Donnerstag, 31. Oktober 2024

Fiktiv-Interview Anja Bagus

Hallo zusammen.
Heute gibt es ein Fiktiv-Interview basierend auf den Charakteren aus Anja Bagus Roman "Hund &  Katz".


Baden-Baden, 1915.
Vor ihrer Schicht haben sich die Kommissare Weiterstätter (Hundveränderter) und Tannengrün (Katzenveränderte) Zeit für ein kleines Interview genommen.

Ihr arbeitet im Amt für Aetherangelegenheiten. Was unterscheidet das Amt von einer "normalen" Polizeistation?
Tannengrün: Zunächst mal: Wir heißen zwar Kommissare, sind aber keine Polizisten. Das ist wichtig, da die echten Polizisten sonst sauer werden.
Unser Amt ist eine Behörde, die im gewissen Sinne einer Polizei sehr ähnlich ist, aber vor allem immer dann gerufen wird, wenn es um Fälle geht, die mit Æther zu tun haben. Das kann tatsächlich sein, dass echter Æther irgendwo austritt oder vorzufinden ist, oder eine der Auswirkungen der Substanz eine wichtige Rolle spielt. Hauptsächlich geht es dabei um die Veränderten, also Menschen, die sich durch den Einfluss von Æther im Aussehen und teilweise auch Verhalten verändert haben. Die meisten Menschen sind dabei eigentlich nicht gefährlich, manche aber schon. So eine Veränderung zu einem Mannwolf ist nicht einfach so wegzustecken.

Weiterstätter: Wir werden also meistens gerufen, um Probleme, die zwischen der veränderten und der normalen Bevölkerung entstanden sind, zu lösen.
Eine andere Sache sind die Erwachten. Das sind Wesenheiten, die durch den Æther entstanden sind, oder eben erwacht sind, weil es sie möglicherweise früher schon gegeben hat. Dazu zählen kleine und größere Gottheiten, Sagengestalten oder andere Entitäten. Es ist halt schon anstrengend mit der Wilden Jagd, und auch so Wesen wie der Teufel (laut Registratur gibt es schon 54 Unterarten dieser Gattung) sorgen für Probleme.
Dann ruft man uns.

Wie kommt ihr im Alltag mit eurem veränderten Wesen in der Bevölkerung klar? Und welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf euch selbst?
Weiterstätter: Im Jahr 1915 waren ca. 20% der Weltbevölkerung in irgendeiner Art und Weise verändert. Wir sind also immer noch eine Minderheit und es wird vermutet, dass das auch so bleibt. Warum sich jemand verändert und wann es passiert, ist immer noch ziemlich unklar. Man spekuliert, dass jemand, der mit seinem Leben sehr unzufrieden ist, oder einem bestimmten Aspekt davon, eher verändert wird, als jemand anders, der mit sich und seinem Leben sehr zufrieden ist. Für die meisten von uns ist die Veränderung zwar erst mal beunruhigend und die Gesellschaft findet es ebenfalls nicht gut, aber nach einige Zeit merken wir Veränderte, dass wir uns wohler in unseren Körpern finden. Der berüchtigte Mannwolf mit Schaum vorm Maul ist eher die Ausnahme. Die schnellen radikalen Veränderungen der Anfangszeit um 1910 herum sind ja größtenteils vorbei, sodass auch die Gesellschaft langsam merkt, dass wir gar nicht so schlimm und in manchen Fällen sogar eine Bereicherung sind.
Wir selbst sind sehr zufrieden mit unseren Veränderungen. Ich möchte nicht mehr auf meine gute Nase verzichten.

Tannengrün: Und ich nicht auf mein Fell.

Weiterstätter: Das ist heute besonders seidig.

Tannengrün: Wir sind im Dienst!

Weiterstätter: Das wird man doch noch sagen dürfen!

Ich durfte die Niederschrift eurer Fälle von Anja Bagus lesen. Ihr werdet vornehmlich bei Fällen mit Veränderten hinzugezogen. Ist es so, dass ihr durch eure eigene Veränderung eine gewisse Ruhe in den Fällen ausstrahlt und somit Situationen besser einschätzen könnt?
Tannengrün: Meistens können wir nur deswegen ruhig bleiben, weil wir zwei Dinge ganz genau wissen: Erstens steht das Amt hinter uns und zweitens sind wir uneingeschränkt füreinander da.
Wir sind schon so etwas wie die Spezialisten für die besonderen Fälle, aber das macht uns nichts.

Weiterstätter: Und es ist schon was dran, dass in unseren Schichten immer wieder die seltsamsten Dinge passieren ... ob das jetzt an uns liegt oder Zufall ist ... Ich bin jedenfalls immer wieder froh, dass meine Kollegin genau das kann, was ich nicht kann und umgekehrt.

Welcher Fall hat euch am meisten beeindruckt?
Tannengrün: Ich war mit der Wilden Jagd etwas überfordert. Da ging es mal wieder um Leben und Tod für einen unschuldigen Menschen, nur weil die Erwachten sich nicht einig waren. Diese mächtigen Entitäten sind sich oft nicht bewusst, was sie anrichten können.

Weiterstätter: Ich fand verständlicherweise die Sache mit dem Hofhund besonders schlimm.

Tannengrün (ihren Kollegen kurz streichelnd): Ja, das hatte der Arme nicht verdient.

Weiterstätter: Aber es am Ende irgendwie gut geworden.

Tannengrün: Am schlimmsten trifft es immer die Kinder. Weißt du noch, das kleine Hasenmädchen am Weihnachtsabend?

Weiterstätter (knurrt): Ja, da war der Krampus gerade zur rechten Zeit da. Diese Feiglinge.

Tannengrün: Eigentlich ist es oft schlimm, wenn wir gerufen werden. Und Leid ist nicht zu messen. Darum ... ist es schwer, einen schlimmsten oder beeindruckendsten Fall zu finden. Aber das mit dem Ei ...

Weiterstätter: Wo du Mutter geworden bist?

Tannengrün: Sei still.

Weiterstätter (streichelt seine Kollegin, die ihre Ohren angelegt hat): Er wird sich sicher einmal melden.

Tannengrün: Ich bitte um die nächste Frage.

Habt ihr mit den Täter, wenn man sie überhaupt so nennen kann, auch schon einmal Mitleid und mildert das Strafmaß?

Weiterstätter: Tatsächlich sind wir oft für Strafen gar nicht zuständig. Wir übergeben sowas an die Polizei. Wir regeln aber vieles ohne die, wenn es nur um Beschwerden oder Probleme der Bürger mit den Veränderten gibt. Und ja, da war dieser Storchenmann, der einfach ein Baby behalten hat ... Das war schon ein schwieriger Fall. Wer hatte das Schuld und gab es überhaupt einen Fall? Oft geht es erst einmal darum, zu verstehen, warum jemand etwas macht und warum jemand anders damit ein Problem hat. Wir haben ja den Leitspruch: Audiatur et alterapars – Auch die anderen sollen gehört werden. Das bedeutet viel reden und viel Verständnis. Im besten Falle jedenfalls.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Hund und Katz vorstellen?
Tannengrün: Meistens redet Weiterstätter erst mit den Leuten. Die denken dann, er wäre so ein scharfer Hund, dabei ist er der Nette von uns beiden.

Weiterstätter: Naja, ich bin halt so. Die meisten brauchen das ja, dass man ihnen zuhört. Wenn es brenzlig wird, dann kommt Tannengrün und fährt nicht nur sprichwörtlich ihre Krallen aus.

Tannengrün: Oft geht das halt hin und her. Kommt drauf an, wie sehr die Situationen eskalieren. Wir ergänzen uns dann da immer vortrefflich.

Wird es weitere Geschichten mit euch geben?
Tannengrün: Nunja, wir sind noch nicht am Ende unserer Laufbahn!

Weiterstätter: Ich hoffe es doch!

Nachdem ihr Tannengrün und Weiterstätter kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:

anja-bagus.de/shop

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Campino "Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer"

Es mag im ersten Moment irritierend wirken, wenn ein Star der Punkrockszene sich in einer bekannten deutschen Universität zu einer Gastprofessur einfindet, doch sollte man sich nicht täuschen lassen, denn Punkrock und Gedichte haben mehr gemeinsam, als es im ersten Augenblick den Anschein hat.
Doch von Beginn: Anfang des Jahres war Campino von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eingeladen worden, sich mit dem Thema Gebrauchslyrik auseinanderzusetzen.
Seine zwei doch sehr unterschiedlichen Vorträge zeigen ein breites Spektrum seiner Gedanken, denn wer hätte ohne Weiteres geahnt, dass Campino viele Texte von Erich Kästner schätzt und gerade dessen Texten auch eine Alltagstauglichkeit - eben eine Gebrauchslyrik - unterstellt. Auch wenn sich das Wort vielleicht sperrig oder sogar prüde anhört, bietet die Gebrauchslyrik genau das, was es auch zum Songtexte schreiben braucht ... Hiervon erzähle ich aber einmal nicht zu viel. 
Doch ich kann sagen, es ist spannend, wie sich Campino durch die verschiedenen Lyriker oder auch Songwriter zu sich selbst entwickelt hat und wie diese ihn auch heute noch formen. 
Kritische Äußerungen hört man vermehrt in der zweiten Vorlesung, wenn es um das Thema KI und die Rechte an Texten geht und man spürt, dass es nicht alles nur Schabernack ist. 
Campino setzt sich mit seinen Kritikern ruhig und sachlich auseinander und zeigt, dass man seine Meinung auch gesetzt und fundiert darlegen kann, ohne das berühmte Hotelzimmer zu zerlegen.
Ein erfrischender Einblick und auch ein gutes Lehrstück darin, was Texte mit Lesenden machen und wie man Ideen vermittelt oder auch zum Nachdenken animiert.
Und wichtig: Ein Gedicht braucht keinen Refrain - Erläuterung hierzu, gibt es im Buch.

4,5 von 5 Songtexten

Weltenportal "Vampirausgabe"

Ein Tag vor Halloween und ihr habt noch nicht die passende Lektüre?
Da kann ich euch vielleicht einen Tipp geben.

Dieses Jahr haben wir beim Weltenportal eine Sonderausgabe zum Thema Vampire (weltenportalmagazin.de/ausgaben-archiv/sonderausgabe-vampire-10-2024/) gemacht, die ihr euch auf der Homepage herunterladen könnt.

Neben dreizehn Geschichten, die nicht unterschiedlicher sein könnten, haben wir im Magazinteil zusätzlich Fachartikel von Detlef Klewer und Friedhelm Schneidewind.
Weiterhin hat Judith Madera zwei Artikel über moderne Vampire und Vampire in Mangas und Animes beigesteuert.
Auf die Buchbesprechungen folgen schließlich Lyrik und zahlreiche Comics, um das Thema in seiner Vielfalt abzurunden.

Neugierig?

Und ja, ich habe in dieser Ausgabe ein kleines Jubiläum, da mit der Vampirausgabe meine zehnte Kurzgeschichte veröffentlicht wurde.

Wer wissen möchte, was eine Fledermaus und ein Eichhörnchen mit Vampiren zu tun haben, blättert in der Vampirausgabe zu meiner Geschichte "Das Vorurteil".


Donnerstag, 24. Oktober 2024

Autoreninterview Ingo Kohlschein

Hallo zusammen.
Der heutige Autor Ingo Kohlschein hat sich mit der Frage beschäftigt, was passiert, wenn die Männer auf den Mars auswandern müssen.

(Bild: A. Siebler, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Auf irgendeine Weise begleitet mich das Schreiben schon mein Leben lang: Schülerzeitung, Reporter bei der lokalen Tageszeitung, Ausbildung zum Journalisten, Kurzgeschichten mit Freunden im Studium, Arbeit im Zeitschriften- und Buchverlag. Bei diesen Beschäftigungen diente das Schreiben allerdings meist als Mittel zum Zweck. Das ist nun anders. Endlich schreibe ich um des Schreibens willen. Die kreative Freiheit, die damit einhergeht, ist großartig.

Erzähl ein bisschen zum Entstehungsprozess von "Mater Terra" und warum es schon zu Beginn für dich klar war, dass es eine Trilogie werden würde.
Die Grundidee von Mater Terra ist ja, ob Männer und Frauen eigentlich dauerhaft auf diesem Planeten miteinander leben können. Der zündende Gedanke dafür stand vor vielen Jahren in einer Titelgeschichte des Magazins Spiegel. Dort stellten die Autoren die freche These auf, dass die Männer aussterben werden – als ein Prozess der Evolution. Diese Gedanken kreisten viele Jahre eher lose in meinem Kopf. Dann kam eins zum anderen, viele Inspirationen aus anderen Werken wie der Mars-Trilogie von Kim Stanley Robinson oder aus Rad der Zeit von Robert Jordan. Die Gräueltaten an Frauen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gaben dann den Ausschlag, dass ich anfing, Mater Terra tatsächlich zu schreiben. Wegen der Komplexität der Handlung stand von Beginn an fest, dass es mehr als ein einzelnes Buch werden würde.

In der Geschichte hat der Wechsel vom Patriachat zum Matriarchat stattgefunden. Glaubst du, dass es nie eine wirkliche Gleichberechtigung geben kann?
Ich bin ein Freund der Evolutionstheorie und frage mich immer, warum die Natur diese oder jene Entwicklung hervorgebracht hat. Denkt man die Evolution des Menschen ein paar Generationen weiter, wird sich die natürliche Fortpflanzung vermutlich erledigen. Menschen werden nach bestimmten Interessen oder Zwecken erschaffen. Damit dürfte die Frage nach dem Geschlecht weitgehend irrelevant werden. Das wäre dann endlich ein Durchbruch zum Thema Gleichberechtigung. Vorher habe ich da meine Zweifel.

In deinem Buch wird sehr viel "Technik" beschrieben. Wie viel Technik braucht dein SF-Text für dich, damit er sich ausgewogen anfühlt?
Das ist bei SF-Büchern oft eine Gratwanderung. Einige Rezensenten empfanden die Technik-Anteile in Mater Terra zum Beispiel als zu groß. Für mich waren diese Passage jedoch als Autor wichtig, da ich durch sie die Welt am Ende des 21. Jahrhunderts vors Auge der Leserinnen und Leser führen wollte. Aber klar, das nimmt jeder anders wahr. Ich mag technische SF-Aspekte, das merkt man wahrscheinlich beim Lesen von Mater Terra. Wichtig finde ich aber, dass – sofern die Handlung nicht in der fernen Zukunft spielt – die Schilderungen realistisch und glaubwürdig sind.

Welcher Charakter ist dir am ähnlichsten?
Das ist eine gute Frage und gar nicht einfach zu beantworten. Ich denke, ich bin zu 60% Diana, 30% Merkur und 10% Primus – also eine Mischung aus analytischem Denken, ein bisschen Größenwahn und schelmischem Humor. Die klassische Heldentugenden von Apoll und Athene liegen mir eher fern und Abebis Gewaltausbrüche hoffentlich auch.

Warum sind deiner Meinung nach viele SF-Texte eher der Dystopie als der Utopie zuzuordnen?
Das hat wohl mit der Natur des Menschen zu tun. Wir lieben einfach die Abgründe – zumindest sofern wir nicht persönlich davon betroffen sind. Zeitungen und Zeitschriften sind voll mit Tod, Drama und Verbrechen. Bei SF-Büchern kommt hinzu, dass vermutlich viele Autoren ihre Bücher auch als Warnung an die Gegenwart verstehen. Bei mir ist das ja auch so. Seht her: Wenn wir so weitermachen, gehen wir übel vor die Hunde.

Welches Buch liegt bei dir auf dem Nachttischchen?
Eigentlich lese ich meistens SF, Fantasy und Thriller. Zuletzt hat es aber ein ganz anders Buch auf meinen Nachtisch geschafft: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry der britischen Autorin Rachel Joyce. Kein sehr intellektuelles Buch, dafür ein kluges und einfühlsames. Es hat meinen Entschluss gefestigt, mich auch eines Tages von allem materiellen Überfluss zu trennen und mit dem Rucksack durch die Welt zu streifen.

Nachdem ihr Ingo kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:

materterra.space
instagram.com/ingokohlschein
facebook.com/profile

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Nicola Upson "Experte in Sachen Mord"

Der große Krieg ist gerade einmal fünfzehn Jahre vorbei und doch wirkt es so, als sei es gestern gewesen, als die Männer von den Schlachtfeldern Frankreichs zurückkehren. So tief sitzen noch immer der Schmerz und die Verbitterung, die auch die Beziehung zwischen Josephine Tey und Archie Penrose prägen. Als Josephine zur letzten Woche ihres Theaterstücks noch London kommt. sieht sie Archie unter widrigen Umständen, denn in ihrem Zug wurde eine junge Frau ermordet, kurz nachdem sie mit Josephine sprach. Zufall? Kalkül? Lange Zeit bleibt diese Frage unbeantwortet, nur um dann Seite für Seite ihren Schrecken zu offenbaren.
Trotzdem der Mord relativ zeitnah geschieht, lässt sich das Buch unheimlich lange Zeit, bis es wirklich auf den Fall eingeht. Vieles, was zuvor beschrieben wird, charakterisiert die Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg oder bei den Männer auch die Erfahrungen während des Krieges. Vieles zerrt beim Lesen an den Nerven, denn es gibt auf den knapp 500 Seiten soviel Leid, dass man das Buch manchmal gar nicht mehr aufschlagen will.
Doch trotz allem hat die Autorin ein Händchen zu erzählen und webt dabei viele historischen Fakten ein. Sich zudem eine reale Autorin als Protagonistin zu erwählen, hat schon einen leicht mondänen Touch, aber gerade dadurch brilliert der Krimi an vielen Stellen.
Warum und wie es zu der Tat kam, ist Menschen, die viele Krimis lesen, recht schnell bekannt, was aber nicht den Unterhaltungswert dieses ersten Bandes der Serie um Josephine Tey mindert.
Ein Krimi in der Tradition klassischer, englischer Krimis, der an vielen Stellen bewusst das Tempo rausnimmt, um die Spannung lange durch das Buch zu tragen.

4 von 5 Krimischriftstellerinnen

FBM / BuCon 2024

Wahrscheinlich bin ich die letzte Buchverrückte, die jetzt erst ihre Eindrücke zur FBM und zum BuCon teilt, aber sei es drum. Irgendwie ist gerade für alles zu wenig Zeit.

Am Donnerstag reiste ich an und nach den üblichen Vorbereitungen für die FBM am nächsten Tag habe ich die Veranstaltung der OpenBooks im Römer besucht. Zwei Stunden Literatur pur und kleine Fragenrunden den Abend ab.

Freitag morgen früh zum Messegelände und durch die Fachbesucherzeit ist es noch schön leer in den Gängen. Einige neue Highlights, wie z.B. die neue Ullstein-Eule und die Parkbank bei KiWi, habe ich auf dem Weg mitgenommen und doch habe ich mich mit Merch fein zurückgehalten, da ich inzwischen ein RUB statt eines SUB habe.

Samstag ging es mit dem Weltenportal zum BuCon nach Dreieich. Viele Leute getroffen, neue Kontakte geknüpft, bestehende aufgefrischt und festgestellt, ja, manche Kritiken an den Messen mögen berechtigt sein, aber ist es letztlich nicht schön, die Menschen zu treffen, die man schätzt und mit denen man sich gerne über Bücher unterhält?
Die meiste Zeit war ich am Stand des Weltenportals und abends durfte ich auch aus meiner neuen Vampirgeschichte lesen.
Bei der Lesung von "Campus 2049" durfte ich als Weltenportalreporterin die Lesung in zahlreichen Bildern dokumentieren und eine kleine Standpause machen.

Der Plan, wenig Merch einzusammeln, scheiterte hier leider kläglich. Allerdings konnte ich nicht ohne die neuen Bücher von Corinna Griesbach und Oliver Hoffmann gehen.

Sonntag ging es dann schon wieder nach Hause und heute ist Mittwoch … Ist das Wochenende schon so lange her und wie lange hält dieses Jahr der Blues an?

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Autoreninterview spezial Weltenportal Vampir-Veröffentlichung

Hallo zusammen.
Wie bereits einige wissen, arbeite ich als Reporterin für das Weltenportal Magazin. Diese Woche erscheint die neue Ausgabe mit dem Thema "Vampire". Daher habe ich dem Herausgeber Christoph Grimm ein paar Fragen zur neuen Ausgabe gestellt.

(Bild: Detlef Klewer, Grafik: Maximilian Wust)

Warum ist die "vermeintlich" sechste Ausgabe des Weltenportals eine Themenausgabe?

„Weltenportal“ ist thematisch breit aufgestellt. Ich hatte den Gedanken, dass jedes „Jubiläumsheft“ - also jede fünfte Ausgabe - entsprechend der vielfältigen Grundkonzeption sich einem bestimmten Thema widmen könnte. 

Nun, aus organisatorischen Gründen wurde es das sechste Heft - und mittlerweile bin ich von der Idee der Themenausgaben wieder abgekommen. Ein Sonderheft ist deutlich schwieriger zu organisieren und zusammenzustellen, als eine reguläre Ausgabe. Hinzu kommt, dass ich mir eingestehen musste, dass ich die ursprünglich halbjährliche Erscheinungsweise nicht aufrechterhalten kann. Es macht wenig Sinn, zwischen den regulären Ausgaben zugunsten eines Themas, das sicherlich nicht alle Leser:innen gleichermaßen interessiert, so viel Zeit verstreichen zu lassen. Daher ist die Vampirausgabe ein unnummeriertes, vorerst einmalig gedachtes Special.

Wie kam es zu dem Themenschwerpunkt „Vampire“?
Vampire haben mich von jeher fasziniert und begleiten mich seit meiner Jugend in verschiedenen Interpretationen, u. a. die Romane von Anne Rice und Brian Lumley, die Hammer-Filme mit Christopher Lee, „Tanz der Vampire“ und verschiedene TV-Serien („Buffy“, „True Blood“ und - vermutlich überraschend - „Vampire Diaries“). Es ist die Kombination eines Lebens, das mit übermenschlichen Kräften und Langlebigkeit Vorteile bringt, aber auch durch Blutdurst und Verlust geprägt ist, das die Vampire so reizvoll macht.

Dieses Mal hast du bewusst Autoren und Autorinnen eingeladen, Texte einzureichen. Weshalb gab es keine öffentliche Ausschreibung?
Ich treibe mich schon einige Jahre in der deutschsprachigen Phantastikszene herum und habe als Herausgeber mittlerweile mit über 100 Autor:innen zusammengearbeitet. Als die Planung der Ausgabe konkreter wurde, kamen mir auch gleich einige Namen in den Sinn. Ich hatte die starke Vermutung, dass alle Angefragten jeweils ganz unterschiedlich an die Thematik herangehen würden - und das hat sich auch bewahrheitet.

Hat sich die Arbeit an der Sonderausgabe von den anderen unterschieden?
Gerade bei den Artikeln im Sekundärbereich musste ich darauf achten, dass sie sich inhaltlich nicht zu sehr überschneiden. Gleichfalls habe ich mir überlegt, welche Inhalte für potentielle Leser:innen interessant sein könnten. Detlef Klewer ist in seinem Artikel „Draculas Ahnen“ auf den bekanntesten aller Vampire eingegangen und Friedhelm Schneidewind hat in einem Abschnitt die wissenschaftlichen Untersuchungen des Vampir Mythos im 18. Jahrhundert umrissen. Meinen eigenen Artikel über den gut dokumentierten Vorfall 1731 in Medvegya sowie eine Dracula-Besprechung habe ich daraufhin gestrichen und stattdessen David A. Lindsams kluger Analyse von Dana Grigorceas „Die nicht sterben“ Platz eingeräumt.

Kann man sagen, dass diese Ausgabe durch das gleiche Thema, die beste Zusammenstellung an Texten ist oder bevorzugst du die thematische Vielschichtigkeit der ersten fünf Ausgaben?
Als ich das Magazin konzeptionierte, schwebte mir eine abwechslungsreiche Literaturzeitschrift für alle Spielarten der phantastischen Literatur vor: Eine abgedrehte Fantasygeschichte sollte neben einer nachdenklichen Sciencefiction-story stehen, ein Gruselkrimi nach einem Steampunkroman besprochen werden können. Eine Themenausgabe hat ihren Reiz und ich möchte nicht ausschließen, irgendwann wieder eine anzugehen. Als Herausgeber und schlussendlich auch als Leser gefallen mir „bunte“ Ausgaben aber besser.

Das Vampirgenre wird wie so viele andere von einer bestimmten Lesergruppe konsumiert. Wie würdest du Nicht-Vampir-Leser*innen überzeugen, einen Blick in die Sonderausgabe zu werfen?
Glitzerfrei! Absolut glitzerfrei!
Gut, die Aufmerksamkeit von „Team Edward“-Geschädigten habe ich jetzt ;).
Doch von „Twilight“ abgesehen: Viele verbinden Vampire mit Klischees, die durch „Carmilla“, „Dracula“ oder später Anne Rice‘ Romane geprägt wurden. Ich möchte nicht soweit gehen, zu behaupten, in den 15 Geschichten der Ausgabe würde man einigen davon nicht begegnen. Den Autor:innen und mir war es jedoch wichtig, der Thematik neue Facetten abzugewinnen. U. a. könnt ihr eine Ermittlung im Reich der Tiere begleiten, in postapokalyptische Szenarien und düstere Dystopien eintauchen, euch auf einen langen Flug zwischen Erde und Mars begeben oder von einer alternden Mutter und ihrer ewig jungen Tochter lesen. Schlösser in den Karpaten glänzen hingegen durch ihre Abwesenheit ;). Darüber hinaus werdet ihr in durch die Artikel und Rezensionen garantiert auf das ein oder andere Werk, die ebenfalls die Thematik originell angehen, neugierig gemacht.


Nachdem ihr das Weltenportal kennengelernt habt, könnt ihr hier weiterlesen:
weltenportalmagazin.de
instagram.com/weltenportal

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Dienstag, 15. Oktober 2024

Bine Pauli "Lou und der geheimnisvolle Süßigkeitenschatz"


Lou ist ein kleines, gewitztes Eichhörnchen.
Er hat es schön in seinem Wald und doch träumt er immer wieder von einem Süßigkeitenschatz. Was, wenn es diesen irgendwo in weiter Ferne gibt?
Allein macht er sich aus seinem Wald auf und entdeckt, wie viele andere Tiere es im Wald oder in seiner Umgebung gibt.
Von jedem Tier lernt Lou etwas und trotz all der Aufregungen hat er niemals Angst.

Dieses kleine, wunderschöne Kinderbuch ist ein Mutmacher. Mutig zu sein, die Welt zu entdecken, neue Sachen auszuprobieren und sich dabei aber immer gewiss zu sein, was man im Leben schon alles hat. Lou ist aufgeschlossen gegenüber Fremden und sein Charakter strahlt auf jeder einzelnen Seite. Mit 36 Seiten ein eher dünnes Buch wird der Text mit vielen Bildern, generiert durch Midjourney, unterstützt. Das Eichhörnchen bei der Wanderung, beim Schlafen, bei seinen neuen Freunden. Bilder und Texte harmonieren sehr gut miteinander und die Autorin hat ein Werk geschaffen, dass man sowohl für Kinder als auch später für Erwachsene nutzen kann, um Freude und Neugier auf das Leben zu schüren und zu zeigen, dass viele schöne Dinge im Leben gibt, die es zu entdecken gilt.

Ohne den moralischen Zeigefinger kommt das Buch aus und zeigt schlicht über die Geschichte, wie man das Positive entdecken kann, wenn man danach Ausschau hält.

4,5 von 5 Waldbewohnern

Rezensionsexemplar vom Paramon.de/kinderbuch-verlag

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Herausgeber-Interview Kai Focke & Sabine Frambach

Hallo zusammen. 
Frisch ist die Anthologie "Campus 2049" erschienen, der richtige Zeitpunkt die beiden Herausgeber noch einmal zu interviewen.




Die Anthologie ist fertig. Zeit, ein Resümee zu ziehen. Hat euch die Band-breite der geschichtlichen Ideen beeindruckt?
Sabine: Mich freut es besonders, dass sowohl interessante Innovationen als auch moralische und  ethische Fragen in den Texten vorhanden sind. Auch der Klang der Geschichten ist sehr unterschiedlich, es sind humoristische, skurrile, düstere und hoffnungsvolle Stimmen dabei, also die Vielfalt, die wir uns zuvor erhofft haben.

Kai: Man merkt den Geschichten an, dass diese – ohne pathetisch klingen zu wollen – mit Herzblut geschrieben worden sind. Dabei fand ich neben der Bandbreite der Geschichten auch deren Tiefe beeindruckend. Selbst die Geschichten, die eher humoristisch ausgelegt sind, behandeln oder tangieren Themen, denen man sicher nicht die Ernsthaftigkeit absprechen kann, zum Beispiel die digitale Existenz nach dem eigenen Leben und deren Grenzen. Neben den von Sabine genannten ethischen und moralischen Fragen geht es so auch um hochaktuelle, praktische Probleme wie Vereinsamung oder Drogenmissbrauch.

Welches Thema wurde besonders häufig für die Texte ausgewählt?
Sabine: Wenig überraschend beschäftigten sich sehr viele Texte mit KIs. Es ist das aktuellste Thema, KI-Systeme sind bereits stark in unserem Alltag eingebunden und werden unser Leben, unser Lernen und unsere Art, mit Wissen umzugehen, sicherlich massiv verändern. Angesichts der vielen Texte mit Bezug zu KI-Systemen waren wir froh, auch Geschichten mit an deren Schwerpunkten zu bekommen.

Kai: Ja, KI spielte zwar nicht in allen, doch in vielen Geschichte eine mehr oder minder starke Rolle. Wie Sabine schon sagte, hat uns dies nicht überrascht. Überraschend war jedoch, wie viele unterschiedliche Aspekte von KI innerhalb der einzelnen Geschichten bearbeitet wurden.

Wie empfandet ihr die anonymisierte Ausschreibung bei der Geschichtenauswahl?
Sabine: Ich bin sehr froh, dass ich die Texte anonymisiert bekommen habe. Wir sind Menschen, und obwohl ich nach Kriterien an die Texte herangegangen bin, würde ich vermutlich bei mir bereits bekannten Namen dadurch beeinflusst sein. Auf diese Weise hatten alle Texte vergleichbare Bedingungen. Im Austausch haben wir vor allen Dingen darauf geachtet, eine möglichst vielseitige Mischung zu bekommen. Hierdurch sind auch gute Texte auf der Strecke geblieben, da sie thematisch zu ähnlich waren.

Kai: Dem kann ich mich nur anschließen. Zwar würde ich mich, nicht zuletzt bedingt durch meine Tätigkeit im Hochschulbereich, in Sachen Beurteilung und Bewertung als objektiv bezeichnen, doch lässt sich eine letzte, unterbewusste Beeinflussung nie völlig ausschließen. Nicht ohne Grund sind beispielsweise Prüfungsleistungen soweit wie möglich anonymisiert. Selbiges galt bei der Geschichtenauswahl: Da ich nur den Text vor mir hatte, zählte dieser – und nur dieser.

Ich hab im Klappentext gesehen, dass ihr Innenillustrationen habt. Wie kam es dazu?
Sabine: Ursprünglich wollten wir keine Innenillustrationen. Oliver Bidlo, der Verleger, kam auf die Idee, ein Tool zu nutzen, um basierend auf den Geschichten Illustrationen zu erzeugen. Den Vorschlag fanden wir gut, nicht, weil die Abbildungen toll sind, sondern, weil sie zeigen, was solche Programme können und was nicht. Wir können problemlos erkennen, dass es sich um generierte Bilder handelt. Noch. Zugleich schaffen Menschen, die solche Tools für die eigene Kunst nutzen und sich damit auskennen, beeindruckende Ergebnisse. Wenn die Entwicklung sich so rasant fortsetzt, wird es immer schwieriger, erzeugte Bilder zu entlarven.

Kai: Dem ist nichts hinzuzufügen, außer unserem herzlichen Dank an Oliver Bidlo, für dessen Mühen!

Ich habe auch einen kurzen Blick auf sie werfen können. Wie wurden sie erstellt und welche Funktion haben sie?
Sabine: Die Illustrationen wurden mit einem KI-Generator auf der Basis eigener Schlagworte erzeugt. Der Versuch, zuvor ein weiteres Tool zu nutzen und die Geschichten von einem System zu verschlagworten, führte zu unbefriedigenden Ergebnissen. Selbst die von uns abgesprochenen Schlagwörter brachten überraschende Ergebnisse, darunter eines, das ausgetauscht wurde, weil es umstrittene Symbolik nutzte. Für mich dienen die Illustrationen dazu, das Thema KI und den aktuellen Stand der Leistungsfähigkeit zu zeigen.

Kai: Ja, es ist spannend zu sehen, wie eine KI die jeweilige Geschichte mithilfe der ihr zur Verfügung gestellten Schlagworte visualisiert. Diese Visualisierung lässt sich dann schön mit den Bildern vergleichen, die man selbst nach dem Lesen der Geschichte im Kopf erzeugt hat. Daher ist es uns wichtig gewesen, dass die Illustrationen nach und nicht vor den jeweiligen Geschichten in den Buchsatz eingefügt wurden. Als interessant empfand ich auch die von Sabine zuvor angesprochene Imperfektion. Beispielsweise lässt sich auf einer Illustration an der auf ihr abgebildeten Person eine seltsame Fingerstellung erkennen: Entweder leidet die bedauernswerte Person an einer krassen Fehlstellung ihrer Finger oder es müssen derer mehr als fünf sein. Ebenso eine Illustration, die eine Szene in der Hochschulmensa visualisiert, in der staubbedecktem Mobiliar vorkommt. Die von der KI generierten Staubberge erinnern hierbei eher an eine Wüstenlandschaft, als an einen Speisesaal. Wir haben uns bewusst für diese Illustrationen entschieden, um den – in Anführungszeichen – Blickwinkel der KI-Software und auch deren aktuellen Stand aufzuzeigen. Ein späterer Vergleich, vielleicht mit den technischen Möglichkeiten im Jahr 2049 wäre sicher aufschlussreich. Wobei ich vermute, dass wir nicht annähernd derart lange warten müssten, um deutlich verbesserte Darstellungen zu erhalten.

Wie geht es nach der Veröffentlichung weiter? Wo kann man euch treffen und in die Anthologie reinschnuppern?
Sabine: Mich trifft man am häufigsten in den Zügen der Deutschen Bahn. 😊 An der DHBW Mannheim wird die Anthologie am 10.10.24 vorgestellt.

Kai: Ja, die Vorstellung am 10.10.24 ist allerdings zunächst hochschulintern. Öffentliche Lesungen sind danach in und außerhalb Mannheims geplant. So haben wir uns um einen Leseslot auf dem BuchmesseCon, dem BuCon, am 19.10.24 beworben, ebenso um eine Lesung im Rahmen der Mannheimer Lichtmeile am 20.10.24. Allerdings laufen die dortige Auswahlprozesse noch. Über diese und weitere Lesungen werden wir auf der Anthologie Webseite  mannheim.dhbw.de/campus2049 informieren.

Könnt ihr euch aufbauend zu dieser Anthologie Folgeprojekte vorstellen?
Sabine: Ein Projekt wie dieses macht unglaublich viel Freude, aber auch viel Arbeit. Da wir beide selbst schreiben, werden wir uns sicherlich nicht sofort wieder in ein Projekt stürzen. Zumal das Projekt nach der Veröffentlichung nicht beendet ist, sondern die Anthologie noch an der einen oder anderen Stelle vorgestellt wird. Auf jeden Fall freue ich mich, Campus 2049 bald in den Händen halten zu können.

Kai: Auch hier kann ich mich nur anschließen. Campus 2049 ist interessanter und lehrreicher gewesen als ich anfänglich vermutet hatte, aber auch deutlich arbeitsintensiver. Sicher gäbe es viele spannende Themen, die man nachfolgend mit Campus 2049 verknüpfen könnte. Doch zunächst gilt es, die Anthologie nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der SF-Community bekannt zu machen.​

Für weitere Informationen schaut ihr hier vorbei:
mannheim.dhbw.de/campus2049
literaturfragmente.com
kein-weg.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Kai Focke & Sabine Frambach (Hrsg) - Hochschule 2049


Die Duale Hochschule Baden-Württemberg feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Für die Herausgeber der passende Zeitpunkt eine Anthologie zu veröffentlichen, in der es um die Zukunft geht. Wie sieht die Hochschule der Zukunft aus?
Und das ist nicht die einzige Frage in diesem Zusammenhang. Denn neben dem Gebäude und den Unterrichtseinheiten bieten sich verschiedene Möglichkeiten den zukünftigen Hochschul-Alltag zu skizzieren.
Dabei sind die Einflüsse durch die Pandemie und auch die fortschreitende Digitalisierung in den achtzehn Geschichten mal mehr, mal weniger Thema.
Was an der Zusammenstellung auffällt, trotz der recht engen Vorgaben, was Plot und Zeichenzahl betrifft, sind achtzehn sehr unterschiedliche Geschichten entstanden, die durch ihre Vielfältigkeit ein Mosaik des zukünftigen Alltags an der Hochschule beschreiben könnten.
Es bleiben Themen aus unserer Zeit präsent: Lernstress, Finanzierung und haptische Versuche.
Doch es kommen auch neue Aufgaben der Hochschule dazu: hybrides Lernen und das damit einhergehende, veränderte Sozialgefüge. Das vornehmliche Stützen auf Technik und die Abhängigkeit von Servern und Daten und etwaigen Verlusten.
Doch wie so oft in der Science Fiction, was fußt auf reellen Annahmen und was ist lediglich Fiction? Nun, dass sich die Dinge ändern, haben uns die letzten Jahre deutlich gezeigt.
Was die Technik angeht, so ist der Wandel schnell und stetig.
Den Menschen zu verändern, das bedarf wie immer Zeit und Raum.
Und somit bilden die achtzehn Geschichten einen perfekten Querschnitt aus dem, was sein kann und dem, was sein wird. Abgerundet und flankiert werden die Texte von einem Sachtext zum Thema KI, geschrieben von Friedhelm Schneidewind, und einem Interview mit dem Rektor der DHBW Prof. Dr. Georg Nagler. Während der Sachbeitrag sich auf die KI-Technik im Zeitpunkt der Verschriftlichung des Artikels und die heutigen Quellen stützt, geht es bei dem Interview sowohl um eine Vor- als auch eine Rückschau. Die zwei Beiträge rücken die zuvor gelesen Texte in ein "tagesaktuelles" Licht und zeigen: Science Fiction ist sehr oft nah an der Realität. Durch diese beiden Beiträge werden die Geschichten in eine Realität eingebunden, wie sie sonst in Anthologien nicht zu finden ist. In diesem Sinne: Chapeau.

5 von 5 Hochschulen

Dienstag, 8. Oktober 2024

Christian Endres "Wolfszone"

Um eine Kurzgeschichte auf die Länge eines Romanes zu bringen, bedarf es nicht nur Fingerfertigkeit. Der zuerst bewusst kurz gehaltene Plot muss erweitert werden, ohne dass er wie von einer Luftpumpe künstlich aufgebläht wirkt. Warum ich das sage? Weil es für mich noch schwieriger erscheint, eine bereits verfasste Idee so umzusetzen, dass es in sich hinterher stimmig wirkt. Dass es nicht, wie bei so manch Krimiserien, die erst als Einzelband gedacht waren, angefrickelt und somit unlogisch wirkt.
Wie Christian Endres das geschafft hat?
Nun ... Zuviel will ich nicht verraten, aber was den Roman kennzeichnet, sind die vielen Handlungsstränge, die lange Zeit nebeneinander herlaufen und dem Lesenden ein Gefühl für die Stimmung in der Wolfszone geben. Da sind die Anwohner, die mal Profit aus der Nummer schlagen wollen, aber auch wieder unter der allzu großen Aufmerksamkeit leiden. Dann stehen sich das Militär und Protestler gegenüber. Die einen sind gegen die Cyborgs, oder wollen sie zumindest weiterhin im Wald wissen, während die anderen in den ehemaligen Wölfen immer noch die Tiere sehen, die es zu schützen gilt. Und schließlich gibt es den Privatermittler, der in dieser aufgeheizten Stimmung ein Mädchen suchen soll, was sich nicht mehr bei ihrer Mutter gemeldet hat.
Einfacher Plot? Mitnichten! 
Denn vieles kommt im Buch zur Sprache, auch wenn es oft nur angedeutet wird.
Doch was am schwierigsten anmutet, ist sich mit den Personen zu identifizieren. Die Kapitel sind kurz, die Szenenwechsel dadurch sehr schnell und ich brauchte verhältnismäßig lange, um in die Geschichte einzutauchen.
Doch Christian Endres nutzt in diesem Buch die Sprache ausgefeilt, um die Unterschiede zwischen den Menschen herauszukehren. Mal im starken Dialekt, mal abhakt und unvollständig, um dann wiederum in Rätseln zu sprechen, schafft er es, den Menschen ein sehr individuelles Auftreten zu verleihen und die Geschichte so durch alle Hemmnisse voranzutreiben.
Kann man also eine Kurzgeschichte zu einem Roman umarbeiten? Ich würde sagen, nicht jeder. Aber Christian Endres kann.

4,5 von 5 Cyborgs

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Autoreninterview Dieter Rieken

Hallo zusammen.
Mit seinen Kurzgeschichten steigt Dieter Rieken tief in die Psychologie ein. Ihr wollt mehr erfahren? Dann lest das folgende Interview:

(Bild: (c) Mercan Fröhlich Mutluay, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe mich als Jugendlicher für alles Mögliche begeistert, zum Beispiel für Naturwissenschaften und fürs Zeichnen. Vor allem aber habe ich viel gelesen, und das queerbeet. Was meine ersten Schreibversuche betrifft, waren Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre Autoren wie Herbert Franke, Thomas Ziegler, Samuel R. Delany, Ursula K. LeGuin und John Varley wichtige Vorbilder. An der Uni sind weitere „Studienobjekte“ dazugekommen, die mich aus verschiedenen Gründen beeindruckt haben: Büchner, Brecht und Christian Geissler, aber auch Majakowskij, Boris Pilnjak und Andrej Belyj.
Den Ausschlag, dass ich nicht wie geplant Biochemie, sondern Literaturwissenschaften studiert habe, hat übrigens Herbert Franke gegeben – unfreiwillig natürlich. Er fand die Stories, die ihm der 18-jährige Nobody zugeschickt hatte, richtig gut und hat sie Wolfgang Jeschke empfohlen. So kam es, dass der Heyne Verlag gleich drei meiner Geschichten gekauft hat.
Um 1984 herum gab es dann eine doppelte Zäsur: Der „Boom“ der deutschen SF in den großen Verlagen war vorbei. Gleichzeitig hat mir mein Studium deutlich gemacht, welche Ansprüche ich an „gute Bücher“ stelle und dass für mich dazu weitaus mehr gehört als eine interessante Idee und eine mittelmäßige Umsetzung ... Lange Geschichte! Um es kurz zu machen: Die folgenden 35 Jahre habe ich Literatur – wenn überhaupt – fast ausnahmslos für die Schublade geschrieben. Bis 2018, bis zu meiner ersten Storysammlung „Überlebensprogramm“ …

„‚Zweimal langsamer wie du …‘“ ist Anfang des Jahres erschienen und hat für viele gute Besprechungen gesorgt. Doch erzähl einmal, wie kamen ausgerechnet diese Geschichten zusammen?
Das Buch besteht ja im Wesentlichen aus zwei Kurzromanen – und Novellen haben es hierzulande bekanntlich schwer. Michael Iwoleit hat „Jonas und der Held Terranovas“ in seiner letzten NOVA-Ausgabe publiziert – trotz der Länge. „‚Zweimal langsamer wie du …‘“ ist dann allerdings noch umfangreicher geworden als „Jonas“. Ich habe die Geschichte nirgendwo unterbringen können, zumindest nicht ohne radikale Kürzungen. Das wollte ich aber nicht. Als mein Verleger Michael Haitel mit der Idee auf mich zukam, daraus ein eigenes Buch zu machen, habe ich sofort ja gesagt. Das war zugleich eine willkommene Gelegenheit, „Jonas“ zu überarbeiten. Dazu musst du wissen, dass ich mit meinen Geschichten eigentlich nie zufrieden bin; ich finde garantiert immer noch etwas, das man besser machen kann. So ist dann auch die „Die Schneekönigin“ mit in das Buch gekommen – eine Neufassung einer älteren Story. Es beinhaltet also einfach die letzten drei Erzählungen, an denen ich seit 2020, seit meinem Roman „Land unter“ gearbeitet habe.


In meiner Rezension des Buchs habe ich auf den psychologischen Aspekt in deinen Geschichten hingewiesen. Triffst du die Entscheidung für psychologische Elemente bei jeder Geschichte bewusst? Oder ergeben sie sich im Schreibprozess auf Grund des Plots?
Weder noch. Ich denke mal, ich kann gar nicht anders, als meine Figuren mit einem nachvollziehbaren Hintergrund zu schreiben. Denn so ein „Päckchen“ trägt schließlich jeder von uns mit sich herum; und die Figuren sollen die Leser:innen doch überzeugen!
Die Idee, dass der ehemalige Raumschiffpilot Captain Täuber – noch dazu mit seiner Vorgeschichte – ein innerlich „zerrissener“ Mensch sein muss, stand bei „Jonas“ von Anfang an fest. Das war nicht nur entscheidend für den ganzen Plot, sondern auch für die Überraschung gegen Ende der Erzählung.
Bei „‚Zweimal langsamer wie du …‘“ habe ich mich mit jeder Überarbeitung näher an die Reaktionen meiner Hauptfigur herangetastet. So, wie Tine letztlich auf die Geschehnisse und Katastrophen in dieser Erzählung reagiert, ist sie aus Sicht ihres Ex-Freundes Warner eine „Weltmeisterin in Realitätsverweigerung“. Ich kann diese Verdrängungsmechanismen ziemlich gut nachvollziehen. Denn ich kenne viele Leute, die mit den täglichen Katastrophenmeldungen schon heute anders nicht mehr fertig werden.
Es ist also wohl eher so, dass die Frage „Was macht das mit uns?“ – die psychische Verfasstheit der Hauptfiguren – konstitutiv für viele meine Plots ist. Auf jeden Fall nicht andersherum.

In welcher deiner Geschichten war dir dein eigener Antagonist lieber als dein Protagonist?
In keiner. In „Land unter“ gibt es zwar Antagonisten im klassischen Sinne. Doch die waren mir nicht „lieber“, ich fand sie nur interessanter zu schreiben, vor allem den Berliner Clanchef Tarik, weil mir sein Hintergrund und die Art, wie er lebt, denkt und agiert, sehr fremd sind. Da musste ich viel recherchieren.

Bekannt bist du für deine Science-Fiction-Texte, aber bitte einmal ehrlich: Schlummert in der berühmten „Schublade“, die jeder Autor hat, kein anderes Genre, das du einmal ausprobieren möchtest?
Nein, wirklich nicht. In meiner „Schublade“ gibt es ein paar Ideen, aber die sind alle mehr oder weniger Science-Fiction. Ehrlich gesagt weiß ich im Moment nicht, ob ich sie jemals umsetzen werde. Ich schreibe zwar viel, doch das sind Sachtexte, und neben meinem Beruf finde ich nur wenig Zeit für literarische Texte ... Wie auch immer: Wenn, dann ist „Near Future“ für mich auf jeden Fall auch weiterhin die ideale Form, um eine gute Geschichte zu erzählen, die man nicht nur gerne liest, sondern die vielleicht sogar einen Beitrag zu den Themen und Problemen unserer Zeit leistet.
Natürlich nur einen kleinen Beitrag, aber immer mit dem klaren Blick von einem möglichen, wahrscheinlichen Morgen aus auf das Gewesene, das unser Heute ist – und vielleicht auch auf den Weg dazwischen. Diesen Anspruch habe ich.

Welchen Science-Fiction-Plot würdest du nie schreiben, weil er dir zu abgegriffen ist?
Jede Form von Military-Science-Fiction. Belanglos. Und so sehr ich jeden Versuch bewundere: Utopien. Die sind zwar nicht abgegriffen, im Gegenteil, aber ich habe wahrscheinlich nicht genug Zuversicht dafür.

Bei aller Kritik, die wir Schreibenden oftmals einstecken müssen: Was spornt dich immer wieder an, dich an deine Tastatur zu setzen?
Es sind die Ideen in meinem Kopf, die sich alle irgendwie um den Zustand unserer Welt drehen. Ich habe eine ziemlich klare Haltung zu den gängigen Klima- und Umweltproblemen, zu Rechtspopulismus und Nationalismus, zu den Möglichkeiten und Grenzen der Demokratie … Zum Teil ist es sicher auch das Bedürfnis, gewissen Menschen, die ihre Macht und ihren Einfluss missbrauchen, in literarischer Form zu widersprechen. Nicht zuletzt liebe ich es wirklich, wenn sich aus diesen Ideen und Gedanken allmählich eine Geschichte herausformt, die mit interessanten Figuren aufwarten kann und die hinsichtlich Sprache und Stil einfach „schön zu lesen“ ist.
Das alles ist ein starker Ansporn. Mal sehen, wann es mich das nächste Mal „packt“.



Nachdem ihr Dieter kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:

spbonline.de
facebook.com/profile
instagram.com/dieter_rieken

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Andreas Suchanek "Ein blitzsauberer Mord"

Tilly ist es leid, sich immer wieder den Launen ihres Chefs auszusetzen. Wie der Zufall es will, kann sie eine Reinigungsfirma in Untertannberg kaufen und wird ihre eigene Chefin. Mit allem, was dazu gehört. Denn nicht nur die Firma ihr Vorgänger ihr vermacht. Nein. Eine verzogene Tür und einen Hundewelpen gibt es zum Kauf noch dazu.
Doch all das ist nichts zu ihrem ersten Job. Denn als sie diesen antritt, findet sie ihre erste Leiche und hinterlässt am Tatort das reinste Chaos.
Andreas Suchanek startet mit "Ein blitzsauberer Mord" eine cosy crime Serie rund um das einst verschlafene Untertannberg und seine Neuzugereiste Tilly Blich. Als Reinigungsfachkraft, die den menschlichen Müll und damit auch die Abgründe der Menschen und auch die vermeintliche Inkompetenz der Polizei schon kennengelernt hat, sieht sie sich in Untertannberg direkt in der Defensive. Das kleine, einst ruhige Dörfchen wird nicht nur durch ihre Ankunft aufgerüttelt, sondern der Mord bietet ihnen einerseits Unterhaltung, andererseits sind die Menschen auch geschockt. Es muss doch ein Zusammenhang bestehen, oder nicht?
Andreas Suchanek weiß, wie man die Lesenden fesselt. Immer wieder meint man, dem oder der Richtigen auf der Spur zu sein, nur um dann von ihm erneut auf eine andere Fährte gelockt zu werden. 
Feine Charaktere mit Sinn für Humor oder eben auch der Dorfpolizist, der vermeintlich gar nichts allein schafft erinnern die großen Krimi-Klassiker. Unterlegt mit einer gehörigen Portion Humor, wechselt man beim Lesen zwischen Lachen und Kopf schütteln hin und her. Denn: Auch diese Figuren machen manchmal das, was man eigentlich nicht machen sollte und nehmen sich dafür gehörig selbst auf die Schippe.

4 von 5 Kuchenstücken