Samstag, 28. September 2024

Stephen Crane "Das Monster und andere Geschichten"

Klassiker sind für mich immer noch größere Wundertüten, als es aktuelle Romane oder Geschichten sind. Der Sprachstil, die Sicht auf die Welt, man kann als heutiger Mensch nicht so schreiben, wie es die Menschen damals taten. Gedanken, Ideologien und vieles andere ist so stark im Menschen verwurzelt, dass man es beim Schreiben gar nicht ausblenden kann. Und so ist es ein Roulette, ob man als Leser mit dem Schreibstil eines Autors im wahrsten Sinne des Wortes warm wird.
Dieses Mal sollte es nicht sein. Die Titelgeschichte zieht mich weder mit ihrer Spannung noch mit ihrem Inhalt in den Bann. Irgendwo in den USA angesiedelt, spielen mehrere Geschichten in einer kleinen Stadt, die so typisch amerikanisch ist, dass es schon fast wie eine Parodie wirkt. Viele Menschen werden dem Leser vorgestellt und durch eine untypische Namenswahl musste ich immer wieder hin und her blättern, um zu wissen, welcher Charakter was tut.
Ich bin beim Lesen abgedriftet und habe große Teile der Geschichte "Das Monster" einfach nur geskippt. 
Von den anderen Geschichten gefielen mir einzelne und doch ähneln sich die Geschichten im Aufbau, dass ich im Abstand von ein paar Tagen keine mehr packen kann.
Liegt es am Autor oder liegt es unserer Zeit, dass die Texte nicht die gewünschte Wirkung auf mich haben? Tatsächlich weiß ich es nicht. Die Wahrheit wird irgendwo in der Mitte liegen und doch würde ich jedem raten ein Blick in das Buch zu werfen, denn Crane war ein Schriftsteller seiner Zeit - wenn auch kurz.
Eine Bewertung fällt mir dieses Mal wirklich schwer, da es kaum greifbar ist, woran es liegt.

3 von 5 Monstern

Donnerstag, 26. September 2024

Autoreninterview Jacqueline Mayerhofer

Hallo zusammen.
Wer Perry Rhodan kennt, kennt Jacqueline Mayerhofer. Und wer sie nicht kennt, lernt sie jetzt kennen.

(Bild: Jacqueline Mayerhofer, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe schon seit der Grundschule gerne Geschichten. Dass diese schließlich veröffentlicht wurden, begann ab 2008. Mein Debütroman, der noch tierische Protagonist:innen hatte (Wölfe), erschien zu dieser Zeit. Inspiriert wurde ich von meinem damaligen Alaskan Malamute dazu. Da ich erst Anfang 15 war, fehlte mir noch einiges an Erfahrung, deshalb ist der Roman heutzutage auch kaum mehr zu bekommen. Allgemein schreibe ich für mein Leben gerne, und wenn ich nicht dazu komme, weil ich anderes zu tun habe (Lektorate, Studium), merke ich, dass es mir einfach fehlt! Meine Fantasie war immer schon recht ausgeprägt.

Du bist ein großer Perry Rhodan Fan. Kannst du dich noch an den Moment erinnern, als die Zusage kam, dass du für die Serie schreiben darfst?
Mehr als das! Ich wurde damals ins Verlagsbüro eingeladen und Chefredakteur Klaus N. Frick hat mich vor Ort gefragt, ob ich mir ein Heft zutrauen würde, weil er mitbekommen hat, dass ich nicht nur leidenschaftliche PR-Leserin, sondern auch Autorin bin. Eines führte zum anderen und bald schon bekam ich von Kai Hirdt das Exposé zu meinem „Androiden 4 – Willkommen in Menschenstadt“-Band. Zwar wiederhole ich mich damit in Interviews, aber ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr ich mich gefreut habe, als Klaus (und später auch Kai, der Kopf hinter der „Androiden“-Serie) mich gefragt hat. Immerhin ist das ein großer Lebenswunsch von mir gewesen, seit Jahren. Es war für mich eine so prägende Erfahrung, Perry, Gucky und Protagonistin Anbel Philips schreiben zu dürfen, dass ich kurz darauf meine drei Korallenfinger-Laubfrösche Anbel, Perry und Sichu genannt habe! Und wie Perry und Sichu (immerhin sind die beiden verheiratet) verstehen sich auch vor allem diese zwei Frösche sehr gut, Anbel ist selbständiger – fast, als wüssten die drei, nach welchen Personen sie benannt wurden *gg*.

Was schreibst du, wenn du nicht für Perry Rhodan schreibst?
Abgesehen davon, dass ich sehr gerne weiter für Perry Rhodan schreiben würde, und auch etliche Anfragen von den Lesenden bekam, wann es denn wieder etwas von mir in diesem Universum zu lesen gibt (worüber ich mich sehr freue!), schreibe ich meist Science-Fiction, Horror oder Fantasy. Am meisten macht mir SF Spaß, vor allem, wenn ich Draufgänger:innen oder Kopfgeldjäger:innen schreiben darf. Deshalb habe ich auch das Universum zu meinem Space Opera-Roman „Brüder der Finsternis“ (Verlag ohneohren) ausgebaut. Protagonist Connel und sein Androide Leyxor kommen daher kurz in einer Anthologie des Leseratten Verlags in einer Kurzgeschichte vor („Waypoint FiftyNine“); auch der zweite Protagonist, Kopfgeldjäger Aark Dan, bekam eine ganze Kurzgeschichte (die vor „Brüder der Finsternis“ spielt) in „New Dodge“ spendiert (selber Verlag). Es wird auch eine Novelle zu Aark und Skitra, meine liebste draufgängerische Kopfgeldjägerin, geben. Davor sollte ich jedoch noch ein paar Auftragsarbeiten schreiben und bei aktuellen Werken weiterkommen (beispielsweise „Auferweckung – Zeitalter der Rebellion 2“; ein Fantasy-Roman, und die verbesserte Neuauflage meines Mystery-Thrillers „Mondschatten“). Meine Vorliebe für Horror merkt man sehr in „Mondschatten“, da ich öfter schon gefragt wurde, warum das Buch so brutal ist. Nun ja – es geht um Auftragsmörder, die werfen nicht mit Plüscheinhörnern!

Was macht dir bei der Schreiberei am meisten Spaß? Plotten, Schreiben, Lektorat?
Das hängt vom Thema ab. Lustige Sachen liegen mir beispielsweise nicht, das sage ich aber immer dazu, wenn ich für so etwas angefragt werde. Dafür ist mein Humor einfach zu schwarz. Meist ist es eine Vorliebe für etwas, eine Idee, die in meinem Kopf spukt, Charaktere, die zum Leben erwachen wollen – wenn ich dann daraus etwas plotte und die Story niederschreibe, ist es, als würden Welt und Figuren selbstständig zum Leben erwachen. Es ist für mich natürlich einfacher, eigene Sachen zu schreiben, ein eigenes Universum zu haben – bei Perry Rhodan zum Beispiel hatte ich anfangs echt Panik, dass ich den sagenumwobenen Perry nicht gut darstelle, allerdings muss ich sagen, dass ich später, als ich mich eingewöhnt habe, unglaublich Spaß hatte, aus seiner Sicht zu erzählen. Er ist so
eine geerdete, tolle Figur, dass es für mich natürlich war, ihn zu schreiben. Was vermutlich auch daran liegt, dass ich die Heftromanserie schon lange lese. Lektorate machen mir auch Spaß, obwohl sie oftmals viel Arbeit bedeuten. Meiner Meinung nach sind es jedoch die Lektorate, die am Ende das Beste aus den Storys rausholen. Und das sage ich nicht, weil mein Brotjob das Lektorieren ist.

Du bist auch auf vielen Cons unterwegs. Wie entscheidest du, ob du als Cosplayerin oder casual dort erscheinst?
Tatsächlich gibt es drei „Rollen“, die entscheiden, wie ich unterwegs bin. Wenn ich als Autorin (wie bei der Vienna Comic Con) geladen bin, komme ich natürlich „casual“, wenn man so sagen will. Was jedoch auch nicht gänzlich stimmt, weil ich als Autorin ja auch eine Rolle verkörpere und mit einem Verkaufsstand natürlich anders mit den Menschen interagiere als privat. Wenn der Anlass passt und ich nicht als Autorin vor Ort bin, schlüpfe ich gerne in ein Cosplay (am liebsten meine mandalorianische Kopfgeldjägerin; das Outfit besteht aus Aluminium und hat mich echt viel Arbeit gekostet, es zu bauen). Auch Poison Ivy ist immer wieder aktuell bei mir, oder Prinzessin Leia und ein eigener Charakter aus „Assassin’s Creed“ – allerdings kamen diese Kostüme in den letzten Jahren eher zu kurz. Mit Poison Ivy habe ich zudem außerhalb von Cons auch schon schlechte Erfahrungen gemacht, weil Menschen sich manchmal wirklich danebenbenehmen und übergriffig werden können. Sagen wir so, ich nenne es immer „zivil“, wenn ich weder als Cosplayerin noch als Autorin unterwegs bin: Wenn es Stars gibt, die ich unbedingt sehen will, oder einfach nur so durch Cons laufen und alles angucken möchte, dann erscheine ich zivil :) So wird es auch bei der Comic Con in Stuttgart, Ende dieses Jahres sein, da dort Synchronsprechende von „Baldur’s Gate 3“ sein werden, mit denen ich Fotos haben möchte!

Letzthin warst du auch bei Onlinelesungen und Onlinediskussion. Wie unterscheiden sich diese für dich zu einer realen Veranstaltung und welche magst du lieber?
Es hat alles seine Vor- und Nachteile, finde ich. Zuhause kann es passieren, dass die Hunde für Radau sorgen oder die Frösche plötzlich lauthals losquaken, das hat man vor Ort natürlich nicht *gg* Andererseits verunsichert es mich zum Beispiel, wenn ich vor dem PC lese und keine Reaktionen der Zuhörenden sehen kann. Oftmals frage ich mich: „Bin ich noch online? Funktioniert noch alles? Sind alle da?“. Das finde ich unangenehm. Vor Ort kann man doch in die Gesichter der Anwesenden schauen und sich gegebenenfalls an die allgemeine Stimmung anpassen. Dieses Jahr hatte ich zum Beispiel zwei Lesungen aus „Our Mechanical Hearts“ (Cyberpunk mit Androiden und KIs) vor Schulklassen. Während die eine Klasse begeistert gelauscht hat, war die andere in der Aula leicht abgelenkt. Wenn so etwas der Fall ist, merke ich das und kann meine Lesung anpassen – bei den Dialogen mehr schauspielerische Leistung auffahren, die Betonungen interessanter machen, lustiger, actionreicher; es kommt darauf an. Ich bemühe mich ja immer, aber in solchen Situationen muss ich mich eben noch mehr anstrengen, um die Aufmerksamkeit der Kids wieder zu fangen. So ähnlich ist es bei jeder Lesung vor Ort. Das kann ich online einfach nicht sehen, nur hoffen, dass es gut ankommt und die Technik mitspielt. Talks zu verschiedenen Themen hingegen eignen sich online mit Video recht gut – die bevorzuge ich also tatsächlich online!

Woran arbeitest du gerade und was sollte der interessierte Lesende von dir zuerst zur Hand nehmen?
Daran, dass ich wieder für Perry Rhodan schreiben darf *gg* Spaß beiseite (zugegeben, es ist bloß zur Hälfte ein Spaß): Aktuell möchte ich meinen Mystery-Thriller „Mondschatten“ bald wieder auf den Markt bringen; als Neuauflage – ein HD-Remaster sozusagen, wenn man es in der Videospiel- oder Filmsprache ausdrücken möchte. „Auferweckung – Zeitalter der Rebellion 2“ muss ich beispielsweise komplett neu schreiben, Absatz für Absatz. Das war auch beim ersten Teil „Dimensionslichter“ ziemlich viel Arbeit. Außerdem sollte ich eigentlich schon drei Kurzgeschichten und einen Roman geschrieben haben, dazu darf ich allerdings noch nichts sagen. Ich werde dieses Jahr also noch etwas reinbeißen müssen, auch damit ich endlich meine Masterprüfung hinter mich und das Studium zum Abschluss bringe (das kostet enorm viel Zeit und Geld – beides würde ich lieber in meine Bücher investieren).
Empfehlen kann ich vor allem „Brüder der Finsternis“, „Hunting Hope“ und „Our Mechanical Hearts“, wenn es um Science-Fiction geht. In allen drei Werken lassen sich Androiden und KIs finden (manchmal nebensächlich, manchmal vordergründig – vermutlich auch einer der Gründe, wieso ich bei PR für den Androiden-Band angefragt wurde). Wer lieber Fantasy hat: da empfehle ich „Dimensionslichter“; also meine „Zeitalter der Rebellion“-Trilogie. Wer Horror/Mystery/Thriller lieber mag, ganz klar „Mondschatten“. Der Roman wird spätestens Ende August/Anfang September 2024 wieder verfügbar sein.

Nachdem ihr Jacqueline kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
jacquelinemayerhofer.at
facebook.com/AutorinJacquelineMayerhofer
instagram.com/jacqueline_mayerhofer

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Montag, 23. September 2024

Harper Lin "Maggie Bell und die tödlichen Seiten"

Inmitten von Fair Haven, Connecticut, gibt es ein kleines Antiquariat. Mr. Whitfield und seine Angestellte Maggie Bell betreiben die kleine, aus der Zeit gefallene Buchhandlung gemeinsam. Oftmals besteht ihr Tag aus Vorlesen oder Philosophieren, denn viel wirft der Laden nicht ab.
Es ist ein ganz gewöhnlicher Tag, als Mr. Whitfield in seinem Sessel stirbt und Maggie somit seinem Sohn, dessen Renovierungsdrang und dem Spott der Menschen von Fair Haven überlässt.
Als eher Introvertierte hat sie es schwer und als dann noch ein Mord geschieht, ist Maggie einerseits total überdreht, doch andererseits, wer will dem Buchladen etwas Schlechtes?

Auf 200 Seiten erzählt due Autorin einen gemütlichen Krimi, der viele der bekannten cosy Elemente in sich vereint. Eine Buchhändlerin wird zur Ermittlerin. Bücher sind in vielerlei Hinsicht immer wieder ein Thema. Hass und Missgunst einer Kleinstadt dürfen auf gar keinen Fall unterschätzt werden.

Der Kriminalfall ist recht offensichtlich angelegt und viele Spannungselemente, die den Leser mit den Augen rollen lassen, weil sie doch arg fern ab von jeglicher Realität sind, müssen in diesen Büchern einfach vorkommen. Wie eine Wunschliste arbeitet die Autorin die verschiedenen Ingredienzen ab und fügt mal kleinere, mal größere Mengen hinzu.

Doch ein cosy crime lebt neben dem Krimi auch von der Atmosphäre und diese hat die Autorin sehr gut getroffen. Ein kleines, nahezu verschlafenes Dorf, schlechtes Wetter, ein Mann von außerhalb, vieles heizt die Stimmung an und lässt uns Leser oftmals schmunzeln, da wir die Charaktere auch aus der Wirklichkeit kennen.

4 von 5 antiquarischen Büchern

Donnerstag, 19. September 2024

Autoreninterview Sylvia Kaml

Hallo zusammen.
Frisch ist Sylvia Kamls neuer Roman erschienen und sie hat sich ein paar Minuten Zeit für ein Interview genommen.

(Bild: Sylvia Kaml (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich war schon als Kind eine absolute Leseratte, deren Traum es immer gewesen war, mal eine Nacht in einer Bibliothek eingesperrt zu sein. Je mehr Geschichten ich las, desto mehr eigene entstanden in meinem Kopf, die ich dann schließlich zu Papier brachte und später abtippte und auf Diskette (!) speicherte. Aber es dauerte noch viele Jahre, bis sie zu einem Buch reiften und ich mich schließlich traute, Verlage anzuschreiben.

Du hast schon in verschiedenen Genres geschrieben. Wie und wann entscheidest du, in welchem Genre deine Geschichte spielt?
Das kommt immer darauf an, was zum Plot passt. Angefangen habe ich mit Zukunftsgeschichten, weil ich mir schon immer gerne ausgemalt habe, wie unsere Welt aussehen wird, wenn bestimmte Forschungen oder Gesellschafts-formen sich weiterentwickeln. Die historische Reihe entstand aus meiner Liebe zu Segelschiffen heraus und der Recherche über diese Epoche. Meinen neuesten Roman hatte ich ursprünglich historisch mit Fantasy-Elementen geplottet gehabt, aber als ich Steampunk als Buch-Genre entdeckte, wusste ich, dass es perfekt für diese Geschichte sein wird.

Wie wählst du deine Protagonisten?
Ich mag meine „Helden“ authentisch, nicht perfekt. Oft gebe ich sogar meinen Nebenfiguren mehr besondere Eigenheiten als den Protagonisten. Es sollten keine Auserwählten oder Figuren mit besonderen Fähigkeiten sein, auch keine Mauerblümchen, die über sich hinauswachsen, sondern normale Menschen wie du und ich, die einfach in eine Situation geraten, die sie bewältigen müssen. Nicht übermäßig schön oder intelligent oder stark, sondern Durschnitt. Die Erlebnisse lassen sie dann wachsen. Ich möchte, dass der Leser sie wie einen Freund oder eine Freundin begleiten kann. Es soll jemand zum Pferdestehlen sein, mit dem man auch gerne mal anderer Meinung sein darf, ohne dass die Freundschaft darunter leidet.

Aber jetzt zur aktuellen Neuerscheinung: Wie lange hat es von der Idee bis zum fertigen Buch gedauert?
Die grobe Idee hatte ich schon vor gut zehn Jahren, aber noch als historische Fantasy. Meine Liebe zu Steampunk hat mich das Buch dann überarbeiten lassen. Es spielt nun in einem alternativen Deutschland um 1880. Leider hat die Verlagssuche bei diesem Nischengenre etwas länger gedauert, sodass es nun erst gute drei Jahre nach der Fertigstellung veröffentlicht wird. Als Autorin braucht man viel Geduld.

Steampunk ist vielleicht nicht jedem ein Begriff. Was bedeutet es für dich und was macht eine gute Steampunk-Geschichte aus?
Steampunk ist streng genommen retrofuturistisch. Es zeigt eine Welt, wie man sich im Zeitalter der Dampfmaschinen die Zukunft vorgestellt hat. Maschinen ohne Computer, vorzugsweise im viktorianischen Zeitalter. Damals war noch vieles dieser Welt unerforscht und die Fantasie kannte keine Grenzen.

Ich habe schon früher gerne die Bücher von Jules Verne (z.B. 20.000 Meilen unter dem Meer) und H G. Wells „Die Zeitmaschine“ gelesen, aber damals wusste ich noch nicht, dass diese Welten bald ein eigenes Genre sein würden. Es gibt mittlerweile eine recht große und unheimlich kreative Community und viele Unter-Genres, wie Cyberpunk oder Tesla.

Es geht aber nicht immer um Technik oder Maschinen, sondern um die Welt, die beschrieben wird. Diese kann nur ganz gering von der realen Epoche abweichen oder auch massiv.

Die Geschichte beginnt bei Düsseldorf. Findest du auch, dass sich das Ruhrgebiet (im weitesten Sinne) für den Steampunk als besonders anbietet?
Der klassische Steampunk-Roman spielt eigentlich im viktorianischen London. Aber das wollte ich aus zwei Gründen nicht: einerseits ist der Drops zu ausgelutscht mittlerweile, andererseits bevorzuge ich Authentizität, d.h. ich schreibe selbst lieber Fiction in Ländern und Gegenden, in denen ich mich auskenne. Da es in meiner Geschichte auch um die Unterschiede zwischen Stadt und Land geht und die (nicht immer unbegründete) Angst vor der voran-schreitenden Technologie und Industrialisierung, boten sich meine beiden Heimaten (hessischer Vogelsberg und Ruhrgebiet) ideal an. Hier konnte ich reale Gegenden wählen, in denen ich mich dazu noch gut auskenne.

"Das smaragdgrüne Monokel" ist frisch erschienen. Wo kann man dich lesen hören und sehen?
Das Ebook erscheint am 18.9. im Weltenbaum Verlag. Da es sich um einen kleinen (aber feinen!) Verlag handelt, der Auflagen druckt, muss sich das Taschenbuch sozusagen hintenanstellen und kommt erst einige Zeit später auf den Markt. Ob es hier ein Hörbuch geben wird, weiß ich noch nicht, aber zwei meiner Zukunftsromane und die historische Reihe sind bereits als Hörbuch erschienen. Schaut gerne mal unter www.sylvia-kaml.de oder überall im Handel 😊

Nachdem ihr Sylvia kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
sylvia-kaml.de
instagram.com/sylviakaml
facebook.com/profile/sylvia_kaml

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Robert Louis Stevenson "Der Selbstmordclub"

Robert Louis Stevenson ist hauptsächlich für seine Werke "Die Schatzinsel" und "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und des Mr. Hyde" bekannt. Mit "Der Selbstmordclub" legt er eine dreiteilige Geschichte vor, die sich wie Dr. Jekyll mit den Untiefen der menschlichen Psyche befasst.
Eines Abends sind zwei Männer in den Kneipen Londons unterwegs und langweilen sich ihres Lebens. Wie wunderbar ist es da, dass ein Jungspund zu ihnen an den Tisch kommt und von dem Selbstmordclub erzählt. Ungläubig schließen die beiden sich ihm an und die Handlung nimmt ihren Lauf, denn so einfach, wie es erst scheint, ist es nicht, sich selbst aus diesem Leben zu befördern.

Der Schauer kriecht erst ab diesem Zeitpunkt über den Körper, denn, was zuvor wie ein Witz erscheint, zeigt sich spätestens mit der Vorstellung des Präsidenten als perfides Spiel im wahrsten Sinne des Wortes.
In drei Akten spielt sich die Geschichte dieser drei doch sehr unterschiedlichen Männer ab und zeigt auf, wie tief menschliche Abgründe sein können.

Mit 130 Seiten ist diese Geschichte oder vielmehr sind diese drei Geschichten etwas ausgefeilter als die in der Reihe erschienenen Bücher von Edgar Allan Poe und Charles Dickens. Das Setting ist detaillierter ausgestaltet, trotzdem haben alle drei Autoren ein Gespür dafür, was es braucht, um die Menschen zu ängstigen.

Abgerundet wird auch diese Ausgabe mit Worterläuterungen und einer Einordnung dieses Werkes in sein gesamtes, literarisches Schaffen.

5 von 5 Clubmitgliedern

Mittwoch, 18. September 2024

Sylvia Kaml "Das smaragdgrüne Monokel"

Clara führt in nahezu beschauliches Leben im Ruhrgebiet des 19. Jahrhunderts, als eine Katastrophe sie aus dem behüteten Alltag verbannt. Fortan gilt es sich zu verstecken, hierbei kann ihr nicht einmal ihr einziger Freund, ein Hund mit mechanischen Beine, folgen. Jahre der Demut folgen und erst als sie sich das erste Mal verliebt, beginnt ihr Leben erneut aus den Fugen zu geraten. Warum? Sie ist nicht die, für die sie sich die ganzen Jahre gehalten hat und die Folgen sind weitreichender als ein Menschenleben.

Kennt ihr das Genre Steampunk
Steampunk ist eine Alternative zum Viktorianischen Zeitalter, mit dem Unterschied, dass sich nicht die Elektrizität durchgesetzt hat, sondern immer noch der Dampf als vorherrschende Kraft gilt. Eine weitere Quelle wird oft im Aether gesehen und, das bestimmt besonders diesen Roman, vieles ist mechanisch oder auch mechanischer als in der "Realität". 
Mensch und Tier, die wegen Krieg und Kälte verletzt werden, erhalten Prothesen, deren Funktion zum Teil noch besser ist, als es die eigenen Gliedmaßen waren - aber zu welchem Preis?

Sylvia Kaml führt langsam in die Erzählung um Clara ein. Trotz der Unstimmigkeiten zuhause, lebt sie ein ruhiges Leben, das nach der Katastrophe aus den Angeln gerissen wird. Durch zahlreiche Orts- und Personenwechsel schafft es die Autorin immer wieder neue Beziehungen in den sonst eher tristen Alltag von Clara zu bringen, was schließlich zum ersten Höhepunkt mit Jos führt.

Mit einer den Situationen angepassten Sprache, mal schnell, mal bedächtig, schafft Sylvia es, die Höhen und Tiefen eines jungen Lebens in einem Zeitalter des Umbruchs zu beschreiben und mit feinen Nuancen aufzuzeigen, wie auch der Steampunk und seine Möglichkeiten den Mächtigen eine Hilfe sein kann.
Ihre Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen, in welchen viele psychologische Facetten Raum einnehmen, sind für mich mit die stärksten Szenen in dem Buch und zeigen, wie Charaktere durch ihr Umfeld beeinflusst werden. 

Steampunk zum Kennenlernen und Anfassen.

4 von 5 Monokeln

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 12. September 2024

Autoreninterview Erik Hauser

Hallo zusammen.
Heute stelle ich euch den Autor Erik Hauser vor. 

(Bild: Erik Hauser (privat), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du zum Schreiben gekommen? 
Tatsächlich in der Schule. Ich konnte weder malen noch ein Musikinstrument spielen und in Sport  war ich eine Null. Ich wusste: mir blieb nichts anderes übrig, als Geschichten zu schreiben, um irgendwie aufzufallen. Die früheste Geschichte, an die ich mich erinnere, war ein Aufsatz in Deutsch in der 3. oder 4. Klasse, die Aufgabe: eine Fantasiegeschichte. Irgendwie ist es dabei dann geblieben. Auch dass ich immer noch in der Schule bin (als Lehrer) kann kein Zufall sein.

Ich habe gerade deine Hexennovelle gelesen. Wie kamst du auf die Idee, eine solche Geschichte in der heutigen Zeit anzusiedeln?
Bei Hexen denkt man normalerweise gleich ans Mittelalter, die Hexenprozesse und so weiter. Tatsächlich gibt es auch heute noch 'moderne' Hexen, die natürlich nichts – oder nur sehr wenig – gemein haben mit den durch Kirche und Staat verteufelten sogenannten 'Hexen' des Aberglaubens. Ich denke da z.B. an den Wicca-Kult der gerade in den letzten Jahren wieder Zulauf gewonnen hat. Seine Mitglieder sind, so weit ich das beurteilen kann, moderne selbstbewusste Frauen (und auch Männer), die ein anderes geschlechtsspezifisches Rollenverständnis als das traditionelle haben und sich über ihr 'Hexensein' definieren. 
Niemand von denen versucht anderen Menschen zu schaden – jedenfalls nicht mehr, als 'gewöhnliche' Sterbliche das auch immer mal wieder tun, glaube ich. In der Literatur sind die Hexen des Aberglaubens natürlich eine ideale Projektionsfläche für allerlei Ängste, wie auch Vampire, Werwölfe oder überhaupt 'Monster' jeder Art. Ich finde es also durchaus nicht so ungewöhnlich, 'Hexen' in der heutigen Zeit auftreten zu lassen, entweder als Bösewichte oder differenzierter. Der Ausgangspunkt von „Verhext, verzaubert – und verloren“ war aber eigentlich die Frage, wie Erinnerung und Identität zusammenhängen. Wer bin ich, wenn sich meine Erinnerungen verändern bzw. bin ich noch derselbe, wenn ich mich an bestimmte Dinge aus meiner Vergangenheit nicht mehr erinnern kann? Identität setzt sich aus der Summe unserer Erinnerungen (oder Erfahrungen) zusammen – aber was, wenn bestimmte Personen – nennen wir sie mal 'Hexen – die Macht haben, auf dieser Klaviatur zu spielen?

Als Roman gibt es von dir "Das Erbe der Wölfe", welcher in der Vergangenheit spielt. Du hast dir damit zwei sehr unterschiedliche Settings mit fantastischen Elementen für deine Geschichten ausgesucht. Was ist bei dir zuerst im Gedächtnis? Der Ort, an dem die Geschichte spielt oder die Handlung, die den Leser einfangen soll?
Beides geht Hand in Hand. Bei „Erbe der Wölfe“ hatte ich mehrere Schlüssel-szenen fertig im Kopf, eine der ersten – oder sogar die erste – war die eines jungen Mädchens, das auf der Suche nach ihrem entlaufenen Hund in den verbotenen Wald eindringt – ein typischer Initiationsmoment, bei dem Galina ihr bisheriges Leben hinter sich lässt und sich den Gefahren des Erwachsenseins stellen muss.  Da ich eine Werwolfgeschichte schreiben sollte, war auch das Setting früh klar: Es musste, um glaubhaft zu sein, ein abgelegenes Dorf in einer historischen Vergangenheit sein, wo der Aberglaube und die Bedrohung durch übernatürliche Mächte noch lebendiger waren. Ein bisschen hat sicherlich auch das beliebte Partyspiel „Werwölfe“ zu dem Plot beigetragen, da es ja auch in meinem Roman darum geht, dass die Dorfbewohner rätseln, wer die Werwölfe sein könnten. Die Figur der Galina entspricht in Teilen der Rolle des ‚blinzelnden Mädchens‘, da sie näher am Geschehen ist als die anderen Dorfbewohner.

Wie kann man sich deinen typischen Schreibtag vorstellen?​
An Schultagen, wenn ich unterrichten muss, nutze ich meine Freistunden, um in der Mensa oder im Lehrerarbeitszimmer zu schreiben. In den Ferien – so wie gerade jetzt (smiley) – gehe ich morgens mit meinen beiden Hunden spazieren und dann in ein Kaffee, wo ich mit meinem Laptop vor einem Cappuccino sitze und die Gedanken baumeln lasse. 
Auf diese Art und Weise kommt mir das Schreiben mehr wie Freizeit und weniger als Arbeit vor. Was gar nicht geht, ist zuhause im Arbeitszimmer vor dem Computer zu sitzen und auf den Bildschirm zu starren; zum einen komme ich mir dann wie eingesperrt vor und mir fällt nichts ein, zum anderen sind die Ablenkungen, wie mal schnell in ein Buch reinschauen, einen Tee machen oder eines der bekannten Computerspiele zur Ablenkung aufzurufen, zu verlockend für mich, um bei der Stange – heißt: beim Schreiben – zu bleiben. Aber allein für mich und doch nicht alleine, umgeben von Menschen in einer öffentlichen Stätte, einem Café, Restaurant etc., fällt es mir überraschenderweise leicht, konzentriert zu arbeiten. Nachmittags habe ich dann frei vom Schreiben, muss aber im Haushalt mithelfen, was auch nicht immer einfach ist (smiley).

Mit welchem deiner Werke sollte ein Leser beginnen, wenn er deine Texte kennenlernen möchte? 
Am besten mit der bereits erwähnten Novelle „Verhext, verzaubert – und verloren“, die ist als e-book erschienen und für 2.99 Euro ein echtes Schnäppchen, wenn ich mal so sagen darf. Sie ist außerdem spannend, gut geschrieben und bietet mit 58 Seiten (Verlagsangabe) kurzweiligen Lesespaß. Wem das gefallen hat, der findet Ähnliches in „Odem des Todes“ und „Ritt auf der Maschine“, beide Titelnovellen in den von Alisha Bionda herausgegebenen Anthologien von mir. Und natürlich hoffe ich, dass geneigte LeserInnen dann auch zu meiner Sammlung „Jenseits des Rheins“ oder zu dem Roman „Erbe der Wölfe“ greifen werden.

Welches Projekt wirst du als nächstes veröffentlichen? 
Schon seit längerem vorgesehen ist die Erzählsammlung „Von Werwölfen, Vampiren und anderen Mitmenschen“ im Ashera-Verlag, die thematisch mit „Das Erbe der Wölfe“ in Zusammenhang steht. Vielleicht kommt sie noch dieses Jahr heraus. Mit Ingrid Pointecker vom Verlag 'Ohne Ohren' habe ich eine Sammlung von Kurzgeschichten vereinbart („Das Gesicht im Staub und andere Schrecken des Alltags), deren Veröffentlichungstermin allerdings noch nicht feststeht; einige der Geschichten sind bereits im Magazin Zwielicht erschienen (so die mit dem 4. Platz beim Vincent-Preis 2023 bedachte Titelstory „Das Gesicht im Staub“).

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten? 
Da Verstorbene wie E.A. Poe, Thomas Owen oder Vladimir Nabokov nur sehr bedingt in Frage kommen (oder höchstens für eine geisterhafte Zusammenarbeit mit ungewissem Ausgang), Stephen King. - Mit wem ich bereits zusammen-gearbeitet habe, weil wir uns gut kennen, war Oliver Plaschka bei der Novelle „Die Wahrheit über Sherlock Holmes“. Das hat sehr gut geklappt. Ansonsten ist man als Autor ja eher ein ‚lone wolf‘, will heißen: am harmonischsten läuft es, wenn man selber alleine am Ruder steht und die Verantwortung trägt.

Nachdem ihr Erik Hauser kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
erikhauser.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 11. September 2024

Edgar Allan Poe "Die schwarze Katze"

Edgar Allan Poe gilt in vielerei Hinsicht als Schöpfer diverses Genres. Wobei, Schöpfer wäre manchmal zu hoch gegriffen, da er sich z.B. bei der Schwarzen Romantik von E.T.A. Hoffmann inspirieren lässt. Doch schafft er mit seinem Ermittler C. Auguste Dupin die Gattung der Detektivgeschichten, die bis in die heutige Zeit zahlreiche Nachfolger gefunden hat.
Bei "Die schwarze Katze" und "Der Untergang des Hauses Usher" bedient er sich vielseitig des Schauers und des leichten Horrors. In beiden Geschichten spielt er mit den Sinnen seiner Figuren und damit auch mit der Wahrnehmung des Lesers.
Was kann sein?
Was ist Einbildung?
Es kommt nicht von ungefähr, dass sich viele Situationen einer schlaflosen Nacht anschließen und die Menschen zuvor schon in Aufruhr waren.
Weniger der Schauer als die schiere Vorstellung, wozu Menschen in der Lage sein können, ist es, die beim Lesen einen Kloß im Hals hervorruft, der sich auch nach dem Beenden der Lektüre nicht so ohne Weiteres zurückbildet. Zwar gefällt mir seine Erzählung "Der Doppelmord in der Rue Morgue" immer noch besser und auch die zuvor gelesenen Geschichten von Charles Dickens liegen mir mehr, doch muss ich Poe zugute halten, dass er es versteht, den Leser zu fesseln und ihm einen Schauer über die Arme laufen zu lassen und das ist wahrlich die Kunst eines guten Autors.

4 von 5 schwarzen Katzen

Dienstag, 10. September 2024

Henrietta Hamilton "Mord in der Charing Cross Road"

Ein Antiquariat mitten in der Charing Cross Road.
Man kennt sich, die Mitarbeiter, die Vorgesetzten und auch die Kundschaft, und doch ist es an einem Morgen kaum zu fassen, dass ein Mitarbeiter tot auf seinem Schreibtisch liegt.
Doch es ergeben sich gleich mehrere Fragen:
Warum war er noch so spät im Büro?
Was hat der Geist mit der Sache zu tun?
Und warum hatte sich Mr Butcher in den Wochen vor seinem Tod mit nahezu jedem Mitarbeiter gestritten?

Ein Krimi in einer Buchhandlung.
Kann es etwas Besseres geben? 
Ich denke nicht.
Henrietta Hamilton reiht sich bei Klett Cotta in die Riege der Autoren ein, die klassische Kriminalromane geschrieben haben. Ohne große Action oder reißerische Szenen kommen diese Bücher mit vielerlei Rätsel daher und sorgen für die eine oder andere Knobelstunde.
Charmant geschrieben, dazu trägt äußerst das Setting bei, aber auch die doch sehr unterschiedlichen Charaktere mit ihren kleinen und großen Problemen. Ein Ermittlerpaar, dass sich durch eine schnelle Auffassungsgabe und Einfühlungsvermögen auszeichnet, sind die Zutaten, um eine Geschichte zu ersinnen, die durch Finesse und Fingerspitzengefühl den Leser in die Buchhandlung und zeitgleich in den Bann zieht. Durch das gemächliche Erzähltempo entsteht trotz der Sogwirkung des Buches keine Hektik. Man gibt der Erzählung ihren Handlungsspielraum und zollt einer Schriftstellerin Tribut, die ihr Handwerk versteht.

5 von 5 Antiquariaten

Donnerstag, 5. September 2024

Autoreninterview Ute Zembsch

Hallo zusammen.
Heute stelle ich euch eine Autorin vor, die sich völlig in ihrer Zeit verliert: Ute Zembsch

(Bild: Ute Zembsch (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich wuchs mit Büchern auf, schrieb aber nur für mich kurze Texte oder Gedichte. Das änderte sich mit unserem Mittelalterverein und den Pen-and-Paper-Abenteuerrunden, die sich daraus entwickelten. Ich spielte über einen längeren Zeitraum begeistert eine Kriegerin, die 2013 unbedingt eine Hintergrund-geschichte in Romanlänge verdiente. Dabei merkte ich, wie viel Spaß mir das Schreiben bereitet, und widmete mich erst einem historischen Fantasyroman, ehe ich das Henkersweib verfasste.

Diese Woche ist dein neues Buch "Der Stab der Seherin" erschienen. Erzähl ein bisschen über die Entstehungsgeschichte des Buches.
Frauen stehen bei meinen Romanen im Vordergrund, denn über sie wird kaum etwas in den Geschichtsbüchern erzählt. Mir drängte sich auf, den ersten Feldzug des Frankenkönigs Karl im Jahr 772 aus Sicht einer Sächsin zu schildern. Aber nicht irgendeiner, was gewiss mit meiner nordisch-schamanischen Ausbildung zu tun hat. Mein Mann und ich besuchten Obermarsberg, wo damals die Eresburg und die Irminsul standen. Es fühlte sich richtig an, genau diese Frau zu Wort kommen zu lassen, die berichtet, welchen Schrecken die Franken über die Sachsenstämme gebracht hatten.

Wie sehr unterscheidet sich das Arbeiten an einem Einzelband und einer Trilogie?
Trilogie? *grins* Ich arbeite gerade an Band 4. Vielleicht führe ich auch mein Spielweib und meine Seherin in weitere Abenteuer. Ich plane meine Romane als umsichtiger Mensch so, dass sie zunächst einzeln stehen können. Nachdem das Henkersweib gut ankam, schrieb ich die Fortsetzung. Jeder Folgeband zieht weitere Recherchen mit sich, aber die Charaktere werden immer vertrauter, wie Freunde. Ich muss weniger überlegen, wie die Figuren in der entsprechenden Szene authentisch reagieren. Bei einem neuen Roman brauche ich eine Weile, bis ich sie wirklich kenne.

Warum hast du dir das Mittelalter für deine Geschichten ausgesucht?
Bereits in der Schulzeit war Geschichte mein Lieblingsfach. Besonders das Mittelalter und die Antike begeistern mich sehr. Statt wer wann gegen wen kämpfte, finde ich den Alltag viel interessanter, über den ich auch in Social-Media-Beiträgen und Blogartikeln berichte. Und ich rücke die Frauen von damals -bekannte und unbekannte- mehr in den Fokus. Je mehr ich über meine Lieblingsepoche herausfinde, desto lebendiger wird sie für mich. Das größte Lob für meine Romane ist die Glaubwürdigkeit und es toll zu finden, nebenbei etwas über das Mittelalter zu erfahren. Ich möchte zudem zeigen, dass ein schlichteres Leben mit engerer Verbindung zur Natur lebenswert ist, sowie mit beliebten Irrtümern aufräumen.


Wie wichtig ist es für dich und deine Geschichten, dass du das Mittelalter lebst?
Sehr wichtig, denn so kann ich mich viel tiefer in die Epoche, das Leben in dieser und die Gedankenwelt der damaligen Menschen einfühlen. Für diese Menschen waren teilweise andere Werte oder Vorstellungen real, die ich in meinen Romanen als alltäglich einbinde. Dass ein Herr mit seinen Leibeigenen tun durfte, was er wollte, war zu dieser Zeit normal und wurde von allen anerkannt – heute sieht es anders aus.

Hast du in deinen Geschichten einen Lieblingscharakter?
Meine Haupt- und Nebencharaktere finde ich alle einzigartig, zumal ich sie als eigenständige Individuen darstellen möchte. Mich für nur eine Figur zu entscheiden, fällt da schwer, ich mag einige sehr gerne. Meist fühle ich mich mit der jeweiligen Hauptfigur sehr eng verbunden, da ich aus ihrer Perspektive erzähle und so in ihrem Kopf bin.

Wo kann man dich demnächst lesen hören und sehen?
Mitte September 2024 findet das Literaturfestival in Weinheim statt und ich darf an dem Samstag meine „Seherin“ vorstellen. In Planung ist auch eine Lesung in einer kleinen Bücherei ein paar Ortschaften von mir entfernt. Schau einfach auf meine Homepage, dort stehen die Lesungstermine.

Nachdem ihr Ute kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:

autorin.utezembsch.de/
instagram.com/utezembsch

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 4. September 2024

Nina George und Jens J. Kramer "Die magische Bibliothek der Buks"

Kinderbücher werden oftmals abgetan, dass sie für Erwachsene nicht lesenswert seien. Wie unrecht diese allgemeine Tatsache den Büchern tut, erlebt man gerade bei diesem Buch. Viele kleine versteckte Hinweise auf Klassiker der Weltliteratur oder auch auf das allgemeine Weltgeschehen versteht man erst zur Gänze, wenn man schon viele Bücher gelesen hat.

Aber ich greife vor: Die vier Kinder Mira, Nola, Finn und Thommy sind eigentlich normale Schulkinder, wenn da nicht immer leicht der Drang zum über die Stränge schlagen wäre. Eines Tages entdecken sie ein verstecktes Gebäude, in dem Buks - Buchschutzgeister - leben und die Bücher vor ihrer Vernichtung beschützen, denn, in der Welt gibt es keine Bücher und auch keine Träume mehr.
Das Orakel der Buks hat die Kinder auserwählt, die Verbindung nach Draußen wieder herzustellen und so müssen die überwachten Kinder immer wieder Wege in die Bibliothek finden - und das natürlich unentdeckt.

Eine Welt ohne Bücher? Allein für diesen Gedanken müsste man das Buch unter Horror einsortieren. Doch tatsächlich ist das Buch, das als Start einer Reihe dient, soviel mehr. Es ist eine Ode an die Freundschaft, an das Lesen, an das Denken und auch daran, zu erkennen, was es zu beschützen gilt.

Alles im Buch ist auf Kleinigkeiten ausgelegt, allein die Namen der Buks sind mit Liebe zum Details ausgesucht und die Figuren entsprechend konzipiert, dass einem beim Lesen immer weiter das Herz aufgeht. Gerade die Kapitel in der Bibliothek haben eine so starke Sogwirkung, dass man förmlich durch die Seiten gleitet.

4,5 von 5 Buks

Dienstag, 3. September 2024

Charles Dickens "Im Tunnel"

"Im Tunnel" umfasst zwei Kurzgeschichten von Charles Dickens, die der Gattung Schauergeschichten zugeordnet werden können. Charles Dickens, der sich sonst durch das Aufzeichnen der gesellschaftlichen Missstände in Werken wie "Oliver Twist" einen Namen gemacht hat, veröffentliche auch Sachtexte über Londons Elendsvierteln und eben diese Schauergeschichten.
Wer bereits "Eine Weihnachtsgeschichte" gelesen hat, weiß, wie Charles Dickens mit Geistern oder anderem Übersinnlichen umgeht. Es wird viel angedeutet, doch gleichzeitig soll es auch so realistisch wie möglich beschrieben werden.
So spielt "Im Tunnel" in einem Eisenbahntunnel und erzählt die Geschichten von einem Wärter, der in unregelmäßigen Abständen Lichter sieht. Während in "Des Mordes angeklagt" sowohl Täter als auch Opfer ihr Spiel mit dem Sprecher der Geschworenen treiben.
Immer ist es der Schauer, der beim Lesen über den Rücken läuft und einen beim Lesen diese Ebene des Nichtwissens betreten lässt.
Gibt es diese Ahnungen oder ist alles pure Fantasie?
Wenn es nur Fantasie ist, gestaltet Dickens sie wirklich gut, auch wenn er für mich immer der Schöpfer von Scrooge sein wird.

Abgerundet wird die Ausgabe durch zahlreiche Worterläuterungen und einer kurzen historischen Einordnung der Texte in Dickens Gesamtwerk und in die damalige Zeit.

4 von 5 Schauern