Mittwoch, 31. Januar 2024

Paul Theroux "Es muss ein Zauber sein"

Die dunkle Jahreszeit lädt ein, sich mit Geister oder Gespenstern zu beschäftigen.
Der Wind rauscht um das Haus, der Regen platscht auf das Dach oder es versinkt alternativ alles im Schnee.
Die kleine Gespenstergeschichte regt die Fantasie an und der Leser taucht in die Geschichte mit seinen kleinen Rätseln und übersinnlichen Phänomenen ein.
Ein paar Tage vor Weihnachten zieht es die Familie zu dem neuen Ferienhaus, doch der Schnee macht die Ankunft unmöglich. Gestrandet in einem Hotel, bekommt der älteste Junge der Familie eine Postkarte, die magisch anmutet.
Fortan sieht er Dinge auf der Karte oder hört alternativ etwas vor dem Haus und lange scheint es so, als ob Weihnachten nicht so begangen werden könnte, wie sich es die Familie wünscht.

Achtet man auf die kleinen Werte hört man es leise rauschen und flüstern, wenn man durch die Seiten blättert.
Stimmungsvoll erzählt die Geschichte, was alles zur Weihnacht gehört. Neben Geschenken und Materiellem auch eine ganze Menge Glauben, Hoffnung und Zuversicht.

Eine schöne Geschichte bei einem prasselnden Kaminfeuer.

4 von 5 Gespenstern

Sonntag, 28. Januar 2024

Joshua Tree (Hrsg) "In andere Welten"

Was ist es, was eine gute Anthologie ausmacht?
Sind es namenhafte Schreibende, unentdeckte Planeten oder noch unbekannte Technologien?
Die Wahrheit liegt bekanntlich in der Mitte.
 Joshua Tree ist es mit Brandon Q. Morris gelungen, eine unterhaltende Anthologie zusammenzustellen. Mit 27 Autorinnen und Autoren ist es eine der umfangreichsten, die ich in der Science Fiction Literatur gelesen habe. Dabei gelang es den Herausgebern in der Auswahl, sehr vielfältige Texte unter dem Banner "In andere Welten" zusammenzuführen.
Sowohl die unterschiedlichen Themen als auch die sehr variablen Längen zeigen, wie flexibel die Science Fiction in ihrer Erzählstruktur ist. Mal wird gelacht, mal wird geweint, mal wird man nachdenklich gestimmt, aber immer bekommt der Lesende eine stimmige Geschichte erzählt. Wieviel Science und wieviel Fiction in der jeweiligen Erzählung dominiert, dass liegt in der Individualität des Schreibenden.
Dass der Lesende nicht jede mag oder man auch den Eindruck hat, "etwas Ähnliches" schon einmal gelesen zu haben, lässt sich nicht vermeiden, aber die Anthologie zeigt: Jeder Lesende kann seine Geschichte in den Weiten des Weltraumes oder in den Tiefen einer KI finden. Man muss nur aufmerksam lesen.

4 von 5 Welten

Donnerstag, 25. Januar 2024

Autoreninterview June Is

Hallo zusammen.

Heute rede ich mit June Is:


(Bild: Rahel Meister, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe seit der 4. Klasse, war also ein eher ideenreiches Kind. Habe das dann später immer weiter verfolgt, über Reiseberichte, Gedichte und Geschichten, noch ohne Veröffentlichung, aber ich bin immer von anderen ermutigt worden (Lehrer, Seminarleiter, Profs). Die erste Veröffentlichung kam 2005 über einen Editor aus den USA, den ich auf einer Reise kennenlernte. Ich war in seinem Lyrikband Gastautorin und megastolz. Mir fiel über die Jahre genreübergreifend auf, dass ich Geschichten mochte, aber oftmals fehlten mir Spannung oder wichtige repräsentative Aspekte (Abbildung von Protagonisten mit Behinderungen, vor allem durch die Gesellschaft oder das Umfeld) und ich wollte es selbst anders machen. Beispiel Romance. Es gab für mich nichts Langweiligeres als zwei Wesen (je nach Genre), die sich treffen, irgendwie auseinandergebracht werden, sich wieder treffen und dann happily ever after leben. Und doch fasziniert mich der Romeo-und-Julia-Stoff, aber auf einer anderen Ebene, übrigens wieder beispiellos umgesetzt in der asiatischen Meteor-Garden-Serie auf Netflix. ;) Jetzt habe ich vor einer Weile selbst einen Vertrag unterschrieben für eine Romance-Geschichte, die in erster Linie empowernd für andere Menschen ist. Das ist mir irgendwie ganz wichtig, dass es neben der Liebe eine Aussage gibt. Mittlerweile sehe ich Schreiben als "diffusen Mix aus Entertainment und Prämisse", einerseits Ungewöhnliches zu schreiben und andererseits auch die Lesenden zu begeistern.

Offensichtlich nutzt du ein Pseudonym. Wie kam es zur der Entscheidung?
Es ist für mich nur ein Halbpseudonym, denn seit meinem Studium werde ich June gerufen. Es ist quasi ein Nickname gewesen. Ich hab lediglich noch das wortspielende als auch philosophische "im Sein seiende" "Is" als Nachname hinzugefügt. Mittlerweile darf ich damit sogar Flugtickets buchen, weil es im Ausweis als Künstlerinnenname vermerkt ist. Eine meiner letzten Errungenschaften, nachdem mein Debüt herauskam.

Letztes Jahr erschien dein Buch "Gefangen zwischen den Zeilen". Wie kam es zu der Geschichte und wie lange hast du daran gearbeitet?
Die Geschichte des Strafbuches entstand als Kurzgeschichte für die "Keller-Ausschreibung" des OhneOhren-Verlages. Da war es allerdings noch kein Buch in einer Bibliothek sondern einfach die Geschichte von Linda, die dem Vater in den Keller folgt und dann durch das Portal nach ca. 1890 geht. Der Rest kam erst drum herum, als ich eine Absage für die Antho, aber damit auch eine Zusage für die Verlängerung der Geschichte zu einem Kurzroman bekam. Ich hatte auf einmal die Möglichkeit, gesellschaftlich relevante Dinge in einem höchst unlangweiligen Maße zu verpacken. Diese Chance habe ich natürlich genutzt. Von der Arbeitszeit her war es gar nicht mal so lange. Ich meine, 9 Monate, aber da war auch viel Nachdenken (welche Figuren brauche ich noch usw.), bereits Bestehendes umwerfen (zum Beispiel ganze Erzählformen ändern) und nach dem Sensitivy Reading noch mal einiges anpassen dabei.

Schreibst du gerade an einem neuen Projekt?
Wie bei 1) schon erwähnt, habe ich ein völlig anderes, nicht fantastisches Projekt gerade gestartet. Nebenbei wird kräftig an der Anthologie zu meiner Ausschreibung "Das Leuchten der Schweinwerfer" gewerkelt. Ich schreibe außerdem am zweiten Teil von "Gefangen zwischen den Zeilen". Weiterhin - jetzt wird's gruselig - wünsche ich mir sehr, auf den englischsprachigen Markt zu expandieren, daher schreibe ich zeitgleich an einer englischen Fantasy-Novelle mit einem trans Protagonisten - und das deshalb, weil ich glaube, dass gerade der amerikanische Markt positive Repräsentation nötig hat. Viele kämpfen da in einigen Staaten um Anerkennung ihrer Rechte, daher dachte ich, ich kleines Licht versuche mal, da neben anderen etwas anzustoßen. Für dieses Projekt stehen mir zwei trans Personen als SR-Reader:innen zur Verfügung.
Woher nehme ich die sprachliche Confidance? Nun, ich habe kürzlich im englischsprachigen Canada bei einem Schreib-Wettbewerb für längere Projekte teilgenommen, da hat mir ein - wie ich später durch Google erfuhr - preisgekrönter Mensch Feedback gegeben und mir versichert, er würde es wieder machen, wenn's fertig ist. Das ist natürlich toll, weil ich dahingehend auf jeden Fall mindestens eine Rückmeldung von einer Person, die Englisch-Muttersprachler ist, bekommen werde. Sofern er es nicht vergisst, bis ich fertig bin :D  Ich traue mich fast nicht, am Ende noch zu erwähnen, dass ich auch ein chinesisches Kinderbuch auf meinem Projektstapel habe, eine Freundschaft zwischen einem deutschen und einem taiwanischen Kind - samt Illustrationen, aber das ist wirklich Ende-des-Jahres-Zukunftsmusik. 

Neben der Schriftstellerei bist du auch Illustratorin. Was waren deine letzten Cover?
Meine letzten Cover ... nun ähm. Das Cover bei Haller 20 war tatsächlich mein erstes Cover. Ich habe danach jetzt allerdings ein paar Anfragen bekommen und werde diese Sache natürlich weiterverfolgen, sodass ich Referenzen bekomme, die ich dann auch mal irgendwelchen anderen Leuten zeigen kann. Andererseits muss man auch die AI-Entwicklung und vor allem den Umgang der Menschen damit abwarten. Ich kann immerhin noch als Bestseller-Autorin durchstarten (träumen ist erlaubt), aber es gibt Menschen, die leben von ihren Illustrationen und haben keine andere Einnahmequelle. Das ist ja nichts Neues, aber man kann es nicht oft genug wiederholen.

Bist du der Meinung, dass deine beiden kreativen Ausdrucksformen sich gegenseitig bestärken oder ist es eher so, dass erst die eine und im Nachhinein die andere ihre Kraft entfaltet?
Die bestärken sich durchaus. Wie oft denke ich: Hah, das ist eine gute Idee, aber wie setzt du die jetzt um, welche Erzählform, welches Genre, dann ploppt so eine Blase auf - vor meinem geistigen Auge und ich sehe ein Bild. Steampunk, Portrait, lässt auf Ich-Erzählung schließen --> ok, ja, das passt zur Idee, dem werde ich mal nachgehen, dem Gedanken ... andererseits habe ich den Video-Kurs von Felix Scheinberger gemacht. Und der arbeitet viel mit dem Zufall - Pareidolie nennt sich das - wenn Farben oder in seinem Fall - Kaffeeflecken :D - bestimmte - manchmal arg konkrete - Formen annehmen, ohne, dass man mit dem Pinsel nachhilft. Man malt, wenn's getrocknet ist, was man darin sieht und oft guck ich aufs Papier und habe ein Storyelement oder da ich viele Gesichter male, einen Protagonisten. Also durchaus hilfreich, beides. Allerdings sollte man nicht alles vom Zufall abhängig machen, sonst leidet die eigentliche Aussage darunter, weil es in eine völlig andere Richtung gehen kann.

Du hast eine schriftstellerische und eine grafische Idee. Welche setzt du zuerst um? ;-)
Uhhhhhhh. Ich glaube, wenn es dieselbe Idee ist, weil ich mich da immer noch sehr viel sicherer fühle, kam bisher zuerst die schriftstellerische Umsetzung. Danach dann die Illustration. Wobei ich in der Reihenfolge selten zufrieden bin, mit dem Bild. Vielleicht sollte ich es einfach mal anders herum probieren ... ;)

Nachdem ihr wisst, was June schreibt, könnt ihr hier mehr erfahren:
instagram.com/june_is_artist

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 24. Januar 2024

Doris Kahl "Wortgefecht und Zahlenzauber"

Im Alltag kommt oft Vieles zu kurz? Tatsache!
Doch ob nun die Badewanne der richtige Platz für ein morgentliches oder abendliches Gehirnjogging ist, das ist bekanntlich die Frage.
Doch das Wannenbuch ist so aufgemacht, dass es sich perfekt für die Badewanne eignet. Keine Angst, dass die Seiten hinterher zusammenkleben, sondern es ist direkt so konzipiert, dass man es nach dem Baden abwischen kann.

Mit den zehn Gehirnjogging-Aufgaben hat es die entsprechende Länge, dass man es während einer Sitzung lösen kann.
Gemischt werden hier Zahlen- und Worträtsel vorgestellt und am Ende kann man sich direkt davon überzeugen, ob man recht hatte.

Mit den angegebenen 15 Minuten bin ich nicht ganz ausgekommen, aber es geht auch eher um die Übung, als um die zeitliche Bedrängnis. 

Ein tolles Konzept, um die Lesezeit in der Badewanne auch mal anders zu nutzen, wenn man denn nicht lediglich entspannen will.

5 von 5 Quietsche-Enten

Dienstag, 23. Januar 2024

Patrick Bringley "All die Schönheit dieser Welt"

Ob und auf welche Weise man trauert, ist eine sehr individuelle Entscheidung.
Als Patrick Bringley nach längerer Krankheit seinen älteren Bruder verliert, scheint sein Leben nicht sinnlos, aber dennoch bedenkenswert zu sein.
Sein Job beim New Yorker erfüllt ihn nicht mehr mit Stolz, sondern er fühlt sich wie ein unbedeutendes Rädchen im Getriebe.
Von Hause aus sind die Geschwister sehr an Kunst interessiert und so nimmt er einen Job als Museumswärter beim Metropolitan Museum of Art an.
Er will in der ersten Zeit einfach nur da stehen, die Kunstwerke betrachten und die Besucher kurz auf Dinge hinweisen. Sonst nichts.
Sein Leben steht vorerst still und er geht zur Arbeit, schläft und fängt wieder von vorne an.
Wie es die Natur der Trauer ist, verändert sie sich irgendwann. Er geht aktiv auf Gemälde, Skulpturen zu, liest die entsprechenden Bücher und unterhält sich mit Besuchern und den anderen Wärter.
Langsam kehrt er ins Leben zurück, nimmt an ihm teil und immer dabei ist die Kunst.

Während Patrick aus seinem Leben erzählt, kommt auch die Kunst nicht zu kurz. Je nachdem, in welchem Bereich er eingesetzt wird, erzählt er, wie die Kunstgegenstände dorthin kamen. Welche Sonderausstellungen es gab oder schlicht, was die Aufgabe des jeweiligen Objektes ist.
Man erfährt die Geschichte einzelner Künstler und man liest auch, welche Dinge im Museumsbetrieb nicht funktionieren.
Das Sachbuch setzt den Fokus auf zweierlei Dinge: Zum einen, wie geht man mit Trauer um und wie nimmt die Außenwelt Einfluss und zum anderen, was macht Kunst mit dem Betrachtenden.

Ein Buch für alle Kunstinteressierten, die den berühmten Blick hinter die Kulissen werfen wollen. Sicherlich kann das Buch auch als Trauerbegleitung gelten, doch wer sie nicht für Kunst interessiert, für den könnte dieser Teil zu umfangreich sein.

4 von 5 Museen

Donnerstag, 18. Januar 2024

Autoreninterview Monika Niehaus

Hallo zusammen.

Heute geht es mit der Autorin Monika Niehaus weiter:

(Foto: Christian v. Ditfurth, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen? 
Ich bin leidenschaftliche Geschichtenerzählerin – das habe ich wohl von meinem Vater, der eine Weile als Schiffsarzt zur See gefahren ist und mit den tollsten Geschichten nach Hause kam (wenn da sicher auch viel Seemannsgarn drunter war). Und wir hatten einen gut gefüllten Bücherschrank zuhause, von Karl May über Jules Verne und Conan Doyle bis H. G. Wells. 
Da kommt man schon auf Ideen ...
Und als ich anfing, Biologie zu studieren, hatte ich das Glück, dass der Ordinarius SF-Fan war. In der Biologie muss man nämlich nur einen Schritt weitergehen, um in der SF zu landen – man denke nur an fiese Körpermitbewohner, seltsame neurologische Syndrome und wirklich außergewöhnliche Sexualgewohnheiten. Besagter Ordinarius hat dann auch meinen ersten SF-Roman „Die Mission der Päpstin Johanna“ gegengelesen und kommentiert. 
Also: Ich hatte ein sehr gutes Umfeld. 

Viele deiner Geschichten sind in den Phantastischen Miniaturen veröffentlicht. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? 
Da kann ich nur einen Namen nennen: Jörg Weigand. Wir lernten uns anlässlich der Robert-Sheckley-Preisverleihung des Bastei-Verlags kennen, bei der er in der Jury saß, und daraus wurde eine nur schon fast 40 Jahren währende Freundschaft. Und Jörg kennt einfach jeden im Geschäft – natürlich auch Thomas Le Blanc, den Leiter der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Also wusste Jörg auch von den „Minis“ und regte mich an, eine Story beizutragen – die Kürze liegt mir, und so bin ich seit dem ersten Heft 2011 dabei – inzwischen sind es über 70. Jörg hat mich dann auch nach Wetzlar geschleift, ich habe Thomas persönlich kennengelernt und freue mich jedes Jahr auf das dortige Treffen der Mini-Autoren. Noch sind uns die Ideen nicht ausgegangen... 

Wie schaffst du es, so verschiedene Genres gleich hochwertig zu bedienen? 
Ich finde, meine Sachbuchthemen – Neurophysiologie/-psychologie und Parasitismus – und SF liegen gar nicht so weit auseinander. Aus den „Psychotrojanern“ sind mehrere Themen in der SF wiederverwendet worden – Parasiten bieten als „Strippenzieher“ einfach genial viele Möglichkeiten! 

Zudem übersetze ich Fach- und Sachbücher im Bereich Zoologie und zusammen mit meinen 
Freund und Kollegen Bernd Schuh (Physiker) auch Populäres aus Physik und Mathe. Das bildet ungemein und hat mir auch bei dem neuesten Sachbuch „Dem Gehirn beim Denken zusehen“, das ich zusammen mit meinem Sohn Martin (Psychologe) geschrieben habe, sehr geholfen. Denn um verständlich zu schreiben, muss man’s erst mal selbst verstanden haben.

Was macht für dich eine gute Pointe aus? 
Sie muss prägnant und überraschend sein. Gerade bei einem kurzen Text wie den Minis, die nicht mehr als 700 Wörter umfassen sollen, darf man sie nicht kommen sehen, sondern sich über eine unerwartete Volte freuen. Eine gelungen Pointe sollte einen Wow-Effekt auslösen!

Sachtext oder Fiktion: Was macht dir mehr Spaß?
Die Abwechslung! Sachtexte sind insofern einfacher, als man kapitelweise vorgehen und die ganze Chose später ordnen kann, bei einer SF- oder Fantasy-Story sollte alles von Anfang an auf einem Guss sein – mit später noch daran Rumbasteln habe ich  keine guten Erfahrungen gemacht. Spaß macht es immer dann, wenn man das Gefühl hat, der Text ist „spannend und sitzt“. Damit sind wir beim Küchentischtest: Was dort bei den Gästen gut ankommt, ob Non-Fiction oder SF, tut‘s in der Regel auch im Buch/als Story.  

An welchem neuen Projekt hättest du deine wahre Freude? 
Meine Texte, ob Sachbuch oder SF/Fantasy, selbst zu bebildern. Ich habe mal kurz an der Düsseldorfer Kunstakademie dilettiert (Jupp Beuys war mein Patenonkel), aber in der Biologie haben ich die netteren Leute kennengelernt, darunter meinen  späteren Mann, und so bin ich eben Biologin geworden. Die Freude am Zeichnen und Malen habe ich mir bewahrt, doch wenn man so lange ausgesetzt hat, dauert es eine ganze Weile, bis man wieder „drin“ ist.
Aber ich werde es versuchen... 

Wie sieht dein perfekter Schreibtag aus?
Allein! Keine Störung, kein Telefon, kein Handy, dazu eine geniale Idee und dann loslegen im Flow. Grässlich ist es allerdings, wenn man an so einem perfekten Tag mit tippbereit erhobenen Händen da sitzt und einem partout nichts einfallen will ...  dann gehe ich die Küche, lade Gäste ein und wir kochen.

Nachdem ihr wisst, was Monika schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
monika-niehaus.com
facebook.com/DrMonikaNiehaus

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Mittwoch, 17. Januar 2024

Jule Pieper "Das Weihnachtswunder deines Lebens"

Jeder erlebt in seinem Leben mindestens eine große Krise. Wie schwer und weitreichend sie ausfällt, ist individuell sehr unterschiedlich. Es ist auch so, dass nicht jeder das gleiche unter einer Krise versteht, da die Menschen unterschiedlich belastbar sind.
Doch Tatsache ist und bleibt: Allein schafft man es meist nicht heraus.
Zu sehr ist man in der Situation gefangen und kann nicht klar und objektiv denken.
Wer in diesem Fall nicht zum klassischen Ratgeber greifen will, sollte sich "Das Weihnachtswunder deines Lebens" besorgen.

Claudia hat ihr Leben komplett in den Sand gesetzt. Sie hat einem Mann in allem vertraut und jetzt ist alles weg. Mann, Geld, das Zuhause auf Mallorca.
Ende November muss sie zu ihren Eltern nach Deutschland zurückkehren und alles, wirklich alles, ist zu viel, unnütz und vor allem traurig.
Wie gut, dass es Omas Adventskalender gibt, der Claudia durch tägliche Aufgaben zwingt, aufzustehen und sich der Welt zu stellen.

Verpackt in Gespräche oder auch Handlungen zeigt die Autorin, was das Wichtigste ist. Man ist niemals allein und darf sich nicht einigeln. Die Welt, so abgedroschen es auch klingt, dreht sich weiter und aus vielen Situationen kann man sich mit Hilfe anderer auch wieder hinausmanövrieren.
Das Buch bietet einen guten Einstieg, was man selbst tun kann, weist aber darauf hin, wann man sich professionelle Hilfe holen sollte.
Mit den kleinen Tagesaufgaben zeigt die Autorin, wie sich auch an den dunkelsten Tagen Glück und Freude ins Leben zurück stehlen können und man so nicht den Mut verliert.

Ein aufmunterndes Buch, dass eine Stütze in einer düsteren Zeit sein kann.

4 von 5 Wundern

Dienstag, 16. Januar 2024

Tom Turtschi "Protokoll Delta Bravo"

Tom Turtschi gelingt mit seinem Kurzgeschichtenband "Protokoll Delta Bravo" das, was den meisten Schreibenden nicht gelingt:
Mit seinen Kurzgeschichten, die alle der Science Fiction zugehörig sind, bildet er die doch sehr unterschiedlichen Bereichen der SF ab. Die abgelieferte Qualität und die wieder erkennbare Stimme, die sich trotz allem der jeweiligen Geschichte anpasst, lassen mich als staunenden Leser zurück und zeigen, wie weit man es als Autor im Bereich der Kurzgeschichten bringen kann. Nicht umsonst hat der Autor bereits einige Preise erhalten.

Alle Geschichten sind recht aktuell entstanden, wodurch sie einen starken Realitätsbezug für den Leser haben. Blickt die Science Fiction in ihren Texten in die Zukunft, ist trotzdem immer der Zeitpunkt wichtig, von dem aus sich der Leser in die Geschichte hineinbegibt. Missionen im Weltraum, KI-gesteuerte Kriege und die KI im Werbebereich sind Geschichten, die man als Leser nachempfinden und in die man sich reinfühlen kann. Nun ja, zumindest wenn man einen Raumanzug anziehen oder programmieren kann.

Die Erzählungen zeichnet alle aus, dass sie trotz technischer Raffinesse ohne lange Beschreibung der Mechanismen auskommen. Vielfach dockt der Autor an aktuelles Wissen an und kann in seinen Texten die Prosa wirken lassen, ohne die technische Funktionsweise zu dominant in den Vordergrund zu stellen.

Doch nicht nur die Technik findet Einzug in seine Geschichten. Gerade bei den Erzählungen, bei denen man vermeintlich am wenigsten damit rechnet, sind empathisch unglaublich stark geschrieben. Reflexion, Ehrgefühl und auch Mitleid sind nur einige der starken Emotionen, aus denen der Autor schöpft.

Abgerundet wird die Sammlung durch ein Nachwort von Michael K. Iwoleit, der ein wenig aus Turtschis Leben erzählt. Womit wieder bewiesen ist, Schreiberlinge sammeln immer und überall ihre Ideen.

Auch wenn es noch früh im Jahr ist, definitiv ein Jahreshighlight.

5 von 5 Protokollen

Donnerstag, 11. Januar 2024

Autoreninterview spezial "Michael Haitel"

Hallo zusammen.

Heute habe ich keinen Autor zum Interview gebeten sondern den Verleger Michael Haitel. Sein Verlag p.machinery sowie seine Imprints sind besonders für Science Fiction Fans interessant.

(Foto: Michael Haitel privat, Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du in die Verlagsbranche gekommen?
Durch einen Zufall. Anfang der 2000er fragte mich die Gattin  eines damaligen Kollegen, ob ich im Internet schauen könnte, ob ich ein bestimmtes Buch für sie fände. Das Buch war bekannt, aber niemand hatte es, niemand wollte es verkaufen.
Ich habe dann recherchiert, wo die Autorin zu finden sei, und es stellte sich heraus, dass sie in Ottobrunn (bei München) wohnte. Die Kontaktaufnahme mit Ayako Graefe war einfach, der Idee einer Neuausgabe ihres 1985 im Ulmer Verlag erschienenen und nicht mehr lieferbaren Buches »Ikebana – Geist und Schönheit japanischer Blumenkunst« stand sie positiv gegenüber – und damit war es praktisch geschehen. Es verging noch einige Zeit, denn ein professionelles Buch zu layouten war doch etwas anderes, als ein Fanzine zu erstellen – worin ich schon gute Erfahrung hatte –, aber Anfang 2004 erschien die erste Version des Buches (A4-Querformat; die Druckerei fragte mich, wie ich glaubte, dass sie das stabil binden würden), und später kam dann eine »normale« Version dazu, die heute noch bei Books on Demand läuft – und die immer noch richtig gut läuft. Das Ikebana-Buch ist der Grundstein und gleichzeitig der Bestseller der p.machinery. Während sich die meisten Ikebana-Bücher mit einer bestimmten Stilrichtung beschäftigen, hat Ayako Graefe in ihrem Werk eher Vergleiche zwischen verschiedenen Stilrichtungen angestellt, und das ist vermutlich das Geheimnis des anhaltenden (Verkaufs-) Erfolgs des bald vierzig Jahre alten Werkes.
Es dauerte dann noch ein Weilchen, bis es richtig losging. Es gab zwei Bücher, in denen es um Menschen und ihre Hunde ging, und ein Buch von Bernd Robker (heute bekannt als Robert Corvus) über seine Weltreise. Richtig los ging es dann im Juli 2009 mit Robert Hectors »2500 – Die fiktive Zukunft der Menschheit« (AndroSF 1), einem Werk anlässlich 2500 Bänden »Perry Rhodan«.

Hast du selbst auch geschrieben?
Ja, aber das ist lange her. 80er-, 90er-Jahre. Einige Geschichten wurden in Fanzines veröffentlicht, aber so richtig gut war ich nicht. Mein Hauptproblem war, dass ich in meinen eigenen Storys keinen Draht zur Science-Fiction fand, was die Veröffentlichung in SF-Fanzines schwierig gestaltete. Und irgendwann fand ich, dass meine Ideen allenfalls Schnipsel waren, nicht wirklich umsetzbar. Und die Zeit fehlte mir auch.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich stehe morgens um 6 Uhr auf, schalte den Rechner ein, checke die E-Mails. Zwischen 7 und 8 Uhr gibt es den ersten Gassigang mit meinen Hundemädchen; zwei weitere Folgen gegen Mittag und am Nachmittag. Bearbeitet wird, was zu bearbeiten ist. Auftragsarbeiten – ich arbeite als Lektor, Korrektor und Buchsetzer auch für andere Verlage und Buchmacher –, eigene Projekte, Buchhaltung (am Sonntag), E-Mails (vorrangig auch am Sonntag, es sei denn, es gibt was Dringendes). Feierabend ist meist so um 19.30 Uhr herum.

Kommst du bei den ganzen Projekten überhaupt noch zum Schlafen?
Klar. Ich habe einen ziemlich eindeutig strukturierten Tag. Um 19.30 Uhr ist, wie gesagt, Feierabend, danach gibt es noch was in der Flimmerkiste und irgendwann zwischen 22 und 22.30 Uhr geht das Licht aus. Ich kann mich über mangelnden Schlaf nicht beklagen. Ich bin nicht wirklich völlig unflexibel, aber ich mag einen geregelten Tagesablauf 😀.

Neben Büchern bist du auch an der Herausgabe von NOVA und Haller beteiligt. Was reizt dich neben Büchern auch Zeitschriftenformate herauszugeben?
Eigentlich sind es die Kurzgeschichten. Die Herausgeberin des HALLER kannte ich von einem  Anthologieprojekt. Wir kamen dann zusammen, als ich das Layout dieser Literaturzeitschrift – so bezeichnet sich der HALLER – übernahm, und mit Band 11 ging das Werk in ein Imprint der p.machinery über. Der HALLER ist sehr abwechslungsreich, was Genres, Stile und Themen angeht, und ich mag schon ein wenig Abwechslung.
NOVA wurde mir von Michael Iwoleit angeboten, nachdem der Amrûn Verlag von Jürgen Eglseer die Segel streichen wollte. Gelesen hatte ich damals noch keine NOVA-Ausgabe, aber ich wusste um den Ruf und die Qualität der Inhalte, und ich hatte einfach Lust, NOVA zu machen. Wobei ich NOVA nicht als ​Zeitschrift einstufen würde, aber das ist Erbsenzählerei. NOVA ist NOVA. Und HALLER ist HALLER 😀.

Neu ist der »Reisswolf« hinzugekommen, bei dem ich auch mitwirken darf. Was hast dich bewogen, noch ein Projekt zu starten?
Der »REISSWOLF« ist ja eher eine Zeitschrift, eben ein Rezensionsmagazin. Mit dem Namen hatte ich schon lange zu tun, nicht direkt, aber ich kannte die Urheber des Magazins, das in den 80ern zuerst erschien, recht gut, wir waren befreundet und sahen uns häufig. Der ursprüngliche »REISSWOLF« starb dann nicht einfach, sondern ging als Sparte in den ANDROMEDA NACHRICHTEN des SFCD auf.
Aktuell gab es ein wenig Gemurre über den Umgang Sylvana Freybergs, derzeitige Chefredakteurin der ANDROMEDA NACHRICHTEN (und meine Nachfolgerin), mit dem Thema Rezensionen. Ein, zwei Leute schrieben mir dazu. Ich weiß nicht, ob sie sich vorstellten, ich könne Einfluss nehmen, was ich aber sowieso nicht getan hätte. Die ANDROMEDA NACHRICHTEN sind Sylvanas Baby, sie macht das auf ihre Weise und ihre Weise ich genau so gut, wie es meine war (wenn überhaupt).
Was ich jedoch zu dem Thema so erfuhr, brachte mich eben auf die Idee, den alten »REISSWOLF« wiederzubeleben. Nicht etwa, um Sylvana indirekt an die Karre zu fahren, sondern um den Autoren, die aus welchen Gründen auch immer mit ihrer Rezi in den ANDROMEDA NACHRICHTEN nicht (mehr) landen konnten, eine Alternative anzubieten. Natürlich gibt es inzwischen Blogs und Rezensionsportale im Internet zuhauf – aber ein Rezensionsmagazin wie den »REISSWOLF« gibt es wohl nicht (jedenfalls fällt mir spontan keiner ein).
Und auch hier ist der eigentliche Grund, den neuen »REISSWOLF« zu machen, einfach, dass ich Lust dazu hatte und habe. Bei der ersten Ausgabe – der Nummer 31 (die an den 80er-Jahre-»REISSWOLF« anschließt, dessen letzte Ausgabe die 30 war) – hatte ich irgendwie das Gefühl, ein Fanzine zu machen. Das war ... spannend ... schön ...

Was ist das gewisse Etwas, dass Bücher haben müssen, um bei deinem Verlag eine Chance zu bekommen?​
Keine Ahnung. Das sind nicht selten ganz spontane Entscheidungen. Am einfachsten haben es Anthologien oder Sammlungen eines Autors. Ich bin Kurzgeschichtenfan, ich liebe Kurzgeschichten – nicht zuletzt, weil sie meinen eigenen Lesegewohnheiten zupass kommen – und ich finde es wichtig, Kurzgeschichten als solche hochzuhalten. Das soll nicht heißen, dass ich nicht auch Romane veröffentliche – was ja bekannt ist –, aber wirklich bewusste Entscheidungen treffe ich da nicht. Es ist ein bisschen Bauchgefühl, und in manchen Fällen auch Gewohnheit, wenn mir jemand, den ich schon mal veröffentlicht habe, ein anderes seiner Werke anbietet.

Nachdem ihr wisst, was Michael herausgibt, könnt ihr hier mehr über seine Bücher erfahren:
www.pmachinery.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Sonntag, 7. Januar 2024

Hans-Jürgen Kugler (Hrsg) "Ferne Horizonte"


Wenn schon die Zeitschriften der Exodus Zeitschrift optisch herausstechen, so sind die Bücher eine Augenweide.
Mit "Ferne Horizonte" widmet sich dieser Band all dem, was nach uns kommen mag.
Die 27 Geschichten unterteilen die Herausgeber in fünf Abschnitte, welche jeweils mit einer doppelseitigen Abbildung in den jeweiligen Abschnitt einführen. Untermalt wird auch die einzelne Geschichte mit einer eigenen Illustration. 
Doch nicht nur optisch macht die Sammlung einen guten Eindruck. Wie sich schon vermuten lässt, sind die erwähnten Abschnitte thematische Unterteilungen.
Ob Übermenschen, Roboter, veränderte Zeiten, die Zukunft oder Märchen von übermorgen die Autorinnen und Autoren haben sich sehr unterschiedliche Gedanken über die Zukunft gemacht und erzählen diese den Lesenden mal in witziger, mal in nachdenklicher, aber auch in spannender Form.
Viele der Schreibenden kennt man bereits aus anderen Anthologien, was für die Qualität der Zusammenstellung spricht. Ob und welche Geschichte den Lesenden gerade anspricht, man beachte auch die tristen Wintertage, ist sehr von der individuellen Stimmung abhängig.
Wer einen Überblick über die zukünftigen Ideen der schreibenden Zunft haben möchte, sollte zu dieser Ausgabe greifen.

4 von 5 Welten

Samstag, 6. Januar 2024

Patrick Rothfuss "Der Weg der Wünsche"

Eine ergänzende Kurzgeschichte zu einem bereits existierenden Universum zu lesen, birgt immer die Gefahr, dass man Handlungen von Charakteren nicht nachvollziehen kann oder auch die Welt ansich mit ihren Gesetzen und Gegebenheiten nicht versteht.
Nicht umsonst warnt der Autor in seinem Vorwort den Leser davor, das Buch zu lesen, wenn man die anderen Geschichten noch nicht gelesen hat. 
Natürlich kennt ein Autor sein Werk besser als der Leser, doch ich tauchte in die Erzählung ein und bin noch nicht wieder vollständig zurückgekehrt.

In "Der Weg der Wünsche" begleitet der Leser einen ganzen Tag Bast. Sein "Blitzbaum" ist im Volk bekannt und so ist es nicht verwunderlich, dass innerhalb eines Tages zahlreiche Kinder zu ihm streben und ihm das anbieten, was er am meisten liebt: Tauschgeschäfte. 
Hier eine Informationen, dort ein paar Blumen und schon bekommen die Kinder Rat und Trost. Doch es sind nicht nur die Kinder die Bast unterstützt. Zwar hat er bei den Begegnungen mit den Erwachsenen oft den Schalk im Nacken sitzen, doch hat er immer (so scheint es) das Herz am rechten Fleck und hilft denen, die Hilfe bedürfen.

Unterteilt in die Tagesabschnitte wird die Geschichte an verschiedenen Schauplätzen erzählt, doch Dreh-und Angelpunkt ist der Blitzbaum. Immer wieder kehrt Bast hierher zurück und so unterschiedlich die Tageszeiten sind, so verschiedenen sind auch die Stimmungen, die sich beim Lesen übertragen. Denn vieles bleibt im Dunkeln und weckt Begehrlichkeiten ...

Doch ist es nicht gerade das Mythische, das was im Verborgenen bleibt, was uns Fantasy so schätzen lässt?

5 von 5 Wünschen

Donnerstag, 4. Januar 2024

Autoreninterview Maximilian Wust

Hallo zusammen.

Nach einer längeren Pause habe ich wieder mehrere Autorinnen und Autoren gefunden, die mir meine Fragen beantworten wollen.

Den Anfang macht:


Maximilian Wust (Illustration Maxmalt)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe immer schon gern geschrieben, eigentlich seit ich es konnte. Zuerst, als mir die Sätze noch schwerfielen, waren das nur Comics. Meinen ersten Roman, mehr eine Kurznovelle ums Thema Zeitreisen, durfte ich dann vor der Klasse (der Zweiten damals) vorlesen. Der Applaus hat daraufhin endgültig meine Lust geweckt, nicht nur Geschichten zu lesen, sondern auch selbst zu kreieren. Auch wenn das positive Feedback vermutlich eher der Tatsache geschuldet war, dass meine Mitschüler dadurch für zwei Schulstunden vom Unterricht befreit wurden.

Mit über dreißig Kurzgeschichten und einem Roman hast du schon einiges an Schreiberfahrung sammeln können. Wie wählst du deine Themen aus, zu denen du schreibst?
Die Hauptquellen sind, wie vermutlich bei den meisten, andere Werke, der Alltag und die Frage nach dem „Was wäre wenn?“. Mein erster Roman „Land der verlorenen Dinge“ entstand schlicht aus dem Gedanken, was denn wäre, wenn es einen Ort gibt, an dem sich alle verlorenen Dinge sammeln (wobei ich längst nicht der Erste gewesen bin, der diese Idee hatte und romantechnisch umgesetzt hat … wie ich später herausfinden sollte).

Meine zweite Inspirationsquelle sind antike Philosophien, die oft einfach nur schlichte Fragen an das Leben, den Alltag und die Existenz darstellen – was sie bis heute wohl auch noch so spannend macht. Ein großer Teil meiner Kurzgeschichten entstand schlicht aus dem Wunsch, auf Gedanken von Xenophon, Parmenides, Thales und anderen Denkern von 500 vor bis 500 nach Chr. einzugehen. Sie sind also Abhandlungen, sagte mal jemand, mit Plasmakanonen, Schwertern und Morden.

Ich habe mehrere Texte lesen dürfen. Du schreibst nicht in einem bestimmten Genre sondern sehr breitgefächert. Ist dir das für deine Kreativität besonders wichtig?
Absolut. Ich mag den Gedanken nicht, mich auf ein Setting, ein Genre oder einen Schreibstil einzuschränken. Schon oft habe ich Science-fiction- oder Fantasy-Geschichten gelesen, bei denen ich das dringende Gefühl hatte, dass sie in anderen Welten deutlich besser funktioniert hätten. Ebenso ist es mir wichtig, dass ich Ideen entweder ernst oder mit viel Humor verfolgen kann. So manche düstere Geschichte bekommt weit mehr Inhalt, wenn man sie stattdessen mit Witz erzählt. Andere wiederum benötigen vielleicht die Einschränkungen der realen Welt oder die Befreiung durch ein wenig Phantastik.

Insbesondere die Philosophie wird erst recht spannend, wenn man ihre Thesen durch Zauberei oder Technologie umso mehr möglich macht. Ein Beispiel: Die Idee und daraus resultierenden Moralkonflikte um intelligente, empfindungsfähigen Maschinen (zuerst ausgesprochen hat sie übrigens der Philosoph Thales von Milet, im 5. Jh. vor Chr.) sind im heutigen Science-fiction alltäglich.

Oder besser: Jede Geschichte will auf ihre Art erzählt werden, denke ich. Manche als Krimi, andere als Space Opera oder als Dieselpunk-Slapstick um einen genozidalen Wuthering.

Was macht dir mehr Spaß: eine Geschichte zu konzeptionieren oder sie vorzulesen?
Das Konzeptionieren. Eine Idee erforschen, beleuchten und ausarbeiten, sie dabei in Kontext zu setzen, bereitet mir die meiste Freude. Sie anschließend vorzutragen, bedeutet mir tatsächlich nicht so viel. Jeder Kreative sucht natürlich sein Publikum, doch würde ich am Ende gerne meine Arbeiten für sich sprechen lassen und dabei darum bitten, die Kunst vom Künstler zu trennen. Ich habe bisher nur selten meine eigene Meinung in meine Werke fließen lassen, denn: „Glaube nie den Blödsinn, den du schreibst!“, warnte mein Tutor zu Recht und schon zu oft dachten Leser und Leserinnen, sie hätten mich anhand einer Kurzgeschichte, meiner Bilder oder meines Romans verstanden. Haben sie aber nicht. Niemand hat bisher je auch nur meine Lieblingspizza erraten können!

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten wollen?
Also zusammen eine Geschichte schreiben? Ganz klar mit Kai Focke, Christoph Grimm … und dir. Aber wenn wir gerade bei Wunschkonzerten sind, würde ich gerne mit Dan Abnett, H.P. Lovecraft und Stanisław Lem brainstormen. Und Tim White dabei zusehen, wie er seine Bilder grundierte.

Welche deiner Geschichten würdest du einem interessierten Leser als erstes vorschlagen?
So seltsam das klingen mag, aber das wäre eine Geschichte, die ich bisher nirgendwo (nicht einmal auf meiner Homepage) veröffentlicht habe: Sie heißt aktuell „Schnuller mit Schärfe“; ich habe sie vor zwanzig Jahren geschrieben und seitdem immer wieder marginal überarbeitet. Im Wesentlichen handelt sie von dem Wunsch, die Dinge beim nächsten Mal besser zu machen – wobei das in der Handlung sehr wörtlich genommen wird. Und auch wenn sie, selbst aus meiner Sicht, nicht zu meinen Besten gehört, so ist sie die Geschichte, die bisher am meisten ich gewesen ist. „Schnuller mit Schärfe“ drückt zudem auch am besten aus, was den geneigten Lesern und Leserinnen in meinen Werken erwartet: Zwischenmenschliches, die Suche nach Erlösung, nach Möglichkeit mit Phantastik.

Ich habe gehört, dass du in der nächsten Zeit mehr Comics machen möchtest. Wie schaffst du es deine Texte auf ein solches Minimum an Platz zu verdichten?
Indem ich meine Comics gar nicht erst als Textgeschichten entwerfe. Comics erzählen sich auf eine ganz eigene Art, sequentiell und meist überzeichnet. Die Texte dienen hierbei auch eher anderen Zwecken, indem sie entweder durch Quantität die Geschwindigkeit drosseln, auf Details aufmerksam machen, die sonst vielleicht einem Betrachter entgehen könnten und sonst eher kurz sein sollten. Charaktere zeichnen sich ausschließlich durch Interaktion mit ihrer Umwelt, Hintergründe ergeben sich aus dem Kontext. Das alles macht wiederum eigene Geschichten möglich oder andere nicht. Kaum ein Comic kann in einen Roman transferiert werden und vice versa (Ausnahmen wie „Spice and Wolf“ beweisen die Regel).

Wie auch bei den Genres für Kurzgeschichten oder Romanen, so entscheide ich oft während der Konzeptionsphase (also unter der Dusche), ob sich eine Idee, Aussage oder Prämisse eher als Geschichte, Comic oder vielleicht sogar nur als Gemälde umsetzen lässt. Außerdem kann man bei Comics so herrlich übertreiben. Das brauche ich manchmal.


Nachdem ihr wisst, was Maximilian schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
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In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.