Sonntag, 26. Dezember 2021

Anthony Trollope "Weihnachten auf Thompson Hall"


Dürfen wir schon wieder Essen reden? Oder nicht? Dann blättert bitte weiter und ignoriert diese Rezension. Für alle anderen:
Mr und Mrs Brown wollen nach Jahren der Zweisamkeit ein Weihnachtsfest auf Thompson Hall verbringen. Doch die Reise in den 1870er Jahren ist äußerst beschwerlich. Das Wetter ist schlecht, der Mann ist mies gelaunt und will eigentlich die ganze Zeit umkehren. Doch eine Übernachtung in Paris und das dort geschehene Malheur bringt die Reise fast ins Wanken. Dabei wollte Mrs Brown doch endlich den Verlobten ihrer Schwester kennenlernen... Kann das Schicksal denn so grausam sein?
Anthony Trollope fängt in dieser gerade einmal 100 Seiten langen Geschichte das Wesen der Briten ein. Eigentlich wollen sie niemandem zur Last fallen, eigentlich wollen sie für sich leben, eigentlich wollen sie sich nur auf sich selbst und ihre Wehwehchen konzentrieren und doch ist das berühmte Fettnäpfchen nicht weit und man muss beim Lesen immer wieder schmunzeln, denn wie man bekanntlich so schön sagt, "Ein Unglück kommt selten allein".
Mit einer wundervollen, erzählerischen Stimme nimmt uns Trollope mit auf eine Reise in eine andere Zeit, in der Etikette noch einen ganz anderen Maßstab hatte als heute und man nicht "mal" eben jemanden besuchen konnte. Der Wunsch an Weihnachten bei der Familie zu sein, hatte einen ganz anderen Stellenwert, wenn die Anreise nicht mal eben mit dem eigenen Auto zu bewältigen war und dann durch das Schicksal oder eine Misslichkeit aufgehalten zu werden, hatte eine ganz andere Tragweite.
Ein Kleinod englischer Schreibkunst, auch ohne Weihnachtsbraten zu genießen.
Erwähnt sei noch, dass die Ausgaben des Insel-Verlages selbst ein Kleinod sind. Sowohl das Cover als die Illustrationen sind farblich, thematisch und zeitlich perfekt auf den Text abgestimmt und umgarnen das perfekte Leseerlebnis.

5 von 5 Kutschen 

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