Donnerstag, 30. Januar 2025

Autoreninterview Dieter Korger II

Hallo zusammen.
Ab diesem Jahr gibt es nur noch einmal im Monat ein Interview. Im Januar beantwortet die Fragen ein bereits bekannter Autor: Dieter Korger.

(Foto: Dieter Korger (privat), Illustration: Maximilian Wust)

Ich habe dich schon einmal vor einem knappen Jahr interviewt, aber seitdem ist viel passiert. Inzwischen bist du bei der Exodus auch als Lektor einge-stiegen. Erzähl doch ein bisschen von deiner Tätigkeit.
Eingestiegen bei Exodus bin ich im Spätsommer 2023 als Support für die Schlussredaktion und habe mich dabei, so glaube ich, im positiven Sinne unbeliebt gemacht. Denn ich habe mir bereits gesetzte Texte mal genauer angesehen und durch Vorschläge dafür gesorgt, dass sie noch einen Ticken besser wurden. Daraufhin hat mich René Moreau gefragt, ob ich für ein Erstlektorat zu haben wäre. So bin ich jetzt seit zwei Ausgaben als Lektor dabei.
Bisher haben sich die von mir betreuten Autorinnen und Autoren mit meinen Änderungsvorschlägen zufrieden gezeigt. Natürlich wird auch an der einen oder anderen Stelle Unverständnis geäußert. Allerdings lässt sich so was im Dialog klären – und die Autoren sollen ja weiterhin die Souveränität über ihre Texte behalten.
Was mich anfangs überrascht hat, ist, wie viel Zeit fürs Lektorieren mancher Texte nötig ist. Aus früheren beruflichen Tätigkeiten als Lektor und Redakteur kannte ich das anders … freilich, da waren meist routinierte Schreiber am Werk. Autoren bei Exodus sind ja in der Regel Hobbyautoren. Dennoch ist die Qualität im Schnitt erstaunlich gut.

Deine neue Geschichte durfte ich auch schon lesen. Ich mag ja deine feine Ironie, doch wie bist du auf die Geschichte gekommen?
Feine Ironie ist gut! Meine nächste Geschichte, die in der Exodus Nr. 49 erscheinen wird, bedient sich eher beinharter Ironie – als Grillplatte serviert. Immerhin geht es um das Zukunftsthema Ernährung und die damit verbundene Frage, wie das aussähe, wenn sich die Politik in die individuelle Entscheidung der Bürger einmischen könnte, was noch auf den Teller kommen darf und was nicht. Damit verbunden geht es um Fragen der Selbstbestimmung und das Ausbrechen aus Normen, wobei das Interessante in der Story ist, wer hier aus welchen Gründen ausbricht.
Die Idee dazu entstand aus vielen Facetten: Ich interessiere mich seit jeher für die Themen Welternährung und Landwirtschaft. Ich höre mir an, was Ernährungs- und Gesundheitsexperten zu sagen haben.
Irgendwann habe ich angefangen, mich mit den Konsumgewohnheiten der Menschen und den daraus resultierenden Krankheiten näher zu beschäftigen. Habe das alles schließlich in eine nähere Zukunft übertragen … und rausgekommen ist am Ende meine Story ›Die letzten Carnivoren‹.

Was macht dir im Moment in der Wortwelt am meisten Spaß?
Neben dem Schreiben würde ich sagen: die Geschichten anderer Menschen zu lesen, und zwar solche, bei denen ich neben der eigentlichen Erzählung etwas über die Autorin oder den Autor selbst erfahre. In wirklich guten Geschichten steckt immer auch ein Stück von einem selbst: seien es Wertvorstellungen, Neigungen, Wünsche oder Erinnerungen und Erfahrungen – positive wie negative. Das finde ich faszinierend und bin dankbar für das Vertrauen dieser Autoren, die sich auf die Art ihrem Publikum gegenüber öffnen.

Du hattest mir bei dem letzten Interview von einer Graphic Novel der NATO erzählt. Ist diese inzwischen veröffentlicht?

Die ist erschienen. Im vergangenen Sommer als Download, im Herbst dann für alle Mitstreiter und die obere Befehlsebene als Print. Leider kann man die gedruckte Fassung nicht einfach so bestellen. Aber unter dem Suchbegriff ›NATO 2099‹ findest du die Graphic Novel sofort im Web. Was ich trotzdem ärgerlich finde. Wer will schon einen Comic auf einem Bildschirm lesen?

Wie kam es zu deinem Beitrag?
Die Leiterin des NATO Defense College, Florence Gaub – übrigens ein großer SF-Fan, hatte Ende 2023 auf X einen Aufruf zur Einreichung von Science-Fiction-Storys gepostet: Gesucht wurden Vorschläge von SF-Autoren im gesamten NATO-Raum zu der Frage, wie sich die Sicherheitslage sowie Krisen und Konflikte in der Welt bis 2099 entwickeln könnten. Es hat mich sofort gereizt, mitzumachen. Wissend, dass ja nicht die Story selbst publiziert, sondern deren Essenz und Ideen begutachtet und dann abgeglichen werden würden mit denen der anderen Teilnehmer. Sich wiederholende Muster deuteten dabei auf höhere Wahrscheinlichkeit des Eintretens in der Zukunft hin und wurden in die endgültige Story übernommen. So stieß ich dazu. Ich kann dir einige Stellen in der Graphic Novel zeigen, die meinem Storybeitrag entsprechen.
Eigentlich muss ich mal schauen, was ich mit der ursprünglichen Geschichte noch mache. Die darf ich ja weiter frei verwerten.

Wie schätzt du die Wirkung eines solchen Projektes auf die Science-Fiction-Szene ein?
Derzeit dürfte die Wirkung so gering sein wie die Chance, daran etwas zu ändern. Weil jeder schreibende Fan der fantastischen Literatur hier in Deutschland weiß, dass SF außerhalb der Bubble kein besonders Renommee genießt. So ist es also unwahrscheinlich, dass ein Bundesministerium oder eine politische Stiftung morgen bei einem SF-Autor anruft und fragt, ob der oder die gerne mal in einem Workshop oder ThinkTank mitdiskutieren wolle. In Ländern wie China, den USA und Frankreich ist das anders. Da weiß man den Beitrag der SF für Zukunftsthemen viel mehr zu schätzen.
Eine rühmliche Ausnahme hierzulande bildet die Politikwissenschaftlerin Isabella Hermann, die übrigens mit Aiki Mira einen interessanten Zukunfts-Podcast präsentiert.

An was schreibst du aktuell?
Bei mir sind zwei Kurzgeschichten in der Pipeline, von der die eine fast fertig ist und hoffentlich ein gutes Zuhause findet. Bei der zweiten warte ich noch ab, ob eine bestimmte Ausschreibung demnächst erfolgt, bevor ich mich mit der näher beschäftige. Beide Geschichten führen endlich wieder in die Tiefen des Weltraums. Ist bestimmt nichts für Perry Rhodan-Fans, aber bestimmt was für Freunde der feinen Ironie.
Ja, und dann ist da noch dieses Herzensprojekt … ich würde gerne eine Geschichte schreiben, die sich an meinen Zeitreise-Roman ›Cyprus Tower‹ anlehnt. Ebenfalls als Roman oder als Novelle. Allerdings diesmal ohne Trip in eine ferne Zukunft. Vielmehr schwebt mir ein Setting in einer tropischen Gegend vor, in unserer Zeit. Es gibt noch einige andere Voraussetzungen, die da stimmen müssen. Und so wie es aussieht, habe ich das passende Land gefunden, in dem die Story spielen könnte. Dort werde ich in wenigen Wochen hinreisen und mich vor Ort umsehen und recherchieren. Zu dem Zweck habe ich im letzten halben Jahr massiv in den Wiederaufbau meiner Spanischkenntnisse investiert. Die Menschen vor Ort können mir bestimmt viele Inspirationen geben.

Nächsten Monat gibt es ein neues Interview.

1 Kommentar:

  1. Interessantes Interview, ich freue mich schon auf den letzten Carnivoren. Aber vor allem freue ich mich (obwohl ich da bestimmt etwas mehr Geduld brauche) auf diese Cyprus Tower Geschichte. Der Roman war sehr gut, die Erwartungen sind also dementsprechend hoch.

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