Sonntag, 27. Februar 2022

Andreas Suchanek "Flüsterwald - Der Schattenmeister erwacht"

Im vierten Band der Flüsterwald-Saga geht es um die ganz großen Themen. 
Nachdem der Schattenmeister dabei ist, zu seiner alten Größe zu erstarken, haben es Lukas, Ella, Rani, Punchy und Felicitas schon schwer genug das Ringen, um die Herrschaft über Winterstein und den Flüsterwald zu bestehen.
Was ihnen da noch richtig gefehlt hat, ist... ein Menok-Weibchen. Pera...
Ein Menok ist für ein Abenteuer, ich will nicht sagen, hinderlich, aber es grenzt doch schon an ein Wunder, wenn nicht noch mehr zu schaden kommt, als eh schon zerstört wird. Rani ist nicht er selbst, denn fortwährend versucht er Pera zu beeindrucken, auch wenn er dabei mit dem Feuer spielt.
Doch nicht nur Rani hat sich seinen eigenen, nennen wir es, Problemen zu stellen, Lukas muss in seiner Position als Siegelwahrer immer wieder über sich hinauswachsen, damit das Gute im Flüsterwald eine Chance hat.
Andreas Suchanek führt im vierten Band die Ereignisse aus den ersten drei Bänden gekonnt zusammen und lässt den Leser dabei noch neue Winkel des Flüsterwaldes entdecken.
Die Liebe zu Büchern, Listen und überhaupt die Freude, Bücher zu schreiben, zu sammeln, zu katalogisieren und ihnen einen entsprechenden Raum im Leben der Bewohner von Winterstein und des Flüsterwaldes zu gewähren, durchdringt das ganze Buch.
Trotz ernster Themen baut der Autor auch ein Gerüst auf, dass den Leser mit guten Werten auffängt. An sich selbst glauben, über sich selbst hinauswachsen, Freunde finden, sind genauso, wenn nicht sogar wichtiger, für die Geschichte, wie die ernsten und zeitweise bösen Seiten. 
Eine gekonnte Mischung aus Spannung, Freude, Spaß und auch etwas fürs Herz runden das Buch zu einem Lesevergnügen ab, sodass man, trotzdem man den Flüsterwald eigentlich nicht verlassen will, das Buch inhaliert, weil die Geschichte einen nicht mehr loslässt.
Der Epilog schürt die Hoffnung darauf, wie es weitergehen könnte, doch das ist dann eine andere Geschichte.

5 von 5 Folianten

Samstag, 26. Februar 2022

Ellis Corbet "Kalt lächelt die See"

"Kalt lächelt die See", als Rob eines Morgens mit seinem Schiff vor Guernsey unterwegs ist. Denn obwohl er um diese Zeit meist allein hier draußen ist, sieht er ein weiteres Boot. Unbemannt. Halb aus Neugierde, halb aus Sorge, nähert er sich dem Boot. Doch als er Blut entdeckt, ist es mit seiner Abenteuerlust vorbei und die Polizei von Guernsey wird informiert. DI Kate Langlois soll mit ihren Kollegen ermitteln, was auf dem Schiff passiert ist. Was sich erst als Vermisstenfall darstellt, bekommt eine ganz andere Relevanz, als klar wird, wer das Boot gechartert hat. Zwei Jahre zuvor war ihr Kind verschwunden und der Fall ist bis heute ungeklärt. Doch hängen die beiden Begebenheiten zusammen?
Man sagt zwar immer wieder gemeinhin, man kann das Rad nicht neu erfinden, doch bei diesem Auftakt zu der Krimiserie, die auf Guernsey angesiedelt ist, kann man als Leser doch manchmal den Eindruck bekommen, dass es doch ab und zu die berühmte Ausnahme gibt.
Unter dem Pseudonym Ellis Corbet ist der Autorin ein kleiner Geniestreich gelungen.
Noch nie habe ich einen Krimi gelesen, der soviel Lokalkolorit enthält, dass ich manchmal überlegt habe, ob ich noch einen Krimi lese oder doch einen Reisebericht. Das Buch zieht den Leser in die kleinen Gassen auf Guernsey und Jersey, man wechselt zwischen den Orten wie auch den handelnden Personen. Dabei ist das Buch flüssig zu lesen und auch wenn Personen- und Ortswechsel häufig kommen, hilft gerade die bewusste Erwähnung von einem weiteren Ermittlungstag dem Leser ein zeitliches Raster im Kopf aufzubauen. 
Einzelne Puzzlestücke werden wie Brotkrumen für den Leser ausgelegt, sodass man als Leser die wahre Freude hat, sich selbst als Detektiv zu fühlen, da man Zugang zu allen Fakten des Falles hat.
Die Einheit der kleinen Insel, eine kleine romantische Sequenz, kleine alltägliche Reibereien runden diesen Krimi zu einem gelungenen Auftakt ab, der einen hohen Maßstab an den baldigen zweiten Band legt.

4,5 von 5 Kanalinseln

Mittwoch, 23. Februar 2022

Janosch "Janosch erzählt Grimm's Märchen"

Frei nach dem Motto, für Märchen ist man nie zu alt, ging es beim Vorlesen dieses Mal um Grimm's Märchen erzählt von Janosch. Als Kind habe ich mehrere Bücher von Janosch gelesen und um Märchen eher einen Bogen gemacht, aber dieses Buch musste einfach bei einem Bücherbummel mit nach Hause.
Auf 256 Seiten erzählt Janosch insgesamt 54 Märchen der Gebrüder Grimm nach, untermalt sind die Märchen mit passenden Illustrationen. Doch wozu passend?

Hier kommt der Haken.
Wenn man sich bei dem vorliegenden Buch erhofft hat, dass man die Grimmschen Märchen in moderner Sprache vorgestellt bekommt, liegt man damit nicht grundsätzlich falsch, allerdings sei erwähnt, dass zurecht auf dem Cover "Janosch erzählt.." steht.
Janosch nimmt sich bei seiner Fassung sehr viele Freiheiten. Zum einen werden die Märchen in Sprache und auch inhaltlich modernisiert, aber es werden auch Geschichten verändert. In sich sind die Geschichten wieder stimmig, sie weichen aber doch teilweise sehr von der ursprünglichen Geschichte ab.
Nicht nur einmal wird in einer Geschichte herzhaft geflucht, nicht nur einmal ist eine Geschichte sehr sarkastisch.
Hatte ich angenommen, das Buch ist für Kinder gedacht, muss ich doch feststellen, dass es eher für ältere Kinder oder Erwachsene gedacht ist.
Die plakative Ironie richtet doch eher an Leser, die schon einiges gelesen haben und die Kritikpunkte verstehen können.
Daher ist das Buch nicht das, was ich erwartet hatte, aber es hat mir trotzdem gut gefallen.

4 von 5 Märchen

Montag, 21. Februar 2022

Nils Westerboer "Athos 2643"

Auf Athos, einem kleinen Mond des Neptuns, kommt es zu einem tödlichen Unfall.
Ein Mönch des dort ansäßigen Klosters verliert trotz der KI vor Ort sein Leben.
Rüd Kartheiser reist als Inquisitor der Obhut zur Untersuchung nach Athos; im Gepäck, die neue Kalibrierung für die KI.
Seine persönliche Assistentin Zack begleitet ihn und auch wenn der eigentliche Eingriff schon keine alltägliche Aufgabe für Kartheiser ist, so ist es nur die oberflächliche Betrachtung einer Mission, die von Minute zu Minute tiefgreifender und umfassender wird. Denn was hier geschieht, bleibt nicht auf Athos. Nichts war so, wie es jemals schien.
Denn spätestens als der Inquisitor von den Mönchen ausgeschlossen wird und nur Zack noch mit ihnen die Messe besuchen darf, wird klar, irgendwas stimmt hier nicht. So gar nicht. Liegt es an den verlassenen Minen? Am nicht genutzten Kletterpark?
Trotz der Anwesenheit des Inquisitor und trotz der eingehenden Gespräche mit der KI lässt sie zu, dass ein weiterer Mensch brutal zu Tode kommt. Hat sie denn gar nichts gelernt?

Der Roman, der oberflächlich Science-Fiction und Kriminalroman in sich vereint, ist aber wesentlich mehr als es im ersten Moment den Anschein hat. Wie bei einer Zwiebel liest man sich durch die verschiedenen Sphären, Geschichten, Elemente. Man wird konfrontiert mit Ethik, Moral, Geschichte, biegt ab über Technologie bis hin, zu der Frage, "Was erlaubt sich der Mensch, allwissend und die letzte moralische Instanz zu sein?"
Ein Roman, der eine Sogwirkung entwickelt, sobald man auf Athos angekommen.
Ein Roman, der Klischees vordergründig bedient, um sie dann Stück für Stück in ihre Einzelteile zu zerlegen.
Ein Roman, der den Leser sprachlos zurücklässt. Viele Fragen werden beantwortet und doch will man soviel mehr über die Welt um Athos wissen.
Ein Roman, der das Gehirn des Lesers einmal kräftig durchschüttelt, Altbekanntes hinterfragen lässt und die Frage aufwirft, "Weiß man als Mensch wirklich, was gut für einen ist?"

5 von 5 Inquisitoren

Sonntag, 20. Februar 2022

Ursula Neeb "Die Schrecken des Pan"

Als Aleister Crowley im ehrwürdigen Holloway-Sanatorium weilt, kann es gar nicht anders sein, als dass er mit den brutalen Morden zu tun hat, die in der Nähe des Sanatoriums stattgefunden haben. Zu sehr sind sie von Brutalität geprägt und zu sehr weist seine Vergangenheit auf seine Schuld hin. Doch Crowley ist nicht mehr der, der er mal war. Die Jahre haben ihre Spuren hinterlassen und doch gibt es Rätsel in der Vergangenheit, die nur durch seine Anwesenheit und seinen Einfluss begründet scheinen. Zu Recht? 
Die junge Krankenschwester Maureen Morgan, die Crowley pflegt und seinen Entzug begleitet, bekommt von ihm eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die fast so fantastisch ist, wie das Leben Crowleys. Will er sich rechtfertigen? Will er die Schuld lediglich von sich schieben? Oder gibt es gar einen Menschen, der noch kaputter ist als er selbst?
Welch ein Plot, um einen gruseligen, mystischen, unheimlichen und vor allem britischen Krimi zu schreiben.

Die Zeit, die Begebenheiten und auch die kulturellen Hintergründe sind gut recherchiert und der Leser begibt sich mit der Autorin in eine Zeit, die noch nicht soweit weg von unserer heutigen ist, und doch gesellschaftlich eine ganz andere Struktur widerspiegelt. Sanatorien hatte zu dieser Zeit einen gehörigen Zulauf, sei es des Alkohols, der Schwindsucht, der Spielsucht oder gar der zahlreichen anderen Laster wegen oder einfach deshalb, weil die bucklige Verwandtschaft einen an der Klatsche hatte und damit nicht präsentabel war. 
Der Krimi ist in sich schlüssig gezeichnet, verschiedene Gruppierungen treiben die Handlung mal in die eine, mal in die andere Richtung, voran.
Spannung kommt während des Buches immer wieder auf und man fiebert bis zum Schluss mit, wer denn nun für diese Grausamkeiten verantwortlich ist.

Auf Grund der Inhaltsangabe hatte ich mir das Buch anders vorgestellt. Ich hatte gedacht, das Buch würde die meiste Zeit im Sanatorium spielen und die Handlung wäre hauptsächlich dort angesiedelt. Sicherlich spielt ein Teil der Handlung auch dort, aber viele der Nebenhandlungen führten mir ein wenig zu weit vom Sanatorium weg.

3 von 5 Panflöten

Als Blogger_in schreiben


Das heutige Thema zum Bloggersonntag lautet #Als Blogger_in schreiben. 
Hätte man mir vor drei Jahren jemand gesagt, dass ich hier sitze und diese Zeilen tippe, hätte ich die Person gefragt, ob sie etwas Falsches zum Frühstück gegessen hätte.

Denn, ich habe immer gerne über Bücher geredet, doch leider hat mein Umfeld entweder nicht gelesen oder nicht das, was mich zu diesem Zeitpunkt interessierte. Somit empfand ich meinen Buchgeschmack nicht alltäglich und irgendwann redete ich nicht mehr viel darüber, was ich las und auch das Lesen ansich ließ nach. Eines Tages las ich in einer Bücherzeitschrift über eine Buchapp, in der es nur um Bücher und Rezensionen ging. Einige Zeit habe ich dort verbracht und Menschen kennengelernt, die mir zeigten, dass mein Geschmack auch durchaus auf andere Leser zutrifft und ich begann wieder mehr Zeit mit Bücher zu verbringen.

Als Blogger habe ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nie gesehen und auch heute fällt es mir schwer, mich als solcher zu begreifen. Spätestens als ich mich auf Instagram angemeldet habe, ging alles irgendwie Schlag auf Schlag. Durch die Zeichenbegrenzung und den Aufbau von Instagram konnte ich meine Beiträge nicht so strukturieren, wie ich es gerne wollte. Nach einigem Anschieben von lieben Menschen auf Instagram hatte ich auf einmal einen Blog und auch die Rezensionen veränderten sich. Weg von der klassischen Inhaltsangabe, hin zu erzählenden Elementen oder gar Interviews mit Romanfiguren waren plötzlich nur einige Ideen, die in meinem Kopf nach und nach Gestalt annahmen.

Aber selbst Geschichten schreiben? Nein. Vor noch nicht einmal eineinhalb Jahren (mit ausgewählten Ausnahmen) hätte ich niemals den Laptop mit meinen eigenen Geschichten befüllt. Wer sollte denn meine Geschichten lesen wollen? Doch wie schon beim Blog stehen auf einmal mehrere Menschen hinter mir und schieben das Projekt "Schreiben" an, wie sie es schon beim Projekt "Bloggen" gemacht haben.

Sicherlich ist es schwer, denn man hat ja noch einen Brotjob, andere Verpflichtungen und die Zeit, die man sich zum Schreiben nimmt, kann man nicht zum Lesen, also zur Grundlage des Bloggens nehmen, aber was soll ich sagen? Im Moment ist beides toll. Man muss die Zeit einfach aufteilen!

Donnerstag, 17. Februar 2022

Autoreninterview Lisa Kirsch

Hallo zusammen.
Heute geht es weiter mit Lisa Kirsch. Nachdem sie uns letzte Woche schon vorgestellt hat, was sie selber gerne liest, geht es diese Woche darum, wie sie schreibt, was sie inspiriert und was sie tut, wenn ihr zu viele Geschichten auf einmal einfallen.


Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mehr oder weniger durch Zufall. Ich habe es eines Tages einfach probiert (angestachelt von und gemeinsam mit einer guten Freundin). Es war nie geplant und ehrlich gesagt auch nie ein Traum von mir (das hätte ich einfach nie auch nur zu hoffen gewagt). Vielleicht hat es deshalb so gut und schnell funktioniert, weil ich das Ganze ohne Druck und Erwartungen angegangen bin.

Deine Figuren machen fortwährend in ihren Geschichten Entwicklungen durch, was wäre, wenn du nicht mehr schreiben wolltest. Was wäre dein nächstes Ziel?
Ich mach neben dem Schreiben noch eine Ausbildung zur Systemischen Therapeutin und ich denke, ich würde in diesem Bereich arbeiten (als Coach o.ä.).

Was fällt dir schwerer dir Figuren auszudenken oder Orte in den Köpfen der Leser zu kreieren?
Definitiv die Figuren. Bei manchen ist es leicht, sie sind einfach da, oder mir so ähnlich, dass ich nicht viel machen muss, sie schleichen sich von selbst aufs Papier. Aber bei manchen ist es harte Arbeit, besonders bei bösen Figuren, in die ich mich erst hineindenken muss.


Welches Buch hat dich beim Schreiben am meisten beeinflusst?
Ich glaube nicht, dass ich da ein einziges Buch nennen kann, alles was ich lese, beeinflusst irgendwie mein Schreiben, aber es gibt natürlich einige Bücher und AutorInnen, die ich immer wieder zur Hand nehme, weil sie mich inspirieren und ich von ihnen lernen kann. Zuletzt hat mich Madeline Miller extrem beeindruckt, ich habe unzählige Sätze und Abschnitte in ihren Büchern markiert, um sie mir später noch einmal anzusehen.

Welcher deiner Charaktere ist dir am meisten ans Herz gewachsen?
Tatsächlich ist das Jane aus meinem allerersten Buch „Nannys küssen besser“ (das es nur als Ebook gibt). Marie aus "Das Glück in vollen Zügen" mag ich aber auch sehr gerne.

Wenn dir mehrere Geschichten gleichzeitig einfallen, wie entscheidest du, welche du zuerst niederschreibst?
Ich höre immer sehr stark auf meine Intuition. Die sagt mir, wann welche Geschichte dran ist. An manchen Tagen spüre ich einen regelrechten Drang, etwas Bestimmtes aufzuschreiben, eine Szene, eine Kapitel - und an anderen kann ich an die Geschichte nicht ran und habe keine Verbindung zu ihr. Ich mache das dann immer so, wie ich es gerade fühle, und bisher klappt das echt gut.

Mit welchen anderen Autor würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?

Puh, da gibt es seeeehr viele, aber ich glaube am liebsten Louise Erdrich. Über sie habe ich meine Masterarbeit geschrieben und ich bewundere sie und ihre Bücher sehr.

Dein neues Buch "Querbeet ins Glück" beschäftigt sich mit Gärtnern. Hast du einen grünen Daumen?
Ich liebe Pflanzen sehr, meine Wohnung ist ein kleines Gewächshaus, aber leider habe ich noch nicht so richtig gelernt, gut auf meine Pflanzen aufzupassen, es gibt sehr oft Verluste unter ihnen zu beklagen. Man muss aber dazu sagen, dass meine Wohnung leider auch sehr dunkel ist – ich schiebe es einfach mal auf diese Tatsache.

Welches Buch liegt zur Zeit auf deinem Nachttisch?
Etwa 15 – ich lese immer parallel. Unter anderem aber „Ein Mann im Haus“ von Ulla Hahn und „Boys Don’t Cry“ von Fiona Scarlett.

Was wäre dein Tipp für Schreibanfänger?
Lesen, lesen, lesen. Jeden Tag. Wann immer es geht. Ohne die Sprache zu beherrschen, kann man nicht gut schreiben. 


Nachdem ihr nun wisst, was sie liest, könnt ihr hier schauen, was sie schreibt:
instagram.com/mina_gold

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und bis bald zu einem neuen Interview.

Andreas Gruber "Northern Gothic - 13 unheimliche Geschichten"

Anthologien gibt es viele, aber habt ihr schon mal eine Anthologie mit nur einem Autor gelesen? Nicht, ich bisher auch nicht. Nach dem Motto, öfter einmal etwas Neues hat sich die erste von bisher sieben Anthologien vorgedrängelt und wollte jetzt gelesen werden.
Was soll ich sagen?
Wer schon öfters Anthologien gelesen hat, weiß um den Charme, den diese gerade durch ihre Vielfalt an Autoren hat und welche Bandbreite an Themen damit einhergeht. 
Kann ein einzelner Autor das auch?
Kann er zum Thema "unheimliche Geschichten" auch so verschiedene Geschichten schreiben, dass es nicht zu einheitlich wirkt?
Kurz und prägnant, Andreas Gruber kann.
In seinen 13 Geschichten, von denen 12 in früheren Jahren in anderen Anthologien oder Zeitschriften erschienen sind, greift er nicht nur verschiedenste gruselige Elemente auf, nein, er reist auch durch die Zeit, um literarische / historische Figuren in seine Geschichten einzubetten. Sei es ein Sherlock Holmes oder ein Heinrich Heine.
Was gruselig ist, ist dabei natürlich eine sehr persönliche Wahrnehmung und somit sind die Geschichten mal schaurig, mal gruselig, mal verstörend und manchmal schüttelt man einfach nur den Kopf, weil der Autor einen hübsch an der Nase herumgeführt hat.
Eingeleitet werden die Geschichten mit kleinen Anekdoten, wann und wie die Geschichten entstanden sind, ob sie für die Anthologie verändert wurden. Weiterhin lässt der Autor sich ab und zu in die Karten schauen, was ihn zu der jeweiligen Geschichte inspiziert hat.
Sehr unterschiedlich in der Länge und somit auch sehr verschieden in ihrer Komplexität bietet der Autor dem Leser 13 Geschichten zum Gruseln an, passend, wenn draußen der vermeintliche Sturm an den Läden rüttelt.
Die nächsten sechs Anthologien warten schon auf dem Ebook-Reader, mal schauen, wann sich die nächste vordrängelt...

4 von 5 Anthologien

Mittwoch, 16. Februar 2022

Andrea und Dirk Liesemer "Tage in Sorrent"

Sorrent, 1876.
Friedrich Nietzsche ist mit seinen Kräften am Ende. Die fortwährenden Migräneschübe, die ihn längere Zeit an das Bett fesseln, seine Magenprobleme, der daraus resultierende Schwindel. Alles das trägt nicht dazu bei, dass er seiner Professur in Basel ordentlich nachgehen und sich zum anderen dem Schreiben widmen kann. Sein Augenlicht verlässt ihn zunehmend, sodass er nur noch mit Hilfe eines Sektretärs seine Gedanken verschriftlichen könnte, wenn er sich denn konzentrieren könne. Da kommt die Einladung einer alten Bekannten zur rechten Zeit. Sie lädt ihn ein, ein Jahr mit ihr und zwei weiteren jungen Männern in Sorrent zu verbringen. Fernab der nördlichen Tristesse hofft sie die drei Männer von Migräne, Schwindsucht und Antriebslosigkeit zu heilen.
Auch wenn die Anreise für Nietzsche beschwerlich ist und es bei der Ankunft zu einem Streit mit seinem väterlichen Freund Richard Wagner kommt, sieht man schon nach kurzer Zeit, wie Nietzsche unter der italienischen Sonne förmlich aufblüht. Eine Akademie im Süden Italiens, der Traum seiner Bekannten rückt auch für Nietzsche täglich in greifbarere Nähe, doch wird sein Gesundheitszustand dies auf Dauer zulassen?
Andrea und Dirk Liesemer zeichnen mit ihrem Buch eine Zeit von Nietzsche auf, die zu einem Umbruch in seinem Leben hätte führen können. Das Buch wird über einen Zeitraum von wenigen Monaten erzählt und spiegelt doch so vieles aus seinem Leben wieder. Warum ist er an diesem Punkt? Wie äußern sich seine Leiden? Wie euphorisch und kreativ er sein kann, wenn es ihm gut geht.
Durch einen flüssigen Schreibstil, angenehmes Lokalkolorit und eingestreuter Zitaten wirkt es, als ob man mit Nietzsche und den anderen durch Sorrent wandelt. Man riecht die Zitronen und Orangen, man hört das leise Rumoren des Vesuvs. Man leidet mit Nietzsche und den anderen beiden Männern, man freut sich, wenn es ihnen gut geht und sie die Umgebung nach einem passenden Platz für die Akademie erkunden.
Ein Buch, welches zeigt, wie sehr Krankheit und das Gefühl nicht verstanden zu werden, das Leben beeinflussen kann und dabei viel über die Zeit und die Kultur um 1876 mitgibt.
Ein interessantes und lehrreiches Buch.

4,5 von 5 Zitronen

Donnerstag, 10. Februar 2022

#AutoralsLeser: Lisa Kirsch

Oftmals nehmen wir Leser in einer Person nur den Autor war, doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit.

Ein Autor ist auch selbst ein Leser und ist durch das, was er gelesen hat beeinflusst. Doch spiegelt sich das Gelesene im Geschriebenen wider?
Wollen wir doch einmal sehen.  😉
Heute hat diese Autorin die Fragen zu ihrem Leseverhalten beantwortet:

Lisa Kirsch
Copyright © Franziska Kuttler

1. Welches sind die drei besten Bücher, die du je gelesen hast?

    Oje, die schwierigste aller Fragen. Ich weiß nicht, ob ich das so genau sagen
    kann, dazu gibt es zu viele gute Bücher und zu viele Kategorien. Deswegen
    nenne ich jetzt einfach drei Lieblinge, die mir spontan einfallen: "Gone with
    the Wind" von Margaret Mitchell (Vom Winde Verweht), "A Little Life" von
    Hanya Yanagihara (Ein wenig Leben) und "The Song of Achilles" von Madeline
    Miller (Das Lied des Achill).


2. Wo liest du am liebsten?
    An einem prasselnden Kaminfeuer. Irgendwas macht das Knacken der Flammen
    mit mir, dass ich mich viel besser auf die Bücher konzentrieren kann. Und es
    ist natürlich auch einfach super gemütlich. ;)


3. Welches Buch hast du zuletzt gelesen und würdest es weiterempfehlen?
    "The Push " von Ashley Audrain (Der Verdacht)


Nachdem ihr nun wisst, was sie liest, könnt ihr hier schauen, was sie schreibt:
instagram.com/mina_gold

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch auf die nächste Woche und auf ein weiteres Interview.

Robert Thorogood "Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbarn"

Miss Marple reloaded oder doch nicht?
Mit ihrer Figur Miss Marple hat Agatha Christie vor Jahrzehnten den Prototyp einer älteren Dame geschaffen, die auf Grund ihrer Menschenkenntnis Zusammenhänge erkennt, die der örtlichen Polizei durchs Raster gehen. Viele weitere Ermittlerinnen hat die Literatur im ähnlichen Stil in den letzten Jahren aus der Taufe gehoben und das vorliegende Buch ist ein erneuter Versuch einer Miss Marple und damit der Versuch Agatha Christie gerecht zu werden.
Judith Potts will eigentlich nur gemütlich eine kleine Runde Themse schwimmen, als ein Schuss auf dem Nachbargrundstück die Luft zerreißt. In Marlow, einem kleinen beschaulichen Dorf, soll es zu einem Tötungsdelikt gekommen sein? Zumal wenn es keine Leiche gibt? Ob Judith mit ihren 77 Jahren doch schon ein wenig senil ist? Die Polizei tut auf jeden Fall nicht viel und Judith sieht sich bemüßigt, selbst zur Tat zu schreiten, selbst als es sich herausstellt, dass nicht bei einem Tötungsdelikt bleibt. Unerwartet wird sie von der Hundesitterin Suzie und der Vikarsfrau Becks bei ihren Nachforschungen unterstützt, denn in einem kleinen Dorf kennt bekanntlich jeder jeden oder doch nicht?
Sprachlich unterhaltsam geschrieben, merkt man dem Buch an vielen Stellen an, was es heißt, wenn ein englischer Autor einen Kriminalroman schreibt. Keine Figur ist perfekt, alle haben ihren eigenen kleinen Spleen und in den entscheidenden Momenten.... regnet es. Vieles unterstreicht das typisch Englische und zeigt, wie ein Mord in einem beschaulichen Dorf vonstatten gehen könnte. 
Aber: Als Vielleser von englischer Kriminalliteratur muss ich sagen, das Rad wird nicht neu erfunden. Kennt man sich ein bißchen in der Welt von cosy crime, mystery crime und Klassikern aus, wird man sehr viele Elemente wiedererkennen und man kommt sich zeitweilig wie bei einem Rezept vor, wie man nehme eine Finte, einen Hering und zaubere hier noch einen Verdächtigen aus dem Hut.
Will sagen, ein Krimi, der für interessierte Neulinge der Kriminalliteratur gelungen ist, da er Einblicke in die diversen Stilmittel gibt. Für Kenner des Genres ist es allerdings zeitweise ein bißchen fad, weil vieles vorhersehbar ist.

3 von 5 Kaffeekränzchen

Donnerstag, 3. Februar 2022

Literaturinterview Henri de Toulouse-Lautrec

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? Übergange verschwinden, wenn es sich dann noch um eine historische Figur handelt, die wirklich gelebt hat. Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität, Historie und Fantasie vermischt? 

Es gibt sich die Ehre: Henri de Toulouse-Lautrec.

1) Wieso setzt du dich so für Noël ein?
Er erinnert mich in mancherlei Hinsicht an mich selbst, als ich in seinem Alter war. Einerseits völlig der Kunst verschrieben, ihretwegen extra aus der Ferne ins pulsierende Paris gekommen und dann irgendwie verloren und rückhaltlos in dieser großen Stadt. Zudem erkenne ich das wahnsinnige Talent des Jungen. Und da er selbst nicht an sich glaubt, muss es einfach jemand anderes tun.

2) Was macht die Faszination aus, auf Montmartre Bilder zu malen?
Montmartre ist ein Schmelztiegel, die unterschiedlichsten und interessantesten Charaktere treffen hier aufeinander. Das Leben der einfachen Leute, der Künstler, der Bohème, der Prostituierten… all dies kann ich auf der Leinwand verewigen. Und natürlich befindet sich mein liebstes Etablissement in Montmartre: das Moulin Rouge. Ein ewiger Quell an Inspirationen für mich.

3) Was machst du, wenn die Muse dich nicht küsst?
Dann gehe ich ins Moulin Rouge, gönne mir einige Cognacs und sehe den hübschen Damen so lange beim Tanzen zu, bis sie mich wieder in ihren weichen Schwingen wiegt.

4) Welches deiner Werke ist ein Meisterstück geworden, obwohl die Qualität der Farben es nicht vermuten ließ?
Das dürfte wohl mein letztes Werbeplakat für eben jenes Etablissement sein. Es zeigt meine sehr geschätzte Louise (und weil es eben sein musste, den hakennasigen Valentin) beim Tanz im Moulin Rouge. Der Druck ist ausgesprochen gut geworden – ganze Heerscharen hat dieses Plakat zu den Tanzbällen ins Moulin Rouge gelockt.

5) Würdest du wieder Künstler werden wollen? Würdest du wieder einen Protegé aufnehmen?
Obwohl ich wegen der Malerei mit einem Großteil meiner Familie gebrochen habe: unbedingt. Ich würde jederzeit wieder Künstler werden wollen. Zur zweiten Frage: Ich fürchte nein. So etwas wie mit meinem lieben Noël… das ertrage ich kein zweites Mal. 

Hier geht es zur Rezension zum dazugehörigen Buch: Selina Schuster - Absinthe

Mittwoch, 2. Februar 2022

Antoine Laurain "Eine verdächtig wahre Geschichte"

Obwohl Violaine Lepage mit Mühe und Not einen Flugzeugabsturz mit schwersten Verletzungen überlebt hat, gilt ihr erster Gedanke nach ihrem Koma dem Buch "Die Zuckerblumen". Das Buch, welches sie als Lektorin auf den Weg gebracht hat, ist für einen angesehenen, französichen Literaturpreis nominiert, allerdings fehlt vom Autor jegliche Spur. In einem Wettlauf mit der Zeit versucht Violaine den Autor aus seinem Versteck zu locken, denn ohne Autor gibt es keinen Preis!
So unwahrscheinlich es auch scheinen mag, plötzlich steht die Polizei in ihrer Manuskript-Abteilung, denn ein Mörder hat sich "Die Zuckerblumen" zum Vorbild genommen und aus einem Buch scheint Realität zu werden.
Französische Bücher und ich, das geht eigentlich gar nicht zusammen.
Doch Antoine Laurain schafft es selbst den kritischsten Leser mit diesem Buch anzusprechen. Denn hinter diesem vermeintlich kleinen Buch steckt eine unglaubliche Geschichte. Das Lesen erinnert einen an Matrjoschkas, denn mit jeder Seite erschließt sich dem Leser eine weitere tiefgreifende Facette der Geschichte.
Das Buch beginnt mit einer herrlichen Überzeichnung der Buchbranche, denn jeder kann schreiben, jeder ist toll und wenn nicht, hat er einen in der Hand, der dem Lektor das Leben zur Hölle, wenn das Buch nicht veröffentlich wird.
Ironie und Sarkasmus fließen nahezu aus den ersten Seiten und doch wird der Leser direkt mit Violaines Schicksal konfrontiert.
Das Geheimnis um den Autor, die Ermittlungen der Polizei, das Verhältnis der Kollegen untereinander, sie bilden alle kleine Stücke eines immer größer werdeneden Mosaiks und am Ende sitzt man als Leser sprachlos mit dem Buch in der Hand und ist erstaunt, was für eine komplexe Geschichte in solchen Kürze erzählt wurde.

5 von 5 Manuskripten