches Ziel?
Denn schon eine alte Regel besagt, im Krieg gibt es keine Sieger.
Was ich hierfür allerdings nicht unterschreiben will.
Kleine und große Siege gibt es durchaus und auf gut dreihundert Seiten kann man sie entdecken.
Vielfach lädt die Autorin ein, in sich zu gehen, die Charaktere durch einen Seelenflug noch besser kennenzulernen und sich durch die Geschichte treiben zu lassen.

4 von 5 Runen

Montag, 23. Juni 2025

Manfred Spitzer "Das musikalische Gehirn"

Keine Angst, bei dem Sachbuch handelt es sich nicht um einen Türstopper, sondern vielmehr um ein Buch von knapp achtzig Seiten.
An was denkst du zuerst, wenn du das Wort "Musik" hörst?
Denkst du an ein Lied?
An eine Person?
Oder eine Begebenheit?
Denn anders als die meisten Hirnfunktionen spielt sich Musik im ganzen Kopf ab. Sie verbindet verschiedene Bereiche des Gehirnes und es lässt somit kaum eingrenzen, wo sie nicht zu finden ist.
Eng mit der Emotion verknüpft, ist sie auch dem Sprachzentrum sehr nahe. Doch eigentlich "hören" wir nicht Musik; sie entsteht im Kopf. 
Und da jeder Musik woanders und mit wem anders gehört hat, hört sich Musik auch für jeden ein bisschen anders an.
Soweit ein paar der Kernaussagen des Buches.
Sicherlich wird einem beim Lesen das eine oder andere bekannt vorkommen und man erkennt sich in einzelnen Abschnitten wieder.
Das Buch zeigt hervorragend, dass man öfters auf sein Bauchgefühl hören darf, denn der Körper erschließt sich einem besser, wenn man ihm zuhört. ;-)
Mit seinen achtzig Seiten kann das Buch natürlich nur einen Einstieg in das Thema bieten, dafür ist dieser sehr amüsant. 

4 von 5 Klängen

Sonntag, 22. Juni 2025

Klaus-Peter Wolf "Mord am Leuchtturm"

Siebzehn Kurzgeschichten zum Thema Tod.
Zwangsläufig müssen hier doch doppelte Vergehen verkommen, oder?
Allerdings ist hier das Gegenteil der Fall. Die eine oder andere Geschichte mag zwar ähnlich angehen, die Lösung ist aber jedes Mal anders und ab und zu sogar sehr speziell.
Klaus-Peter Wolf mischt seine Kurzgeschichten einmal gut durch. Das betrifft sowohl die Inhalte als auch das Personal. Sowohl die Figuren aus seinen Krimis treten in Erscheinung, als auch für die Geschichte neu erdachte Personen. 
Dabei sind seine Texte oftmals sehr realitätsnah, was sich aus dem abschließenden Interview ergibt. Einige Orte und auch Personen in seinen Erzählungen gibt es wirklich und so ist die Grenze zwischen Fiktion und Realität mehr als nur einmal verschwommen.
Auch wenn es in den Krimis um Tod geht, kommt der Leser nicht umhin, sich mit dem Humor des Autors auseinanderzusetzen. Mal ein Schmunzler hier, ein breiteres Lachen dort, schaffen neben der Tristesse des Todes den entsprechenden Ausgleich. Denn wie er es im Interview erwähnt, der Leser achtet die ganze Zeit auf Details und trotzdem soll die Geschichte auch noch unterhalten.
Man merkt beim Lesen eine Schreibroutine, Logikfehler, wie man sie bei anderen Krimis öfter findet, passieren ihm nicht. Es ist erfrischend, wie einfallsreich der Autor bei den Todesarten war.
Ein Hoch auf die Kurzgeschichten. Demnächst geht es an den ersten Krimi von Ann Kathrin.

4,5 von 5 Krimischauplätzen

Freitag, 20. Juni 2025

R. L. Stine "Gänsehaut - Das nervenzerfetzende Buch der Schauergeschichten"

Und weiter geht's in die vermeintliche Vergangenheit. 
Eigentlich hätte ich diese Bücher als Jugendliche lesen müssen, habe ich mir sagen lassen. Doch irgendwie sind die Bücher an mir vorbeigegangen. Oder aber erst der Grusel des Lebens lässt einen über die eine oder andere Geschichte eher schmunzeln denn gruseln.
Aber der Reihe nach: Wie schon in dem anderen Sammelband umfasst auch das 'Nervenzerfetzende' einen Roman und dazu acht weitere Kurzgeschichten.
Während der Roman mich eher durchschnittlich begeistert, sind bei den Kurzgeschichten ein paar wirkliche Highlights dabei.
Da werden Kobolde lebendig, Kuschelbären sind nicht das, was sie zu sein scheinen oder auf einmal ist der Protagonist nicht so ganz ein Mensch. Wirklich zum Lachen denn zum Gruseln hat mich die Erzählung "Pflaumenkur" gebracht. Herrlich. 
Natürlich darf man den 80iger oder auch noch 90iger-Jahre-Grusel nicht mit der heutigen Zeit vergleichen. Allerdings würde ich sonst nicht zum Buch greifen. Wie die Reihe schon selbst sagt, soll man beim Lesen einen Schauer oder auch eine Gänsehaut verspüren und nicht in eine Panikattacke rutschen. Die kurzen Texte lassen sich perfekt kurz vor dem zu Bett gehen lesen, wenn man keine Lust mehr auf einen umfangreichen Roman oder einen komplizierten Thriller hat.
Also ab zum Kinderregal und in Nostalgie schwelgen.

4 von 5 Schauern

Montag, 16. Juni 2025

Boris von Brauchtisch "William Turner"

Oftmals werden Künstler während ihrer Lebenszeit verkannt und nicht als das gesehen, was sie in Wirklichkeit sind. Was mir in der Literatur nicht so oft begegnet, dafür in der Malerei umso häufiger, ist die Tatsache, dass Maler und Malerinnen Wegbereiter sind.
Ein neuer Stil, eine neue Art Farben zu nutzen oder schlicht das Schaffen einer ganz neuen Gattung. Doch oftmals standen die Zeitgenossen irritiert davor, denn es war nicht das, was sie kannten. Also musste es zwangsläufig schlecht sein.
Diese Einleitung könnte ich für mehrere Maler schreiben, denn es hat, wie ich schon erwähnte, nicht nur einen, sondern sehr viele Maler getroffen und sie somit auch oft ruiniert.
Doch bei Turner verhielt es sich ein wenig anders, erst angesehen, verliert er erst im Alter seinen guten Namen, denn die Menschen konnten immer weniger mit seinen Gemälden anfangen, je weniger sie erkennen konnten. Details finden kaum mehr statt und es scheint lediglich Farbe auf der Leinwand zu sein, allerdings keine Form.
Der Autor führt uns durch das Leben von William Turner und dies war ein bewegtes. Im wahrsten Sinne des Wortes. Turner reiste viel und seine späteren Gemälden wurden während der Reise in Skizzenbüchern festgehalten.
Gerade nachdem die Grand Tour nach den Napoleonischen Kriegen fast zum Erliegen kam, wandelt Turner nun auf Lord Byron Spuren und sie führen in entlang des Rheins und zu so vielen anderen Plätzen in Europa, die Turner im Rausch der Worte zu skizzieren beginnt.
Die Stärke des Buches ist die Zusammenführung von Geschichte, Literatur und Kunst. Wer hat wen, wann beeinflusst. Wer hat wann mit wem korrespondiert? Es ist spannend zu entdecken, welcher Künstler von einem anderen beeindruckt war und wann welcher Kunstschaffende für das Publikum vorerst verschwand.
Man muss bei dem Buch nur bedenken, es ist kein Kunstband, daher fallen die Bildbeispiele eher klein aus.

4 von 5 Gemälden

Bookbot


Es ist kurz vor der Ferienzeit, die Koffer sind soweit gepackt und dann fällt dir auf, dass nicht mehr genügend Lesestoff vorhanden ist?
Dann nichts wie los zu Bookbot, hier findest du alles von Romanen, über Sachbücher bis hin zu Krimis.
Und das Beste?
Du siehst in der Vorschau genau das Buch, was du später geschickt bekommst und kannst selber urteilen, ob du für diese Qualität diesen Preis bezahlen möchtest. Und wenn du die Bücher gelesen hast, kannst du sie auch wieder bei Bookbot verkaufen.
Klingt gut?
Dann schau vorbei.
Ich habe mir selbst vier Krimis ausgesucht und bin mit der Qualität super-zufrieden.
Wenn mein SUB ein bisschen kleiner ist, bestelle ich mir noch etwas ...
Hört ihr meinen SUB seufzen? ;-)
Aber damit ihr euch auch selbst ein Bild machen könnt, hier die gelieferten Bücher, sehen sie nicht wirklich wie neu aus? :-)




Euch gefällt die Qualität? Dann schaut schnell bei Bookbot vorbei, bevor euer Lieblingsbuch schon verkauft ist: https://bookbot.de/

Werbung, da Kooperation.

Nicholas Meyer "Sherlock Holmes und Sigmund Freud"


Wenn der größte Detektiv und der größte Therapeut des 19. Jahrhunderts aufeinandertreffen, kann das nur eine interessante Begegnung werden.Nicholas Meyer setzt in diesem Band auf Sherlock Holmes' Kokainsucht. Watson erzählt viele Jahre nach der Handlung, wie er es mit Mycroft vollbrachte, Holmes zu Freud zu locken. Denn die Geschehnisse um die Reichenbachfälle sind alle nur Fassade.In Wirklichkeit haben sie sich gar nicht zugetragen und Sherlock war zur Therapie. Natürlich nicht nur, denn er wäre nicht Sherlock Holmes, wenn es nicht auch ein Rätsel zu lösen gäbe. Und selbstverständlich hängt das Schicksal von Europa von der Lösung dieses Falles ab.Meyer bedient sich eines Sherlock Holmes', der seine Sucht auf Grund seiner Vergangenheit nicht im Griff hat, so deduziert es gegen Ende des Buches zumindest Sigmund Freud.
Seine Denkmaschinerie funktioniert einwandfrei, doch er darf eben nie nichts zu tun haben, sonst ...

Meyers Holmes ist in diesem Fall zerbrechlich und riskiert sein Leben, um ein anderes zu schützen. Dies gab es auch schon im originalen Kanon, doch wird es in diesem Band, gerade mit den Verfolgungsszenen, ein wenig auf die Spitze getrieben. Man hat manchmal das Gefühl, einen Hollywood-Film verschriftlicht zu lesen, als einen klassischen Kriminalfall zu ergründen.
Allein das Kräftemessen zwischen Holmes und Freud hätte gereicht, um dem Buch die Würze und auch die entsprechende Tiefe zu geben.
Interessant ist bei Meyer allerdings, wie er historische Fakten mit der Erzählung verwebt, um Holmes realistischer scheinen zu lassen. Eine gute Idee.

4 von 5 Reichenbachfällen

Mittwoch, 11. Juni 2025

Frank G. Gerigk (Hrsg) "Caprice 01"

Geschichten erzeugen beim Lesen Bilder im Kopf.
Doch was passiert, wenn die Reihenfolge eine andere ist?
Es existiert ein Bild und hierzu soll eine Geschichte ersonnen werden.
Es klingt im ersten Moment ungewöhnlich, aber gerade in kleineren Verlagen hat es diese Herangehensweise schon ein paar Mal gegeben.

Das Besondere an dieser Anthologie: Der Herausgeber hat alle Grafiken selbst erstellt.
Die Autorinnen und Autoren wählten aus den doch sehr unterschiedlichen Bildern ihre Grafik aus und verfassten ihren Text.
Wie Frank G. Gerigk im Nachwort erwähnte, gab es sowohl bei der Auswahl der Bilder als auch bei den entstandenen Texten zum Teil große Überraschungen.
Denn einige Autorinnen und Autoren verließen ihr hauptsächliches Genre und andere nutzen die Illustration als Sprungbrett für eine ganz andere Art von Geschichte.
Zwanzig Illustrationen und somit auch zwanzig Texte sind in der ersten Ausgabe von Caprice zusammengekommen, die alle als fantastische Kurzgeschichten gelten.
Mal lauter, mal leiser, mal lustig, mal einfühlsam, und auch mal gruselig bietet diese Sammlung für jeden Geschmack etwas. In einigen Erzählungen steht die Technik im Vordergrund, bei anderen geht es um Stimmungen und menschliche Eindrücke.
Der Lesende, der sich noch nicht mit der Fantastik-Szene in ihrem ganzen Spektrum beschäftigt hat, bekommt hier einen guten Eindruck, was alles möglich ist: Schlicht alles.

4 von 5 Erzählungen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Montag, 9. Juni 2025

Nina George und Jens J. Kramer "Die magische Bibliothek der Buks - Das verfluchte Medaillon"

Die Welt - sowohl die reale als auch die Buchwelt - ist in Gefahr. Nachdem drei der Kinder in ein Buch gefallen sind, gilt es, sie möglichst schnell zu retten. Aber guter Rat ist bekanntlich teuer. Einerseits darf nur möglichst wenig Aufsehen erregt werden, doch gleichzeitig steht die Stadt Kopf, weil unter anderem die Tochter der Ministerin verschwunden ist.
Doch für die Buks enden die Probleme damit nicht. Die Bleichkrankheit grassiert weiterhin in den Büchern und der Grund dafür bleibt lange im Dunkeln. Was fast genauso so schlimm ist, sind die Anomalien, die eintreten, seitdem die Kinder in die Handlungen der Bücher eingetreten sind. Sinn und Aktionen der Figuren werden plötzlich willkürlich und die Geschichten drohen auseinanderzubrechen. Gut, dass hier Hilfe von innen erfolgt und die Buks nicht allein sind.

Der zweite Teil setzt fast nahtlos die Erzählung des ersten Bandes fort. Viele Figuren des ersten Bandes tauchen im zweiten erneut auf oder werden hier in ihrem Wesen weiter aufgebaut. Gerade die Bösewichte der Reihe erleben in dieser Episode ihren großen Auftritt und zeigen, wie die Welt vermeintlich zu sein scheint.
Doch die beiden Autoren bleiben bei den Problemen nicht immer vordergründig. Gerade bei einzelnen Charakteren versuchen sie kindgerecht zu zeigen, warum sie sich so entwickelt haben und weisen grundlose Boshaftigkeit in ihre Schranken.
Kleine Charaktere, allen voran die Buks, wachsen über sich hinaus und während man liest, schleicht sich das Gefühl einer Wärme zum Detail ein. Jeder kann alles schaffen, spricht aus so vielen Sätzen, dass man gerade in den dunklen Momenten trotzdem schmunzeln muss.

4 von 5 Buks 

Freitag, 6. Juni 2025

Caleb Everett "1000 Sprachen - 1000 Welten"

Jeden Tag nutzen wir sie, ohne sie könntet ihr diesen Beitrag nicht lesen: Sprache.
So sehr die Menschen eint, dass sie Sprache nutzen, desto mehr unterscheiden sich auch Stile, Worte und damit einhergehend Gebräuche in den einzelnen Sprachen.
Direkt zu Anfang des Buches wird deutlich, die Anzahl der Sprachen sinkt. Immer mehr Menschen konzentrieren sich auf Sprachen, die von vielen gesprochen werden und "vergessen" ihre eigene. Im Deutschen kennt man diese Entwicklung bei dem Rückgang der Dialekte.
Doch warum ist das so? Warum verkennen die Menschen, dass sie ihre eigenen Kulturen, denn nichts anders ist Sprache, vernachlässigen?
Nun der Autor gibt anhand von Experimenten und Forschungsergebnissen vielfältige Einblicke in die Entwicklung.
In einem aufgeräumten Schreibstil, der es auch interessierten Laien ermöglicht dem Thema zu folgen, erklärt er, dass es nicht nur die Unterhaltung der Menschen ist, die zur Sprache führt. Früher wurde die Sprache isoliert von allem anderen betrachtet, heute wird sie in ihrem Alltag gesehen. 
Eines der bekanntesten Beispiele ist die Tatsache, dass es in manchen Sprachen fünfzig Worte für Schnee geben soll. Gut möglich, je nördlicher man lebt. Doch wenn dieser Mensch sich mit anderen unterhält, die nicht dort leben, benötigt er diesen Wortschatz nicht mehr oder auch dann nicht, wenn er wegzieht.
Viele einfache Beispiele zeigen, dass es um mehr geht als nur Worte. Das Zeit- und Ortsverständnis, die Art, wie und auch wann man kommuniziert, selbst die nonverbale Kommunikation, alles spielt in das "große Ganze" mit rein.
Wer sich dafür interessiert, dem sei das Buch mit seinen vielen Antworten ans Herz gelegt. Doch es bleibt zu betonen; es ist ein Sachbuch, was die Konzentration und die Aufmerksamkeit des Lesers sehr fordert.

4 von 5 Linguisten

Donnerstag, 5. Juni 2025

Micke Bayart "Als Pippi nach Deutschland kam"

Sollte man zwei Sachbücher über Astrid Lindgren kurz hintereinander lesen?
Vor einigen Wochen hatte ich "Die unbekannte Astrid Lindgren" gelesen, in dem es hauptsächlich um ihre Tätigkeit als Herausgeberin und Verlagsmitarbeiterin ging. Spannend geschrieben wollte ich mehr über die Autorin hinter den Büchern erfahren und nahm "Als Pippi nach Deutschland kam" zur Hand. Nach den ersten ein, zwei Kapiteln hatte ich den Eindruck erneut "Die unbekannte Astrid Lindgren" zu lesen, da viele Inhalte, nicht Formulierungen, sehr dem ersten Buch glichen. Da ich das Buch mit einer Freundin zusammen las und mich mit ihr darüber unterhielt, las ich weiter und erkannte, dass nur die einleitenden Kapitel Überschneidungen besitzen, sich die Bücher danach aber inhaltlich und strukturell sehr unterscheiden.
Der Autor lässt viele Beteiligte aus den Verfilmungen zu Wort kommen und erklärt sowohl die historischen als auch kulturellen Hintergründe. Immer untermalen Astrid Lindgrens eigene Worte die Texte und auch die Zusammenarbeit mit dem Oetinger Verlag wird immer wieder herausgehoben.
Von den Versuchen Pippi in ihrer Art und Weise zu verändern, damit sie in der DDR veröffentlicht werden konnte, über die Dreharbeiten, bis hin zu den verschiedenen Darstellern von Pippi und anderen Verfilmungen wie Michel oder Ronja Räubertochter, ist auch dieses Buch ein Zeitdokument.
Es zeigt die Unterschiede in der Kindererziehung in Schweden, Deutschland und der DDR. Es zeigt, wie sehr darum gekämpft wurde, Kindern schöne und wohlwollende Literatur zugänglich zu machen und dabei auch das aufkommende Fernsehen zu integrieren.
Wer mehr über Pippi, Astrid Lindgren und die Nachkriegszeit erfahren will, sollte zu diesem und auch zu "Die unbekannte Astrid Lindgren" greifen.

4,5 von 5 kleinen Onkeln 

Donnerstag, 29. Mai 2025

Autoreninterview Jürgen Bärbig - Hörsprecher-Edition

Hallo zusammen.
Diese Woche treffen wir erneut einen Bekannten. Wer meinem Blog schon länger folgt, kennt Jürgen Bärbig oder Nathan Winters bereits. Neben seiner Schriftstellerei hat er sein Tätigkeitsfeld erweitert und sich zum Hörsprecher ausbilden lassen. Spannend? Das fand ich auch und habe ihm erneut ein paar Fragen gestellt.

(Foto: Jürgen Bärbig (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie kam es dazu, dass du Hörbuchsprecher geworden bist?
Es hat damit angefangen, dass ich mit meinem Freund, dem Musiker Werner Wieczorek, Live Hörspiel Lesungen zu meinen Romanen veranstaltet habe. Mit Musik, Text und passenden Sounds.
Da wurde ich zum ersten Mal darauf angesprochen, ob ich auch Hörbücher einlesen würde. Was ich damals noch nicht tat. Die Idee fand ich aber gut. Ich habe mich dann weitergebildet, Kurse und Seminare besucht und ein wenig Schauspielunterricht genommen.
Gleichzeitig hat mich Werner dabei auf technischer Seite beraten. Welches Mikro brauche ich, welches Interface, Software usw. Ralph Edenhofer, ein SF Autor aus Aachen gab mir dann den ersten Auftrag und meine Arbeit kam bei den Leuten gut an. Also habe ich weitergemacht. Neben dem Schreiben ist das Sprechen eine tolle Möglichkeit kreativ zu sein. Ich bin wirklich happy, das hauptberuflich machen zu dürfen.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Der ist tatsächlich recht unspektakulär. Ich stehe dann meistens um halb sieben auf und trinke erst mal einen Kaffee und esse etwas. Danach mache ich Aufwärmübungen, um die Stimmbänder aufzuwärmen. Das sieht dann schon sehr lustig aus und klingt auch so. Anschließend wird gebrummt, gekaut, geschmatzt und Probe gelesen, bis ich das Gefühl habe loslegen zu können.
Als Nächstes mache ich mir einen Tee mit einem Stück Ingwer. Nichts mit Kohlensäure, oder irgendwas, das Geräusche machen könnte. Auch was die Kleidung angeht, darf nichts Rascheln, Klimpern oder Klappern, denn man hört alles.
Dann lege ich los. Meistens arbeite ich sechs bis sieben Stunden mit einer längeren Pause dazwischen. Nach dieser Zeitspanne wird es auch langsam stickig in der Kabine, die Konzentration lässt nach und die Fehler häufen sich. Dann wird es Zeit aufzuhören.

Ist es für dich schwieriger, dich in die Figuren hineinzuversetzen, wenn du sie nicht selbst erschaffen hast?
Es kommt auf die Figuren an. Da ist es ein bisschen wie im richtigen Leben. Manche Personen liegen einem mehr, als andere. Mit manchen kommt man sofort ins Gespräch, mit anderen gar nicht. So ähnlich verhält es sich mit Roman-figuren. Manche handeln und reden, da fällt es mir leicht mich in sie hineinzuversetzen, bei anderen erfordert es mehr Arbeit, bis man begriffen hat wie sie ticken. Aber sich diese Figuren zu erarbeiten um sie authentisch wirken zu lassen, ist dann unglaublich spannend und herausfordernd.

Wie viel Freiraum hast du, wenn du Hörbücher einsprichst?
Zuerst einmal lese ich das Buch, mache mir Notizen und versuche die handelnden Figuren zu begreifen und ihnen eine Stimme zu geben, die ich dann später bei den Aufnahmen verwenden will. Wenn ich dann die Möglichkeit dazu habe, spreche ich mit den Autoren und stelle ihnen die Stimmen vor. Das gibt ihnen Gelegenheit noch eigene Wünsche zu äußern, die ich dann versuche umzusetzen. Sie sagen mir dann auch, ob ich kleine Änderungen im Text vornehmen kann. Das sind dann aber dann wirklich nur Kleinigkeiten, wie ein Wort weglassen, oder eins hinzufügen.
Der Haupttext bleibt aber vom Sprachduktus her meiner Interpretation überlassen. Es geht nicht, dass der Autor einem bei jedem Satz über die Schulter schaut. Da wäre keine konstruktive Arbeit möglich.

Was empfindest du leichter, Texte selber zu schreiben oder einzusprechen?
Beides ist auf seine eigene Art eine Herausforderung. Bei meinen eigenen Texten muss ich allerdings auf viel mehr Dinge achten. Sind die Charaktere fesselnd geschrieben, passen die Dialoge, wirken sie so als hätten echte Menschen sie gesprochen. Wie ist das Setting, wie deutlich sind die Bilder, die ich beim Leser erzeugen will. Wie ist überhaupt die Grundstimmung im Buch.
Erzähle und zeige ich das, was ich erreichen will?
Beim Hörbuchsprechen muss ich das nicht, da ist die Herausforderung das bereits geschrieben Wort mit Leben zu füllen. Wird es spannend muss ich spannend lesen, ist es dramatisch muss ich die Stelle auch dramatisch lesen. Sind die Charaktere traurig, lustig, wütend oder genervt muss man mir das anhören, denn sonst klingt es falsch.
Wie gesagt, beides ist auf seine eigene Art herausfordernd.

Kannst du im Vorfeld abschätzen, wie viel Zeit du benötigst, um einen Text einzusprechen?
Das kann ich immer nur ungefähr sagen. Es hängt hauptsächlich mit der Komplexität des Textes zusammen und dem Genre. Science Fiction finde ich zum Beispiel schwieriger, als einen Thriller oder ein Jugendbuch.
Dann ist wichtig wie viel Dialog es gibt und wie gut ich die Stimmung treffe in einer Unterhaltung zwischen den Charakteren. Da kann es passieren, dass ich unzufrieden bin und die Stelle mehrmals lese. Ich muss selbst davon überzeugt sein, dann kann ich den Text auch guten Gewissens wieder abgeben.

Erzähl ein bisschen über deine aktuellen Projekte.
Ich habe gerade die Aufnahmen zu „Minna und die magische Stadt“ abgeschlossen. Das ist ein Jugendroman von Carina Zacharias. Und eigentlich müsste ich jetzt mit der Arbeit am sechsten Teil von Ralph Edenhofers C23 Reihe beginnen, aber leider muss ich operiert werden, was meine Terminplanung ein wenig durcheinander wirbelt. Aber danach steht dieses Projekt an erster Stelle.
Im schriftstellerischen Bereich arbeite ich gerade zusammen mit meinem Lektor an meinem viktorianischen Roman „Der Schatten von Avamoore“, der im Oktober beim Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Außerdem steht die Überarbeitung eines älteren Romans von mir an, über den ich leider noch nichts verraten darf, der aber ebenfalls im Drachenmond Verlag erscheinen wird.
Nur soviel – es wird abenteuerlich.:-)

Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Jürgen erfahren:
instagram.com/juergen_baerbig/

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Ellen Norten (Hrsg) "Daedalos 16"

Zehn phantastische Kurzgeschichten, wie immer gespickt mit einem Klassiker, stellt diese Ausgabe vor. Der Klassiker, ergänzt um einige historische und literarische Angaben, rundet die vorigen neun Geschichten ab. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Geschichten seien können und dabei doch eine Einheit bilden. Doch wie schafft Ellen Norten das von Ausgabe zu Ausgabe?
Ein Element ist der leichte Schauer, der einem beim Lesen jeder Geschichte über den Rücken läuft. Dabei kann der Schauer durch Verschiedenes ausgelöst werden. Die Schreibenden sind hier sehr einfallsreich und so kommt es zu keinen inhaltlichen, wohl gefühlsmäßigen, Wiederholungen.
Ein weiteres, nicht unwichtiges Detail, sind die Illustrationen. Fast immer im Stil von Kupferstichen gehalten, bilden die Schwarzweiß-Bilder eine perfekte Ergänzung zum Text.
Doch was bieten die Texte?
Nun, auf jeden Fall Abwechslung und Spannung:
Da gibt es den Text über eine Feuersbrunst und die vermeintlich letzte Überlebende, bis plötzlich ein Text in einem Magazin auftaucht.
Dann folgen zwei Frauen, die eine betört die Männer auf ihre ganz eigene Art, die andere darf nicht in die Bibliothek ihres Mannes, bis sie sich Zutritt verschafft.
Die Herausgeberin überrascht mit einer Geschichte, die einen außergewöhnlichen Hund ins Zentrum stellt. 
Es folgen ein paar gruseligere angesiedelte Geschichten, die noch stärker auf die Psyche des Lesenden zielen, wobei es dabei kein Wunder ist, erneut Alexander Klymchuk zu begegnen. Dieser Autor weiß, wie er die Lesenden in seine Text zieht.
Der Klassiker glänzt dieses Mal durch schwarzen Humor, selten habe ich bei einer düsteren Geschichte so gelacht.

Für mich ist dies die bisher beste Zusammenstellung und ich freue mich auf weitere Ausgaben.

5 von 5 Kurzgeschichten

Danke an pmachinery.de für das Rezi-Exemplar.

Samstag, 24. Mai 2025

Nils Westerboer "Lyneham"

Perm soll jetzt ein Zuhause sein und doch ist es so unwirklich, wie es nur sein kann. Die Landung ist hart, die Tage danach noch härter. Denn ein Mensch fehlt. Mama. Doch warum? Schon auf der Erde kam sie erst spät abends nach Hause, da die Forschung sie immer stark in Beschlag nahm. Und nun? Wo ist sie? Und warum ist auf Perm immer noch so vieles anderes als auf der Erde?
Als mittleres Kind der Familie Meadows begleiten wir Lesenden Henry durch das Buch. Erste Begegnungen mit anderen Siedlern, sowie die ersten Irritationen, wenn es nicht so läuft wie Rayser es wünscht. Weder so künstlerisch wie sein Bruder Chester noch so clever wie seine Schwester Loy, ist er immer derjenige, der dem Lesenden am nächsten ist. Der, der die Welt nicht versteht, der sich nicht zurecht findet und das, obwohl der mehr weiß, als er zugibt.
Doch nicht nur Henry erzählt; eingebettet in die Geschichte, werden auch die Informationen eingestreut, wie es gelang, dass die Meadows Perm betreten können. Denn der Planet war nicht dazu gedacht Menschen von der Erde aufzunehmen. Vieles widerspricht dem, was auf der Erde mal Standard war, bevor alles zusammenbrach. Forschung, Neugier und Tatendrang waren gefragt, doch stets mit dem Hintergedanken, zu welchem Preis?
Wissenschaft und Psychologie wechseln sich in "Lyneham" stetig ab. Die Forschungsreihen und ihre Auswirkungen mögen anfangs ermüdend wirken, doch zeigen sie auf, mit welch vielfältigen Aufgaben sich Menschen auf fremden Planeten auseinandersetzen müssen. Wir landen dort nicht einfach und sind da. Dies führt der Autor dem Lesenden immer wieder vor Augen. 
Emotional beginnt das Buch recht leise. Man bemerkt das Leid und auch die unterschwelligen Machenschaften und Verknüpfungen erst nach und nach. Wie auch im Leben zeigen die Protagonisten den einen das eine den anderen ihr wahres Gesicht. 
Mit dieser Mischung baut der Autor erst langsam die Spannung auf, um sie später umso intensiver zu entladen.

4 von 5 Biomen

Sonntag, 18. Mai 2025

Frank Lauenroth "Delter"


Während ein Roman eine einzelne Geschichte erzählt, geht es bei Kurzgeschichtensammlungen, wie der Name schon sagt, um mehr als nur eine Geschichte. Viele Facetten spielen in die jeweiligen Geschichten rein und einen Sammelband kann man nicht so ohne Weiteres beurteilen wie einen Roman. 

Jede Kurzgeschichte braucht ein Thema, ein Setting, einen Spannungsbogen. Je nach Thema braucht sie mal mehr, mal weniger Hintergrundinformationen. Sie ist für einen Wettbewerb geschrieben oder sie musste einfach in die Welt hinaus.

Warum ich das so explizit erkläre? Die Kurzgeschichte hat in der deutschen Literatur leider nicht den besten Ruf. Immer wird der Roman hochgehalten und als das Beste vom Besten dargestellt.  Doch es gibt Beweise, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. 

"Delter" ist der Name einer Kurzgeschichte in diesem Sammelband. Als letzte im Buch platziert, rundet sie die vorigen Texte perfekt ab. Denn sie zeigt, was Frank alles schreiben kann. Bleiben wir bei diesem Text; im Weltall angesiedelt, sind mehrere Kreolyten auf einer Mission unterwegs, doch sie unterliegen einer strengen Hierarchie. Was passiert, wenn sich einer dem nicht beugen will?

Ein anderer Text zeigt, was passiert, wenn Teddys für ihre Rechte ins Feld ziehen müssen. Feuer und anderen Widrigkeiten ausgesetzt, müssen sich die flauschigen Wesen behaupten, denn sonst kann ihnen keiner zu Hilfe eilen.

Was gibt es noch? Glückspiel, Geistesblitze, Timing, einen Toyplanet ... Nein, ich zähle jetzt nicht alle Geschichten auf, denn auch das ein Teil des Charmes von Kurzgeschichtensammlungen. Man bekommt eine Wundertüte voller Geschichten und wenn man Glück hat, sind sie alle etwas Besonderes.

5 von 5 D3017

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 17. Mai 2025

Roland D. Gerste "Wie Technik Geschichte macht"

Die Technik hat in den letzten gut fünfhundert Jahren unentwegt unglaubliche Fortschritte gemacht. Beispiele? Die gibt es zahlreich. Das Buch "Wie Technik Geschichte macht" fängt mit einer für uns heute grundlegenden Technik an, dem Buchdruck.
Denn ohne die Erfindung von Gutenberg hätte sich weder die Anzahl der Menschen, die lesen können, in dem unglaublichen Tempo erhöht, noch hätten Nachrichten, Ideen oder schlicht Informationen so schnell verbreitet werden können, wie es danach der Fall war.
Ein weiteres Beispiel? Algorithmen.
Denn ohne diese und ohne Ada Lovelace und Alan Turing hättet ihr jetzt kaum ein Smartphone, Ipad oder sonstiges in der Hand und könntet diese Rezension lesen.
Natürlich sind das nur theoretische Annahmen, dass wenn es diese drei Menschen nicht gegeben hätte, diese Techniken nicht entwickelt worden wären.
In anderen Kapiteln des Buches z,B. "Der Traum vom Fliegen" oder auch "Herzschläge" wird sehr deutlich, dass es bei der Entwicklung von Technik auch oft um Zeit geht. Denn selten ist es wirklich so, dass nur eine Person über eine Entwicklung nachdenkt. Gerade bei Erfindern ist der Ehrgeiz eine nahezu unerschöpfliche Triebfeder, die es ihnen ermöglicht, über das bekannte Wissen hinaus zu denken und so neue Wege zu beschreiten.
Dass die Technik im Anschluss für Dinge verwendet wird, die die Erfinder nicht vorausgesehen haben, zeigt das Kapitel "Spaltende Kerne" und es erklärt, was einmal in der Welt ist, verschwindet auch so schnell nicht wieder.

Insgesamt lässt sich das Buch sehr flüssig lesen. Dabei sind die Kapitel sehr unterschiedlich in der Länge und auch in der Informationsdichte aufgebaut, sodass man nicht in allen Bereichen gleich viel über die Entwicklung, die vermeintliche Konkurrenz und auch die Einsatzmöglichkeiten erfährt.
Ein tolles Buch, was zeigt, wie die Welt wurde, was sie heute ist.

4 von 5 Erfindungen

Donnerstag, 15. Mai 2025

Rie Qudan "Tokyo Sympathy Tower"

In einer nahen Zukunft stellt sich die japanische Gesellschaft dem Gedanken, warum Menschen straffällig werden. Ist es wirklich ihre eigene Schuld? Oder ist der homo felix Teil des Problems?
Mitten in Tokio soll neben dem Olympia Stadion ein Tower entstehen, der ein Gefängnis beinhaltet, das aber nicht mehr so genannt werden soll. 
Ein Hauptcharakter ist Sara. Sie ist Architektin, groß geworden in einer Welt, in der Zeichnen ebenso wie Worte Macht bedeuten. Macht über einen Raum, Macht über Menschen. Doch dies ist nur bedingt negativ besetzt. Denn Japaner denken viel darüber nach, was ihre eigenen Verhaltensweisen beim Gegenüber auslösen, verletzen sollen diese wahrlich niemals.

Auf gerade einmal einhundertsechzig Seiten wird die Handlung und auch somit das Gehirn des Lesenden auf eine gehörige Probe gestellt. Perspektivwechsel, Zeitenwechsel, Pro und Contra. Es ist ein wilder Ritt, den man in diesem vermeintlich kurzen Buch erlebt. Und dabei schwebt immer die Frage über den Menschen, wen beeinflusse ich wie mit meinen Entscheidungen. Wen beschütze ich, wen stoße ich vor den Kopf. Leise schwingt auch der erwähnte Gedanke mit, wie hängen Glück und Kriminalität zusammen? Kann man Glück im wahrsten Sinne des Wortes erzwingen?
Bei vielen Szenen sind die Übergänge zwischen Gedanken und Realität allzu fließend, somit erfährt man zeitweilig wenig über die Beweggründe der Personen und auch ihre Handlungen bleiben diffus. 
Ein Buch, was zum Nachdenken anregt, denn bei vielem ist nichts so wie es scheint. Oder vielleicht doch?

4 von 5 Gefängnissen

Sonntag, 11. Mai 2025

Priscilla Galloway "Alchemist, Bogenschütze und 98 andere Jobs aus dem Mittelalter"

Schon vor einiger Zeit habe ich es mir angewöhnt, neue Themenbereiche durch Kinderbücher anzueignen. Warum?
Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Man wird nicht unnötig mit Begriffen konfrontiert, die einem noch nichts sagen und ich kann mir Wissen nach und nach aufbauen.
Ein weiterer Pluspunkt: Kinderbücher sind oftmals bebilderter als Erwachsenenbücher, was mir beim Lernen eine weitere Stütze ist. Denn bekanntlich lernt man durch mehrere Reize schneller.
Aber nun zum Punkt.
Dieses 94-seitige Kinderbuch stellt insgesamt einhundert Berufe aus dem Mittelalter vor. Dabei sind verschiedene Schwierigkeits- und Ekelgrade vorhanden, denn seien wir einmal ehrlich, unsere Nasen hätten im Mittelalter wirklich Probleme, die Gerüche oder vielmehr den Gestank auszuhalten.
Meist werden zwei Berufe auf einer Seite vorgestellt und mit einer charmanten Bebilderung versehen. Dabei kommt es öfters vor, dass die Bilder eine kleine Anekdote aus dem Berufszweig erzählen und man so über den Text hinaus einen Einblick in den Berufsalltag bekommt.
Weiterhin gibt es kleine Schaukästen, in denen kindgerecht der Unterschied zwischen Zünften und Gilden erläutert, die Ausbruch der Pest geschildert und der Lehnseid erklärt wird.
Angefangen mit einer kleiner Einführung in das Mittelalter werden die Berufe ihrer Zugehörigkeit nach zusammen vorstellt. Da gibt es Brot-Jobs, religiöse Berufe oder auch Reiseberufe. Unterteilt in zehn Bereiche lernt man viele Berufe kennen, die es heute nicht mehr gibt oder es kristallisieren sich kleine, aber feine Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen heraus (z.B. Bader, Arzt und Chirurg).
Als Einstieg in die mittelalterliche Arbeitswelt perfekt geeignet, aber natürlich eine sehr oberflächliche Betrachtung, die man im Anschluss vertiefen kann.

4,5 von 5 Ausrufern

Montag, 5. Mai 2025

C. Gina Riot "Die Abenteuer des Barden Spikero - Diebesgut & Hexenmal"

Eigentlich könnte es so einfach sein: Spikero wurde von einer Truppe Seeleute angeheuert, um ihnen die Reise nach Thal mit seinem Gesang und seiner Laute zu versüßen. Thal, die Stadt seiner Träume, in der er seine Bardenkarriere vorantreiben, durch deren Gassen er schlendern und es sich gut gehen lassen will. Doch alles kommt irgendwie anders. Seine Liebste hat keine Zeit für ihn, die Preise in der Stadt sind unsäglich und nach seinem ersten Auftritt muss er seine Einnahmen abgeben. Missmutig schleicht er durch die Gassen und stolpert nahezu von einem Problem ins nächste, bis er auch noch die falschen Leute auf sich aufmerksam macht.
Diebesgut & Hexenmal ist der erste Band der Mittelalter-Fantasy-Krimi-Trilogie, welche die Autorin in ihrer Erdenwelt ansiedelt. Eingeleitet wird das Buch mit einer wunderschönen Karte, auf welcher man sich einen Überblick über die Erdenwelt verschaffen kann. Der erste Band beginnt mit der Ankunft in Thal und spielt in den Gassen der Stadt. Schnell fühlt man sich in diesen heimelig und man versucht mit Spikero zusammen zu erkunden, wer ihm Gutes will oder auch eben nicht. Viele Menschen begegnen ihm in den ersten Tagen und wie im realen Leben muss er entscheiden, wem er vertrauen kann und wem nicht.
Spikero, der sich in der Stadt nicht so wirklich auskennt, ist dabei ein Charakter, den man ab und an einmal richtig gut durchschütteln will. Nie scheint was gut, immer scheint er zu meckern und alle sind gegen ihn. Ist er dadurch unsympathisch? Mitnichten. Gerade seine Art zeigt, wie ungeduldig und unzufrieden wir Menschen oftmals sind. Während für andere Charaktere das Glas halbvoll ist, ist es für stets halbleer und anderen geht es besser als ihm.
Doch als er mit seinen Ermittlungen beginnt, wendet sich das Blatt. Er hat ein Ziel, für das er akribisch kämpft und das er lange Zeit nicht aus den Augen lässt.
Spikero ist ein Charakter, der innerhalb des Buches wächst und zeigt, wie sehr man an sich arbeiten kann und das auf eine äußerst charmante Weise. 
Die Mischung aus Fantasy, Mittelalter und Krimi ist der Autorin sehr gut gelungen und ich freu mich schon auf den zweiten Band.

4,5 von 5 Lauten