Montag, 13. Oktober 2025

Charles Derennes "Ungeheuer am Nordpol"

Denkt man an Literatur, die sich aus einem Tatsachenbericht und Fiktion zusammensetzt, kommt einem unweigerlich der Name Jules Verne und vielleicht noch H.G. Wells in den Sinn, der Name Charles Derennes wohl eher nicht. Dabei tut man dem Autor, der von 1882 bis 1930 lebte, unrecht. Auch wenn er nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie die Herren Verne und Wells besitzt, in seiner Ausdrucksweise und seiner Kreativität steht er den beiden in nichts nach.

Um die Jahrhundertwende beginnt der Kampf um die Eroberung der Pole. Gar nicht so leicht erscheint es, das richtige Gefährt für die Entfernung und auch für die bevorstehenden Strapazen zu finden. So ist es nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Herren, Jean-Louis de Vénasque und Jacques Ceintras zusammentun, um Geld, Ausrüstung und eine Mannschaft zu organisieren, die ihr Gefährt auf den Weg bringen soll. Als die beiden schließlich unter Zeitdruck den Pol erreichen, finden sie Wesen vor, die so gar nicht menschlich sind.
Ein gegenseitiges Beobachten baut die Spannung langsam auf, um dann durch Verfolgung und Hass sich auf wenigen Seiten komplett zu entladen.

Wodurch dieser Roman besticht, ist die ungewöhnliche Erzählperspektive. Schon aus anderen Werken dieser Zeit kennt man, dass es nicht nur einen Erzähler gibt. In diesem Werk findet der Autor eine Möglichkeit, den Bericht so zu verschachteln, dass man immer wieder aus einer Sphäre auftaucht, um dann die Qualität des Textes und seinen Aufbau entsprechend zu würdigen.

Abgeschlossen durch eine historische Einordnung des Übersetzers zeigt das Buch, wie Autoren von anderen Autoren lernen können, wie sie sich beeinflussen lassen und doch ihre eigene Note einbringen. 

Denn Charles Derennes ist mitnichten eine Kopie von Jules Verne noch von H.G. Wells. 

4,5 von 5 Ungeheuern


Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Oktober 2025

Philipp Spielbusch "Ich hab da nur kurz draufgeklickt, und jetzt ist alles weg"

Wir alle hatten schon einmal diesen Moment, in dem wir sowohl den Computer oder auch das Smartphone für ihre Funktionsweise verflucht haben. Kommen dann noch die entsprechenden Kommentare von herbeigerufenen IT-Spezialisten kann es ... nun ja ... zu Komplikationen kommen. Denn die eigene Unzulänglichkeit oder fehlerhafte, wenn auch unwissentlich, Handhabung von technischen Geräten kann zu unwiederbringlichen Datenverlusten führen.
Mit einer gehörigen Portion Humor, der auch schon bei manchen Episoden an Galgenhumor erinnert, erzählt Philipp Spielbusch von seinem Berufsalltag.
Computer, Laptops, Smartphones und auch das ausgefallene Stromnetz bilden die Grundlage für seine Geschichten inklusive deren Nutzer. Denn bei Weitem ist es nicht "der Klient" oder "die Klientin", die immer wieder beim IT-Spezialisten vorstellig wird, vielmehr ist die Klientel im Lauf der fortschreitenden Digitalisierung immer breitgefächerter geworden. Sicherlich ist es immer noch ein Großteil der Menschen, die Technik ihre eigenen Fehler zuschiebt, doch es rückt auch eine Generation von Nutzern hinterher, die über ein gefährliches Halbwissen verfügen, und somit ihre Systeme nur zur Hälfte durchdenken.
Ob man bei den Geschichten aus Schadenfreude schmunzelt oder ob des Nichtwissens den Kopf schüttelt, man kann sich an dem so lange erfreuen, so lange es nicht die eigene Technik und die eigenen Daten betrifft, denn dann ist man selber schuld. 😊
Um die Pointen zu verstehen, ist ein gewisses technisches Verständnis sinnvoll, auch wenn der Autor in einen kleinen Blöcken Fachbegriffe immer wieder erläutert und die Einsatzmöglichkeiten erklärt. Ein tolles Buch über den Alltag mit Menschen und Technik.

5 von 5 USB-Kabeln

Sonntag, 5. Oktober 2025

Kelly Mullen "Die Einladung"

Eigentlich hat es sich Rosemary, Mimi, in ihrem kleinen Cottage gemütlich gemacht. Wenige Menschen bewohnen in der Nachsaison die kleine Insel und sie könnte ihren Lebensabend genießen ... Würde sie nicht "Die Einladung" von Jane erhalten, verbunden mit der Drohung, dass ein Nichterscheinen auf Grund ihres Geheimnisses nicht in Frage kommt.
Kurzerhand bittet Mimi ihren Enkelin Addie anzureisen, welche gerade im Rechtsstreit um ihre Mitarbeit an einem Krimi-Online-Game steckt.
Großmutter und Enkelin treffen auf dem imposanten Anwesen ein, die Zugbrücke wird hochgezogen, ein Schneesturm beginnt und die erste Leiche wird gefunden.
Wer so viele Krimis gelesen hat, wie ich es bereits getan habe, ist bei neuen Konzepten immer ein wenig skeptisch und gerade dieser Krimi scheint die Lesenden sehr zu spalten.
Formulierungen wie altkluge Ermittlerinnen, Vergleiche mit Hercule Poirot und Miss Marple, die der Text auch schon selbst aufnimmt, werden in Rezensionen oft negativ bedacht.
Was stimmt ist, die beiden Ermittlerinnen recherchieren in ihrem ersten Fall und sie ziehen die beiden Detektive von Agatha Christie oft zu Rate, was sie in den jeweiligen Situationen tun würden. Die meisten Szenen haben hier unheimlich viel Charme und auch die Referenz zu der Spieleentwicklung von Addie führt zu mehrfachen Schmunzeln. Der Krimi versucht für mich eine Brücke zwischen den klassischen Kriminalromanen und der modernen Gaming-Szene zu schaffen und vielfach funktioniert es auch sehr gut. 
Nicht alle Charaktere werden bis ins Kleinste ausgezeichnet, aber das ist auch nicht immer notwendig. Schneesturm, unterirdische Gänge, Erpressung ... Die Autorin möchte alle Möglichkeiten der Verwirrung ausschöpfen und genau das macht es zum Ende schwierig, den Mörder zu ermitteln. Ein bisschen weniger von allem hätte dem klassischen Krimi gut getan, sieht man es aber aus der Gaming-Perspektive, kann es ja nie zu viel sein. 

4 von 5 Einladungen