Freitag, 31. Januar 2025

C. H. B. Kitchin "Das Geheimnis der Weihnachtstage"

Malcolm Warren arbeitet seit einiger Zeit an der Börse und ist sogar mit einem seiner Kunden befreundet. So erscheint es nicht seltsam, dass Mr Quisberg ihn bittet, Weihnachten bei ihm und seiner Familie zu verbringen.
Doch schon bei der Ankunft benimmt sich Mr Quisberg seltsam, rennt durch den Garten, um danach kurzerhand mit seinem Sekretär für einen wichtigen Termin über Nacht zu verschwinden. Doch genau in dieser Nacht beginnt das Unheil und am nächsten Morgen findet Malcolm eine Leiche. Und bei einer soll es nicht bleiben. Zwischen Familienfehden und Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es viele Geheimnisse zu entdecken, manche sind düster, manche sind einfach nur stupide.
Als Leser ist man immer mit Malcolm nah am Geschehen und als die Polizei ihn zum Beobachter vor Ort macht, tauchen wir als Leser noch tiefer in seine Gedankengänge ein, als wir es schon in den vorigen Kapiteln getan haben. Kleiner Spoiler: Gerade das letzte Kapitel bietet auch für erfahrene Krimileser eine Überraschung, mehr will ich dazu nicht verraten.
Zeitweilig kommt die Handlung durch vielfache Wiederholungen ein bisschen ins Stocken und doch ist es wie ein Mantra, was sich Malcolm aufsagt. Wieder und wieder geht er die Vorgänge durch, als ob er dem Leser bei des Rätsels Lösung helfen will. Bei einigen Entdeckungen sind es gerade die Wiederholungen, welche die Gedanken sortieren.
Ein interessanter Krimi, der sich in seiner Umsetzungen an andere Klassiker wie Doyle und Christie annähert, und mit seiner Auflösung auch den klassischen Weg, ohne allzu viele Umschweifen, wählt.
Nicht nur als Weihnachtskrimi zu empfehlen.

4 von 5 Börsengängen

Marianne Labisch & Dominik Irtenkauf "Nova 35"

Die Nova 35 ist eine besondere Ausgabe. Einerseits sind die Texte alle auf Grund von Einladungen geschrieben worden und zum anderen haben nur Frauen Texte verfasst.
Es dreht sich um Gleichberechtigung, Familie, Geburt, Erziehung ... alles aus der Sicht der Frauen.
Als Themenband konzipiert schaffen es die Geschichten zusammen, die unterschiedlichen Facetten, ihre Vor- aber auch Nachteile im Leben einer Frau anschaulich darzustellen.
Die einzelnen Autorinnen gehen dabei sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Mal ist der Text humoristisch, der nächste liest sich wie eine Anklage.
Ob vermeintlich ferne Zukunft oder der Morgen vor der Haustür immer wieder erkennt man Grundzüge oder Verhaltensweisen, die speziell den Frauen zugewiesen werden und einen gewissen Lebensstil vorzugeben scheinen. 
Starke Frauen wechseln sich mit gebrochenen Frauen, die sich ins Leben zurückkämpfen wollen ab. Denn sie alle eint, sie sind stark und haben ihren individuellen Willen. Sie wollen ihren Weg in der jeweiligen Kurzgeschichte gehen und dabei möglichst nicht scheitern. Ob es allen gelingt?
Abgerundet wird die Sammlung mit der Übersetzung eines Textes von Jasmina Tesanovic, in welchem sie vom Tod ihrer Mutter und der Verarbeitung des entstandenen Traumas berichtet.
Welcher Text den Weg in das jeweilige Herz findet, ist eine sehr individuelle Entscheidung, aber alle Texte regen dazu an, über den eigenen Tellerrand zu schauen und mit mehr Verständnis auf die Menschen zu blicken.

4 von 5 Frauen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 30. Januar 2025

Autoreninterview Dieter Korger II

Hallo zusammen.
Ab diesem Jahr gibt es nur noch einmal im Monat ein Interview. Im Januar beantwortet die Fragen ein bereits bekannter Autor: Dieter Korger.

(Foto: Dieter Korger (privat), Illustration: Maximilian Wust)

Ich habe dich schon einmal vor einem knappen Jahr interviewt, aber seitdem ist viel passiert. Inzwischen bist du bei der Exodus auch als Lektor einge-stiegen. Erzähl doch ein bisschen von deiner Tätigkeit.
Eingestiegen bei Exodus bin ich im Spätsommer 2023 als Support für die Schlussredaktion und habe mich dabei, so glaube ich, im positiven Sinne unbeliebt gemacht. Denn ich habe mir bereits gesetzte Texte mal genauer angesehen und durch Vorschläge dafür gesorgt, dass sie noch einen Ticken besser wurden. Daraufhin hat mich René Moreau gefragt, ob ich für ein Erstlektorat zu haben wäre. So bin ich jetzt seit zwei Ausgaben als Lektor dabei.
Bisher haben sich die von mir betreuten Autorinnen und Autoren mit meinen Änderungsvorschlägen zufrieden gezeigt. Natürlich wird auch an der einen oder anderen Stelle Unverständnis geäußert. Allerdings lässt sich so was im Dialog klären – und die Autoren sollen ja weiterhin die Souveränität über ihre Texte behalten.
Was mich anfangs überrascht hat, ist, wie viel Zeit fürs Lektorieren mancher Texte nötig ist. Aus früheren beruflichen Tätigkeiten als Lektor und Redakteur kannte ich das anders … freilich, da waren meist routinierte Schreiber am Werk. Autoren bei Exodus sind ja in der Regel Hobbyautoren. Dennoch ist die Qualität im Schnitt erstaunlich gut.

Deine neue Geschichte durfte ich auch schon lesen. Ich mag ja deine feine Ironie, doch wie bist du auf die Geschichte gekommen?
Feine Ironie ist gut! Meine nächste Geschichte, die in der Exodus Nr. 49 erscheinen wird, bedient sich eher beinharter Ironie – als Grillplatte serviert. Immerhin geht es um das Zukunftsthema Ernährung und die damit verbundene Frage, wie das aussähe, wenn sich die Politik in die individuelle Entscheidung der Bürger einmischen könnte, was noch auf den Teller kommen darf und was nicht. Damit verbunden geht es um Fragen der Selbstbestimmung und das Ausbrechen aus Normen, wobei das Interessante in der Story ist, wer hier aus welchen Gründen ausbricht.
Die Idee dazu entstand aus vielen Facetten: Ich interessiere mich seit jeher für die Themen Welternährung und Landwirtschaft. Ich höre mir an, was Ernährungs- und Gesundheitsexperten zu sagen haben.
Irgendwann habe ich angefangen, mich mit den Konsumgewohnheiten der Menschen und den daraus resultierenden Krankheiten näher zu beschäftigen. Habe das alles schließlich in eine nähere Zukunft übertragen … und rausgekommen ist am Ende meine Story ›Die letzten Carnivoren‹.

Was macht dir im Moment in der Wortwelt am meisten Spaß?
Neben dem Schreiben würde ich sagen: die Geschichten anderer Menschen zu lesen, und zwar solche, bei denen ich neben der eigentlichen Erzählung etwas über die Autorin oder den Autor selbst erfahre. In wirklich guten Geschichten steckt immer auch ein Stück von einem selbst: seien es Wertvorstellungen, Neigungen, Wünsche oder Erinnerungen und Erfahrungen – positive wie negative. Das finde ich faszinierend und bin dankbar für das Vertrauen dieser Autoren, die sich auf die Art ihrem Publikum gegenüber öffnen.

Du hattest mir bei dem letzten Interview von einer Graphic Novel der NATO erzählt. Ist diese inzwischen veröffentlicht?

Die ist erschienen. Im vergangenen Sommer als Download, im Herbst dann für alle Mitstreiter und die obere Befehlsebene als Print. Leider kann man die gedruckte Fassung nicht einfach so bestellen. Aber unter dem Suchbegriff ›NATO 2099‹ findest du die Graphic Novel sofort im Web. Was ich trotzdem ärgerlich finde. Wer will schon einen Comic auf einem Bildschirm lesen?

Wie kam es zu deinem Beitrag?
Die Leiterin des NATO Defense College, Florence Gaub – übrigens ein großer SF-Fan, hatte Ende 2023 auf X einen Aufruf zur Einreichung von Science-Fiction-Storys gepostet: Gesucht wurden Vorschläge von SF-Autoren im gesamten NATO-Raum zu der Frage, wie sich die Sicherheitslage sowie Krisen und Konflikte in der Welt bis 2099 entwickeln könnten. Es hat mich sofort gereizt, mitzumachen. Wissend, dass ja nicht die Story selbst publiziert, sondern deren Essenz und Ideen begutachtet und dann abgeglichen werden würden mit denen der anderen Teilnehmer. Sich wiederholende Muster deuteten dabei auf höhere Wahrscheinlichkeit des Eintretens in der Zukunft hin und wurden in die endgültige Story übernommen. So stieß ich dazu. Ich kann dir einige Stellen in der Graphic Novel zeigen, die meinem Storybeitrag entsprechen.
Eigentlich muss ich mal schauen, was ich mit der ursprünglichen Geschichte noch mache. Die darf ich ja weiter frei verwerten.

Wie schätzt du die Wirkung eines solchen Projektes auf die Science-Fiction-Szene ein?
Derzeit dürfte die Wirkung so gering sein wie die Chance, daran etwas zu ändern. Weil jeder schreibende Fan der fantastischen Literatur hier in Deutschland weiß, dass SF außerhalb der Bubble kein besonders Renommee genießt. So ist es also unwahrscheinlich, dass ein Bundesministerium oder eine politische Stiftung morgen bei einem SF-Autor anruft und fragt, ob der oder die gerne mal in einem Workshop oder ThinkTank mitdiskutieren wolle. In Ländern wie China, den USA und Frankreich ist das anders. Da weiß man den Beitrag der SF für Zukunftsthemen viel mehr zu schätzen.
Eine rühmliche Ausnahme hierzulande bildet die Politikwissenschaftlerin Isabella Hermann, die übrigens mit Aiki Mira einen interessanten Zukunfts-Podcast präsentiert.

An was schreibst du aktuell?
Bei mir sind zwei Kurzgeschichten in der Pipeline, von der die eine fast fertig ist und hoffentlich ein gutes Zuhause findet. Bei der zweiten warte ich noch ab, ob eine bestimmte Ausschreibung demnächst erfolgt, bevor ich mich mit der näher beschäftige. Beide Geschichten führen endlich wieder in die Tiefen des Weltraums. Ist bestimmt nichts für Perry Rhodan-Fans, aber bestimmt was für Freunde der feinen Ironie.
Ja, und dann ist da noch dieses Herzensprojekt … ich würde gerne eine Geschichte schreiben, die sich an meinen Zeitreise-Roman ›Cyprus Tower‹ anlehnt. Ebenfalls als Roman oder als Novelle. Allerdings diesmal ohne Trip in eine ferne Zukunft. Vielmehr schwebt mir ein Setting in einer tropischen Gegend vor, in unserer Zeit. Es gibt noch einige andere Voraussetzungen, die da stimmen müssen. Und so wie es aussieht, habe ich das passende Land gefunden, in dem die Story spielen könnte. Dort werde ich in wenigen Wochen hinreisen und mich vor Ort umsehen und recherchieren. Zu dem Zweck habe ich im letzten halben Jahr massiv in den Wiederaufbau meiner Spanischkenntnisse investiert. Die Menschen vor Ort können mir bestimmt viele Inspirationen geben.

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

Mittwoch, 29. Januar 2025

Tessa Maelle & Mario Franke & Uli Bendick (Hrsg) "Science-Fiction goes Punk"

Wie viel Ahnung hast du von Science Fiction?
Warum ich das frage?
Zähle doch einmal durch, wie viele Genres du zusammen bekommst.
Hast du eine Zahl?
Ich wette, sie ist nicht annährend so hoch, wie die Anzahl, die in dieser Anthologie vorgestellt wird.

Die Herausgebenden haben ein Konzept umgesetzt, dass mir bisher in dieser Form noch nicht begegnet ist.
Zwei Protagonistinnen werden in der Einleitung vorgestellt und reisen mit Portalschlüsseln durch die verschiedenen Genres.
Dabei wird jedes Genre mit einer kurzen Einleitung vorgestellt und bekannte Bücher oder Filme dieser Gattung als Referenz benannt.
Im Anschluss folgt eine Kurzgeschichte mit den Protagonistinnen, die sich der jeweiligen Elemente des Genres bedient.
Neben den verschiedenen SF-Ansätzen merkt man auch die jeweilige Stimmfarbe des Schreibenden. So sind manche Geschichten im Ton etwas härter oder auch radikaler, andere aber auch wieder sanfter und zugänglicher.

Neben der spannenden Idee ein kleines Lexikon in die Anthologie einzufügen, zeigen die Texte, wie vielseitig Science Fiction sein kann und sich längst nicht alles um Ufos und Aliens dreht.

Viele Fragen werden in den Erzählungen laut:
Wie könnte die Menschheit überleben? Oder was wäre, wenn die Menschheit sich früher anders in ihrer Entwicklung entschieden hätte? Ist diese Welt die perfekte? Welcher Herrschende ist die richtige Wahl?
Dazu werden auch individuelle Fragen laut.

Die Protagonistinnen sind in jeder Geschichte ein bisschen anders und auch das macht den Charme der Sammlung aus. Denn, welcher Mensch verhält sich schon jeden Tag genau gleich.

Ein Buch für Science Fiction Entdecker oder auch jene, die aus ihrer präferierten SF Ecke einmal aufbrechen wollen.


5 von 5 Welten


Danke an den Verlag für dad Rezensionsexemplar.

Montag, 27. Januar 2025

Pete Farn "Planet der Navigatoren"

Hat jemand schon einmal gezählt, wie oft Außerirdische bereits in Buch und Film die Erde erobert haben?
Wie oft die Menschheit ausgelöscht oder unterjocht wurde
Wie oft andererseits die sogenannten Aliens sich über unsere mangelnde Intelligenz beschwert oder sich über unsere Kriegsführung lustig gemacht haben?

Ohne jetzt die dazugehörige Statistik zu kennen, schätze ich, dass die Menschheit oftmals schlecht wegkommt, wenn sie denn überhaupt überlebt.
Doch was hat das alles mit "Planet der Navigatoren" zu tun?

Wie die Inhaltsangabe schon verrät, auch hier ist die nette Frau, die an der Tür klingelt, nicht das, was sie scheint.
Doch Ed ist von seinem nahezu langweiligen Leben so frustriert, dass er dieser Frau in ein Bürogebäude folgt, sich in einen Sessel setzt und nach zwei Stunden wieder aufwacht - ohne irgendeine Erinnerung. Gut bezahlt ist der Job dazu auch noch, was immer mehr seine Zweifel und die seiner Freunde schürt.
Spätestens als die Konkurrenz an seine Tür klopft und ihm das gleiche Arrangement noch einmal vorschlagen will, wird Ed hellhörig, aber da ist es schon fast zu spät.

144 Seiten sind nicht die Länge, die man bei einem Science Fiction Roman erwarten würde und doch passt bei dem Roman alles zusammen. Denn während Dystopien düster und Utopien hoffnungsvoll daherkommen, hat man bei diesem Roman fortwährend ein Schmunzeln im Gesicht. Die Invasion der Außerirdischen wird nicht etwa parodiert, aber so manche Dinge werden doch charmant aufs Korn genommen (am liebsten mag ich immer noch die Szene mit den Raumschiff-Tätowierungen). Der Humor ist dabei nicht plakativ, sondern gerne unterschwellig und wechselt sich dabei mit ernsten Szenen ab. 

Dabei gelingt es dem Autor auch, durch Beschreibungen von Farben und Klängen ein erweitertes Bild im Kopf des Lesers zu erzeugen und ihn schon nach kurzer Zeit in die Geschichte hinzuziehen.  Alltag und Alien wechseln sich in der Erzählung so ab, dass sie ein stimmiges (soweit möglich) Bild ergeben und man sich stets gut unterhalten fühlt.

4,5 von 5 Navigatoren

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Montag, 20. Januar 2025

Jörg Weigand "Musica Fantastica"

Leise verklingt der letzte Anschlag des Klaviers, wenn man das Buch schließt. In zweiundzwanzig Kurz- und Kürzestgeschichten führt Jörg Weigand den Leser durch die verschiedensten Klangwelten. Schon oft habe ich in meinen Interviews die Autoren gefragt, ob sie der Meinung sind, dass man auf mehreren Gebieten kreativ tätig sein kann. Das eine Kreativität die andere fördert und auch bedingt. Die Antworten waren dabei sehr unterschiedlich, doch würde ich die gleiche Frage diesem Autor stellen, denke ich, er würde die Frage bejahen. 
Man hört den Takt, man spürt den Beat, man summt leise die Melodie. All das schafft der Autor oftmals in sehr kurzen Geschichten, da viele der Texte erstmalig in den Phantastischen Miniaturen der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar veröffentlicht wurden.
Einige seiner Figuren z.B. Meister Li tauchen mehrfach in den Texten auf, doch der Autor sorgt für eine ausgewogene Mischung. Hier ein Text über ein Klavier, dann einer über mysteriöse Glocken, die ohne Antrieb läuten. Der Schluss brilliert mit dem vermeintlichen Ausflug einer Boyband ins All.
Gibt es nicht? Doch.
Denn Jörg Weigand hat in seiner langen Schriftstellerkarriere so manchen Text mit musikalischen Hintergrund geschrieben, mal lustig, mal nachdenklich. 
Eine erlesene Auswahl ist in "Musica Fantastica" erschienen und zeigt die schriftstellerische Bandbreite des Autoren.
Und somit Vorhang auf und lasset die Musik beginnen.

4,5 von 5 Vorhängen

Sonntag, 19. Januar 2025

Matthias A.K. Zimmermann "Imitathyos"

In einer Welt, die auf stetige Optimierung setzt, kommt sich Mina zunehmend allein vor. Doch ihren Herzenswunsch, Autorin zu werden, kann sie sich trotz des nahezu abgeschlossenen Psychologiestudiums nicht verwehren. Dabei spielt ihr in die Karten, dass ihr Computer die Abschlussarbeit "vernichtet" hat und sie dies somit als Zeichen deuten kann, dass das Schicksal ihren Gedanken gewogen ist. Eigentlich will sie sich ein paar Tage auf dem Olymp entspannen, doch zuvor erreicht sie eine Nachricht ihres Bruders, der sie, ihre Schwester und deren Freund auf die exklusive Insel "Imitathyos" einlädt.
Schon die Überfahrt hält so manche unangenehme Überraschung bereit und als die drei schließlich die Insel erreichen, ist der Bruder nicht zu sprechen. Immer wieder werden sie vertröstet und so suchen sich die drei ihre eigene Beschäftigung. Welche ungeahnten Auswirkungen dies auf die Zukunft des jeweils einzelnen und auch auf das gemeinschaftliche Gefüge haben wird, das können weder die Figuren noch der Leser erahnen. Nur der allwissende Erzähler.
Schon bei "Kryonium" hat Matthias A.K. Zimmermann gezeigt, dass er mühelos die Grenzen von Genres und auch dessen "was man schreibt" verwischen kann. So liest sich das neue Werk anfangs wie ein Selbstfindungsbuch, wird dann zum Abenteuerroman, biegt über den Thriller ab, um letztlich in der Science Fiction zu landen. Es gibt bei ihm schlichtweg keine Genregrenzen und auch der sprachliche Aufbau birgt für den Leser so einige Herausforderungen. Denn auch hier übertritt er mehrfach die Konventionen und zieht den Leser in seinen eigenen Kaninchenbau.
Als verbindendes Element begleiten den Leser durch alle Kapitel eigenwillige Worte oder Wortgebilde, welche die Besonderheiten des Romanes unterstreichen. Sie werden nach und nach aufgriffen, um spätere Resultate früheren Handlungen zuzuordnen. Kein Wort ist zuviel oder gar am falschen Platz. Man merkt an vielen Details, wie durchdacht und geplant dieser Roman ist. 
Dabei muss man ihm beim Lesen die Zeit geben, sich im Kopf entfalten zu können, denn dieses Buch ist wahrlich kein "fast food". So wirr es zwischenzeitlich erscheint und so verstörend manche Kapitel sein können, wie man so schön sagt, am Ende ergibt alles einen Sinn. Selbst für den Leser.

5 von 5 Inseln

Samstag, 18. Januar 2025

Oliver Hoffmann "Moriarty trinkt Tee"

It's tea time in der Baker ...
Ach nein, falsch. Wir befinden uns gar nicht in der Baker Street. Die Geschichte spielt zwar in dem Universum des Sherlock Holmes', doch er ist lediglich eine Randfigur, die ihrer Sucht zunehmend erlegen scheint. So ist es an Moriarty, die Unschuld von John H. Watson zu beweisen, denn dieser weilt im Gefängnis. Er soll einen Mann vor eine Droschke gestoßen und so dessen Schicksal besiegelt haben. Kurzerhand trommelt Moriarty die Ermittlertruppe des ersten Bandes erneut zusammen. So ziehen Molly, Colonel Moran und die Hausangestellten los und finden schnell heraus, dass der Teemagnat keine so saubere Weste hat, wie er den Eindruck vermitteln will. Noch schlimmer ist allerdings seine Frau, eine ehemals drittklassige Schauspielerin. Sie hat viel zu verlieren, denn ihr Geheimnis ...

Ich möchte nicht behaupten, dass es Sherlock Holmes Pastiches wie Sand am Meer gibt, doch es haben sich nach Sir Arthur Conan Doyle schon viele Schreibende an seinem Plot oder zumindest an dessen Personalgefüge versucht. 
Hier neue und zugleich schlüssige Ideen in eine Romanform zu gießen, bedarf viel Fingerspitzengefühl., denn die Lesenden sind wählerisch. Zu nah am Original gilt der Text als Abklatsch, zu weit entfernt und schon wird gemeckert, dass man in der Interpretation zu frei war. 
Natürlich muss Oliver Hoffmann einige Grundsätze ändern, damit seine Version des Sherlock Holmes Universums funktioniert. Gleichzeitig fährt er viele Geschütze auf, die das Viktorianische Zeitalter an Vorurteilen zu bieten hat, um den Leser von der eigentlichen Spur abzulenken.
Sein Schreibstil passt sich dabei den einzelnen Szenen wunderbar an, ruhige Szenen sind gefasst und dynamische Szenen schnell verfasst, ohne dabei in einen Thrillermodus zu entarten.
Ein Krimi der klassischen Art, der Moriarty in ein menschlicheres Licht rückt.

4 von 5 Teetassen

Mittwoch, 15. Januar 2025

Dirk C. Fleck "Gefleckte Diamanten"

Ein Autorenleben in Gedanken.
Thematisch strukturiert von Marina Silalahi wird der Leser in die Gedanken von Dirk C. Fleck entführt. Dabei geht es lustig, rührend, aber auch kritisch zu.
Mit seinen über achtzig Jahren hat Dirk C. Fleck viel erlebt und so zu vielem seine Meinung.
Eingängige Sprüche und nachdenkliche Sätze wechseln sich bei der Lektüre ab und somit sind die Texte immer wieder für eine Überraschung gut.
Doch den Lesefluss hemmt diese Gestaltung ein wenig.
Oftmals fehlt der Kontext, in welchem die Aussage getroffen wurde und deswegen wirken einige Formulierungen richtiggehend verloren.
Dabei liest es sich spannend, wenn große, bekannte Ereignisse sich durch das Buch als roter Faden ziehen und Dirk C. Fleck seine Meinung zu den Dingen kundtut.

4 von 5 Textelementen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Januar 2025

Hans-Dieter Furrer "Die geheimnisvolle Sphinx"

Wenn wir zum Buch greifen, wollen wir dem Alltag, seiner (Un-)Logik und seiner Monotonie entfliehen. Wir wollen in Welten eintauchen, die wir zwar verstehen können, die aber doch so ganz anders sind, als die, in welcher wir leben.
Viele Autoren formen eigene Welten, Welten, in denen unsere Gesetze nicht gelten und wo die Fantasie den Realismus bis zu einem gewissen Grad überlagert. Eigene nutzen aber auch unsere Welt und platzieren ihre Erzählung in sie hinein.
Und dann gibt es Ausnahmen. Ausnahmen, die die eigene Vorstellungskraft beflügeln und in ungeahnte Welten eintauchen lassen.
Was ich damit meine? Nun, Hans-Dieter Furrer hat seine eigene Art, die Leser in seine Erzählungen zu ziehen. Denn, habt ihr euch schon einmal vorgestellt, ihr steht vor einem Gemälde, starrt es an, über Monate und auf einmal findet ihr euch in dem Gemälde wieder und tanzt mit den Bauern um den Dorfanger? 
Oder ihr geht in einen Keller und kommt in einer ganz anderen Stadt wieder heraus?
Die charmante Erzählweise, der Ideenreichtum und auch der Wechsel zwischen witzigen und spannenden Texten macht diese Sammlung zu einem Leseerlebnis der ganz besonderen Art. 
Ein Autor, der durch seine eigene Art, im Buchstabendschungel des Einheitsbreis hervorsticht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Die meisten Geschichten in "Die geheimnisvolle Sphinx" sind zuvor in den Phantastischen Miniaturen, herausgegeben von Thomas Le Blanc in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, erschienen.

4,5 von 5 Miniaturen

Danke an pmachinery.de für das Rezensionsexemplar.