Dienstag, 31. Mai 2022
Tessa Roehl "Belles fantastische Entdeckung"
In dem kleinen wohlbekannten Dorf gibt es einen Buchladen, der nicht mehr von dem Glanz der früheren Jahre zeugt. Staub ist auf den Regale, durch die Fenster kann man nicht mehr in den Laden blicken. Ein Schicksalsschlag hat die Inhaberin müde werden lassen und nachdem Belle zufällig in den Laden gestolpert ist, will sie ihn wieder auf die Beine bringen.
Ein kleines, aber dennoch sehr feines Buch über die Liebe zu Büchern, über Schicksalsschläge, über den Wunsch, über sich hinauszuwachsen. Alles kindgerecht verpackt in einer wunderschönen Geschichte, die sich gut zum Vorlesen eignet.
Einziger Wehrmutstropfen: So schön die Bebilderung des Covers ist, das Buch selber ist ohne weitere Illustrationen.
5 von 5 Bücherregalen
Montag, 30. Mai 2022
Steve Ayan "Ich und andere Irrtümer"
Tatsache? Oder Wunsch?
Steve Ayan führt den Leser in "Ich und andere Irrtümer" merklich aufs Glatteis, was er wissen glaubt und was faktisch die Realität ist. Denn nur weil man meint, dass man über die oben aufgeführten Eigenschaften verfügt, heißt das noch lange nicht, dass man sie besitzt oder ihnen gegebenenfalls nur hinterherhechelt.
Innenwirkung, Außenwirkung, wie möchte ich für mich sein, wie beeinflusst mich meine Umgebung, kann ich überhaupt so sein wie ich will oder wird mir alles aufoktroyiert?
So verschiedene Bücher ich über Psychologie, Verhaltensforschung und ähnliches schon gelesen habe, in seiner Konstanz habe ich noch kein Buch gelesen, was sich so sehr darauf beruft, dass wir nicht wissen, was wir sind. Andere Bücher geben der Außeneinwirkung eine große Bühne, bei anderen sind es auch gerne die Gene, aber dieses Buch pendelt zwischen Außenwirkungen, Wunschdenken und Fehlinterpretation hin und her. Der Autor zeigt, dass gerade die moderne Welt des Internets den Menschen in seiner Selbstwahrnehmung immer mehr "zerreißt" und die Möglichkeit ein Gesamtbild zu sehen immer weiter schwindet.
Wie er das begründet? Das muss jeder Leser selbst herausfinden.
Denn das Buch bietet hier verschiedene Ansätze, wie man aus der vermeintlich Misere flüchten kann, doch es sei gesagt, auch wenn es sich um ein Sachbuch und nicht um ein Fachbuch handelt, ist das Lesen zeitweilig sehr müßig.
3 von 5 Irrtümern
Freitag, 27. Mai 2022
Jennifer Estep "Sense of Danger"
Washington D.C.
In direkter Nähe zum Trubel des menschlichen Einkaufszentrum befindet sich "Sektion 47". Zuständig für paranormale Befindlichkeiten gibt es hier für fähige Personen Jobs wie Cleaner oder Analysten. Je nach Geschmack und Fertigkeit. Von der einfachen Überwachung durch Analysten bis hin zur Liquidierung durch die Cleaner.
Charlotte Locke geht ihrem Job mit Feuereifer nach, denn sie sieht Zahlen. Sie sieht, welche Zahlströme nicht zu anderen passen und schreibt ihre entsprechenden Berichte. Als sie auf ein neues Ziel angesetzt wird, ihr direkter Vorgesetzter plötzlich tot ist und der Top-Cleaner aus dem Ausland anreist, nimmt ihr Leben in vielfältigerweise an Fahrt auf, dass sie sich zu den Zeiten mit einfacher Schreibtischtätigkeit zurücksehnt. Doch gleichzeitig ist es dieser Fall, der ihr die Chance bietet, sich zu beweisen und zu zeigen, dass sie nicht lediglich eine "Ziffer" ist.
Mit "Sense of Danger" startet Jennifer Estep eine Buchreihe, die den Spagat zwischen verschiedenen Genres probiert und es sei gesagt, es ist ihr auch geglückt. Zwischenmenschliche Beziehungen (eines Dramas), Ermittlungsarbeit bei der auch Kollegen ins Visier geraten (Spionage) und übersinnliche Fähigkeit wie Synästesie (Fantasy) greifen einander und erzählen dem Leser eine Geschichte, die von Verrat, über Zweifel und Angst, nahezu alle menschlichen Gefühle aufleben lassen.
Abwechselnd wird aus der Perspektive von Charlotte und Desmond erzählt, wie sie beide in diese Situation gekommen sind und was sie sich von der Ermittlung und ihrem Ausgang erhoffen.
Sollte man im ersten Moment den Eindruck haben, dass das Buch mit den Genres überladen sein könnte, fand ich, dass sich die Elemente harmonisch ergänzen. Zwar bedient sich die Autorin an ein oder zwei Stellen einiger Klischees, allerdings sind auch diese rational erklärbar und die Handlung wird dadurch in die gewünschte Richtung gelenkt.
Gerade die paranormalen Elemente verleihen der Geschichte eine Würze, die man bei anderen Bücher nicht findet und heben dieses Werk aus der Masse heraus.
4 von 5 Geheimmissionen
Danke an den Piper-Verlag für das Rezensionsexemplar.
Dienstag, 24. Mai 2022
Franziska Henze "Tatort Nord"
Da will die rechte Reiselektüre gut ausgewählt sein, denn zartbesaitete Leser könnte diese Anthologie zeitweise das Fürchten lehren.
Für alle anderen ist das Lesen ein mordsmäßiger Spaß.
Mit 23 Kurzgeschichten machen die drei Herausgeberinnen mit ihren Autorinnen die Küsten unsicher.
Ob ein verdächtiger Selbstmord, ein Mord, ein Unfall, ein Versteckspiel, es gibt nichts, was es an den deutschen Küsten nicht gibt, denn der Mensch ist böse und vor allem ist er nachtragend.
Sowohl die Orte als auch die Handlungen sind individuell ausgestaltet und trotz der Kürze der jeweiligen Geschichten, schafft es jede einen Schauer über die Haut laufen zu lassen.
Eine gute Anthologie fürs Köpfchen, denn auch wenn es um Morde geht, steht nicht der "Thrill" im Vordergrund, sondern ein wesentlicher Teil der Geschichten beschäftigt sich mit der kriminellen Note und Planung.
Ein Fest für alle, denen Thriller zu bluttriefend sind.
Einige Autorinnen stellen hier auch ihre "Serien-Ermittler" vor, sodass man im Anschluss direkt eine weitere Lektüre an der Hand hat.
Bei meinem Lesetempo sind die jeweiligen Geschichten in zehn bis zwanzig Minuten zu lesen, also perfekt für ein Sonnenbad oder für die Zeit zwischen zwei Runden im Meer.
Also ab in den Strandkorb oder aufs Strandtuch, Buch zur Hand und achtet darauf, wer euch das Getränk reicht. 😏
4,5 von 5 Tatorten
Donnerstag, 19. Mai 2022
Madeline Martin "Der Buchladen vom Primrose Hill"
Als ihre Mutter verstirbt und ihr Onkel alles übernimmt, hält Grace nichts mehr in ihrem kleinen Dorf. Zusammen mit ihrer besten Freundin fährt sie nach London, um einen Neuanfang zu wagen.
Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Denn auch wenn sie bei ihrem Onkel im Laden gearbeitet hat, wollte er ihr kein Zeugnis ausstellen und so kann sie nicht bei Harrods beginnen, sondern sie muss erst einmal in dem kleinen Buchladen in Primrose Hill arbeiten, um sich ein entsprechendes Zeugnis zu verdienen. Doch, was macht man in einem Buchladen, wenn man nicht viel gelesen hat und was macht man, wenn der Laden einfach nur überfüllt und nicht mehr ansehlich ist?
Noch während Grace sich einen Plan für den Laden überlegt, ist es der 1.9.1939 und die Welt wird aus ihren Angeln gehoben. Plötzlich werden alle anderen Probleme klein und als die Angriffe auf London beginnen, ist dies ein Leben, was Grace sich niemals vorstellen konnte.
Selten habe ich ein Buch gelesen, welches so gegensätzliche Gefühle in mir ausgelöst hat.
Die Anfänge von Grace in der Buchhandlung, der Wunsch das Chaos zu beseitigen und sich der Literatur zu nähern, die Idee der Autorin bestimmte Bücher als Meilensteine von Graces Lesereise zu benennen, ist für jeden Bücherwurm einfach nur wunderschön.
Auf der anderen Seite die Szenen des Krieges. Ungeschönt, teilweise erbarmungslos, dass sich mir beim Lesen ein Kloß im Hals bildete.
Hin und her gerissen von den sehr unterschiedlichen Gefühlen, entwickelt das Buch eine Sogwirkung, der ich mich kaum entziehen konnte und ich bin begeistert, wie großartig die Autorin diese Gefühle miteinander verwoben hat. Nie wirken die Gefühle der verschiedenen Protagonisten überzogen oder gar gekünstelt und als Leser habe ich jedes individuelle Schicksal miterleben können.
Wer sich für Geschichte interessiert, dem sei dieses Buch, auch wenn es sich scheinbar vordergründig nur mal wieder um eine Geschichte über einen Buchladen handelt, sehr ans Herz gelegt.
5 von 5 Klassikern
Sonntag, 15. Mai 2022
Thomas Fritzsche "Selbst schuld - zum Glück!"
In der heutigen Zeit scheint es zum guten Ton zu gehören, dass man gestresst ist. Ist man nicht gestresst, hat man nicht genug zu tun oder hat ein Leben, was nicht erfüllt genug erscheint. Oder?
Dabei ist der Stress vielfältig und das Wichtigste, wir sind selber an ihm schuld!
Jetzt kommen bestimmt die ersten und sagen, "Nein... Ich kann doch auch nichts dafür, dass immer soviel zu tun ist. Der Chef will immer dies und das und überhaupt, der Haushalt macht sich nicht von selbst und die Katze braucht einen Bediensteten...!"
STOP!
S T O P !
Denn die zentrale Frage ist, werden wir gestresst oder stressen wir uns selbst?
Denn wie in so vielen Fällen, scheint nicht die offensichtliche Antwort, die richtige zu sein.
Thomas Fritzsche nimmt uns in seinem Buch über Stress und Stressmanagement mit auf eine Reise. Das Buch, welches dem Leser die Augen bezüglich Stress und seiner Auswirkungen öffnet, ist nicht wie ein gewöhnliches Sachbuch aufgebaut. Es zeigt uns die beiden Kollegen Achim und Martin, die beide in leitender Funktion arbeiten und beide vielfach die Arbeit in den Vordergrund stellen. Per se nicht falsch, doch beide sind unausgeglichen und Martins Frau übernimmt in dem Buch den Part der Psychologin, die die beiden anhand eines Sieben-Stufen-Plans aus ihrer Stressspirale mit Übungen und Gesprächen herausholen möchte.
Gerade durch diese Art der Informationsweitergabe lässt uns den fachlichen und inhaltlichen Grundlagen sehr gut folgen und vermittelt das Wissen besser, als ein klassischer Ratgeber, "wenn Sie Stress haben, reduzieren Sie ihn."
In Alltagssituationen oder auch aus ganz anderen Bereichen bekommen wir Tipps, wie man Stress reduziert und im Anhang gibt es alle Übungen noch einmal zusammengefasst zum Nachmachen. Dabei wird klargestellt, dass Stress nicht für alle gleich ist. Wichtig ist, wie immer, die Balance.
4,5 von 5 Schuldeingeständnissen