Donnerstag, 10. April 2025

Agatha Christie "Ferien mit Agatha Christie"

Urlaubszeit = Krimizeit.

In zwölf Geschichten lernen die Leser ein paar Detektive der großen Krimi-Queen kennen:
- Jane Marple
- Hercule Poirot
- Parker Pyne
- Tommy und Tuppence 

geben sich bei den Fällen die Klinke in die Hand und wechseln dabei auch noch freudig die Urlaubsorte.

Mit dabei sind u.a. der Nil, Rhodos und Delphi, aber heimische Ortschaften kommen bei Lug und Trug nicht zu kurz.
Die unterschiedlichen Textlängen, die verschiedenen Charaktere und auch die vielfältigen Betrügereien lassen bei dem Krimiband keine Langeweile aufkommen.
Das Buch eignet sich hervorragend für Leser, die erstmalig etwas von Agatha Christie lesen oder verschiedenartige Themenbände sammeln möchten.
Die Texte sind in anderen Zusammenstellungen bereits erschienen, was man im Anhang nachlesen kann.

Die Auswahl der Texte bildet eine harmonische Darstellung von Agatha Christies Können, denn nicht jeder mag Hercule Poirots hochnäsige Art oder mag die eher flapsige Darstellung von Tommy und Tuppence.
Klassiker wie "Tod auf dem Nil" dürften dabei den meisten bekannt sein, aber auch Geschichten wie "Der Tempel der Astarte" zeigen das Können und die Menschenkenntnis der Autorin.

4 von 5 Mordsgeschichten


Freitag, 4. April 2025

Carsten Henn "Die goldene Schreibmaschine"

Worte können die Welt verändern.
Emily ist ein junges Mädchen, welches durch ihre Ordnungsliebe den Mitschülern eher negativ auffällt. Und trotzdem ist sie nicht der Liebling ihres Lehrers. Immer wieder holt er sie an die Tafel und lässt sie vor der Klasse gerne dumm da stehen. Nur ihre beiden besten Freunde halten in jeder Situation zu ihr. Doch die liebste Zeit des Tages ist für Emily der Moment, in dem sie in die Anna Amalia Bibliothek zum Lesen darf. Dann ist die Welt für sie in Ordnung. Doch Seltsames geschieht hier und nach einigen Erkundungen steht Emily vor einer goldenen Schreibmaschine, die eine große Macht hat. Eine Macht, die nicht in die falschen Hände geraten darf.

Carsten Henn hat schon mit "Der Buchspazierer" gezeigt, dass er Bücher und Leser versteht. Mit seinem ersten Jugendbuch wagt er sich auf neues Terrain. In einer Geschichte, wie es wäre, wenn man bereits geschriebene Bücher verändern könnte und somit auch die vermeintliche Realität ändern würde, nimmt er die Leser auf eine phantastische Reise mit. In die Wärme der Literatur gebettet, erzählt er, wie der Schulalltag Kinder beeinflusst und was es heißt, für sich das Beste zu wollen, ohne dabei die Folgen zu bedenken. Abgeleitet von historischen Ereignissen zeigt sich, welche Macht Worte haben und wie sie die Menschen zum Guten oder zum Schlechten beeinflussen können. Die Geschichte umfasst so viele Facetten, dass man sie gar nicht in einer Rezension aufgreifen kann. Doch es sei gesagt, wer Bücher liebt, Erzählungen lebt und auch vor ernsthaften Themen nicht zurückschreckt, der wird dieses Buch als eines der besten seiner Gattung feiern.

5 von 5 Schreibmaschinen

Sonntag, 30. März 2025

Christine von Brühl "Der Schattengarten - Wie ich mein Glück im Moos fand"

Mitten im Kyffhäuser gibt es Grundstück. Ein Grundstück auf dem zwei vermeintlich verfallene Hütten stehen. Und hier, genau hier, will Christines Mann im wahrsten Sinne des Wortes Wurzeln schlagen. Über zwei Stunden Fahrzeit von Berlin entfernt, findet er mitten im Nirgendwo einen Ort, an dem der zunehmend mehr Zeit verbringen will, jedem Einwand der Familie zum Trotz. Er findet im Anlegen des Gartens, im Renovieren der Hütten, im Ausheben von Zisternen, die Aufgabe, die ihn einnimmt und in die er Zeit, Geduld und Geld investiert. Und der Garten macht es ihm in Zeiten des Klimawandels nicht leicht. Zu viel oder zu wenig Regen, die Bäume verlieren erst ihre Nadeln, um danach umzustürzen. Doch das alles lenkt ihn nicht von seiner Mission ab. 

Auf 175 Seiten, illustriert von Teresa Habild, erzählt die Autorin, wie es ist, wenn der Mann sich nur noch für Wetterprognosen, Setzlinge und Gartenplanung interessiert. Dabei lässt die Autorin in den Texten immer wieder durchblicken, dass sie schon seit ihrer Kindheit Gärten wie Kew Gardens oder ähnlich imposante Stätten besucht und auch genossen hat. Doch zwischen mal ansehen und die ganze Zeit dort leben, ist schon ein gewaltiger Unterschied. Zwar wird jeder noch so kleine Erfolg gefeiert, doch liegt das Grundstück im besagten Nirgendwo und erst ganz langsam wird klar, dass es nicht um entweder oder geht, sondern wie man es schafft, Dinge und Gewohnheiten zusammenzubringen.

Die Autorin erzählt neben der Gartentätigkeit von Festen, die dort gefeiert wurden und zugleich von ihrem Leben. Wie sie die Rhododendren lieben gelernt hat, wie ihre Familie sich über Deutschland verstreute und wie dadurch ihre Kindheit aussah.

Sie wählt dabei eine wunderschöne Klangfarbe, in die sie ihre Erzählungen hüllt und die Zeitenwechsel zwischen oder innerhalb der Kapitel lassen den Leser immer wieder schmunzeln.

Ein schönes Buch über Gärten, das Zusammenleben, ein Stück weit auch Geschichte und ein bisschen
über die Suche nach einer Aufgabe im eigenen Leben.

5 von 5 Regenrinnen

Danke an literaturtest.de und kanon-verlag.de für das Rezensionsexemplar

Samstag, 29. März 2025

Ben Kryst Tomasson "Sylter Verrat"

Hochmut kommt vor dem Fall. Dies würde man gerne Witta Claaßen entgegenhalten, als sie einem Heiratsschwindler auf den Leim geht. Sie, die immer über den anderen Damen der Häkelmafia schwebt, hat sich reinlegen und um einen Teil ihres Geldes bringen lassen. Das schreit förmlich nach einem Einsatz für Kari Blom. Doch eigentlich ist diese noch in Elternzeit ...
Währenddessen kommt es bei dem Theaterfestival in Westerland zu einem verdächtigten Todesfall, der  Jonas Voss bei seinem Einstieg nach der Elternzeit vom Schreibtisch aufräumen abhält. Doch hängen die beiden Verbrechen zusammen?

Bereits zum zehnten Mal ermittelt Kari Blom als Undercover-Ermittlerin für das LKA auf Sylt. Trotz ihrer kurzen Pause sind ihr die Abläufe noch vertraut, auch wenn sie sich für diesen Fall mit einem Kollegen zusammen tun muss. Doch auch die Häkelmafia kann es wieder nicht lassen und trotz ihrer rüstigen achtzig Jahre, eilen sie zwischen dem Tatort und der Kinderbetreuung von Karis kleiner Tochter hin und her.

Liebhaber der Insel erkennen jedes Fleckchen und kennen auch den Menschenschlag, der auf Sylt lebt oder alternativ promeniert. Eingebunden in die Theaterszene und verbunden mit einem längeren Dienstausflug nach Berlin bietet der zehnte Band eine willkommene Abwechslung von der bekannten Sylter Schickeria. Mit dem bekannten Witz und Charme ist dem Autor erneut ein hervorragender Band seiner Serie gelungen, die mit jedem Band an Stärke und Individualität gewinnt.

5 von 5 Heiratsschwindlern

Freitag, 28. März 2025

Christian Tobias Krug "So dunkel das Zwielicht 1"

Julian ist eigentlich ein ganz normaler Teenager. Er lebt allein mit seiner Mutter in einer kleinen Wohnung, sein Vater ist nicht existent und sein Bruder ist zur Ausbildung fort. Die Mutter schaut gerne zu tief ins Glas und in der Schule ist Julian nicht das, was man einen Sonnenschein nennt. Immer mal wieder gerät er mit anderen Jungen aneinander, vornehmlich dann, wenn sie seinen besten Freund bedrohen. Mit jedem Tag entwickelt Julian stärkere Gefühle für ihn und will ihn vor dem Übel der Welt beschützen.
Doch etwas geschieht in der Welt. Mehrere Mädchen sterben und seltsame Gestalten erscheinen auf der Erde. Einige sogar mit Flügeln ...

Der Kampf zwischen Gut und Böse oder auch Himmel und Hölle, wurde schon öfters verschriftlich, doch selten habe ich einen so guten Genremix gelesen. 
Angelegt als Tetralogie mischt der Autor in seiner Geschichte viele vermeintlich bekannte Erzählstränge, um daraus seine eigene Welt zu erschaffen. Sicherlich, Himmel und Hölle kennt man aus der Bibel und auch andere Elemente im Buch lassen den Leser schmunzeln, wenn man erkennt, was und vor allem auch wen, der Autor aufeinandertreffen lässt.
Dunkel sind die Zeiten, doch Julian ist mit seinen Problemen, wobei eigentlich sind es ja Probleme, die an ihn herangetragen werden, niemals allein. Seine Freunde und auch Helfer aus den unterschiedlich Sphären stehen ihm bei einem Kampf zur Seite. Kann er ihn gewinnen? Welche Opfer gibt es zu beklagen? Und vor allem, welchen Preis muss er zahlen?
Grusel, Romantik, Spannung, ein Prise Horror und ganz viel Dialog bekommt man bei dieser Erzählung serviert. Der Autor schafft es die einzelnen Protagonisten individuell zu zeichnen, sodass man sich schnell an ihre Temperamente und ihr Wesen gewöhnt. Dabei nutzt er eine Sprache, die sich jeweils dem Erzähltempo und der Spannung angleicht.
Selten sind Gut und Böse in so vielen grauen Schattierungen dargestellt worden, denn wirklich weiß und schwarz gibt es auch in Himmel und Hölle nicht.

4 von 5 Fegefeuern

Danke an den Autor für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 27. März 2025

Autoreninterview Silke Heimes

Hallo zusammen.
Dieses Mal stelle ich auch eine Autorin vor, die sowohl Jugendbücher als auch Sachbücher schreibt und damit ein sehr breites Publikum anspricht.

(Foto: Silke Heimes (©: Christoph Rau), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Über das Lesen und weil ich mich als Kind im Restaurant mit meinen Eltern gelangweilt und dann Geschichten erfunden habe, um mich selbst zu unterhalten.

Du schreibst sowohl Jugend- als auch Sachbücher. Wie ist es gerade zu dieser Mischung gekommen?
Die Jugendbücher kommen direkt aus dem Herzen und die Sachbücher sind der Wunsch, etwas weiterzugeben, was ich selbst erlebt habe und noch immer erlebe.

Im letzten Herbst ist dein Sachbuch "Schreib dich zum Glück" erschienen. Wem würdest du dieses Buch ans Herz legen?
Allen, die auf der Suche nach sich selbst und einem Quäntchen Zufriedenheit und Glück sind.
Allen, die gerne Perspektivwechsel vornehmen und achtsamer in ihrem Leben sein wollen.

Würdest du sagen, dass du alle Tipps aus dem Buch selbst befolgst?
Bei weitem nicht, da ist noch jede Menge Luft nach oben. Aber ich bemühe mich darum, das kleine Glück im Alltag immer wieder zu finden und zu würdigen.

Wer das Buch schon gelesen hat, wird die Frage noch besser verstehen: Was ist für dich dein tägliches Glück?
Der erste Cappuccino am Morgen, ein Vogel, der singt, eine Gemse am Berg, die Stimme eines lieben Menschen und alles, was mich überrascht und erfreut.

An welchem Buch arbeitest du gerade?
An meinem dritten Jugendbuchthriller und einem Bilderbuch für Kinder ab 
4 Jahren.


Ein Tag ohne Bücher ist für dich …
… wie ein Tag ohne Nahrung.


Wer neugierig ist, kann sich hier mehr über Silke erfahren:
silke-heimes.de
instagram.com/silke_heimes

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Donnerstag, 20. März 2025

Gerhard Henschel "Mord auf Hohenhaus"

Eigentlich wollte sich Michael Ritz eine schöne Zeit im Schlosshotel Hohenhaus gönnen. Eine Dylanologen-Konferenz gepaart mit Lesungen von Arno Schmidt. Dazu gutes Essen, ein guter Wein, was würde man sich mehr wünschen? Doch es kommt alles ganz anders. Plötzlich taucht eine Leiche auf und die Menschen im Hotel sind verunsichert. Die Polizei verdächtigt alle, wenn auch oftmals wegen fadenscheiniger Gründe. Doch zwischen Lesungen und Vorträgen kommt das Dunkle immer näher und keiner scheint sich dem entziehen zu können.

Wer Gerhard Henschel kennt, weiß um seinen recht eigenwilligen Humor. Allein die Namen der Protagonisten zaubern dem Leser ein Schmunzeln auf das Gesicht. Wer sich viel mit Krimis und Detektivgeschichten befasst, dem wird der eine oder andere Name bekannt vorkommen.

Neben Songtexten und Passagen aus Arno Schmidts Werken, lässt der Autor viel über das Leben von Arno Schmidt und seine Probleme in der Nachkriegsliteratur einfließen. Bei dem Symposium vermittelt der Autor viel geschichtliches Wissen, was er auch im zweiten Teil des Buches beibehält, wenn es um die Aufklärung des Falles geht.

Trotz der relativen Kürze des Textes schafft es Henschel, den Leser alle Gefühlslagen durchleben zu lassen. Witz folgt auf Grusel, Ekel wechselt sich mit Dramatik ab. Dabei spielt jede Figur ihr eigenes Spiel und der Autor verpackt Bildung mit Unterhaltung.

Eine etwas andere Art von Krimi, die neben den berühmten kleinen grauen Zellen auch die Geschichte Deutschlands beleuchtet.

4 von 5 Hotelzimmern 

Dienstag, 18. März 2025

Farina Graßmann "True Crime in Nature"

Wer meint, dass Lug und Trug vom Menschen erdacht und für ihn prädestiniert sind, der sollte dieses Buch zur Hand nehmen.

Der Kuckuck dürfte vielen Lesern noch ein Begriff sein, wenn es darum geht, andere Artgenossen zu betrügen. Zu welchen harten und ausgefuchsten Methoden er greift, ist vielleicht widerum den wenigsten klar. Und er ist damit nicht allein. Natürlich steht nicht immer Mord im Vordergrund, aber wenn es darum geht, den Nachwuchs voranzutreiben, sind viele Tiere nicht zimperlich. Da werden Eier in falsche Nester gelegt, Kriegerinnen getötet und die Wirte sprichwörtlich ausgesaugt.
Ja, für schwache Mägen ist das Buch im wahrsten Sinne des Wortes harte Kost.
In einem ziemlich unverblümten Stil erzählt die Autorin, wie es im Tierreich zugeht und wann und vor allem wie spezielle Tierarten ausgebeutet, ausgenutzt und misshandelt werden.
Unterteilt in mehrere Kapitel fasst sie die Tiergattungen zusammen. Mal geht es um Täter, mal geht es um die Opfer, aber immer um die Tatsache ansich.
Trotz der schieren Gewalt lässt es sich die Autorin nicht nehmen, einzelne Episoden mit einem Augenzwinkern zu erzählen und somit das ganze Thema nicht zu grausig erscheinen zu lassen.

Das Buch lässt sich durch die Kapitel gut abschnittsweise lesen und erfordert keine Vorbildung.
Die einleitenden, farbigen Illustrationen peppen den Text in seiner Morbidität auf und garantieren ein gelungene Wissensvermittlung.

Nur Abendessen sollte man vor der Lektüre nicht ;-)

3,5 von 5 Insekten

Donnerstag, 13. März 2025

Jörg Weigand "Die Welten des Meister Li"

Am Ufer des T'ung-t'ing-Sees steht eine kleine, schlichte Hütte. Niemand, der es nicht genauer wüsste, würde hier das Heim des Meister Li vermuten. Nahezu abgeschieden lebt er hier, nachdem er eine Beamtenlaufbahn ausgeschlagen und sich stattdessen dem Studium der weisen Bücher gewidmet hat. Seine Ansprüche sind einfach und somit begnügt er sich mit dem, was die Menschen ihm geben. Denn sein Lebensinhalt ist die Weitergabe von Wissen und vielleicht auch von ein bisschen Weisheit. Umgeben von seiner Schülerschar erfahren die Leser in 50 Kurzgeschichten, wie es sich im Leben zu verhalten gilt, wenn man denn niemanden vor den Kopf stoßen will. Dabei gilt es das Fantastische nicht zu übersehen, denn wir in der "realen Welt" kämpfen selten gegen Dämonen und Drachen. Wenn, dann tun wir dies nur im übertragenen Sinne.

Meister Li erblickte das literarische Licht der Welt für eine Kurzgeschichte in den Phantastischen Miniaturen von Thomas Le Blanc im Jahr 2012. Seitdem hat der Meister so einige Abenteuer erlebt und Schicksale geprägt. Stets mit Ruhe und Bedacht versucht er mit Hilfe seiner Bücher die Probleme der Menschen am See oder auch aus weiterer Entfernung zu lösen.
Das Wissen, ohne den berühmten erhobenen Zeigefinger, wird durch die einzelnen Kurzgeschichten an den Lesenden weitergeben. Mit Hilfe der kurzen Texte, die nicht den Charakter eines Sachbuchs haben, tröpfeln die Ideen, die Gedanken und auch die Wertvorstellungen von Meister Li wie von selbst in den Geist der Leser. Sie lassen sie einvernehmlich nicken oder auch mal den Kopf schütteln, wenn man die literarischen Bilder in das Hier und Jetzt übersetzen muss.
Auch wenn die Texte kurz sind, so empfiehlt es sich, sie portioniert zu lesen, um das Wissen und den Charme nicht durch kumuliertes Schmökern zu verfälschen.

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

5 von 5 Lehren

Mittwoch, 12. März 2025

Oliver Hoffmann "Moriarty und das erste Opfer"

Das erste Opfer müssen Sie finden, um die Schuld zu erkennen und somit auch den Grund für die Vorkommnisse. Dieser Aussage sieht sich Moriarty in seinem dritten Fall aus der Feder von Oliver Hoffmann gegenüber. Doch bei diesem Abenteuer hat er eine weite Anreise. Nach den Verwicklungen im zweiten Fall hatte es Moriarty, seine Frau und Molly nach Frankreich verschlagen. Doch die Bitte sich des Falles anzunehmen, lässt Moriarty alle Bedenken in den Wind schlagen. Mit seinen Angestellten, Moran und dem Amerikaner Boswell macht er sich auf die Suche nach dem berühmten Motiv, denn leider bleibt es nicht bei einem Todesfall. Tiefer und tiefer werden seine Freunde und er in die Geheimnisse der Freimaurer hineingezogen, bis selbst die höchsten Stellen dem Professor die Antworten nicht mehr vorenthalten können.
Der letzte Band einer Trilogie bildet immer den Abschluss einer Reihe und hier zeigt sich in meinen Augen die Kunst des Autors im besonderen Maße. Sind alle Fäden aus den vorigen Bänden zusammengeführt? Widersprechen sich die einzelnen Bände nicht? Sind durchgängige Handlungen logisch aufgelöst? Kommt es wirklich zu einem Abschluss oder entscheidet sich der Autor doch für ein offenes Ende?
Ohne zu viel zu verraten: Oliver Hoffmann gelingt der Abschluss. Letzte Rätsel werden gelöst und als Leser bleiben keine Fragen mehr offen. 
Hätte ich mir nach den beiden ersten Bänden einen anderen Abschlussband gewünscht? Definitiv ein großes "Ja". Die Geschichte ist gut, aber die beiden vorigen Bände haben mir beide besser gefallen. Ich hätte im Abschlussband auch ein bisschen mehr Interaktion mit den Holmesbrüder erwartet, aber jeder Autor ist anders.
Oliver Hoffmann hat mit seiner Trilogie drei Geschichten dem Holmes Universum hinzugefügt, die ein ganz anderes Licht auf den Professor werfen, als es Doyle je getan hat. Somit hat der Autor sein Ziel erreicht.

4 von 5 Kellen

Sonntag, 9. März 2025

James Goodwin "Mord in Little Barkham"

Irgendwo, außerhalb von London, liegt Little Barkham. Ein kleines Dorf. Mit einem großen Anwesen. Einem Pub. Einer Bücherei. Und einem Mord.
Denn, die Dorfidylle trügt. Genauso wie sie es in den Bücher von Agatha Christie in der Bücherei tut.
Aber der Reihe nach: Es sind einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vergangen, als Arthur Tingwell seinen Job in der Bücherei von Little Barkham annimmt. Er versorgt das Dorf mit Literatur, und dabei gerne mit dem neuesten Kriminalroman der sehr geschätzten Agatha Christie. Bis zu dem Tag an dem Dame des Anwesens umkommt und somit das ganze Dorf in helle Aufregung gerät. 
Zwischen Essensrationierungen, unfähigen Polizisten und abendlichen Guinness im Pub entspinnt sich zwischen den Dorfbewohner mit dem täglichen Fortschreiten der Ermittlungen ein gehöriges Misstrauen, das mit jeder Verhaftung größer wird und Konsequenzen nach sich zieht. 
James Goodwin hat seine Hausaufgaben gemacht. Ich wollte beim Lesen gar nicht, dass das Buch endet, da man sich darin wie in einem Kokon der klassischen Kriminalfälle fühlt. Hier ein betagtes Anwesen, der entsprechende Missmut einiger Dorfbewohner, dort der Pub als Treffpunkt für Klatsch und Tratsch. Ein Bibliothekar, der auch im größten Durcheinander wegen seiner Liebe zu Agatha Christie den Überblick behält und eine Dorfgemeinschaft, die nicht immer miteinander, aber erst recht nicht ohne einander auskommen kann.
James Goodwin schafft es eine Hommage an Agatha Christie zu schreiben, ohne sich dabei auf einen Abklatsch zu reduzieren. 
Eigene Charaktere, die berühmt-berüchtigten Geheimnisse und ganz viel Charme und Atmosphäre, gewürzt mit Buchzitaten und Anekdoten über Schriftsteller machen den Krimi zu einem Lesevergnügen erster Güte.

5 von 5 Gardinen

Mittwoch, 5. März 2025

Sven Haupt "Anahita"

Was definiert unser Dasein?
Das Geschlecht?
Die Gesellschaft?
Unsere Gene?
Oder ist es doch etwas ganz anderes?

Sven Haupt erzählt in "Anahita" die Geschichte von Aven und Christine, in einer Welt, die so ganz anders ist als die unsere.
Doch viele Verhaltensweisen sind, bedingt durch Sozialgefüge und Machtstrukturen, unveränderlich zu dem, was wir kennen.

Christine kommt mit ihrem Vater auf einen fremden Planeten, den der Uhrmacher schon einige Zeit im Visier hat. Aven, Sohn der Hohepriesterin, freundet sich mit Christine an und bringt ihr die Kultur des Planeten näher. Vieles, gerade die Flora und Fauna dieses Planeten, weicht so sehr von dem Leben am britannischen Hof ab, dass Christine nur staunen kann.
Doch wie es so ist, die Ruhe wird gestört und plötzlich wird das Leben von Christine und Aven vollkommen auf den Kopf gestellt. Krieg wird zum Tagesgeschehen und die Verluste sind so zahlreich, dass die Zeit zum Trauern nie gegeben ist. Hinterhältige Mächte ziehen am Himmel auf und der Kampf zwischen Gut und Böse gewinnt neue Dimensionen. Beide Charaktere entscheiden sich bewusst, für eine gravierende Änderung ihres Lebens und stehen in der ersten Reihe, wenn es darum geht, das zu schützen, was ihnen wichtig ist.

Schon in "Niemandes Schlaf" hat Sven Haupt gezeigt, wie Charaktere verschiedene seelische und auch körperliche Wandlungen durchleben können. "Anahita" erschafft mit dem Weltenbau noch viele andere und auch diverse Dimensionen. Steampunk, Weltraum, riesige Tiere, Bewusstseinserweiterungen, Sven lässt die Charaktere durch Welten segeln und durch Gefühle taumeln. Doch wirkt es nie gekünstelt oder effekthascherisch. All die Gedanken und Handlungen wirken in ihrer Außergewöhnlichkeit trotz allem logisch und folgerichtig. Man schüttelt beim Lesen nie den Kopf, ist der Welt oder vielmehr den Welten gefangen und muss erstmal in die Realität auftauchen, wenn das Buch zur Seite legt.

Moral, der Sinn des Lebens, Charakterstärke und das Wesen der Menschheit, in allen Büchern von Sven Haupt sind dies zentrale Aspekte, ohne dabei mit dem sprichwörtlichen erhobenen Zeigefinger zu interagieren.

Sie sind Bücher abseits des Gehirnkaugummis, den man sonst oft angepriesen bekommt, und wenn man seine Bücher verlässt, ist der eigene Geist immer durch seine Nachdrücklichkeit positiv beeinflusst. Wie sich das äußert?
Das erfährt jeder Lesende individuell, wenn er durch die Buchseiten segelt.

4,5 von 5 Uhrmachern

Donnerstag, 27. Februar 2025

Autoreninterview Jens-Arne Klingsöhr

Hallo zusammen.
Ab diesem Jahr gibt es nur noch einmal im Monat ein Interview. Im Februar beantwortet die Fragen Jens-Arne Klingsöhr. Er ist Autor und Herausgeber des Sherlock Holmes Magazins, was den Schwerpunkt des Interviews schon verrät.

(Foto: Jens-Arne Klingsöhr, Grafik: Maximilian Wust)

Du gibst seit Jahren das „SHM – Das Sherlock Holmes Magazin“ heraus. Wie bist Du auf die Idee gekommen, das Magazin zu veröffentlichen?
Wenn es etwas nicht gibt, was man aber haben möchte, was macht man dann?
Es hatte mir nicht genügt, den Kanon zu lesen und Pastiches zu konsumieren. Ich wollte mehr über den Holmes-Kosmos, wie ich es bezeichne, erfahren. Das war in Deutschland aber reichlich schwierig. Zwar gab es mit dem „SNOB“ (Soft-Nosed Bullet(in); ein Club-Fanzine) eine ähnliche Publikation wie das namhafte „Baker Street Journal“ aus den USA, aber es war nicht so genau das, was ich suchte und wollte. Zudem war es nicht frei erhältlich, man musste dem Club beitreten, um es zu bekommen. Dies tat ich auch, erlebte dann aber schon eine Enttäuschung. Denn das geschah etwa zu der Zeit als die Endphase des Clubs eingeläutet war. Das „SNOB“ erschien nur sehr unregelmäßig, teils nur eine Ausgabe pro Jahr, wenn überhaupt. Das hatte mich keineswegs befriedigt. Also stellte ich mir die schon erwähnte Frage und beschloss ein eigenes Magazin zu erstellen, so wie ich es mir vorstellte.
Es dauerte mehrere Wochen, in denen ich das Für und Wider abwog, mir genau überlegte, wie das Heft aussehen solle, in welchem Format, ob schwarz/weiß oder farbig, was enthalten sein soll, auf wie vielen Seiten der Inhalt präsentiert werden könnte, wie die Logistik (Produktion, Versand) zu bewältigten wäre usw. Auch sprach ich mit verschiedenen Sherlockianern über mein Vorhaben und erhielt nur positive Resonanzen. Also entschloss ich mich dazu, eine Null-Ausgabe zu erstellen. Die hatte natürlich noch nicht die von mir anvisierte Seitenzahl und diente nur dem Zweck, auf einem bevorstehenden kleinen Sherlock Holmes-Treffen zu visualisieren, was ich vorhatte, um dadurch Mitarbeiter zu gewinnen. Das war im Sommer 2009. Die Präsentation der Null-Ausgabe stieß auf enormes Interesse. Alle wollten sie darin herumblättern und es fanden sich auch gleich Personen, die Beiträge liefern wollten, und zwei weitere, die bereit waren redaktionell mitzuarbeiten – eine dritte Person kam etwas später hinzu. Im August gab es dann schon die erste Ausgabe. Selbst der Titel blieb der gleiche wie noch der Arbeitstitel der Null-Ausgabe. Inhaltlich gab es über die Jahre ein paar Erweiterungen, aber man merkt noch immer, das alles auf der Null-Ausgabe beruht. Es war die erste in Deutschland erschienene frei erhältliche Publikation zum Holmes-Kosmos, auf DIN A4 vierfarbig gedruckt und an dem alle mitarbeiten können. Gerade letzteres ist ein Aspekt, der mir wichtig ist. Das SHM ist nicht elitär, es ist ein Heft für Holmes-Interessierte, von Holmes-Interessierten. Wer Lust dazu hat eine Filmbesprechung zu verfassen, sich mit einem Aspekt aus Holmes' Wirken zu beschäftigen (sogenannte Forschungsartikel), sich über ein gerade gelesenes Pastiche mit einer Rezension auszulassen, eine Kurzgeschichte zu verfassen oder was auch immer, kann sich liebend gerne bei mir melden.


Woher kommt Deine Faszination für Sherlock Holmes?
Meine Begeisterung für Sherlock Holmes rührt vermutlich, ganz exakt erinnere ich es nicht mehr, von den spannend gemachten Europa-Hörspielen mit Peter Pasetti in der Titelrolle. Die hörte ich damals in meinen Jugendjahren rauf und runter. Etwa zu der Zeit liefen auch ein paar Folgen der Rathbone-Reihe im Fernsehen, sowie die charmante Serie mit Geoffrey Whitehead. Weil ich schon immer eine Leseratte war, blieb es natürlich nicht aus, dass ich auch die Grundlage kennenlernen wollte, und so kaufte ich mir von meinem Taschengeld, das war damals nicht so üppig, den Kanon Stück für Stück zusammen. Weil ich alle zwei, drei Tage erneut nach dem nächsten Band fragte, fiel das dem Buchhändler so auf die Nerven, dass er mich rüde anblaffte, ich solle doch gleich alle Bände kaufen und nicht ständig wiederkommen. Daraufhin raffte ich mein Erspartes zusammen, erwarb die restlichen Bände und betrat danach die Buchhandlung niemals wieder. Man sollte halt auch Kinder und Jugendliche ordentlich behandeln. Es war übrigens noch die Ullstein-Ausgabe, die für mich bis heute einen besonderen Stellenwert hat. Auch wenn die nur ein paar Jahre später erschienene Haffmans-Ausgabe natürlich so überragend ist, dass ich die Abenteuer gleich erneut las und spätestens damit die ewige Flamme meiner Holmes-Begeisterung entzündet war.

Für jeden Sherlock Holmes Fan gibt es "den" Schauspieler, der Holmes am besten darstellt. Wer ist es bei Dir?
Da muss ich nicht lange überlegen, komme jedoch nicht umhin, auf den ersten Platz des Sieger-Treppchens gleich drei Darsteller zu stellen: Ian Richardson, Basil Rathbone und der frühe Jeremy Brett. Alle drei sind in ihrer Darstellung des Meisterdetektivs völlig unterschiedlich, verkörpern ihn für mich aber gleichermaßen perfekt. Ian Richardson strahlt eine überlegende Ruhe aus, Basil Rathbone ist schneidig agil und der frühe Jeremy Brett wirkt hektisch überzeugend. Eigentlich gehört auch Peter Cushing dazu … aber sei es drum, er ist halt auf Platz zwei. Geoffrey Whitehead ist auch ein Darsteller der unbedingt auf das Treppchen gehört: Platz drei.
Unter den vielen nicht genannten Darstellern, sind durchaus ein paar, die ich im Grunde genau so gerne in der Rolle sehe – gewissermaßen ein paar Lucky Loser in meinem persönlichen Ranking; zum Beispiel Christopher Plummer in „Mord an der Themse“ und „Silver Blaze“.

Du hast selbst auch schon einige Texte verfasst. Wie kam es dazu, dass Du auch selbst mit dem Schreiben begonnen hast?
Es hat mir von jeher Spaß gemacht, meine Fantasie zu kanalisieren und schriftlich umzusetzen. Zu den ersten Textversuchen gehörte auch ein Holmes-Fragment, über eineinhalb eng beschriebene Schreibmaschinenseiten bin ich aber nicht hinausgekommen. Das war damals, kurz nachdem ich die Ullstein-Ausgabe gelesen habe. Mit dem Verfassen von Texten ging es im Grunde richtig los, als ich mich mit dem Pen & Paper-Rollenspiel Das Schwarze Auge (kurz: DSA) beschäftigt habe und zusammen mit einem Freund in den neunziger Jahren dazu ein sehr umfangreiches Fan-Abenteuer geschrieben habe. Im Grunde war das der Anfang meiner Schreibbegeisterung. Mehrere Fanprodukte folgten, unter anderen zwei Regiozine – das sind Fanzine, die auf eine spezielle Spielregion bezogen sind -, von denen eines davon sogar dreizehn Jahre lang von mir herausgegeben wurde, das andere war nicht ganz so langlebig. Natürlich gehörte auch das Verfassen von Texten dazu. Durch meine Aktivitäten bin ich der DSA-Redaktion aufgefallen und es kam dazu, dass ich an zwei Quellenbänden (das sind umfangreiche Regionalbeschreibungen über Land und Leute, Politik und Kultur usw.) sogar maßgeblich mitwirken durfte. Hier und da steuerte ich auch für andere Produkte der Redaktion unterschiedlich lange Abschnitte bei ... dann gründete ich das SHM – Das Sherlock Holmes Magazin.
Von nun an war mein Fokus vollkommen verlagert. Neben der Arbeit am SHM und gelegentlichen verfassen von Texten für das Heft, versuchte ich mich aber auch immer wieder an Holmes- Geschichten. Eine meiner ersten war eine Erzählung in der Mrs. Hudson die Ereignisse aus „Der Detektiv aus dem Sterbebett“ aus ihrer Sicht erlebt. So etwas gefällt mir – bekannte Ereignisse aus einer anderen Sicht zu erleben, oder sie an irgendeiner Stelle zu ergänzen. Allerdings habe ich bisher nur drei Geschichten dieser Art verfasst. Ab und zu wurde ich gefragt, ob ich nicht Texte zu bestimmten Anlässen schreiben könne. Natürlich konnte ich. Das sind keine Geschichten im eigentlichen Sinn. Es kam jedoch vor, dass ich diese später noch umarbeiten konnte. Hin und wieder fällt mir ein Thema ein oder ein Aspekt auf, den ich gerne ausarbeiten würde – woraus die eine oder andere Geschichte entsteht. Manchmal schreibe ich aber auch nur so vor mich hin und schaue, wohin mich das führt. Nicht selten kommt eine solche Schreiberei nicht über den Anfang hinaus, aber hin und wieder entsteht dann doch eine brauchbare Geschichte. Manchmal geschieht dabei aber auch Unerwartetes. Als ich an etwas schrieb, dass als Einleitung zu einem Projekt gedacht war, hat sich während des Schreibprozesses die Grundidee irgendwie verselbstständigt und das Ergebnis ist als Einleitung überhaupt nicht mehr zu gebrauchen. Dafür ist es eine ganz ordentliche Erzählung geworden, die gleich zwei „sherlockianische Probleme“ thematisiert.
Es macht mir einfach Freude, mich mit Holmes und Watson zu beschäftigen – manchmal auch ohne den einen, manchmal auch ohne den anderen -, Dialoge zwischen ihnen zu entwickeln, Szenen zu entwerfen, in denen sie agieren …


Welcher ist Dein liebster Nebencharakter?
Eindeutig Wiggins. Zwar taucht der Knabe nur in den ersten beiden Romanen auf, aber die Baker Street Irregulars mit Wiggins als An- und Wortführer, haben bei mir einfach Eindruck hinterlassen. Leider hat Sir Arthur Conan Doyle danach von dem Jungen nie wieder Gebrauch gemacht und auch die Irregulars an sich kommen bedauerlicherweise nur noch zweimal kurz vor, einmal davon sogar nur als vage Erwähnung. Natürlich ist es zudem schade, dass bei „Das Zeichen der Vier“ das Erscheinen der Baker Street Irregulars in der Baker Street nur eine Kopie aus „Eine Studie in Scharlachrot“ darstellt. Womit auch ein zeitliches Problem entstand, denn Wiggins wird bei dieser kopierten Szene genauso beschrieben wie zuvor, obwohl der Fall mehrere Jahre nach dem ersten spielt und er daher kein Kind mehr sein kann.

Aus mehreren Gesprächen mit Dir weiß ich um die Liebe zu den Hiatus-Geschichten. Warum reizen Dich gerade diese Geschichten?
Der Hiatus übt auf mich eine Faszination aus, die ich gar nicht so richtig erklären kann. Drei Jahre war Sherlock Holmes verschwunden, galt als tot, ist stattdessen aber in der Welt unterwegs gewesen. Wo war er überall, weswegen ist er dorthin gegangen und was hat er dort erlebt? Aus der Geschichte „Das leere Haus“ erfahren wir zumindest ein paar Schlagworte, leider keine weiteren Details. Er war zwei Jahre lang in Tibet und hat Bekanntschaft mit dem Lama gemacht. War er wirklich ganze zwei Jahre dort? Ist das nicht ein bisschen zu lang? Anschließend bereiste er Persien.
Dort war es zu der Zeit aber ausgerechnet für Engländer höchst gefährlich – vielleicht ein Grund, weshalb er sich als Norweger Sigerson ausgab? Angeblich war er sogar in Mekka, was keinem Europäer gestattet war. Dass er auch noch in Montpellier an Kohlen-Teer-Derivaten forschte, nimmt sich dahingehend schon fast langweilig aus. Auch in Khartum will er gewesen sein – also dort, wo General Gordon einige Jahre zuvor durch die Mahdisten zu Tode kam. Als Holmes dort war, war Khartum nur noch eine Ruine und Geisterstadt. Am gegenüberliegenden Ufer des Nils hingegen existierte die Stadt Omdurman, wo er mit dem Kalifen hätte speisen können. Aber damit befinden wir uns schon im Bereich der Interpretationen und Spekulationen. Und wo wir schon dabei sind:
Kann Sherlock Holmes während der Zeit nicht auch noch woanders gewesen sein? Der Hiatus bietet Raum für Abenteuer jeglicher Art, losgelöst von den Zwängen einer klassischen Holmes-Geschichte. Wenn auch nicht alles, dann scheint aber doch sehr vieles möglich zu sein.
Ein paar Autoren haben diese Lücke für sich entdeckt und schreiben – wie Franziska Franke – eine ganze Reihe über eben jene Zeit, andere verfassen ein oder zwei Geschichten dazu. Letztlich hat auch Star Trek-Regisseur Nicholas Meyer mit „Kein Koks für Sherlock Holmes“ einen alternativen Hiatus-Beginn verfasst und ließ auch seinen Holmes-Roman um das Phantom der Oper in der Ära spielen. Eine meiner Lieblings-Hiatus-Geschichten ist „Die Geschichte eines Vaters“ von Sterling E. Lanier, die in der Südsee spielt aber einen fantastischen Inhalt hat. Vielleicht war Sherlock Holmes sogar in Deutschland und hat sich in Sachsenhausen niedergelassen, um Gefolgsleute von Moriarty zu jagen? ;-)
Und löst man den Blick von Sherlock Holmes – wie ist es eigentlich Watson ergangen? Auch darüber weiß man nicht besonders viel. Ab und zu ist er vor Gericht als Sachverständiger aufgetreten, hat seine Paddingtoner Praxis gegen eine in Kensington getauscht, und er hat seine Gattin, die liebreizende Mary, verloren. Was aber genau und wann geschehen ist, bleibt offen.
Vermutlich ist es das Unbekannte, das Mysteriöse, sicherlich aber auch das Exotische, was mich an dieser Ära in Holmes' Wirken reizt.

Welches ist Dein liebstes Pastiche?
Das ist eine Frage, die ich nicht genau beantworten kann. Es gibt so einige ganz hervorragende Pastiches, die mir, durchaus aus unterschiedlichen Gründen, ganz besonders gefallen. Es gibt ein paar Autoren, die es schaffen, den Stil von Sir Arthur Conan Doyle sehr gut zu kopieren und glaubwürdige Fälle zu entwerfen. Aber auch solche, die ihren eigenen Stil entwickeln und ebenso überzeugende Abenteuer verfassen, die vielleicht eine mehr humoristische Note haben, ohne es an Spannung verlieren zu lassen. Neugierig bin ich immer auch auf Storys, in denen die ausgetretenen Pfade verlassen werden, eventuell sogar mit dem Holmes-Kanon brechen. Darunter sind ein paar wirklich tolle Geschichten. Oder es wird ein anderer Blickwinkel eingenommen, also aus der Sicht einer ganz anderen Figur; eventuell tauchen Holmes und Watson auch gar nicht auf, oder sind bestenfalls Nebenfiguren. Letztlich hat es auch immer mit der persönlichen Erwartungshaltung und Einstellung zu tun und was man vielleicht auch damit verbindet, weswegen man von einer bestimmten Geschichte so begeistert ist. Das gilt natürlich auch für den Kanon. Manchmal ändert sich ja auch die eigene Einstellung und der persönliche Blickwinkel und andere Geschichten rücken näher. Es gibt durchaus so einige Erzählungen, die für mich die Spitze des Pastiche-Tsunamis bilden. Aber es fällt mir extrem schwer eines auszuwählen, welches mein Liebstes darunter wäre.
Auch ein Sieger-Treppchen ist nicht möglich. Es würden sehr viele auf Platz eins stehen, noch mehr auf den Plätzen zwei und drei stehen. Wobei ich mir sicher bin, dass mancher Sherlockianer, der diese Auflistung läse, verständnislos den Kopf schütteln und sich verwundert die Augen reiben würde, denn es sind einige Storys dabei, die von anderen Personen gar nicht geschätzt werden.

Wer neugierig ist, kann sich hier weiter informieren: SHM.wordpress

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Marianne Labisch (Hrsg) "Rock Planet"

"I'm on the highway to hell" ...
Stop ...
Der Weg zur Hölle ist zwar mit guten Rocksongs gepflastert, aber wir wollen doch zeitweilig auf der Erde verharren und die Musik genießen ...
"I'm on the highway ..."
Ich habe eure Aufmerksamkeit? Das ist gut!

Rockmusik, wer kennt sie nicht und vor allem, wer schätzt sie nicht? Gitarrenriffs, ein wummernder Bass und dabei Stimmen, die nicht chemisch gereinigt, sondern authentisch und pur durch die Gehörgänge pochen. 
Dabei ist es schwer, sich auf eine Band oder sogar nur auf ein Lied zu beschränken, dass für einen selbst die Liebe zur Rockmusik auslöste. Doch genau das war die Grundlage für diese Anthologie. Neunzehn Schreibende haben sich unter Marianne Labisch zusammengefunden und beginnen damit, welcher Rocksong ihre Liebe zu dieser Musik manifestierte. Dabei ist es erstaunlich, wie breit das Spektrum der Rockmusik sich gestaltet und auf welchen Wegen sie die Schreibenden traf.
So individuell, wie jeweiligen Lebenswege sind, so unterschiedlich sind auch die entsprechenden Geschichten geworden. Von kurz und knackig bis hin zu kleinen Epen, von Texten, die zum Schmunzeln einladen, hin zu Texten, bei denen in jedem Wort Philosophie mitschwingt.
Die Geschichten spielen im Jetzt, in der Vergangenheit und in der Zukunft und stets sind sie begleitet von dem Soundtrack des Schreibenden, der die Vergangenheit im Ohr hat. 
Mal verzagt, mal hingerissen, aber in allen Geschichten mit viel Emotionen, zeigt der Rock und seine Musik die Vielschichtigkeit eines Mosaiks, das aus jeder Perspektive anders, dabei aber stets besonders wirkt. 
Die Geschichten bilden einen Kokon zwischen den Welten und verleiten beim Lesen dazu, immer langsamer zu lesen, egal, wie gruselig die Erzählung auch ist, weil man ihn nicht verlassen will. Doch Rockmusik hört niemals auf, sie ist immer da und von daher ...

"We will, we will rock you!"

5 von 5 Schallplatten

Montag, 24. Februar 2025

Silke Heimes "Schreib dich zum Glück"

Wer sich mit dem Schreiben beschäftigt, hat oft die Qual der Wahl. Gefühlt jedes Jahr erscheint mindestens ein neuer Ratgeber, während wirkliche Urgesteine der Literatur sich bewusst gegen solche und ihre Tipps aussprechen.
Also, warum greift man doch zum Ratgeber?
Weil man sein Wissen mehren will?
Weil man doch nicht davon überzeugt ist, dass die Urgesteine Recht haben?
Oder ist es etwas ganz anderes?
Nimmt man den Titel von diesem Buch, stellt man schnell fest, dass es nicht nur um das Schreiben geht. Schon gar nicht gezielt um das, was man später einmal veröffentlichen sollte ... Vielleicht aber könnte.
Der Fokus liegt auf dem Glück und dem Weg, wie man es durch das Schreiben erkennen oder erlangen kann. Vielfach wird das Glück als Endziel eines langen Weges betrachtet, den man gerne durch Achtsamkeit erlangen kann.
Doch Silke Heimes führt den Leser auf einen anderen Weg. Mit Texten rund um das Thema Glück und Zufriedenheit (denn sie ist die Schwester des Glücks), baut sie ihre Thesen Stück für Stück auf.
Untermauert von Forschung, Psychologie und Philosophie nimmt sie uns an die Hand und zeigt auf, wie ein Leben mit Glück gelingt. Neben ihren Thesen lädt sie in den jeweiligen Abschnitten dazu ein, das Gelesene selbst in Worte zu fassen oder die Gedanken entsprechend weiter zu entwickeln. Bewusst weißt sie daraufhin, dass Glück unterschiedlich sein kann und man manche der Antworten mit einigen Abstand noch einmal bewusst betrachten sollte. 
Glück ist wahrlich vergänglich, aber in den kleinen Dingen trotzdem alltäglich. Man muss nur bewusst darauf achten.
Ein Buch für Schreiberlinge, um sich neuer Impulse zu bedienen und für solche, die meinen, das Glück falle einem in den Schoß.

5 von 5 Glückssträhnen

Vielen Dank an den Verlag v_und_r self für das Rezensionsexemplar.

Sonntag, 23. Februar 2025

Daniel Smith "Die Wahrheit hinter Sherlock Holmes"

Ich würde meinen, dass kein Autor von sich behaupten kann, Figuren ohne eine reelle Vorlage zu erschaffen. Man geht durch den Alltag, man sieht, man hört, man nimmt in sich auf und kreiert daraus die Figur, die für einen selbst stimmig erscheint. Daher ist es wenig erstaunlich und für Kenner auch kein Wunder, dass schon Sir Arthur Conan Doyle in Joseph Bell ein Vorbild für seine Figur Sherlock Holmes sah. Was allerdings den wenigsten bekannt sein dürfte, ist, dass es neben Joseph Bell noch eine weitere Person gab, die den Charakter und das Verhalten von Sherlock Holmes maßgeblich beeinflusst hat.
Während Joseph Bell anfänglich eher an der Uni für Aufsehen sorgte, hatte es Henry Littlejohn schon in den Dienst der Polizei geschafft, was laut Daniel Smith auch der Grund war, warum er in Zusammenhang mit Sherlock Holmes selten genannt wurde. Es galt seine Reputation nicht zu gefährden.
Das ändert sich im Jahr 1893, als es zu dem Verfahren um den Tod von Cecil Hambrough auf dem Anwesen Ardlamont Estate, Schottland, kommt.
Beide Männer müssen bei dem Gerichtsprozess aussagen und ausführen, ob der Tod des jungen Offiziers wirklich ein Unfall gewesen sein kann oder ob nicht doch Habgier die Triebfeder war.

Daniel Smith erzählt auf 320 Seiten, die er mit Gerichtsakten, Briefen und Zeitungsartikeln unterfüttert, wie ein historischer Kriminalfall sich auf die Entwicklung des wohl bekanntesten Detektives und seine Geschichten auswirkte, denn, das sei gesagt, in Verlauf des Prozesses wurden auch immer wieder die Rufe nach Sherlock Holmes laut, der nach Meinung der Zeitungen und auch der Prozessbeteiligten das Rätsel wohl eher lösen könnte als alle real beteiligten Personen. Nebenbei bemerkt gab es in dem Prozess auch einen Arzt, der Watson hieß.

Nun kann man erwarten, dass ein Gerichtsfall selbst mit seinen Vor- und Nachwehen auf 320 Seiten sich zeitweilig in Nichtigkeiten verzettelt und manchmal ist das auch so. Smith kommt von Kleinigkeiten auf die kleinsten Kleinigkeiten, doch hat dies stets einen Grund. Er baut mit diesen Details vor dem Auge des Lesers in feinen Passagen die kulturelle Gesellschaft mit ihren Eigenheiten auf. Er zeigt, wie die viktorianische Gesellschaft funktioniert und an welchen Stellen sie gerade im Umbruch war. 

Neben Sherlock Holmes spielen die Entwicklung der Forensik, der Psychologie, der Polizeiarbeit und die Wahrnehmensveränderung des Adels eine zentrale Rolle.

Da er sich auf historische Fakten stützt, ist das Buch somit nicht nur für Sherlock Holmes Fans interessant, sondern bietet zahlreiche Geschichtsstunden und Nerdwissen in einem Buch.

4,5 von 5 Victorians

Freitag, 21. Februar 2025

Alexandra Benedict "Das mörderische Christmas Puzzle"

Einen Krimi mit einem Puzzle zu vergleichen oder vielmehr die Elemente des Puzzles und des Krimis zusammenzuführen, ist eine so naheliegende Tatsache, dass man sie fast übersieht.
Alexandra Benedicts Weihnachtskrimi, ja, ich bin spät dran oder alternativ viel zu früh, erzählt die Geschichte "Das mörderische Christmas Puzzle".

Edie erstellt Kreuzworträtsel für verschiedene Zeitungen. Mit ihren achtzig Jahren hat sie bereits viel erlebt und eine Menge Wissen angehäuft, um Rätselköniginnen und -königen jede Woche von neuem zu intellektuellen Höchstleistungen zu animieren.
Doch kurz vor Weihnachten bekommt sie selbst das vielleicht wichtigste Puzzle ihres Lebens. Denn während sie selbst für andere Kreuzworträtsel entwirft, ist sie passionierte Puzzlerin. Das Päckchen mit mehreren Puzzlestücken vor ihrer Tür versetzt sie somit in eine Ekstase, die sie schon lange nicht mehr verspürt hat. Allerdings weicht dieses Gefühl schnell dem Schreck, als sie auf dem Bild die Uhr ihres Sohnes entdeckt. Mit jeder Post soll sich das Puzzle vervollständigen und immer wieder soll dafür jemand sterben.

Nicht nur Edie darf auf die Suche gehen, auch der Leser wird direkt zu Anfang daraufhin gewiesen, dass in dem Text zahlreiche Andeutungen über Charles Dickens zu finden sind. Welcher Charakter würde bei einer Weihnachtsgeschichte besser passen als Ebenezer Scrooge?
Und so zieht man beim Lesen immer wieder die Parallele zu dem großen Werk von Charles Dickens.

Der Krimi ist allerdings kein Abklatsch oder eine Weiterführung der Geschichte, es ist eher die Stimmung, welcher der Krimi vermittelt, der beim Lesen immer wieder in den Klassiker gedanklich zurückkehren lässt.

Die Handlung und die Personen sind solide. Die Autorin schafft es, ein paar Figuren aufzubauen, mit denen man die Geschichte verfolgen kann und gleichzeitig bleiben die Charaktere am Leben, die eigentlich …

Wer einen Krimi sucht, der mit den Elementen der klassischen Krimierzählung spielt, dabei aber ein bisschen mehr Tempo verträgt und dann noch literarisch interessiert ist, sollte sich für die Weihnachtszeit dieses Buch vormerken. Denn ein Puzzlestück kommt selten allein.

4,5 von 5 Puzzlestücken

Donnerstag, 20. Februar 2025

Autoreninterview Matthias A.K. Zimmermann

Hallo zusammen.

Neben den monatlichen Interviews habe ich euch versprochen, Interviews zu führen, wenn es interessante Neuerscheinungen gibt. Heute hat sich Matthias A.K. Zimmermann die Zeit genommen.

(Buchcover: Matthias A.K. Zimmermann, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mein Weg zum Schreiben war keine gerade Linie, sondern eher ein Art künstlerisches Zickzack. Zunächst habe ich mich mit Musik beschäftigt, was vielleicht erklärt, warum sich in meinen Romanen immer wieder Instrumente und musikalische Motive finden. Danach kam die Malerei. Eine andere Form des Geschichtenerzählens, nur eben visuell. Dann entdeckte ich die digitale Kunst, die mir neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffnete. Irgendwann stellte ich fest, dass mich all diese Wege unbewusst zu etwas führten, das all diese Künste in sich vereinen konnte: zum Schreiben.

Wie planst du ein Buch?
Ich beginne selten mit einer fertigen Geschichte im Kopf. Vielmehr fängt alles mit Fragmenten an: Skizzen, einzelnen Wörtern, Begriffen, losen Ideen. Oft zeichne ich die Schauplätze skizzenhaft auf Papier, um ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen. Ich sammle Wörter, die zur Welt meines Romans passen. Erst dann entstehen die Figuren – oder besser gesagt, sie finden mich. Ich lasse sie in dieser Welt agieren, beobachte, wie sie sich verhalten, und daraus wächst nach und nach eine Geschichte. Natürlich gehören auch klassische Elemente des Storytellings dazu: Spannungsbögen, Konflikte, Charakterentwicklungen.

»IMITATHYOS. Das unendliche Alphabet« hast du über zehn Jahre geschrieben. Eine lange Zeit. Was hat dich immer wieder zu dem Projekt zurückkehren lassen?
Ich arbeite grundsätzlich an mehreren Manuskripten gleichzeitig, oft über Jahre hinweg. So hatte »IMITATHYOS« seinen festen Platz immer im Sommer. Es ist ein Roman, der genau in diese Jahreszeit passt, denn er spielt im Sommer und hat die Struktur einer Reisegeschichte. Im Winter, Herbst und Frühling arbeite ich jeweils an anderen Manuskripten.

Aber erstmal die Frage, worum geht es in »IMITATHYOS«?
»IMITATHYOS« erzählt die Geschichte von Mina, einer Studentin aus Athen, die Schriftstellerin werden möchte. Doch sie hat das Gefühl, dass sie nicht wirklich frei ist – als ob ihr Leben fremdbestimmt wäre. Als sie mit ihrer Schwester und deren Freund einer Einladung auf die futuristische Insel Imitathyos folgt, beginnt für sie eine Reise – oder treffender formuliert: ein alphabetisches Chaos bricht los, das alles in Frage stellt. Die Insel ist kein gewöhnlicher Ort: Sie wurde künstlich erschaffen, besteht aus einem mysteriösen Material namens Meta-S-Polymer und ist auf eine Art karibische Exklusivität getrimmt. Doch was als luxuriöse Urlaubsidylle beginnt, entpuppt sich als ein Ort, an dem die Grenzen zwischen Realität und Technologie und Poesie verschwimmen. Mina gerät in einen Strudel aus Kontrollverlust, künstlicher Intelligenz, vielen Buchstaben und der Frage, wer oder was letztlich über ihre eigene Geschichte entscheidet. »IMITATHYOS« spiegelt viele unserer heutigen Themen wider: die wachsende Rolle der Technologie, künstliche Umgebungen, die perfekter scheinen als die echte Welt, und die uralte Frage nach dem freien Willen. Doch es geht auch um die Macht der Sprache, die unsere Realität formt.

Wie unterscheidet sich »IMITATHYOS« von »KRYONIUM«?
Obwohl beide Romane sich mit Realität und Wahrnehmung auseinandersetzen, gehen sie ganz unterschiedliche Wege. »IMITATHYOS« dreht sich um Sprache als Wirklichkeit. Die Idee, dass Worte unsere Welt nicht nur beschreiben, sondern erschaffen. Mina entdeckt, dass sie durch Sprache Einfluss auf ihre eigene Geschichte nehmen kann, dass sie sozusagen mit den Worten kämpft, die ihre Welt formen. »KRYONIUM« hingegen beschäftigt sich mit Erinnerung und virtuellen Realitäten. Der namenlose Ich-Erzähler findet sich in einer schneeverwobenen, fast märchenhaften, aber dennoch bedrohlichen Umgebung, ohne zu wissen, wer er ist. Während »IMITATHYOS« eine Reise durch eine Welt der Sprache ist, ist »KRYONIUM« eine Reise durch das eigene Gedächtnis, also eine Art Rätsel, das sich Stück für Stück entschlüsselt.

Welcher ist dein liebster Charakter in deinen Büchern?
Mich faszinieren oft die Nebenfiguren, besonders die Vögel. Sie haben in meinen Romanen eine ganz eigene Präsenz. Meistens sind sie unheimlich, aber sie lenken die Geschichte oft in eine völlig neue Richtung. Man denke an den intelligenten Tukan in »IMITATHYOS« oder an die allwissende Eule in »KRYONIUM«.

Was ist dein nächstes Projekt?
Ich arbeite immer an mehreren Romanen gleichzeitig, darunter ein ziemlich umfangreiches Manuskript von etwa 1000 Seiten. Vielleicht wird 2026 ein neuer Roman erscheinen – vielleicht auch nicht. Ich lasse mir Zeit. Thematisch beschäftigt sich dieser doch recht große Roman mit der Unendlichkeit und der Vergänglichkeit. Mich interessiert, wie diese beiden Konzepte zusammenhängen: Kann etwas wirklich unendlich sein, wenn alles irgendwann vergeht? Oder ist Vergänglichkeit nur eine Form der Wiederholung? Diese Fragen treiben mich um. Und vielleicht findet sich die Antwort ja in meinem nächsten Buch. ;-)


(Foto: Matthias A.K. Zimmermann privat)

Nachdem ihr wisst, was Matthias schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
matthias-zimmermann.ch/home/

Nächste Woche gibt es bereits ein weiteres Interview. Wir lesen uns.

Donnerstag, 13. Februar 2025

Kamome Shirahama "Atelier of Witch Hat 4"

Ok, hatte ich etwas von "einfach" gesagt?

Da hat mich der vierte Band doch wirklich kalt erwischt. Düster geht es zu, wenn zwei der Schützlinge sich auf eine Prüfung begeben, die nicht nur sie fordert, sondern auch die Prüferin. Dunkel sind die Seiten und die Zeichnungen wechseln schnell von euphorisch zu betrübt. Ränke werden geschmiedet und nicht nur die Prüflunge werden angegriffen … Man muss sich beim Lesen wirklich zwingen, die Bilder genau zu betrachten, damit man die Feinheiten wahrnimmt und sie nicht in der Hektik überblättert. 

Natürlich drängen sich Sagen oder andere Erzählungen auf, in denen es um Prüfungen oder auch direkt um Leben oder Tod geht, doch diese Reihe hat ihren sehr eigenen Stil. Sicherlich ist es zum einen der Ausdrucksweise des Mangas geschuldet, doch viele Szenen sind nicht so schwarz und weiß, wie es bei anderen Epen gerne der Fall ist.

Dunkelheit, Angst und Chaos dominieren diesen Band und der Cliffhanger zum Schluss lässt den besten Thriller alt aussehen.

5 von 5 Ateliers

Dienstag, 11. Februar 2025

Büchermagazin 2/2025

Wenn man in der Bahnhofsbuchhandlung gerade einmal nicht bei den Büchern oder Comics steht, kann man dort auch vereinzelt Zeitschriften entdecken, die sich mit dem Thema "Bücher" beschäftigen. Ein ums andere Mal geht man an der aktuellen Ausgabe vielleicht vorbei, doch manchmal bleibt der Blick auch hängen - so wie an der Februar Ausgabe des Bücher Magazins. 

Vor einigen Jahren habe ich die Zeitschrift recht regelmäßig gelesen und war froh, dass sie sich ihrem Stil treu geblieben ist.

Buchbesprechungen bilden die Grundlage für die Zeitschrift. Sie legt Wert auf eine große Genrevielfalt und bedenkt dabei sowohl Bücher als auch Hörbücher. Die Kritiken sind jeweils auf das Medium zugeschnitten, sodass man als Lesender genau weiß, was man bekommt.

Dieses Mal bietet die Zeitschrift ein Science Fiction Spezial. Mit den Autor*innen Becky Chambers, Theresa Hannig und Aiki Mira wird ein genauer Blick auf die heutige SF geworfen. Was kann sie, was bietet sie und welche Vertreter*innen sind präsent? Während bei Becky Chambers ein Interview in einen Bericht über ihre Werke eingeflochten wird, bezieht sich der Beitrag über Theresa Hannig und Aiki Mira auf die aktuellen Bücher "Parts per Million" und "Proxi". Bei der Münchner Bücherschau trafen sich die beiden und hierauf wird in dem Artikel mehrfach Bezug genommen.

Für Science Fiction Lesende ein schönes Spezial, für Interessierte definitiv eine Ausgabe mit Hilfe deren man in die Welt der aktuellen Science Fiction erstmalig eintauchen kann.

Montag, 10. Februar 2025

R.L. Stine "Gänsehaut - Das haarsträubende Buch der Schauergeschichten"


Nach dem ersten Gänsehaut-Buch habe ich direkt Lesenachschub bekommen.

In "Gänsehaut - Das haarsträubende Buch der Schauergeschichten" gibt es mehrere Geschichten von unterschiedlicher Länge zu lesen. Die einzelnen Erzählungen spielen dabei mit den jeweiligen Ängsten, die man als Kind der 1980er gehabt haben könnte.

Man merkt beim Lesen allerdings schnell, dass die Bücher schon ein paar Jahre auf dem Markt sind. Die Dinge, die hier als Schauer gezeigt werden, würden wahrscheinlich heute keinen Jugendlichen mehr Angst machen. Jahrmärkte, geheimnisvolle Gänge und dabei immer eine Gruppe von Kindern, die mindestens eins erschrecken wollen …

Doch gerade durch ihre zeitweilige Vorhersehbarkeit haben die Texte einen unglaublichen Charme, sodass man sich beim Lesen unter eine Decke kuschelt und vielleicht ein bisschen unter ihr verschwindet, wenn genau zeitgleich zum Text der Dachboden knarzt.

Nostalgie und Charme, das stelle ich in letzter Zeit vermehrt fest, sind eine gute Grundlage dafür, dass es sich um eine angenehme Lektüre handelt. Der nächste Sammelband wartet bereits auf dem SUB.

4 von 5 Schauern

Freitag, 31. Januar 2025

C. H. B. Kitchin "Das Geheimnis der Weihnachtstage"

Malcolm Warren arbeitet seit einiger Zeit an der Börse und ist sogar mit einem seiner Kunden befreundet. So erscheint es nicht seltsam, dass Mr Quisberg ihn bittet, Weihnachten bei ihm und seiner Familie zu verbringen.
Doch schon bei der Ankunft benimmt sich Mr Quisberg seltsam, rennt durch den Garten, um danach kurzerhand mit seinem Sekretär für einen wichtigen Termin über Nacht zu verschwinden. Doch genau in dieser Nacht beginnt das Unheil und am nächsten Morgen findet Malcolm eine Leiche. Und bei einer soll es nicht bleiben. Zwischen Familienfehden und Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es viele Geheimnisse zu entdecken, manche sind düster, manche sind einfach nur stupide.
Als Leser ist man immer mit Malcolm nah am Geschehen und als die Polizei ihn zum Beobachter vor Ort macht, tauchen wir als Leser noch tiefer in seine Gedankengänge ein, als wir es schon in den vorigen Kapiteln getan haben. Kleiner Spoiler: Gerade das letzte Kapitel bietet auch für erfahrene Krimileser eine Überraschung, mehr will ich dazu nicht verraten.
Zeitweilig kommt die Handlung durch vielfache Wiederholungen ein bisschen ins Stocken und doch ist es wie ein Mantra, was sich Malcolm aufsagt. Wieder und wieder geht er die Vorgänge durch, als ob er dem Leser bei des Rätsels Lösung helfen will. Bei einigen Entdeckungen sind es gerade die Wiederholungen, welche die Gedanken sortieren.
Ein interessanter Krimi, der sich in seiner Umsetzungen an andere Klassiker wie Doyle und Christie annähert, und mit seiner Auflösung auch den klassischen Weg, ohne allzu viele Umschweifen, wählt.
Nicht nur als Weihnachtskrimi zu empfehlen.

4 von 5 Börsengängen

Marianne Labisch & Dominik Irtenkauf "Nova 35"

Die Nova 35 ist eine besondere Ausgabe. Einerseits sind die Texte alle auf Grund von Einladungen geschrieben worden und zum anderen haben nur Frauen Texte verfasst.
Es dreht sich um Gleichberechtigung, Familie, Geburt, Erziehung ... alles aus der Sicht der Frauen.
Als Themenband konzipiert schaffen es die Geschichten zusammen, die unterschiedlichen Facetten, ihre Vor- aber auch Nachteile im Leben einer Frau anschaulich darzustellen.
Die einzelnen Autorinnen gehen dabei sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Mal ist der Text humoristisch, der nächste liest sich wie eine Anklage.
Ob vermeintlich ferne Zukunft oder der Morgen vor der Haustür immer wieder erkennt man Grundzüge oder Verhaltensweisen, die speziell den Frauen zugewiesen werden und einen gewissen Lebensstil vorzugeben scheinen. 
Starke Frauen wechseln sich mit gebrochenen Frauen, die sich ins Leben zurückkämpfen wollen ab. Denn sie alle eint, sie sind stark und haben ihren individuellen Willen. Sie wollen ihren Weg in der jeweiligen Kurzgeschichte gehen und dabei möglichst nicht scheitern. Ob es allen gelingt?
Abgerundet wird die Sammlung mit der Übersetzung eines Textes von Jasmina Tesanovic, in welchem sie vom Tod ihrer Mutter und der Verarbeitung des entstandenen Traumas berichtet.
Welcher Text den Weg in das jeweilige Herz findet, ist eine sehr individuelle Entscheidung, aber alle Texte regen dazu an, über den eigenen Tellerrand zu schauen und mit mehr Verständnis auf die Menschen zu blicken.

4 von 5 Frauen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 30. Januar 2025

Autoreninterview Dieter Korger II

Hallo zusammen.
Ab diesem Jahr gibt es nur noch einmal im Monat ein Interview. Im Januar beantwortet die Fragen ein bereits bekannter Autor: Dieter Korger.

(Foto: Dieter Korger (privat), Illustration: Maximilian Wust)

Ich habe dich schon einmal vor einem knappen Jahr interviewt, aber seitdem ist viel passiert. Inzwischen bist du bei der Exodus auch als Lektor einge-stiegen. Erzähl doch ein bisschen von deiner Tätigkeit.
Eingestiegen bei Exodus bin ich im Spätsommer 2023 als Support für die Schlussredaktion und habe mich dabei, so glaube ich, im positiven Sinne unbeliebt gemacht. Denn ich habe mir bereits gesetzte Texte mal genauer angesehen und durch Vorschläge dafür gesorgt, dass sie noch einen Ticken besser wurden. Daraufhin hat mich René Moreau gefragt, ob ich für ein Erstlektorat zu haben wäre. So bin ich jetzt seit zwei Ausgaben als Lektor dabei.
Bisher haben sich die von mir betreuten Autorinnen und Autoren mit meinen Änderungsvorschlägen zufrieden gezeigt. Natürlich wird auch an der einen oder anderen Stelle Unverständnis geäußert. Allerdings lässt sich so was im Dialog klären – und die Autoren sollen ja weiterhin die Souveränität über ihre Texte behalten.
Was mich anfangs überrascht hat, ist, wie viel Zeit fürs Lektorieren mancher Texte nötig ist. Aus früheren beruflichen Tätigkeiten als Lektor und Redakteur kannte ich das anders … freilich, da waren meist routinierte Schreiber am Werk. Autoren bei Exodus sind ja in der Regel Hobbyautoren. Dennoch ist die Qualität im Schnitt erstaunlich gut.

Deine neue Geschichte durfte ich auch schon lesen. Ich mag ja deine feine Ironie, doch wie bist du auf die Geschichte gekommen?
Feine Ironie ist gut! Meine nächste Geschichte, die in der Exodus Nr. 49 erscheinen wird, bedient sich eher beinharter Ironie – als Grillplatte serviert. Immerhin geht es um das Zukunftsthema Ernährung und die damit verbundene Frage, wie das aussähe, wenn sich die Politik in die individuelle Entscheidung der Bürger einmischen könnte, was noch auf den Teller kommen darf und was nicht. Damit verbunden geht es um Fragen der Selbstbestimmung und das Ausbrechen aus Normen, wobei das Interessante in der Story ist, wer hier aus welchen Gründen ausbricht.
Die Idee dazu entstand aus vielen Facetten: Ich interessiere mich seit jeher für die Themen Welternährung und Landwirtschaft. Ich höre mir an, was Ernährungs- und Gesundheitsexperten zu sagen haben.
Irgendwann habe ich angefangen, mich mit den Konsumgewohnheiten der Menschen und den daraus resultierenden Krankheiten näher zu beschäftigen. Habe das alles schließlich in eine nähere Zukunft übertragen … und rausgekommen ist am Ende meine Story ›Die letzten Carnivoren‹.

Was macht dir im Moment in der Wortwelt am meisten Spaß?
Neben dem Schreiben würde ich sagen: die Geschichten anderer Menschen zu lesen, und zwar solche, bei denen ich neben der eigentlichen Erzählung etwas über die Autorin oder den Autor selbst erfahre. In wirklich guten Geschichten steckt immer auch ein Stück von einem selbst: seien es Wertvorstellungen, Neigungen, Wünsche oder Erinnerungen und Erfahrungen – positive wie negative. Das finde ich faszinierend und bin dankbar für das Vertrauen dieser Autoren, die sich auf die Art ihrem Publikum gegenüber öffnen.

Du hattest mir bei dem letzten Interview von einer Graphic Novel der NATO erzählt. Ist diese inzwischen veröffentlicht?

Die ist erschienen. Im vergangenen Sommer als Download, im Herbst dann für alle Mitstreiter und die obere Befehlsebene als Print. Leider kann man die gedruckte Fassung nicht einfach so bestellen. Aber unter dem Suchbegriff ›NATO 2099‹ findest du die Graphic Novel sofort im Web. Was ich trotzdem ärgerlich finde. Wer will schon einen Comic auf einem Bildschirm lesen?

Wie kam es zu deinem Beitrag?
Die Leiterin des NATO Defense College, Florence Gaub – übrigens ein großer SF-Fan, hatte Ende 2023 auf X einen Aufruf zur Einreichung von Science-Fiction-Storys gepostet: Gesucht wurden Vorschläge von SF-Autoren im gesamten NATO-Raum zu der Frage, wie sich die Sicherheitslage sowie Krisen und Konflikte in der Welt bis 2099 entwickeln könnten. Es hat mich sofort gereizt, mitzumachen. Wissend, dass ja nicht die Story selbst publiziert, sondern deren Essenz und Ideen begutachtet und dann abgeglichen werden würden mit denen der anderen Teilnehmer. Sich wiederholende Muster deuteten dabei auf höhere Wahrscheinlichkeit des Eintretens in der Zukunft hin und wurden in die endgültige Story übernommen. So stieß ich dazu. Ich kann dir einige Stellen in der Graphic Novel zeigen, die meinem Storybeitrag entsprechen.
Eigentlich muss ich mal schauen, was ich mit der ursprünglichen Geschichte noch mache. Die darf ich ja weiter frei verwerten.

Wie schätzt du die Wirkung eines solchen Projektes auf die Science-Fiction-Szene ein?
Derzeit dürfte die Wirkung so gering sein wie die Chance, daran etwas zu ändern. Weil jeder schreibende Fan der fantastischen Literatur hier in Deutschland weiß, dass SF außerhalb der Bubble kein besonders Renommee genießt. So ist es also unwahrscheinlich, dass ein Bundesministerium oder eine politische Stiftung morgen bei einem SF-Autor anruft und fragt, ob der oder die gerne mal in einem Workshop oder ThinkTank mitdiskutieren wolle. In Ländern wie China, den USA und Frankreich ist das anders. Da weiß man den Beitrag der SF für Zukunftsthemen viel mehr zu schätzen.
Eine rühmliche Ausnahme hierzulande bildet die Politikwissenschaftlerin Isabella Hermann, die übrigens mit Aiki Mira einen interessanten Zukunfts-Podcast präsentiert.

An was schreibst du aktuell?
Bei mir sind zwei Kurzgeschichten in der Pipeline, von der die eine fast fertig ist und hoffentlich ein gutes Zuhause findet. Bei der zweiten warte ich noch ab, ob eine bestimmte Ausschreibung demnächst erfolgt, bevor ich mich mit der näher beschäftige. Beide Geschichten führen endlich wieder in die Tiefen des Weltraums. Ist bestimmt nichts für Perry Rhodan-Fans, aber bestimmt was für Freunde der feinen Ironie.
Ja, und dann ist da noch dieses Herzensprojekt … ich würde gerne eine Geschichte schreiben, die sich an meinen Zeitreise-Roman ›Cyprus Tower‹ anlehnt. Ebenfalls als Roman oder als Novelle. Allerdings diesmal ohne Trip in eine ferne Zukunft. Vielmehr schwebt mir ein Setting in einer tropischen Gegend vor, in unserer Zeit. Es gibt noch einige andere Voraussetzungen, die da stimmen müssen. Und so wie es aussieht, habe ich das passende Land gefunden, in dem die Story spielen könnte. Dort werde ich in wenigen Wochen hinreisen und mich vor Ort umsehen und recherchieren. Zu dem Zweck habe ich im letzten halben Jahr massiv in den Wiederaufbau meiner Spanischkenntnisse investiert. Die Menschen vor Ort können mir bestimmt viele Inspirationen geben.

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 29. Januar 2025

Tessa Maelle & Mario Franke & Uli Bendick (Hrsg) "Science-Fiction goes Punk"

Wie viel Ahnung hast du von Science Fiction?
Warum ich das frage?
Zähle doch einmal durch, wie viele Genres du zusammen bekommst.
Hast du eine Zahl?
Ich wette, sie ist nicht annährend so hoch, wie die Anzahl, die in dieser Anthologie vorgestellt wird.

Die Herausgebenden haben ein Konzept umgesetzt, dass mir bisher in dieser Form noch nicht begegnet ist.
Zwei Protagonistinnen werden in der Einleitung vorgestellt und reisen mit Portalschlüsseln durch die verschiedenen Genres.
Dabei wird jedes Genre mit einer kurzen Einleitung vorgestellt und bekannte Bücher oder Filme dieser Gattung als Referenz benannt.
Im Anschluss folgt eine Kurzgeschichte mit den Protagonistinnen, die sich der jeweiligen Elemente des Genres bedient.
Neben den verschiedenen SF-Ansätzen merkt man auch die jeweilige Stimmfarbe des Schreibenden. So sind manche Geschichten im Ton etwas härter oder auch radikaler, andere aber auch wieder sanfter und zugänglicher.

Neben der spannenden Idee ein kleines Lexikon in die Anthologie einzufügen, zeigen die Texte, wie vielseitig Science Fiction sein kann und sich längst nicht alles um Ufos und Aliens dreht.

Viele Fragen werden in den Erzählungen laut:
Wie könnte die Menschheit überleben? Oder was wäre, wenn die Menschheit sich früher anders in ihrer Entwicklung entschieden hätte? Ist diese Welt die perfekte? Welcher Herrschende ist die richtige Wahl?
Dazu werden auch individuelle Fragen laut.

Die Protagonistinnen sind in jeder Geschichte ein bisschen anders und auch das macht den Charme der Sammlung aus. Denn, welcher Mensch verhält sich schon jeden Tag genau gleich.

Ein Buch für Science Fiction Entdecker oder auch jene, die aus ihrer präferierten SF Ecke einmal aufbrechen wollen.


5 von 5 Welten


Danke an den Verlag für dad Rezensionsexemplar.

Montag, 27. Januar 2025

Pete Farn "Planet der Navigatoren"

Hat jemand schon einmal gezählt, wie oft Außerirdische bereits in Buch und Film die Erde erobert haben?
Wie oft die Menschheit ausgelöscht oder unterjocht wurde
Wie oft andererseits die sogenannten Aliens sich über unsere mangelnde Intelligenz beschwert oder sich über unsere Kriegsführung lustig gemacht haben?

Ohne jetzt die dazugehörige Statistik zu kennen, schätze ich, dass die Menschheit oftmals schlecht wegkommt, wenn sie denn überhaupt überlebt.
Doch was hat das alles mit "Planet der Navigatoren" zu tun?

Wie die Inhaltsangabe schon verrät, auch hier ist die nette Frau, die an der Tür klingelt, nicht das, was sie scheint.
Doch Ed ist von seinem nahezu langweiligen Leben so frustriert, dass er dieser Frau in ein Bürogebäude folgt, sich in einen Sessel setzt und nach zwei Stunden wieder aufwacht - ohne irgendeine Erinnerung. Gut bezahlt ist der Job dazu auch noch, was immer mehr seine Zweifel und die seiner Freunde schürt.
Spätestens als die Konkurrenz an seine Tür klopft und ihm das gleiche Arrangement noch einmal vorschlagen will, wird Ed hellhörig, aber da ist es schon fast zu spät.

144 Seiten sind nicht die Länge, die man bei einem Science Fiction Roman erwarten würde und doch passt bei dem Roman alles zusammen. Denn während Dystopien düster und Utopien hoffnungsvoll daherkommen, hat man bei diesem Roman fortwährend ein Schmunzeln im Gesicht. Die Invasion der Außerirdischen wird nicht etwa parodiert, aber so manche Dinge werden doch charmant aufs Korn genommen (am liebsten mag ich immer noch die Szene mit den Raumschiff-Tätowierungen). Der Humor ist dabei nicht plakativ, sondern gerne unterschwellig und wechselt sich dabei mit ernsten Szenen ab. 

Dabei gelingt es dem Autor auch, durch Beschreibungen von Farben und Klängen ein erweitertes Bild im Kopf des Lesers zu erzeugen und ihn schon nach kurzer Zeit in die Geschichte hinzuziehen.  Alltag und Alien wechseln sich in der Erzählung so ab, dass sie ein stimmiges (soweit möglich) Bild ergeben und man sich stets gut unterhalten fühlt.

4,5 von 5 Navigatoren

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Montag, 20. Januar 2025

Jörg Weigand "Musica Fantastica"

Leise verklingt der letzte Anschlag des Klaviers, wenn man das Buch schließt. In zweiundzwanzig Kurz- und Kürzestgeschichten führt Jörg Weigand den Leser durch die verschiedensten Klangwelten. Schon oft habe ich in meinen Interviews die Autoren gefragt, ob sie der Meinung sind, dass man auf mehreren Gebieten kreativ tätig sein kann. Das eine Kreativität die andere fördert und auch bedingt. Die Antworten waren dabei sehr unterschiedlich, doch würde ich die gleiche Frage diesem Autor stellen, denke ich, er würde die Frage bejahen. 
Man hört den Takt, man spürt den Beat, man summt leise die Melodie. All das schafft der Autor oftmals in sehr kurzen Geschichten, da viele der Texte erstmalig in den Phantastischen Miniaturen der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar veröffentlicht wurden.
Einige seiner Figuren z.B. Meister Li tauchen mehrfach in den Texten auf, doch der Autor sorgt für eine ausgewogene Mischung. Hier ein Text über ein Klavier, dann einer über mysteriöse Glocken, die ohne Antrieb läuten. Der Schluss brilliert mit dem vermeintlichen Ausflug einer Boyband ins All.
Gibt es nicht? Doch.
Denn Jörg Weigand hat in seiner langen Schriftstellerkarriere so manchen Text mit musikalischen Hintergrund geschrieben, mal lustig, mal nachdenklich. 
Eine erlesene Auswahl ist in "Musica Fantastica" erschienen und zeigt die schriftstellerische Bandbreite des Autoren.
Und somit Vorhang auf und lasset die Musik beginnen.

4,5 von 5 Vorhängen

Sonntag, 19. Januar 2025

Matthias A.K. Zimmermann "Imitathyos"

In einer Welt, die auf stetige Optimierung setzt, kommt sich Mina zunehmend allein vor. Doch ihren Herzenswunsch, Autorin zu werden, kann sie sich trotz des nahezu abgeschlossenen Psychologiestudiums nicht verwehren. Dabei spielt ihr in die Karten, dass ihr Computer die Abschlussarbeit "vernichtet" hat und sie dies somit als Zeichen deuten kann, dass das Schicksal ihren Gedanken gewogen ist. Eigentlich will sie sich ein paar Tage auf dem Olymp entspannen, doch zuvor erreicht sie eine Nachricht ihres Bruders, der sie, ihre Schwester und deren Freund auf die exklusive Insel "Imitathyos" einlädt.
Schon die Überfahrt hält so manche unangenehme Überraschung bereit und als die drei schließlich die Insel erreichen, ist der Bruder nicht zu sprechen. Immer wieder werden sie vertröstet und so suchen sich die drei ihre eigene Beschäftigung. Welche ungeahnten Auswirkungen dies auf die Zukunft des jeweils einzelnen und auch auf das gemeinschaftliche Gefüge haben wird, das können weder die Figuren noch der Leser erahnen. Nur der allwissende Erzähler.
Schon bei "Kryonium" hat Matthias A.K. Zimmermann gezeigt, dass er mühelos die Grenzen von Genres und auch dessen "was man schreibt" verwischen kann. So liest sich das neue Werk anfangs wie ein Selbstfindungsbuch, wird dann zum Abenteuerroman, biegt über den Thriller ab, um letztlich in der Science Fiction zu landen. Es gibt bei ihm schlichtweg keine Genregrenzen und auch der sprachliche Aufbau birgt für den Leser so einige Herausforderungen. Denn auch hier übertritt er mehrfach die Konventionen und zieht den Leser in seinen eigenen Kaninchenbau.
Als verbindendes Element begleiten den Leser durch alle Kapitel eigenwillige Worte oder Wortgebilde, welche die Besonderheiten des Romanes unterstreichen. Sie werden nach und nach aufgriffen, um spätere Resultate früheren Handlungen zuzuordnen. Kein Wort ist zuviel oder gar am falschen Platz. Man merkt an vielen Details, wie durchdacht und geplant dieser Roman ist. 
Dabei muss man ihm beim Lesen die Zeit geben, sich im Kopf entfalten zu können, denn dieses Buch ist wahrlich kein "fast food". So wirr es zwischenzeitlich erscheint und so verstörend manche Kapitel sein können, wie man so schön sagt, am Ende ergibt alles einen Sinn. Selbst für den Leser.

5 von 5 Inseln

Samstag, 18. Januar 2025

Oliver Hoffmann "Moriarty trinkt Tee"

It's tea time in der Baker ...
Ach nein, falsch. Wir befinden uns gar nicht in der Baker Street. Die Geschichte spielt zwar in dem Universum des Sherlock Holmes', doch er ist lediglich eine Randfigur, die ihrer Sucht zunehmend erlegen scheint. So ist es an Moriarty, die Unschuld von John H. Watson zu beweisen, denn dieser weilt im Gefängnis. Er soll einen Mann vor eine Droschke gestoßen und so dessen Schicksal besiegelt haben. Kurzerhand trommelt Moriarty die Ermittlertruppe des ersten Bandes erneut zusammen. So ziehen Molly, Colonel Moran und die Hausangestellten los und finden schnell heraus, dass der Teemagnat keine so saubere Weste hat, wie er den Eindruck vermitteln will. Noch schlimmer ist allerdings seine Frau, eine ehemals drittklassige Schauspielerin. Sie hat viel zu verlieren, denn ihr Geheimnis ...

Ich möchte nicht behaupten, dass es Sherlock Holmes Pastiches wie Sand am Meer gibt, doch es haben sich nach Sir Arthur Conan Doyle schon viele Schreibende an seinem Plot oder zumindest an dessen Personalgefüge versucht. 
Hier neue und zugleich schlüssige Ideen in eine Romanform zu gießen, bedarf viel Fingerspitzengefühl., denn die Lesenden sind wählerisch. Zu nah am Original gilt der Text als Abklatsch, zu weit entfernt und schon wird gemeckert, dass man in der Interpretation zu frei war. 
Natürlich muss Oliver Hoffmann einige Grundsätze ändern, damit seine Version des Sherlock Holmes Universums funktioniert. Gleichzeitig fährt er viele Geschütze auf, die das Viktorianische Zeitalter an Vorurteilen zu bieten hat, um den Leser von der eigentlichen Spur abzulenken.
Sein Schreibstil passt sich dabei den einzelnen Szenen wunderbar an, ruhige Szenen sind gefasst und dynamische Szenen schnell verfasst, ohne dabei in einen Thrillermodus zu entarten.
Ein Krimi der klassischen Art, der Moriarty in ein menschlicheres Licht rückt.

4 von 5 Teetassen

Mittwoch, 15. Januar 2025

Dirk C. Fleck "Gefleckte Diamanten"

Ein Autorenleben in Gedanken.
Thematisch strukturiert von Marina Silalahi wird der Leser in die Gedanken von Dirk C. Fleck entführt. Dabei geht es lustig, rührend, aber auch kritisch zu.
Mit seinen über achtzig Jahren hat Dirk C. Fleck viel erlebt und so zu vielem seine Meinung.
Eingängige Sprüche und nachdenkliche Sätze wechseln sich bei der Lektüre ab und somit sind die Texte immer wieder für eine Überraschung gut.
Doch den Lesefluss hemmt diese Gestaltung ein wenig.
Oftmals fehlt der Kontext, in welchem die Aussage getroffen wurde und deswegen wirken einige Formulierungen richtiggehend verloren.
Dabei liest es sich spannend, wenn große, bekannte Ereignisse sich durch das Buch als roter Faden ziehen und Dirk C. Fleck seine Meinung zu den Dingen kundtut.

4 von 5 Textelementen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Januar 2025

Hans-Dieter Furrer "Die geheimnisvolle Sphinx"

Wenn wir zum Buch greifen, wollen wir dem Alltag, seiner (Un-)Logik und seiner Monotonie entfliehen. Wir wollen in Welten eintauchen, die wir zwar verstehen können, die aber doch so ganz anders sind, als die, in welcher wir leben.
Viele Autoren formen eigene Welten, Welten, in denen unsere Gesetze nicht gelten und wo die Fantasie den Realismus bis zu einem gewissen Grad überlagert. Eigene nutzen aber auch unsere Welt und platzieren ihre Erzählung in sie hinein.
Und dann gibt es Ausnahmen. Ausnahmen, die die eigene Vorstellungskraft beflügeln und in ungeahnte Welten eintauchen lassen.
Was ich damit meine? Nun, Hans-Dieter Furrer hat seine eigene Art, die Leser in seine Erzählungen zu ziehen. Denn, habt ihr euch schon einmal vorgestellt, ihr steht vor einem Gemälde, starrt es an, über Monate und auf einmal findet ihr euch in dem Gemälde wieder und tanzt mit den Bauern um den Dorfanger? 
Oder ihr geht in einen Keller und kommt in einer ganz anderen Stadt wieder heraus?
Die charmante Erzählweise, der Ideenreichtum und auch der Wechsel zwischen witzigen und spannenden Texten macht diese Sammlung zu einem Leseerlebnis der ganz besonderen Art. 
Ein Autor, der durch seine eigene Art, im Buchstabendschungel des Einheitsbreis hervorsticht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Die meisten Geschichten in "Die geheimnisvolle Sphinx" sind zuvor in den Phantastischen Miniaturen, herausgegeben von Thomas Le Blanc in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, erschienen.

4,5 von 5 Miniaturen

Danke an pmachinery.de für das Rezensionsexemplar.