Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte.Für viele gehört das Schreiben neben dem regulären Job zum Leben. Doch das Leben als angehender Autor ist nicht leicht. Man muss nicht nur eine Geschichte zu Papier bringen, nein, das wäre ja zu einfach. Man muss sie auch noch an Leser bringen, denn hat man keinen großen Verlag im Nacken, bleibt vieles an einem selber hängen. Da kann man auch direkt selbst als Herausgeber fungieren. Einer, der dies alles macht, ist unser heutiger Autor.
Herzlich Willkommen, Christoph Grimm.
Eine
Kurzgeschichte zu schreiben, verlangt in meinen Augen einen noch
differenzierteren Umgang mit der Sprache, weil man sich kurz fassen muss. Wie
gelingt es dir, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren?
Ich möchte hier kein Regelwerk herunterbeten – derer
gibt es genug –, aber der Trick bei dem Ganzen ist, sich zu überlegen, was man
mit einer Geschichte erreichen und aussagen will. Hinzu kommt, dass ich sehr
gute Testleser, einen schmerzhaft kritischen Struktur-Lektor und eine sehr gute
(und ausgesprochen freundliche) Lektorin habe J.
Deine
Kurzgeschichten erscheinen in Anthologien. Warum meinst du haben Anthologien so
einen schlechten Ruf?
Diese Antwort wird mir nicht
nur Freunde bringen. Sei’s drum …
Kurz gesagt, weil es nur wenig
wirklich gute Anthologien gibt und die Wahrscheinlichkeit groß ist, oft an
mittelprächtige oder schlechte zu geraten. Der bescheidene Ruf ist rein auf die
Gesamtsumme bezogen irgendwo gerechtfertigt.
Es liegt vermutlich daran, wie
und zu welchen Gegebenheiten Anthologien mittlerweile entstehen:
Kurzgeschichtensammlungen sind ein Nischenprodukt auf dem Markt. Ein Blick in
jede beliebige Buchhandlung belegt das. Sie verkaufen sich so überschaubar,
dass es für handwerklich versierte, brotberufliche Autor*innen – von
Bestsellern ganz zu schweigen – in wirtschaftlicher Sicht uninteressant
geworden ist, sich an ihnen zu beteiligen. (Wenn etwa Andreas Eschbach oder
Sebastian Fitzek Kurzgeschichten raushauen, dann letztendlich, weil sie es
wollen oder ein Projekt unterstützen möchten).
Natürlich gibt es viele
nebenberufliche Autor*innen, die den Großen in nichts nachstehen und ihren
eigentlichen Lohn nicht in den mickrigen Tantiemen sehen und sich daher an
Ausschreibungen beteiligen – zusammen mit einer Armada von handwerklich … nicht
so versierten Autor*innen. Die Vielzahl an Ausschreibungen sorgt für eine
Verteilung der wenigen Perlen in einer Flut mittelprächtiger, schwacher und
schlechter Geschichten.
Das Ende vom Lied: Einige
wenige Verlage, die mit Herzblut herangehen und sich einen Ruf erarbeitet
haben, erhielten mehr Perlen, um eine wertige Sammlung machen zu können. Ein
größerer Teil Verlage hat weniger Perlen erhalten. Um die Sammlung trotzdem
machen zu können, werden diese Anthologien dann eben mit Geschichten der
Kategorie „Naja, ganz okay“ aufgefüllt. (Ich habe nur einmal den Fall erlebt,
dass eine Verlegerin mutig genug war, nach einer Ausschreibung eine Anthologie
*nicht* zu machen, weil sie nicht hinter ihr hätte stehen können – und heute
verstehe ich das viel besser als damals). Das größte Ärgernis sind allerdings
Dienstleisterverlage, DKZVs und selbst ernannte Literaturakademien. Sie hauen
eine Anthologie nach der anderen auf den Markt, um wahlweise ihr tolles
Konzept zu verkaufen oder bauen darauf, dass jeder Beteiligte ein(ige)
Dutzend Exemplare selbst abnimmt. Diese Sammlungen greift nicht nur den zurecht
überall sonst abgewiesenen Satz an unbelehrbaren Eitelkeits-Autoren ab, sondern
vermittelt Neulingen, die einfach noch nicht so weit sind, ein völlig falsches
Bild ihrer Fertigkeiten und von Verlags-Arbeit.
Wenn man
sich die Anthologien anschaut, in denen du Kurzgeschichten veröffentlicht hast,
fällt auf, dass du eine große Bandbreite an Themen aufgreifst. Ist es dir
wichtig nicht zu eingleisig zu fahren?
Es ist mir
nicht wichtig, unbedingt mehrgleisig zu fahren, aber es ist vergleichbar mit
eigenem Konsumverhalten. Wenn ich ein Buch in die Hand nehme, ist die
Wahrscheinlichkeit groß, dass es ein Krimi ist oder der Science-Fiction
zugerechnet werden, aber manchmal darf es auch etwas Historisches,
Gegenwartsliteratur oder Romance sein. Science-Fiction als bevorzugtes Genre
finde ich interessant, weil es mir erlaubt, Entwicklungen zu extrapolieren oder
prekäre Themen wie Rassismus, Religion, Diskriminierung, Umweltverschmutzung
oder die menschliche Natur allgemein in einer Weise zu thematisieren, die ich
in anderen Genre nicht kann. Kindergeschichten geben mir die Möglichkeit, auf
ganz andere Art an ein jüngeres Publikum Botschaften zu transportieren.
Wonach
entscheidest du, ob du zu einem Thema eine Kurzgeschichte schreibst?
Da gibt es kein festgelegtes Muster, aber oftmals
beginnt es mit Fragen, die ich mir in der Realität stelle. Was ist Gerechtigkeit?
Sind Menschen zu absolutem Altruismus überhaupt fähig? Wie sähe unsere
Gesellschaft aus, wenn wir nur ein Geschlecht auf diesem Planeten hätten? Ist
es möglich, einen Menschen „nachzubauen“? Oder auch mal verrückt gesponnen:
Könnten sich Dämonen auf Smartphones einnisten? Stephen King verglich die
Entstehung einer Geschichte mit einer Tasse und ihrem Henkel. Zumeist hat man
nur eines von beiden parat und begibt sich auf die Suche. Ich vermute, dass die
Tasse als „Körper“ der Geschichte Setting/Thema ist und ihr zu befüllender
Inhalt die Handlung selbst darstellt. Der Henkel, der das Ganze im wahrsten
Sinne des Wortes greifbar macht, ist das umklammernde Motiv. Deshalb ist eine
Tasse ohne Henkel ziemlich bescheiden, ein Henkel ohne Tasse sinnlos. Beides
brauche ich, um Inhalt transportieren zu können. So abstrakt es wohl klingen
mag: Wenn ich Tasse MIT Henkel habe, dann befülle ich sie (= Entscheidung zum
Schreiben).
Neben deiner
schriftstellerischen Tätigkeit bist du auch Herausgeber. Was reizt dich daran?
Du erinnerst dich, was ich auf die zweite Frage
antwortete? Gute Anthologien sind rar gesät. Ich bin allerdings nicht nur
Autor, sondern letztendlich ein Leser. Abgesehen von den ersten Anthologien,
die ich nur übernahm, ist seit „Virtuelle Welten“ die Grundintention die, ein
Buch zu machen, dass *ich* lesen will. Wenn es andere toll finden, umso
schöner. Die Zukunft virtueller Realitäten. Unheimliche Gruselgeschichten für
Jugendliche. Die Entwicklung von Robotik, Androiden und Künstlichen Intelligenzen.
Wie könnte ein erster Kontakt mit Außerirdischen ablaufen? Oder auch gute, gänzlich
unbekannte Fälle eines bekannten Detektivs, die dessen Adlatus bislang unter
Verschluss hielt ;).
In der Zwischenzeit könnt ihr euch aber gerne auch schon selber informieren. Hier sind die entsprechenden Links zu Christoph Grimm:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen