Samstag, 15. Mai 2021

Simon Sebag Montefiore "Geschichte schreiben"


Denkt man an die großen Briefe der Weltgeschichte zurück, fallen einem im ersten Moment sicherlich die Bände mit den größten Liebesbriefen aller Zeiten ein. In einer Zeit, in der man nicht per Messanger, Mail oder ähnlichem mit dem Liebsten kommunizieren konnte, galt das Briefe schreiben als Kunst. Gefühle durch Worte zu vermitteln. Nicht in 160 Zeichen, sondern gediegen. Auf Büttenpapier mit Feder und Tinte die ganze Macht der Sehnsucht in die Worte legend, mussten diese Briefe lange Wege überstehen, bevor der andere sie in Händen hielt und sich der Sehnsucht des anderen bewusst wurde.
Doch schreibt die Geschichte auch andere Briefe. Sicherlich auch mit Gefühl. Aber mit Gefühlen anderer Art. Briefe des Hasses, Briefe der Täuschung und Enttäuschung, Briefe des Mutes und Briefe des Beschwichtigens. 
Bücher mit dem Hintergedanken, "was wäre wenn", kommen einem in den Sinn, wenn man die Briefesammlung von Simon Sebag Montefiore liest. Hätte der Briefeschreiber nicht so, sondern anders gehandelt? Was wäre dann in der Weltgeschichte passiert? Sicherlich ist das Ausmaß sehr unterschiedlich, aber sicher ist, Briefe haben Kriege verhindern, Briefe haben Allianzen geschmiedet, Briefe haben Länder zusammengeführt.
Durch drei Jahrtausende nimmt uns der Autor mit, um uns zu zeigen, dass die Kultur des Briefeschreibens mehr zu bieten hat, als nur die bekannten Liebesbriefe.
Unterteilt in mehrere Kapitel, thematisch sortiert nach ihren auslösenden Gefühlen, wird jeder Brief durch jeweils eine Einleitung in seinen historischen Kontext gesetzt. Die Überschrift weist den Leser daraufhin, wer an wen zu welchem Zeitpunkt geschrieben hat.
Die Briefe sind in ihrer Natur sehr unterschiedlich. Mal sehr kurz, fast einem Befehl gleichlautend, ziehen andere sich über mehrere Seiten oder es wird sogar ein ganzer Briefwechsel abgedruckt.
Abschiedsbriefe wechseln sich mit Briefen der Rechtfertigung ab und Briefe zur Aufnahme der präsidialen Macht folgen denen, die einen Dritten Weltkrieg höchstwahrscheinlich verhindert haben.
Aber ja und auch in diesem Buch gibt es Liebesbriefe. Keine Sorge. Sonst wäre eine Briefesammlung mit allen Facetten der Gefühle nicht vollständig.
Ein tolles Buch. Als Geschichtsbuch, als Buch über das menschliche Denken, als Buch über alles das, was es ausmacht ein Mensch zu sein. Und natürlich ein Buch, dass uns die Macht der Worte vor Augen führt. Worte, die die körperliche Distanz überbrücken und dem Empfänger trotzdem das richtige Gefühl übermitteln müssen. Welches es auch jeweils sein mag.

5 von 5 Büttenblättern

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