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Donnerstag, 9. Mai 2024

Autoreninterview Tom Turtschi

Hallo zusammen.

Heute geht es mit dem Autor Tom Turtschi weiter:

(Foto: Tom Turtschi (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Geschrieben habe ich schon immer. Als Jugendlicher unbekömmliche Gedichte, in den Nullerjahren einen Roman mit dem Namen "Wüstentau", der glücklicherweise den Sprung von der Festplatte in die Verlagshäuser nicht geschafft hat.

Nach 2010 fasste ich den Entschluss, mich intensiver mit dem Schreiben zu beschäftigen. Ich ging auf die Fünfzig zu, ein Herzproblem hatte mich kurzzeitig außer Gefecht gesetzt, und ich gelangte zu der Einsicht, dass mir die Zeit wohl nicht mehr reichen wird, um die Weltherrschaft zu erlangen. Ausser in meinen Texten: Da reise ich quer durch die Zeit, erschaffe Welten, bevölkere sie mit meinen Figuren. Ich bestimme, wo es lang geht. Das war ein sehr weiser Entscheid: Ich denke, die Menschheit würde enorm profitieren, wenn einige andere Potentaten in dieser Welt zu einer ähnlichen Schlussfolgerungen gelangen und ihre pervertierten Machtfantasien in Texten ausleben würden, die niemand zu lesen braucht.

Ich habe kürzlich deine Kurzgeschichten in "Protokoll Delta Bravo" gelesen und war begeistert. Wie lange hast du an den einzelnen Geschichten geschrieben?
Sehr lange, manchmal Jahre. Das hängt mit der Art zusammen, wie ich Texte entwickle. Oft steht ein Satz am Anfang, der mich fesselt, eine kurze Szene. Oder ein thematischer Ansatz, der mich interessiert. Eine Konstellation von Figuren. Dann entwickelt sich der Text von Satz zu Satz, oft über Monate. Manchmal hänge ich fest, breche ab - und greife den Text später wieder auf. Irgendwann steht eine erste Fassung, die überarbeitet wird - meistens viele Male. So kann es Jahre dauern, bis ich mich durchringen kann, eine Erzählung zu publizieren.

Diese Schreibweise erklärt meinen bescheidenen Output. Aber ich habe nun mal kein Konzept oder Storyboard im Kopf, das ich abarbeite: Schreiben ist für mich Forschen und Erkunden. An meinem Arbeitsplatz hängt ein Zettel mit einem Zitat von David Albahari, gleichsam als Leitmotiv:

"Wenn ich zu schreiben anfange, habe ich kaum je die fertige Story im Kopf. Die ersten Sätze setzen ein Feuer in Gang. Es entsteht ein Prozess des Entdeckens, der die ganze Niederschrift durchhält. Eigentlich erzähle ich die Geschichte ja mir selbst, und wenn es Leute gibt, die sich dafür begeistern, umso besser."

Die Geschichten sind thematisch sehr verschieden. Ist dir ein breites Spektrum an Inhalten wichtig? Vielmehr: Planst du das oder ergibt sich das aus der jeweiligen Idee?
Im Grunde gibt es ja nur zwei Geschichten, die man erzählen kann. Die erste lautet: Zwei Menschen begehren sich und kriegen sich nicht. Das Kondensat der zweiten geht so: Der Gute und der Böse treffen aufeinander. High Noon - wer zieht schneller?

Die beiden Plots lassen sich unendlich ausschmücken und variieren. Bei der Romanze kann man die Irrungen und Wirrungen beschreiben, die der Vereinigung und dem Glück im Weg stehen, man kann das Leiden der Protagonisten schildern, und an den Schluss die Erlösung oder das tragische Ende setzen. Auch das Grundgerüst der zweiten Geschichte birgt unzählige Variationen in sich, die seit den Anfängen des Erzählens durchgespielt werden.

Ich gehe also davon aus, dass alles bereits erzählt wurde, was erzählt werden kann. So besteht der Kern für mich viel mehr darin, wie man etwas erzählt, als was man erzählt. Bei den Stoffen, die ich bearbeite, folge ich meinen persönlichen Neigungen und Passionen, aber viel mehr beschäftigen mich formale Fragen. In welche Reihenfolge bringe ich die Wörter und Sätze, damit der Text dicht wird, zu vibrieren beginnt? Ein Text ist ein Energiesystem, das dem Leser entweder Energie gibt oder entzieht. Und finde ich irgendeinen Dreh heraus, der dem Stoff einen neuen Aspekt abringt, der überrascht? Wenn mir das nicht gelingt, bleibt der Text eine offene Baustelle, oder schlimmer noch, eine Bauruine, die nie fertiggestellt wird.

Michael K. Iwoleit spielt im Nachwort auf deine Gartenaffinität an. Was hat es damit auf sich?
Tja, der Garten ... Da muss ich etwas ausholen. Meine Frau und ich sind 1995 aufs Land gezogen, in ein 300 Jahre altes Bauernhaus mit Umschwung.

Wir starteten das gemeinsame Projekt Hof3, das sich in den beinahe 30 Jahren immer wieder verändert hat, aber irgendwie der ursprünglichen Idee treu geblieben ist. Über ein Jahrzehnt betrieben wir ein Kurs- und Kulturzentrum, 23 Jahre lang veranstalteten wir jeden Sommer ein Open-Air-Kino, daneben realisierten wir in der Szenografieagentur unzählige Ausstellungen. Wir verstanden Hof3 immer als Gestaltungslabor und Experimentierfeld in einem umfassenden Sinn, in dem gelebt und gearbeitet wird. Als eine kleine Sozialutopie, in der Menschen, Tiere und Pflanzen eine Gemeinschaft bilden. Heute leben zehn Personen unter einem Dach: Zwei Gamedesigner, fünf Ukrainerinnen und Ukrainer, eine Rentnerin, meine Frau und ich. Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, sozialen Schichten, zwischen 13 und 80 Jahren alt. Jeder macht sein Ding - dabei versuchen wir, einander mit Respekt und wachem Interesse zu begegnen, kochen und essen regelmäßig zusammen. Ein weiteres Experimentierfeld ist der Garten: Meine Frau pflegt den 1,5 Hektar großen Umschwung nach den Prinzipien der Permakultur, also einer regenerativen Landwirtschaft, die mit geschlossenen Kreisläufen arbeitet. Vereinfacht gesagt ernähren die Pflanzen die Tiere, diese produzieren den Mist für die Pflanzen. Ich bin nicht der leidenschaftliche Gärtner mit der Harke in der Hand, aber als Studienobjekt fasziniert mich der Garten. Welche Nachbarschaften bekommen den Pflanzen, was funktioniert nicht? Ein Garten ist ein komplexes Geflecht von Beziehungen, das empirisch von Jahr zu Jahr optimiert wird. Zudem schätze ich auch die sinnliche Komponente des Gartens, man ist da als Mensch sehr direkt mit der Welt verbunden. Man riecht, sieht, hört und schmeckt - draußen und dann auf dem Teller. In Sachen Gemüse, Früchte und Fleisch sind wir Selbstversorger. Ich koche leidenschaftlich gerne, und da macht es natürlich Spaß, die eigenen Produkte zu verarbeiten.

Welche drei Gegenstände würdest du mitnehmen, wenn du mit einem Raumschiff fliegen müsstest? Und welches Ziel würdest du ansteuern?
Einen Bleistift, eine Zeitmaschine und ein Rückreiseticket. Sobald ich weg bin, wird das Zuhause der Ort meiner Sehnsucht.

Neben Kurzgeschichten hast du auch einen Roman geschrieben. Welche Textlänge sagt dir mehr zu?
In der SF reichen 50, 60 Seiten, um einen glaubhaften Weltenbau zu betreiben und eine Idee durchzuspielen. Der Roman gilt als "Königsdisziplin", aber ich denke, das wird überbewertet. Ich halte mich gerne an eine Aussage von Tomas Schmit, einem deutschen Konzeptkünstler, den ich sehr schätze: "Male kein Bild, wenn eine Zeichnung reicht. Mache keine Skulptur, wenn du die Aussage in ein Bild packen kannst."

Wenn ein Text beginnt, in einen Roman auszuufern, bin ich zunächst einmal skeptisch. Bekommt die Länge der Idee wirklich? Bin ich dem gewachsen? Dann schwirrt mir ein Satz durch den Kopf, den ich vor 45 Jahren aufgeschnappt habe ... Als pubertierender Junge kam ich mal in den Besitz eines Playboy-Magazins. Keine Ahnung, wie es dazu kam - an einem Kiosk habe ich es kaum erstanden, dazu war ich viel zu verklemmt und zu schüchtern. Der verstohlene Besitz entwickelte seine Nachhaltigkeit vor allem durch diesen besagten Satz, den ich nie mehr vergessen sollte: Zwischen den weiblichen Rundungen fand sich ein langes Interview mit Friedrich Dürrenmatt. Auf den Bildern konnte man verfolgen, wie er im Verlaufe des Gesprächs immer besoffener und seine Antworten zunehmend enthemmter wurden. Am Schluss setzte er zu einem umfassenden Kollegen-Bashing an, bei dem er einige deutliche und treffende Worte fand. Zu Günter Grass bemerkte er, der sei doch viel zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben.

Nun, das Nobelpreiskomitee hat Dürrenmatts unverfrorene Bemerkung zurechtgerückt … Ich allerdings überlege mir immer: Reicht mein Potenzial für 300 Seiten? Wenn nicht, wäre es anrüchig, den Lesern einige Stunden Lebenszeit zu stehlen.

Gibt es bei dir auch die berühmte Schublade für zukünftige Geschichten?
Sicher doch. Es ist ein ganzer Schubladenstock, eine Wand mit unzähligen kleinen Schubladen, voller Karteikarten, außen mit Zettelchen beschriftet, wie in einer alten Apotheke oder Eisenwarenhandlung. Das sind alles Geheimfächer, ich spreche nicht über zukünftige Projekte - aber so ganz unter uns kann ich mal drei zufällige Schubladen wählen und einen Spalt breit öffnen.

Was haben wir da? An den Frontseiten steht:


Zeitmaschinen
Zero-Gravity-Hubaggregate
Künstliche Intelligenz


Aha, ich sehe, ich habe drei Kästchen erwischt, die sich mit neuen Technologien beschäftigen. Wir SF-Autoren sind ja ganz begeistert von all den coolen Dingen, die noch erfunden werden. Ich möchte mir die Frage stellen, wie Technologien entstehen, wie sie sich von der Grundlagenforschung über kostspielige Anlagen in den Alltag der Menschen schleichen, zuerst als Luxusgüter, dann als billige Massenware. In der Ökonomie nennt man das den "Trickle-down-Effekt", der davon ausgeht, dass der Luxus der Reichsten nach und nach in die unteren Schichten durchsickert und irgendwann allen zugutekommt. Ich befürchte, das ist mehr eine billige Legitimation für den unverschämten Reichtum der sogenannten Innovatoren, deren Heilsversprechen vor allem den eigenen Kontostand beglückt, als ein tragfähiges Zukunftsmodell. Mich interessiert nicht so sehr die spezifische Technologie, die ist austauschbar, sondern unsere Erwartung an sie, und der Prozess, wie wir sie entwickeln, finanzieren und was sie schließlich mit uns macht.

Werfen wir einen Blick in die Kästchen:

  • Zeitmaschine













  • Zero-Gravity-Hubaggregate













  • Künstliche Intelligenz




Nachdem ihr wisst, was Tom schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
tom-turtschi.ch
wikipedia.org/wiki/Tom_Turtschi
facebook.com/tom.turtschi

Alle Bilder hat der Autor zur Verfügung gestellt.

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Caroline Hofstätter "Findungstag"

Evergreen Ray würde sich selbst nie als Glückskind bezeichnen. Tatsächlich ist sie vor dem, was andere mit Freude begrüßen würde, geflohen und lebt jetzt mit einer Tarnidentität in den Randbezirken Wiens im Jahr 2095. Das Netzwerk der Concordia-KI steuert die Geschicke der Menschen zu deren besten und eigentlich gibt es nichts, was nicht zu ihrem Wohl getan wird, bis auf ...
Um dieser KI auszuweichen, heißt Evergreen nicht mehr Evergreen und alle Menschen in ihrem jetzigen Leben wissen nicht, wer und vor allem, was sie ist. Doch als Vincent plötzlich schwer erkrankt, weiß Evergreen, dass Verstecken keine Option mehr ist und sie aus ihrer Deckung kommen muss jeglichen Konsequenzen zum Trotz.
Während Science Fiction mit ihren Dystopien oftmals eine niederschmetternde Zukunft aufzeigt, wirbt die Autorin bei dieser Geschichte (Teil eins einer Dilogie) damit, dass es sich um Science Fiction für Optimisten handelt. Doch wie setzt Caroline Hofstätter die Idee um?
Überwachung, KI, Überalterung und weitere Themen, die in anderen Werken oft nur von der negativen Seite beleuchtet werden, zeigt sie hier so, dass vieles davon auch positiv gesehen werden kann. Ein Miteinander zwischen Menschen, Technik und auch der Natur bilden die stabile Grundachse ihrer Geschichte, wobei man nicht den Trugschluss ziehen darf, dass alles gut ist. Denn das ist es nicht und wird es auch nie so sein. Ihrer Protagonistin wurde hinters Licht geführt und das über Jahre und ihre daraus folgenden Entscheidungen sind wahrlich nicht immer die besten, doch wenn man erkennt, was sie "vertickt", muss man ziemlich schmunzeln.
Unterstellt optimistische Science Fiction damit gleichzeitig auch eine gewisse Blauäugigkeit? Nein, denn Probleme sind Probleme und diese werden in der Geschichte genauso angegangen, wie es in anderen Büchern auch der Fall ist, aber mit Stil, Köpfchen und Fingerspitzengefühl.

5 von 5 MyComs

Die Autorin hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Freitag, 3. Mai 2024

Christian Endres "Maschinenwolf"

Werbung für den neuen Roman zu machen, kann die verschiedensten Formen annehmen. Teaser, Leseprobe, Buchtrailer ...

Doch wie fängt man die Szenerie der neuen Welt ein? Wie bekommt man die Lesenden dazu, der Handlung in die neue Welt zu folgen?

Indem man eine Kurzgeschichte schreibt!

Mit "Maschinenwolf" ist vierzehn Tage vor Veröffentlichung von "Wolfszone" eine Kurzgeschichte erschienen, die die Lesenden ab der ersten Seite in die Szenerie katapultiert.
Brandenburg, weit ab vom Schuss, ist in den Wäldern etwas erwacht, was so nicht geplant war.
Zwei junge Menschen versuchen Licht ins Dunkel zu bringen, denn natürlich gehen sie während der Nacht in den Wald. Es knirscht und knarzt und man ist froh, dass die Geschichte kurz ist, so muss man nicht zu lange den Atem anhalten.

Christian Endres legt mit "Maschinenwolf" eine 23-seitige Werbung vor, die einen sofort in den Bann zieht. Spannend und schnell geschrieben, fliegt man beim Lesen durch die Zeilen und zum Schluss ärgert man sich, dass man noch nicht weiterlesen kann. Chapeau, misterendres. ;-)


5 von 5 Wölfen 

Donnerstag, 2. Mai 2024

Autoreninterview Ellen Norten

Hallo zusammen.
Heute geht es mit der Autorin Ellen Norten weiter:

(Foto: Ellen Norten (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben war weder in meiner Kindheit noch in meiner Jugend meine Leidenschaft. Als ich 1989 beim Deutschlandfunk in der Redaktion „Forschung aktuell“ begann als Wissenschaftsjournalistin tätig zu werden, wurde mir klar, dass beim Radio nicht nur gesprochen wird, sondern dass dort auch Manuskripte, Moderationen etc. geschrieben werden müssen. So entwickelte ich schnell das nötige Handwerkszeug für eine präzise Sprache. Die Texte sollten publikumsnah gestaltet sein, durften aber als journalistische Texte keine Fantasie enthalten. Auch bei den Sachbüchern und Ratgebern, die ich später im Rahmen meiner Fernsehtätigkeit in der „Hobbythek“ beim WDR verfasste, war dies kaum möglich. Schreiben war damals für mich Broterwerb und gerade die Bücher mit ihren hohen Auflagen erfüllten diesen Zweck sehr gut. Das war im Verlag meines Mannes Hubert Katzmarz ganz anders. SF und Phantastik in einem Kleinverlag waren Liebhaberprojekte und warfen keinen nennenswerten Gewinn ab. Dennoch sah ich darin dass, was mich am Schreiben reizte, die Freiheit der Ideen, Themen und deren Umsetzung.
Erst nachdem ich meine journalistische Tätigkeit beendet hatte, schrieb ich meine ersten Geschichten. Dabei geisterte die Idee zum „langen Marsch der Wolkenkratzer“ seit ich 30 Jahre alt war in meinem Kopf herum. Nun war der richtige Zeitpunkt für mich gekommen, ich schrieb mit Lust und Liebe und
meine erste Story erschien in den Andromedanachrichten Nr. 235, 2011.


Du gibst den daedalos heraus. Erzähl doch ein bisschen darüber.
daedalos war das Projekt von Hubert Katzmarz und Michael Siefener, später auch von Andreas Fieberg. An dem Projekt klebte viel Herzblut und ich habe daedalos manchmal verflucht, wenn z.B. noch in der Silvesternacht die Exemplare am ozonproduzierenden Laserdrucker von Hubert unter Hustenanfällen ausgedruckt wurden. Dennoch liebte ich daedalos, mit seinen besonderen Geschichten.
Im Jahr 2010 kontaktierte mich Michael Haitel wegen meiner Nachlassrechte an Huberts Literatur. Es kam zu Einzelveröffentlichungen, später fungierte ich als Herausgeberin bei Huberts Gesamtwerk: „Schattenspiel“ (- Des Hubert Katzmarz´ gesammelter Werke erster Teil), AndroSF 23, und „Alptraumhaft“ – (Des Hubert Katzmarz’ gesammelter Werke zweiter Teil), AndroSF 24, beide p.machinery, Murnau, 2013 und viel später „Im Garten der Ewigkeit“ - Das Werk des Hubert Katzmarz: Texte und Fragmente, Außer der Reihe 75, p.machinery 2022.

Zwischen Michael Haitel und mir als Herausgeberin und Autorin entwickelte sich bald eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, die bis heute andauert und die immer wieder zu neuen Projekten führt. So entstand zunächst eine Art best off; daedalos 1994 – 2002 – Eine literarische Reise durch den “Story Reader für Phantastik“, herausgegeben von Michael Siefener und mir bei p.machinery
2018. Michael Siefener und Andreas Fieberg, die engsten Freunde von Hubert, waren auch meine Freunde und so beschlossen wir, daedalos fortzuführen – nach 20 Jahren erschien nun Nr. 13, auch unter meiner Redaktion. Das erste Heft trieb mir die Tränen in die Augen, führten wir doch das fort, was Hubert mit Michael konzipiert hatte und was ihm so wichtig gewesen war, nämlich phantastische Geschichten der feinsten Art. Dazu kommt in jede Ausgabe eine meist wenig bekannte alte Geschichte in der Tradition der Phantastik, die ggf. aus dem englischen von Michael übersetzt wird.


Ich habe mir sagen lassen, dass deine Geschichten gerne von Parasiten bevölkert sind. Stimmt das? ;-)
Und wie. Ich fühle mich ja von je her von Schmarotzern fasziniert und Parasiten in Insekten und ihr bizarres Liebesleben waren Gegenstand meiner Studien. Da ich nachhaltig Ideen verfolge, lieferte der Schmarotzer meiner Doktorarbeit (Vairimorpha spec., Mikrosporidie) die Vorlage zu meinem Cartoon Band „Mein süßer Parasit“, den ich sowohl gezeichnet als auch in der Tradition von Wilhelm Busch gedichtet habe. Tatsächlich war auch der echte Parasit harmlos und richtete kaum Schaden an. Der Wirt ist im Buch aber eine Mischung aus Kakerlake und Bierfass. Letzteres verdeutlicht auch für den Laien den Begriff Wirt, da fließen Ideen aus meiner wissenschaftsjournalistischen Zeit mit ein. Und natürlich werden bei mir auch in Zukunft Parasiten eine Rolle spielen, doch manchmal weise ich sie in ihre Schranken, man soll nichts übertreiben.

Welche Geschichte liegt am längsten unveröffentlicht in deiner Schublade?
Ich habe ein paar Gedichte und Texte, die ich als Poetryslam geschrieben habe. Die gibt es bisher nicht in gedruckter Form und dann natürlich die, an denen ich arbeite und die noch unvollendet sind. Aber ich habe einen Roman über meine Familie väterlicherseits geschrieben, der sich über vier Generationen hinzieht und stark von Gelsenkirchen und dem Haus, indem meine Verwandten und ich selbst gelebt haben geprägt ist. Da gibt es zwar ein paar winzige fantastische Elemente, wie etwa den Fluch, der auf dem Haus liegt, aber der Roman behandelt die enorme Zeitspanne am Beispiel meiner zerstrittenen Familie und ihrem Leben im Ruhrgebiet. Es gibt authentische Kriegserlebnisse und natürlich große Emotionen, die in einer unerfüllten Liebe gipfeln. Ich suche noch einen geeigneten Verlag, in den dieses Buch passen könnte.

Wie sieht dein perfekter Schreibtag aus?
Den gibt es nicht, weil ich nicht plane und meine Tage recht unterschiedlich verlaufen. So verbringen mein Mann Zaubi M. Saubert und ich fast die Hälfte des Jahres in unserem Wohnmobil, manchmal in Deutschland, meist aber im Ausland mit so spektakulären Reisezielen wie Georgien oder Marokko. Da denke ich manchmal nicht ans Schreiben oder es ist genau umgekehrt. Die tolle Umgebung, die neuesten Eindrücke triggern bei mir den Schreibfluss und die Kreativität an und ich schreibe dann mehrere Stunden.

Für welches Genre hast du noch nicht geschrieben und möchtest du das ändern?
Seichte Liebesgeschichten und Literatur ohne Ecken und Kanten liegen mir nicht. Ich lasse meine überbordende Fantasie schießen, dabei interessiert mich beim Schreiben nicht in welches Genre dies zuzuordnen wäre. Mein Roman „Jamila tanzt!“ (Magische Science-Fiction, AndroSF 174, p.machinery, 2023) kann sicher mehreren Genres zugeordnet werden. Ich bin ein Mensch, der sehr stark den eigenen Eingebungen folgt und wenn mir tatsächlich mal nach einer kitschigen Liebesgeschichte zu Mute sein sollte, dann schreibe ich sie unabhängig von dem, was ich zuvor geäußert habe. Allerdings könnten die beiden Protagonisten dann Parasiten sein, das wäre doch originell, ein heiß verliebtes Schmarotzerpärchen. Das käme meiner heiteren Wesensart entgegen.

Was erscheint als Nächstes von dir?
Vermutlich wird es „Der Krokus“ in der Anthologie C.R.E.D.O., herausgegeben von Rainer Schorm und Karl-Ulrich Burgdorf bei p.machinery sein. Dabei geht es um religiöse Themen in SF und Phantastik und bei mir um einen gläubigen Alien.
Im nächsten daedalos bin ich mit einer unheimlichen Geschichte vertreten, die durch meinen Besuch in Batumi inspiriert ist und im Moment schreibe ich an einer Story über KI für das Conbuch für den Elstercon im September 2024. Die anderen Projekte sind noch nicht spruchreif. Aber manchmal treibe ich mich auch ganz woanders herum, so wird „Einfach Nudeln“ in Margit Kruses Ruhrgebietskochbuch erscheinen. Das wird sicher ein originelles Buch, ich habe aber noch keine näheren Daten.


Nachdem ihr wisst, was Ellen schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
wikipedia.org/wiki/Ellen_Norten
facebook.com/ellen.norten

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 1. Mai 2024

Ben Kryst Tomasson "Sylter Rivalen"

Zum neunten Mal verschlägt es Kari Blom auf die Insel Sylt, wenn auch eher ungewollt.
Denn eigentlich ist sie mit ihrem Mann Jonas in Elternzeit und will sich nur auf Lotta konzentrieren, da wird Jasper, Jonas Sohn, festgenommen. Die Umstände könnten nicht komplizierter sein und so fahren Kari und Jonas anfangs unabhängig voneinander zurück auf die Insel. Während Kari immer eine Betreuung, meist in Form der Häkelmafia, für Lotta organisieren muss, versucht Jonas sich um Jasper zu sorgen, doch seine Verwandtschaft macht eine Ermittlung schwierig und seine Elternzeit-Vertreterin zeichnet sich nicht durch Kooperation aus.

In der Reihe um Kari und Jonas ist dies wohl der persönlichste Fall. Nicht nur die Sorge um das Neugeborene steht im Vordergrund, sondern vielmehr rücken Jonas Kinder mit in den Mittelpunkt des Interesses. Dabei steht wie immer die Kritik an so manch Sylter Sitte ebenso zur Diskussion, sowie manch andere gesellschaftliche Kritik. Mit seiner Vielschichtigkeit an Problemen und damit auch der Anzahl an vermeintlichen Tätern, ist der Krimi sehr diffizil strukturiert, was manche Längen, in denen die Spannung kurzzeitig ins Straucheln gerät, kompensiert.

Gerade dieser Fall greift viele Ereignisse aus früheren Bänden auf, was in meinen Augen dazu führt, dass man die vorherigen Bände lesen sollte, um die Beziehungen zwischen den Charakteren besser verstehen zu können.
Der eigentliche Fall lässt sich ohne Vorkenntnisse lesen, doch wie in so manch anderer Krimireihe, ist es auch die Geschichte des Kommissars und der Undercover-Ermittlerin, die man chronologisch kennenlernen sollte.

4 von 5 Speedbooten

Montag, 29. April 2024

Oliver Bidlo "Der Ausbruch des Phantastischen"

Noch nie waren die Grenzen zwischen Literatur und Realität so fließend wie heutzutage. Das ist nicht nur meine Meinung sondern auch eine der Kernthesen, die Oliver Bidlo in "Der Ausbruch des Phantastischen" vertritt. Das Sachbuch mit seinen knapp 180 Seiten richtet sich vornehmlich an ein Publikum, dass sich mit der Phantastik ein wenig auskennt, da der Autor von vielen Werken nur einzelne Fragmente nutzt, um seine These zu untermauern.
Doch was ist "Der Ausbruch des Phantastischen"?
Ein bekanntes Beispiel: Der Ring der Macht ist als Schmuckstück käuflich zu erwerben. 
Doch nicht nur dies ist ein meisterliches Beispiel dafür, wie die Phantastik die Realität oder in heutiger Zeit auch die sozialen Medien beeinflusst, denn die Phantastik ist überall anzutreffen.
Oliver Bidlo schildert dies an verschiedenen Beispielen und baut sein Buch recht streng einer wissenschaftlichen Abhandlung gleich mit Thesen und Beweisführung auf. Damit geht auch einher, dass wir es bei dem Text mit einer wissenschaftlichen Sprache und deren Komplexität zu tun haben. 
Das Buch liest man mal nicht nebenbei, dafür es ist zu gespickt mit Verweisen und ergänzender Literatur.
Interessierten Lesenden bietet das Buch über die verschiedenen Jahrzehnte und Medien einen gelungenen Überblick, wie die Phantastik die Realität beeinflusst und wie viel Realität auch heute noch in der Phantastik steckt (was bei dem Thema aber eher als Randnotiz nebenher läuft).
Ein interessantes Buch und durch seine Tolkien-Dichte auch besonderes ein Buch für entsprechende Fans.

4 von 5 Phantastischen Welten

Vielen Dank an den Oldib Verlag für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 25. April 2024

Autoreninterview Dieter Korger

Hallo zusammen.
Heute geht es mit dem Autor Dieter Korger weiter:

(Bild: Dieter Korger (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Wie wahrscheinlich die meisten: durch viel Lesen – einerseits Bücher, anderseits Comics. Von beidem konnte ich zu Schulzeiten nicht genug bekommen. Darüber hinaus habe ich schon früh angefangen, mir selbst und anderen Geschichten zu erzählen. Die konnten epische Längen entwickeln. So ab dem zarten Alter von vierzehn Jahren fing ich dann an, Geschichten aufzuschreiben. Eine war über hundert Seiten lang, alles handgeschrieben, mit dem Füllfederhalter. Und gleich volle Kanne Science-Fiction mit Fantasy. Mit Ende der Schule war dann klar, dass ich in Richtung Journalismus und Publizistik gehen wollte. So kam eins zum anderen, und das Schreiben und Redigieren hat nie aufgehört.

Wie integrierst du das Schreiben in deinen Alltag?
Das ist heute kein großes Problem mehr. Ich bin seit wenigen Jahren selbständig unterwegs und beschäftige mich nur noch mit Dingen, die mir intrinsisch Spaß machen und guttun. Während meiner langen Zeit als angestellter Redakteur bzw. Unternehmenskommunikator sah das anders aus. Ich hatte wenig Zeit fürs private Schreiben. Für meinen ersten SF-Roman, »Anschlag im Fegefeuer«, habe ich fünf Jahre gebraucht, für meinen 2021 erschienenen Zeitreiseroman »Cyprus Tower« gar über zehn Jahre. Da gingen viele freie Tage, Wochenenden und vor allem schlaflose Nächte für die Buchprojekte drauf.

Mit welcher deiner Geschichten sollte man beginnen, wenn man noch nichts von dir gelesen hat?
Die Frage bekomme ich derzeit immer wieder. Als door opener bietet sich wahrscheinlich »Nur ein Werbespot!« in der Anthologie »Ferne Horizonte – entfernte Verwandte« an. Die Story hat doch eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten, die ich beim Verfassen nicht für möglich gehalten hätte.

Wer aber nicht die ganze Anthologie kaufen möchte, was natürlich schade wäre, dem empfehle ich ganz offen »Cyprus Tower«. Der Roman ist rein als E-Book erhältlich und äußerst günstig zu erwerben.
Und es ist das Werk, auf das ich persönlich am meisten stolz bin, es herausgebracht zu haben.

Was ist dir wichtiger: Unterhaltung oder Moral?
Ich habe so eine Ahnung, warum du mich das fragst. Vermutlich wegen »Nur ein Werbespot!«. Ja, da geht es um die endlose Geldgier, für die manche Menschen glauben, jegliche Grenzen ungestraft übertreten zu dürfen … mit einer final fiesen Moral von der Geschicht´.

Es geht mir jedoch in keiner meiner Geschichten um Moral. Sie sollen in jedem Fall unterhalten, ganz klar! Wichtig ist mir zudem, dass die Storys eine Relevanz für die Welt von heute haben. Science-Fiction ist für mich, und da bin ich wohl nicht allein, vor allem ein Spiegel aus der Zukunft auf die Welt von heute. Deshalb findet sich in den meisten meiner Geschichten ein politischer bzw. gesellschaftspolitischer Bezugsrahmen, der den Lesenden eine Einordnung anbietet. Allerdings darf der Rahmen nicht den Plot bestimmen. Im Vordergrund steht immer die Unterhaltung.

Was schreibst du lieber: Romane oder Kurzgeschichten?
Aus heutiger Sicht definitiv Kurzgeschichten, denn ich brauch nachts mittlerweile mehr Schlaf … Doch im Ernst: Kurzgeschichten geben mir die Möglichkeit, innerhalb weniger Monate verschiedene neue Welten und Plots auszuprobieren. Ob die Geschichten dann genommen werden oder nicht, ist für mich erst mal zweitrangig. Klappt eine Story nicht, lege ich sie auf Eis und arbeite an der nächsten. In meinem Ideenkasten liegen noch zahlreiche bekritzelte Blätter, die um Beachtung winseln.

Mit wem würdest du einmal gerne zusammenarbeiten?
Kommt darauf an. Gemeinsam eine Geschichte zu schreiben, ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Wäre aber gewiss ein interessantes Experiment. Dafür müsste man sich gegenseitig ein bisschen besser kennen und wissen, wie die oder der andere tickt, damit was Gutes bei rauskommt. Namen hätte ich sogar im Kopf, aber die behalte ich lieber für mich.

Wenn es um Lektorat und Redaktion geht, mache ich seit letztem Sommer interessante Erfahrungen mit dem Magazin ›Exodus‹. 
Zunächst bin ich in die Schlussredaktion eingestiegen. Für die kommende Ausgabe bin ich dann zusätzlich von René Moreau als Lektor angefragt worden. Es ist spannend, mit den drei Herausgebern und den verschiedenen Autorinnen und Autoren zusammenzuarbeiten. Gerade dann, wenn ich bei Texten stärkeren Nachholbedarf sehe. Der Austausch zu den Storys ist jedenfalls
immer sehr angenehm und führt definitiv zu besseren Endergebnissen.

Dystopie oder Utopie: Wie siehst du Zukunft der Science Fiction?
Ob nun in Form von Dystopien oder Utopien – das Genre fristet in Deutschland eher ein Nischendasein. Der Markt ist klein; die Deutschen stehen eher auf Krimis. Interpretiere ich deine Frage hingegen danach, ob die Science-Fiction in Deutschland eher eine dystopische oder utopische Zukunftsperspektive hat, würde ich mich auf die Seite der Utopisten schlagen. Ich sprach vorhin von der Relevanz, die SF für uns als Gesellschaft haben kann, wenn sie als hochgerechnetes Abbild unserer Zeit in der Zukunft fungiert. Kreative Köpfe wie Aiki Mira mit »Neongrau« und »Neurobiest« oder Theresa Hannig mit »Pantopia« liefern dafür allerbeste Beispiele.

Die deutsche Science-Fiction sollte sich nach außen viel mehr Gehör verschaffen. In Think Tanks in den USA oder China, die sich der wissenschaftlichen Erforschung der Zukunft widmen, sitzen regelmäßig Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren mit am Tisch. Das passiert hierzulande noch zu wenig.
Ein ungewöhnliches Projekt, das in die gleiche Richtung geht und zu dem ich mich mit einer Story einbringen konnte, hat das NATO Defense College in Rom ins Leben gerufen. Das Ergebnis wird eine Graphic Novel sein, die im Juli zum 75. Geburtstag der Allianz erscheinen und die mögliche Entwicklung der Weltlage bis 2099 aufzeigen soll. Jeder Teilnehmende durfte in einer eigenen Shortstory völlig frei darstellen, was er oder sie sich vorstellt. – Auf das Gesamtergebnis im Comic-Format bin ich wahnsinnig gespannt.


Nachdem ihr wisst, was Dieter schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
dieterkorger.de/autor
www.instagram.com/dieterkorger25/

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Montag, 22. April 2024

F. Scott Fitzgerald "Die Straße der Pfirsiche"

Wenn man sich mit klassischer Literatur beschäftigt, kommt man an Fitzgerald und somit zwangsläufig auch an seiner Frau nicht vorbei.
"Die Straße der Pfirsiche" erzählt die reale Fahrt der beiden zu ihren Eltern, um zum Frühstück Pfirsiche essen zu können. Im Nachgang wird die Realität mit der Fiktion verglichen, doch zum großen Teil stimmen beide miteinander überein. 
So mag es seltsam anmuten, dass ein "Roadmovie" als Buch erschien, doch trotz allem, hat es das Buch zu einer gewissen Popularität geschafft. Hotel an Hotel, Motorschaden an zerstörten Reifen, vieles passiert auf der Fahrt nach Alabama und auch schon hier wird offensichtlich, wie sich die Beziehung der beiden entwickeln wird. 
Sollte man nicht um die Ehe der beiden wissen, sollte man sich zuvor kurz informieren, da dies im Buch erst nach dem eigentlich Text stattfindet und für den unwissenden Leser zu merklichen Irritationen führt. Die Geschichte der Fahrt hat natürlich einen wiederholenden Charakter und auch die Beschreibung der beiden wird mit zunehmender Textlänge anstrengend. Vieles missfällt ihnen und Contenance ist für die beiden ein Fremdwort. Wenn man um die beiden weiß, ahnt man worauf es hinausläuft, doch trotzdem ist man über Bissigkeit auch gerade zu Anfang ihrer Ehe sehr erstaunt. 

3 von 5 Rostlauben

Sonntag, 21. April 2024

Dan Adams "Manhattan 2060" Part 3

Der dritte Teil bildet auf so viele verschiedene Arten ein Ende, man mag es gar nicht alles aufzählen. Nachdem Captain Kirkland offiziell nicht mehr in die aktuellen Fälle involviert ist, stellt er für seine Gegner jedoch keine geringere Bedrohung dar. Um das D.S.O. in wahrsten Sinne des Wortes aus der Schusslinie zu halten, versucht er es auf seine eigene Art ...
Während die anderen des D.S.O. allmählich begreifen, wie weite Kreise die Verschwörung zieht, agieren sie immer vorsichtiger. Ein gegnerischer Gefangener wird zur Schlüsselfigur des letzten großen Angriffs, mit dem die Gerechtigkeit wieder hergestellt werden soll.
Am Ende müssen alle Fäden zusammengeführt werden und über das Schicksal eins jeden Charakters entschieden werden. In Manhattan 2060 scheint dies oftmals eine schwere Entscheidung, denn viele übertreten die Grenzen ihres jeweiligen Bereiches. Doch Dan Adams schafft es im letzten Band, eine schlüssige und leserfreundliche Lösung zu ersinnen.
Der letzte Band hebt sich gerade durch seinen hohen KI-Anteil hervor und verändert durch auch das Setting der Geschichte maßgeblich. Während andere Passagen des Buches sehr durch militärische Aktionen geprägt sind, bildet dies eine Balance. 
Eine sehr gute Serie, die zeigt, welche Gefahren, aber auch Chancen, die Zukunft nicht nur für Manhattan bietet. Wollen wir hoffen, dass es in Zukunft mehr Menschen vom Schlage des D.S.O. gibt, die die Menschen vor dem Bösen und manchmal auch vor sich selbst beschützen.

4 von 5 Cops

Donnerstag, 18. April 2024

Autoreninterview Manuel O. Bendrin Literaturinterview

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn ihr eine Romanfigur zu ihren Handlungsweisen befragen könntet? Wenn ihr sie fragen könntet, warum sie etwas in einer Geschichte tut und warum sie sich so verhält, wie sie es tut? 

Also, seid ihr bereit ein Interview zu lesen, was Realität und Fantasie vermischt?

Es gibt sich die Ehre: Seìka.


(Foto: Manuel O. Bendrin, Grafik: Maximilian Wust)

Seìka, du bist in "Legende eines Helden" eine der Hauptfiguren. Erzähl doch ein bisschen von der Geschichte.
Oh, was gibt es da viel zu erzählen? Eine Rebellion aus Verzweiflung trieb mein Volk zu einer unbedachten Tat, die Krieg über das Reich der Menschen brachte. Es war selbstverständlich meine Pflicht, dieses Unrecht wieder gut zu machen. Dabei traf ich auf Īsarnaro, der genauso wie ich an einer Lösung mit möglichst wenigen Opfern auf allen Seiten interessiert war. Ich durfte ihn in dieser Geschichte begleiten, wie er nicht nur das eigene Volk in eine hoffentlich bessere Zukunft führte. Mein Part war nur marginal.

Siehst du dich als Protagonist oder Antagonist?
Weder noch. Dies ist nicht meine Legende oder seht ihr mich etwa als einen Helden?

Warum hast du Īsarnaro als deinen Begleiter auserwählt?
Begleiter? Das ist eine nette Ausdrucksweise für den Haftmeister, ganz ehrlich. Wir trafen durch Zufall aufeinander und so wurde ich Teil seiner Geschichte.

Woher nimmst du die Berechtigung für deine Handlungen?
Welche Handlungen? Sind Dinge wie atmen, essen – also leben, nicht in sich selbst berechtigt? Brauche ich dafür eine Rechtfertigung? Brauche ich eine Rechtfertigung, wenn ich spreche oder gehe? Brauche ich eine Rechtfertigung, wenn ich Freunde finde, scherze, mich freue oder trauere? Das klingt so, als täte ich mit jeder einzelner meiner Handlungen etwas Unrechtes, weil ich mich berechtigen muss. Ist leben und überleben etwa Unrecht?

Bereust du etwas? 
Ich bereue vieles in meinem Leben. Zu viel. Vielleicht aber auch nicht genug. Nur ein Tier kann sein ganzes Leben ohne Reue leben, denn nur ein Tier erkennt seine Fehler nicht.

Oder ich frage einmal anders, wie weit würdest du für dein Ziel gehen? Würdest du über Leichen gehen?

Tun wir das nicht alle jeden Tag aufs Neue? Wir töten, um zu leben. Nur so kann Leben sich erhalten.

Die gesamte Welt ist auf Leichen vergangener Generationen aufgebaut. Ganze Völker wurden ausgelöscht, um als Fundament einer neuer Zivilisation zu dienen. Es gibt immer zwei Gesinnungen, die gegeneinander kämpfen: erneuern oder erhalten. Damit man etwas erneuer kann, muss man zuerst das Alte vernichten – und leider auch jene, die es um jeden Preis schützen wollen. So wie diese die Erneuerer vernichten müssen, wenn sie das Bestehende erhalten wollen. Die größere Macht wird sich durchsetzen und die schwächere wird ausgelöscht. Ich glaube, ihr nennt dies Evolution.

Ist deine Geschichte mit diesem Band zu Ende erzählt?
Wurde denn meine Geschichte in diesem Buch erzählt? Soweit ich mich entsinne, ist jenes die Geschichte eines anderen. Meine Geschichte wurde nie begonnen zu erzählen, wie kann sie dann enden?

 

Ihr wollt mehr erfahren? Dann schaut hier vorbei:

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In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Sonntag, 14. April 2024

David Gray "Sherlock Holmes - Der Geist des Architekten"

Nachdem Watson die Baker Street 221B verlassen hat, kommt er lediglich zu Besuch, um mit Holmes neue Fälle zu klären. Ein Bekannter Mycrofts benötigt die Hilfe der beiden Ermittler, da sich in seinem neugebauten Haus ein Geist eingenistet hat. Selbstverständlich ist Holmes von Anfang an der Meinung, dass es Geister nicht gibt, dafür ist sein Verstand viel zu rational. Doch das Thema reizt ihn und so findet sich neben den beiden Ermittlern auch Inspector Lestrade ein, um den Verbrecher dingfest zu machen. Oder?
Ein neuer Holmes - ganz nach meinem Geschmack. 
Bei Holmes ist es für den Autor immer schwierig, mich zu begeistern. Zu nah am Original und ich halte die Texte für besseren Abklatsch, zu weit entfernt und ich denke, warum nennt man die Geschichte überhaupt Sherlock Holmes.
David Gray hat den Spagat für mich sehr gut geschafft. Mit dem Auftakt seiner Trilogie holt er alle wesentlichen Figuren aus den originalen Geschichten mit auf die Bühne und gibt ihnen eine jeweils eigene Nuance. Es handelt sich jeweils nur um ein kleines Detail, doch so baut er sich sein eigenes kleines Holmes Universum. Kleine versteckte Anekdoten und auch Plätze versetzen den Leser in nostalgische Stimmung, während die Geschichte neue Aspekte aus dem Charakter Sherlock Holmes lockt.
Die Illustrationen untermalen den eigenen Stil der Trilogie und es macht Spaß in die Baker Street zurückzukehren.

5 von 5 Consulting detectives

Samstag, 13. April 2024

Nadine Buch "Gruselstunde: Der vergessene Ort"

Still ruht der See; was bei anderen Geschichten heimelig wirkt, ist bei dieser Geschichte nur der Anfang von etwas Unerklärlichem. Als Jule mit ihren Freundinnen an einem warmen Sommertag zum See geht, scheint alles in friedlicher Stille zu liegen. Bis ... Jule anfängt Fotos von sich für ihren Schwarm zu machen. Auf den Bilder sieht sie einen Schatten, der dort nicht sein dürfte. Unwesentlich später entdecken die drei Freundinnen im Wald ein altes Haus, in dem seltsame Dinge geschehen ...
In ihrer ersten "Gruselstunde" führt die Autorin Leser ab 12 Jahren in eine düstere Geschichte, in der es um Rache und nicht gewährte Vergebung handelt.
Parallel skizziert sie den Schulalltag der drei Mädchen, der im Vergleich zu dem Geheimnis wie ein Spaziergang wirkt. 
Die Emotionen, und somit auch das Gruseln, halten sich die Waage und man kann entspannt mit den drei Freundinnen mitfiebern, wenn es um die Lösung des Rätsels geht.
Eine unterhaltsame Gruselgeschichte mit leicht mystischen und schaurigen Zeilen weckt die Neugier und man fliegt nur so durch die Seiten. Wer sich nicht zu viel gruseln möchte, sollte das Buch lieber bei Tageslicht lesen. 😊

4 von 5 Gruselstunden

Donnerstag, 11. April 2024

Autoreninterview Gernot Schatzdorfer

Hallo zusammen.

Heute geht es mit dem Autor Gernot Schatzdorfer weiter:

(Foto: Gernot Schatzdorfer (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Das war im Jahr 2008. Einem Mitmenschen, der mich gut kennt, sind zwei Besonderheiten an mir aufgefallen: Zum einen neige ich zu Rückzug und Alleinsein, zum anderen kann ich sprachlich gut formulieren und auch schwierige Sachverhalte präzise auf den Punkt bringen. So riet er mir zur Schriftstellerei, wo ich beide Eigenheiten verbinden und als Ressourcen zu nutzen kann.

Das erste Buch, was ich von dir lesen durfte, war "Der Lindwurmplanet". Jetzt ist frisch "Insektoid" herausgekommen.
Wie wählst du die Form deiner Außerirdischen?
Eine Inspirationsquelle sind Mythen, Märchen und Sagen. Für den „Lindwurmplaneten“ überlegte ich zum Beispiel, wie man Drachen oder Lindwürmer in einen Science-Fiction-Kontext stellen könnte. Solche archetypischen Figuren sind seit jeher fähig, unsere Emotionen und unser Unbewusstes anzusprechen.
In „Insektoid“ orientierte ich mich an der irdischen Biologie, konkret an Aussehen und Eigenschaften von Insekten. Mir ging es dabei auch darum, mir vorzustellen, wie völlig andersartiger Wesen die Welt und die Menschen wahrnehmen. Durch Facettenaugen sieht die Welt gleich ganz anders aus.
Eines sind meine Außerirdischen bestimmt nicht, nämlich menschenähnlich. Das hat zwar eine lange und in den Lesegewohnheiten auch gut etablierte Tradition in der klassischen Space Opera (Star Trek usw.), ist aber nicht mein Zugang.
 
Du bist bereits der zweite Physiker, den ich interviewen darf. Empfindest du es so, dass die Jobwahl auch mit einem spezifischen Literaturgeschmack einhergeht?
In meiner Berufsrealität bin ich gar kein Physiker, lediglich von der Ausbildung her, denn ich habe ein Lehramtsstudium für Mathematik und Physik abgeschlossen. Seither arbeite ich als Lehrer, wobei ich in den letzten Jahren gar nicht Physik unterrichtet habe, sondern nur Mathematik und Informatik.
Ich war aber schon in meiner eigenen Schulzeit sehr stark naturwissenschaftlich interessiert und habe damals auch mit dem Lesen von Science Fiction begonnen. Mein Interesse für dieses Genre speiste sich aus meiner Orientierung an Naturwissenschaft und Technik. Das ist bis heute so geblieben, aber inzwischen lege ich das Augenmerk beim Lesen wie auch beim Schreiben stärker auf das Menschliche und Zwischenmenschliche.
 
Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?
Am Anfang stehen Ideen. Wann immer mir etwas einfällt, schreibe ich es auf. Beispielsweise habe ich vor einiger Zeit einen Bericht über Hinweise auf einen Planeten gelesen, der zur Gänze aus Diamant besteht. Es kann aber auch ein zwischenmenschliches Motiv sein, das ich unter mir nahestehenden Menschen beobachte, etwa zwei Brüder, deren Brüderlichkeit in einer Extremsituation auf die Probe gestellt wird.
Gedankensplitter dieser Art habe ich zu einer inzwischen recht ansehnlichen Sammlung zusammengetragen, die ich laufend ergänze und immer wieder durchlese. Manchmal bleibe ich an einer Idee hängen und greife sie heraus, um eine Story daraus zu bauen. Bei einem längeren Text können auch mehrere Einträge einfließen, weitere kommen dann beim Konzepterstellen ohnehin von selbst dazu. Auch die thematische Vorgabe in einer Anthologie-Ausschreibung kann Ausgangspunkt einer Idee sein.
Dann überlege ich mir ein Rohkonzept für den Text. Dazu gehören die Personen (Hauptperson, Nebenrollen, Gegenspieler), das Setting bzw. der Weltenwurf und die Dramaturgie (Handlungsplot, Spannungsaufbau, Erzählperspektiven). Das alles halte ich auch schriftlich fest.
Das fertige Konzept gehe ich mehrmals durch und versuche es zu verbessern, zum Beispiel, indem ich Inkonsequenzen in der Handlung oder in der Charakterisierung von Personen korrigiere und weiter ins Detail gehe, etwa beim Einbau von Cliffhangern oder der Positionierung entscheidender Höhe- und Wendepunkte.
Bei längeren Texten schreibe ich als nächsten Schritt noch eine Kapitel- oder Szenenübersicht, in der jede Szene mit Ort, Zeit, Perspektive und Handlung beschrieben wird, fast so wie die Kurzfassung eines Filmdrehbuchs. Gelegentlich, wenn mehrere Handlungsstränge parallel laufen, schreibe ich auch einen zeitlichen Ablaufplan.
Im Zuge dieser Vorarbeiten können durchaus auch Wochen oder Monate vergehen.
Dann erst geht es ans Schreiben des eigentlichen Textes. Wenn die Erstfassung fertig ist, optimiere den Text noch in meistens in zehn bis zwanzig Überarbeitungsschritten. Diese Phase benötigt den größen Teil der Entstehungszeit eines Werkes.
Das Ergebnis schicke ich noch meistens an mehrere Testleserinnen und Testleser. Wenn ich deren Rückmeldungen eingearbeitet habe, ist der Text reif für das Einreichen bei einem Verlag.
Dazu gehört bei längeren Texten noch ein Exposé. Das ist aber schnell gemacht, weil mein Konzept ja schon schriftlich vorliegt.

Gibt es einen Text, den du heute anders schreiben würdest?
Ich würde heute alle meine Texte anders schreiben. Schließlich lerne ich mit jedem neuen Text dazu und sehe bei meinen älteren Werken immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten. Trotzdem lese ich auch meine alten Texte auch jetzt noch immer wieder mit viel Freude.
Ältere Texte, die ich nach längerer Zeit erstmals oder erneut veröffentliche, überarbeite ich normalerweise noch einige Male, um meinen jetzigen Erfahrungsstand einzubringen. Am Kern ändere ich nichts, es geht eher um handwerkliche Details.
 
Liest du neben deiner eigenen Schriftstellerei auch aktuelle Science Fiction von anderen Autoren? Oder liest du privat bewusst andere Genres?
Ich lese praktisch immer irgendetwas, und zwar überwiegend Science Fiction. Dabei lese ich nicht bewusst andere Genres, sondern immer dann, wenn mir etwas Interessantes unterkommt. Aber auch in anderen Genres oder im literarischen Mainstream zieht es mich häufig zu Romanen mit phantastischen Elementen.
 
Was bedeutet Science Fiction für dich?
Science Fiction bietet die Möglichkeit, die Frage „Was wäre, wenn?“ auf kreative Weise zu stellen und zu beantworten. So kann ich meine Faszination für die Ästhetik exakter, logischer Wissenschaft mit meinem Hang zum Träumen verbinden. Ich kann die ganze Bandbreite vom sachlichen Berichten über Spekulation bis hin zum fröhlichen Drauflosfabulieren abdecken und dem Zugang über den Verstand all das hinzufügen, was vom Herzen kommt: Menschlichkeit, Einfühlungsvermögen, Freundschaft und Liebe, aber auch Zorn, Hass und Rachedurst. Dazu kommen zeitlose gesellschaftliche Themen wie Toleranz und Umgang mit dem Fremden, Demokratie und Tyrannei, Freiheit und Sklaverei, Kriminalität und der Umgang damit, und vieles mehr.
Science Fiction ist also keine Flucht vor den menschlich wichtigen Dingen, sondern kann sie in phantasievoller Form auf den Punkt bringen.

Nachdem ihr wisst, was Gernot schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
schatzdorfer-graz.at/gernot
facebook.com/Gernot.Schatzdorfer/

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 10. April 2024

Nicholas Blake "Mord auf der Kreuzfahrt"

Als Detektiv immer wieder in Mordfälle zu stolpern, scheint eine besondere Eigenschaft von Nigel Strangeways zu sein. Nachdem er seiner Freundin versprochen hat, mir ihr ein paar Tage auf einem Kreuzfahrtschiff durch die griechische Ägäis zu schippern, kommt alles anders, als die beiden anfangs denken. Einige griechische Inseln sind bereits besichtigt, als es zu zwei Morden kommt und sich die Frage stellt: Wem kann man auf dem Schiff noch trauen?
Wieder einmal schafft es der Autor ein nahezu perfektes Locked-room-mystery zu schreiben. Doch dieses Mal habe ich den Fall vor Ende des Buches gelöst, aber der Reihe nach.
Nicholas Blake schafft es in seiner Reihe um den Scotland Yard Ermittler immer wieder den Leser zu überraschen. Meist trifft der Tod Nigel Strangeways im Feierabend oder gar im Urlaub, was einem als Leser schon ein bisschen Mitleid empfinden lässt, da der Ermittler nie zur Ruhe zu kommen scheint. Doch er ist bei jedem Fall mit Leib und Seele dabei und verblüfft die Leser mit seinen Schlussfolgerungen und der Tatsache, dass er nahezu jedes Details mitbekommt. Dabei ist er als Charakter äußerst charmant, da er nicht die Arroganz eines Sherlock Holmes oder eines Hercule Poirot besitzt. 
Parallelen oder zumindest Ähnlichkeiten zu Fällen von Agatha Christie wirken dabei nicht wie ein Abklatsch, sondern lösen beim Lesen eine gewisse Heimeligkeit aus, da man weiß, das Böse wird am Ende immer bestraft. 
Wer es allerdings bei Krimis etwas deftiger mag, wird an den Geschichten keine Freude haben. Da es sich um Kriminalromane handelt, kommt die Handlung nur sehr gemächlich in Gang und man lernt erst viel über die Figuren, bevor "etwas" passiert.
Ich persönlich liebe diesen Erzählstil, aber das ist bekanntlich eine Geschmackssache.

5 von 5 Kreuzfahrtschiffen

Dienstag, 9. April 2024

Dieter Rieken "Zweimal langsamer wie du"

Die Zukunft ist düster. Dieses Bild wird öfters vermittelt, wenn man Science Fiction liest. Klimaerwärmung, das Verlassen der Erde und andere mehr oder wenige realistische Ideen setzen Autoren in ihren Texten um.
In seinem Sammelband "Zweimal langsamer wie du" greift sich Dieter Rieken drei Themen für seine Geschichten heraus.

Die Titelgeschichte wird von den Auswirkungen des Klimawandels dominiert. Dabei sind es nicht nur die Handlungen der Personen, die bedrückend wirken, sondern gerade ihre Gedanken und ihre Träume zeichnen ein wesentlich klareres Bild, was neben der planetaren Auswirkungen auf die Menschheit in Zukunft wartet.

"Jonas und der Held Terranovas" zeigt schon mit der Namensgebung, an welche Geschichte diese Erzählung anknüpft. Die Menschheit hat die Erde verlassen und lebt auf Terranova; ein Ort, der ein Neubeginn sein sollte, der aber trotzdem von Vorurteilen der alten Welt durchzogen ist.

"Die Schneekönigin" zeigt auf, was passiert, wenn nicht die Hitze die Erde dominiert, sondern ein Kälteeinbruch vorherrscht. Wer gegen wen? Und vor allem zu welchem Preis?

Im Nachwort erläutert der Autor, dass er alle Geschichten für diesen Sammelband überarbeitet und ergänzt hat. Es ist interessant zu verfahren, welchen Wandel Geschichten durchleben können, bevor sie als Buch erscheinen. 

Geschichten über die Zukunft sollen, finde ich, noch mehr zum Nachdenken anregen, als es bereits andere Texte tun. Gerade deswegen wirken Science Fiction Texte oftmals unbequem. Sie legen den Finger in die sprichwörtliche Wunde und zeigen uns unsere Verfehlungen der Vergangenheit und der Gegenwart auf, um die Zukunft besser oder zumindest durchdachter anzugehen. Alle drei Geschichten haben einen unterschiedlichen Ansatz und doch ist es in meinen Augen gerade das Psychologische, das die drei Geschichten miteinander verbindet. Vielmehr als in anderen Geschichten, die ich bisher gelesen habe, geht es auch darum, was der Klimawandel o.Ä. mit uns als Menschen macht. Wo ziehen wir persönlich Grenzen, welche Hindernisse überwinden wir und welche Opfer müssen wir bringen, um ein Ziel zu erreichen. Es stellt sich auch die Frage, ob jedes Ziel erstrebenswert ist.

4 von 5 Erzählungen

Rezensionsexemplar von pmachinery.de

Donnerstag, 4. April 2024

Autoreninterview spezial Timo Kümmel

Hallo zusammen.

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass hinter dem Buch nicht nur ein Autor sondern auch ein Illustrator steht? Daher habe ich dieses Mal einen Illustrator gebeten, mir ein paar Fragen zu beantworten:

(Foto: Timo Kümmel (privat), Grafik: Maximilian Wust) 

Wie bist du zu den Illustrationen oder überhaupt zum Zeichnen gekommen?
Eine kreative Veranlagung und die Sehnsucht nach anderen Welten ist wohl schon immer Teil meiner DNA gewesen, egal ob es nun ums Zeichnen, Schreiben oder plastische Gestalten ging. Schon im Kindergarten habe ich mit Stecksystemen lebensgroße Roboter gebaut, die ich auf Rollen begeistert durch die Gänge geschoben und mir epische Geschichten dazu zusammenphantasiert habe. Mühten sich die anderen bei kreativen Schreibaufgaben in der Grundschule mit ein, zwei Seiten ab, salbaderte ich mir heißblütig 12-16 aus dem Oberstübchen und fand kein Ende.
Auch gehöre ich noch zu der Generation, die zumindest die ersten zehn Jahre weitestgehend ohne moderne Technik aufgewachsen ist, und eben gemalt, gebastelt und sich ständig irgendetwas ausgedacht hat, anstatt sich von einem flimmernden Display berieseln zu lassen.
Als Teenager stieß ich durch Perry Rhodan aufs Fandom und veröffentlichte bald erste Kurzgeschichten und Illustrationen in kleinauflagigen Fanzines, die damals noch recht stümperhaft aber mit viel Liebe in Copy-Shops zusammengetackert wurden.
Parallel dazu legte ich die Gleise für meinen kreativen Weg, absolvierte die Fachoberschule Gestaltung, schloss eine schulische Ausbildung zum Holzbildhauergesellen ab und studierte schließlich Freie Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.
Aus unterschiedlichen Gründen brach ich mein Studium nach vier Semestern ab und machte mich kurz darauf als Illustrator selbstständig. Erste bezahlte Aufträge hatte ich schon während meiner Zeit in Karlsruhe, bis ich wirklich davon leben konnte, sollten aber noch etliche Jahre und unzählige Nebenjobs ins Land ziehen. Und selbst heute ist das Leben als freiberuflicher Künstler ein ewiger Spießrutenlauf am Rande des Existenzminimums – und angesichts der alles platt walzenden und tödlich parasitären KI-Seuche unter einem Goliat-Damoklesschwert, das mich jeden Moment filetieren könnte ... aber lass uns keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, davon haben wir dieser Tage schon genug.

Unter Buchliebhaber gibt es die Redensart "Ich habe es nur wegen des Covers gekauft". Wie schätzt du es als Illustrator ein: Wie wichtig ist ein ausdrucksstarkes Cover?
Wenn keine treue Stammleserschaft bereit steht und den Titel hochhebt, ist es absolut elementar. Es ist die offene oder geschlossene Tür. Entweder springt der Funken durchs Cover über und man generiert den Moment an Aufmerksamkeit, um im Anschluss mit einem Versprechen von Inhalt, also dem Klappentext, überzeugen zu können, oder man wird die Menschen nur sehr viel später und mühsam durch Rezensionen, Mundpropaganda und Werbung erreichen können.

Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich stehe meist zwischen 5 - 8 Uhr auf, und setze mich dann sofort mit einer Kanne schwarzen Tees vor den Rechner. Idealerweise, um die Arbeit am aktuellen Bild fortzusetzen, aber je nachdem natürlich auch, um wichtigen Papierkram, die Korrespondenz oder Gestaltungszuarbeiten für diverse Kleinverlage und Selfpublisher zu erledigen. Oder, wie eben jetzt, auch mal um 2 Uhr morgens, um ein Interview zu beantworten, weil ich nicht schlafen kann, was bei mir alle vier, fünf Tage vorkommt.
In meiner „Freizeit“ lese ich dann noch die ganzen Manuskripte und kümmere mich um die Meldungen in den sozialen Kanälen und auf meiner Page. Wenn ich unterwegs bin, habe ich meist meine Kamera dabei, um Motive und Strukturen zu sammeln, die ich vielleicht verwenden könnte.
In dem Sinne gibt es für mich weder Wochenenden noch Urlaub (wofür ich sowieso kein Geld hätte). Ich arbeite, wann es passt und möglich ist, bin dafür aber auch nicht an Werktage oder Uhrzeiten gebunden, wenn etwas anderes ansteht oder es halt gerade mal nicht läuft.

Wonach suchst du dir die Projekte aus, an denen du arbeitest?​
In der Regel lehne ich nur sehr wenig ab, und das meist aus Zeitmangel oder weil wir nicht beim Honorar zusammen finden. Bei manchen passt der Inhalt aber auch einfach nicht zu mir, oder die Bildwünsche überhaupt nicht zu meiner Arbeitsweise und Motivsprache. Da versuche ich dann auf passende Kolleg:innen zu verweisen.

Wie ich auf deiner Homepage gesehen habe, hast du bereits mehrere Preise erhalten. Gibt es noch eine Auszeichnung, die du gerne erhalten würdest?
Mhm, die Preise für phantastische Kunst sind dünn gesät. Nachdem der Deutsche Phantastik Preis nun schon seit mehreren Jahren pausiert, gibt es da in meiner Wahrnehmung eigentlich nur noch den Kurd-Laßwitz-Preis und den Vincent-Preis. Für alle drei bin ich oft nominiert worden, die letzten beiden habe ich schon gewonnen, beim DPP bin ich zweimal auf dem zweiten Platz gelandet. Wobei sich das natürlich nicht abnutzt und ich mich immer wieder absolut geehrt fühle und riesig darüber freue, auch nur nominiert zu werden.
Aber unter dem Gesichtspunkt wäre es eine schöne Überraschung, wenn man mal jenseits des Genre-Fandoms wahrgenommen und eine Gestaltung einfach ob ihrer Wirkung und Ästhetik ausgezeichnet werden würde. Aber welche Preise es da gibt, wüsste ich überhaupt nicht zu sagen ... bzw. fällt mir nur der Deutsche Jugendliteraturpreis ein. Den zu gewinnen, wäre tatsächlich ein absoluter Meilenstein. Für die Bronzeplastik von Momo würde ich mir als beseelter Bewunderer von Michael Endes Werk einen kleinen Schrein bauen. Schau an, da haben wir die Antwort, haha.

Hast du eine eigene Lieblingsillustration?
Es gibt immer mal wieder Bilder, die mir mehr bedeuten und auf die ich wirklich stolz bin. Ganz sicher zählt dazu das Cover meines Bildbandes VORSEHUNG – auch, weil es eben ein ganz eigenes Bild ist, keine Illustration zu Gedanken anderer. Dazu komme ich leider nur noch sehr, sehr selten, weil sich die Aufträge die Klinke in die Hand geben und die Miete bezahlt werden will. Daneben bin ich zuletzt sehr glücklich über mein Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT gewesen und mag fast alle meine Karten und insbesondere auch die Arbeit an diesen, weil ich da noch viel ursprünglicher und zeichnend herangehe. Als Beispiele seien hier meine aktuellste Karte für den Roman FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE Teil 1 von Bernhard Trecksel und das Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU ins Feld geführt.

Ich bedanke mich für das nette Interview, die spannenden Fragen und die Bühne, mich und meine Arbeit zeigen zu dürfen!


Timo Kümmel:

https://timokuemmel.wordpress.com/

https://www.facebook.com/timo.kummel

https://www.instagram.com/timokuemmel/

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Bildnachweise:

Cover zu Michael Siefeners DER TEUFELSPAKT, Atlantis Verlag (https://amzn.to/4bNOWzb)



Cover und Panoramabild zu Timo Kümmels VORSEHUNG, Atlantis Verlag (https://timokuemmel.wordpress.com/vorsehung-ein-bildband/)



Vorsatzblatt zu Davide Morosinottos SHI YU, Thienemann Verlag (https://amzn.to/48uzTaE)



Karte zu Bernhard Trecksels FLAMMENLIED – DIE VIER KÖNIGE 1, Piper Verlag (https://amzn.to/42QSMTW)​




In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Montag, 1. April 2024

Dan Adams "Manhattan 2060" Part 2

Probleme über Probleme häufen sich im zweiten Teil der dritten Staffel von Manhattan. Glaubt man als Leser ein Schauplatz sei für die Vielfältigkeit von Ärgernissen ausreichend, katapultiert Dan Adams ihn in ein weiteres Szenario. Während das D.S.O. mit internen Umstrukturierungen und Intrigen zu kämpfen hat, steht der Drogenkrieg auf den Straßen nicht still, auch wenn er ein wenig in den Hintergrund tritt. 
KI und ein Form des Darknets treten an dessen Stellen und zeigen, dass Menschen meist nicht von ihrer Natur abweichen können, ob sie es nun wollen oder auch nicht.

Wer betrügt wen? Wer kontrolliert wen? Und wer ist überhaupt noch Herr der Lage? 
Diese und ähnliche Fragen springen beim Lesen immer wieder im Kopf herum, denn wie schon in den vorigen Bänden schafft es Dan Adams einen vermeintlichen Ruhebereich in der Geschichte aufzubauen, nur um ihn im nächsten Moment eindrucksvoll zu zerstören.
Ausruhen darf man sich als Leser nicht, denn ansonsten wird man von der Entwicklung der Geschichte überrannt. Kleine, versteckte Hinweise zeigen dem Leser aus wessen Richtung das nächste Unheil droht und so ist man nach knapp 190 Seiten gut gedanklich durchgeschüttelt und zweifelt, ob die Geschichte, und wenn ja für wen, ein gutes Ende nehmen kann.

4 von 5 Cops

Samstag, 30. März 2024

Dhonielle Clayton "Die Marveller"

Ella Durand ist die erste ihrer Familie, die einen Platz im Arkanum der Schule für Marveller erhalten hat. Das Besondere an ihr? Ihre Familie besteht nur aus Fabulierern. Nicht gerade die Feinde der Marveller, aber Begeisterung sieht bekanntlich anders aus. Es kommt, wie es in solchen Fällen kommen muss, die Marveller nutzen jede Gelegenheit Ella zu diskreditieren, auch wenn diese Möglichkeit künstlich herbeigeführt werden muss. Doch parallel geschieht eine viel größere Unordnung in der Welt. Denn das sicherste Gefängnis kann die berühmteste Insassin nicht dauerhaft einsperren.
Soweit zum Inhalt und jetzt die Frage, die sich bei einem Buch über ein Internat und Zauberei immer aufdrängt: Wieviel Ähnlichkeit hat das Buch mit Harry Potter?
Nun ... Der Autorin gelingt es eine eigene Welt mit ihren individuellen Protagonisten zu schaffen und aktuelle Probleme (die sich seit dem Erscheinen von Harry Potter ein wenig verändert haben) mit in ihre Geschichte einzubinden. Doch mehrere augenscheinliche Ähnlichkeiten lassen sind nicht von der Hand weisen. Drei Kinder, ein Bösewicht, mehrere böse Kinder, Vorurteile gegenüber "anderen", um nur einige Parallelen zu erwähnen.
Doch mit ihrer Sternenpost und Zeitungsberichten zeigt die Autorin, wie man mit Kreativität ein ähnliches Setting, auch mit eigenen Ideen würzen kann. 
Als Auftakt einer Serie angelegt, zeigt es, mit welchen Schwierigkeiten sich Ella und ihre Freunde in Zukunft herumschlagen müssen und gleichzeitig ist die Bühne bereitet, auf der sich weitere Abenteuer ereignen werden.
Doch ohne mich. Mir hat ein Buch aus dieser Welt gereicht.

3,5 von 5 Fabulierern

Donnerstag, 28. März 2024

Autoreninterview Nele Sickel

Hallo zusammen.

Heute stellt Nele Sickel sich und ihre neueste Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" vor:

(Foto: Nele Sickel (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe schon seit meiner Kindheit, so wie die meisten Autoren. Tatsächlich wollte ich schon in der Grundschule Schriftstellerin werden. Das habe ich mir damals sicherlich etwas glamouröser vorgestellt, aber ich bin heute sehr zufrieden.

Mir bist du hauptsächlich als Kurzgeschichtenautorin bekannt. Für "Blutspuren im Hyperraum" hast eine Novelle verfasst. Hattest du wegen der Länge des Textes eine andere Arbeitsweise als sonst?
Gelegentlich schreibe ich auch Romane, aber mit Kurzgeschichten habe ich inzwischen besonders viel Übung und ein echt praktisches Talent entwickelt: Ich habe ein gutes Gespür, wie sich meine Ideen in Wortzahlen umsetzen lassen, und kann deshalb einen Text von vorn herein ziemlich genau auf die geforderte Länge planen. Daher lief es mit der Novelle auch ziemlich glatt, obwohl ich mit diesem Format vorher noch nichts zu tun hatte. Es gibt natürlich verschiedene Szenen und Handlungsorte und eine ganze Handvoll Figuren. Deshalb habe ich zum Notizbuch gegriffen und einige Gedanken vorher aufgeschrieben und geordnet. So etwas mache ich für Kurzgeschichten in der Regel nicht. Die fließen meist an ein oder zwei Abenden auf das Papier.

Du bist bei der Anthologie "Blutspuren im Hyperraum" auch Herausgeberin. Erzähl doch einmal ein bisschen, was deine Aufgaben als Herausgeberin sind.
Die Herausgeberschaft habe ich im Laufe des Projekts übernommen, weil der liebe Chris Grimm, von dem die Idee zu der Anthologie stammt, die Arbeit daran leider nicht mehr weiterführen konnte. Damit fielen die ersten Aufgaben für mich weg: nämlich ein Konzept zu entwickeln, einen Verlag zu suchen und Autoren einzuladen. Das hat alles Chris gemacht. Ich habe die Texte der anderen Autoren lektoriert, eine Reihenfolge dafür festgelegt und den Klappentext geschrieben. Ich war auch ein bisschen ins Cover-Design und das Layout involviert, was wirklich Spaß macht. Und jetzt, da das Buch erschienen ist, versuche ich natürlich, gemeinsam mit dem Verlag fleißig die Werbetrommel zu rühren.

Noch eine weitere Frage zur Anthologie:
Die Texte spiegeln sehr unterschiedliche Formen der Kriminalliteratur wider. Wie schwer ist dir die Zusammenstellung gefallen?
Bei dieser Anthologie wurden die Autoren speziell angesprochen und eingeladen, mitzumachen. Wir haben einander unsere Grundideen vorgestellt, ehe es ans Schreiben ging, damit nichts allzu Ähnliches herauskommt, aber im Übrigen hatte jeder freie Hand. Dass so unterschiedliche Texte dabei herausgekommen sind, liegt daran, dass wir alle vier ganz andere Themenschwerpunkte und Stile haben. Ich habe also nichts aktiv zusammengestellt, bin allerdings trotzdem sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Was gefällt dir mehr: eine Geschichte zu schreiben oder sie vor Publikum vorzutragen?
Schreiben. Aber es ist ganz ehrlich ein knapper Sieg. Ich liebe es, vor Publikum zu lesen und live miterleben zu können, wie meine Geschichten wirken.

Bei Instagram erzählst du immer mal wieder von deinen Schreibwochenenden. Wie unterscheidet sich das Texte schreiben in der Gruppe von der Arbeit im stillen Kämmerlein?
Tatsächlich schreiben wir selten zusammen. Unsere Gruppe trifft sich einmal im Monat live  – das sind die Wochenenden, an denen ich dann immer die schönen Fotos poste – und an einem anderen Abend online. Bei diesen Gelegenheiten kann jeder, der Lust hat, einen unveröffentlichten Text mitbringen und bekommt dazu intensives Feedback. Wir tauschen unsere Eindrücke über die Szene und die Figuren aus, suchen Logikfehler, machen Stilvorschläge und so weiter. Geschrieben und überarbeitet wird zu Hause. Wir setzen uns allerdings auch manchmal zu Schreibübungen zusammen, in denen wir uns dann gegenseitig Impulse geben. Auch das kann sehr inspirierend sein.

Falls jetzt jemand hellhörig geworden ist: Wir sind die Schreibgruppe WOBBS und treffen uns im Raum Braunschweig/Wolfsburg, haben aber Mitglieder aus allen möglichen Ecken Deutschlands. Und ja, neue Mitglieder sind uns immer gerne willkommen.

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?
Ohhh, das ist eine wirklich schwere Frage. Durch die vielen Anthologien habe ich schon jede Menge tolle Autoren und Verlage kennenlernen dürfen, mit denen ich immer wieder gerne zusammenarbeiten würde. Aber da könnte ich jetzt nicht eine Person vor den anderen hervorheben. Was ich wahnsinnig gerne irgendwann mal angehen würde, ist ein illustriertes Projekt. Also mit einem Illustrator oder einer Illustratorin? Oder vielleicht mit jemandem, der noch mal ein ganz anderes Kunstmedium mitbringt? Das wäre auf jeden Fall spannend. Ich experimentiere doch so gerne.


Nachdem ihr wisst, was Nele schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
www.perpetuum-narrabile.de
www.facebook.com/nelesickelautorin
www.instagram.com/nele_sickel

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Sonntag, 24. März 2024

Alexandra Lavizzari "Frauen in Cornwall"

Cornwall. Mit seinen Höhlen, seine Mythen, seinen Schmugglerringen war und ist es ein Fleckchen Erde, dass immer wieder die Kreativität der Menschen anregt und sie in die Geschichte des Landes oder auch ihre eigenen, erdachten Geschichten eintauchen lässt.
In vier kurzen Portraits bringt uns die Autorin folgende Damen näher:
Daphne du Maurier -Schriftstellerin
Barbara Hepworth - Bildhauerin
Virginia Woolf - Schriftstellerin
Ethel Smyth - Komponistin
Während die beiden Schriftstellerinnen den meisten zumindest dem Namen nach bekannt sein dürften, waren für mich Barbara Hepworth und Ethel Smyth bis zu diesem Buch Unbekannte.
Die Portraits legen den Fokus speziell auf die jeweilige Zeit der Damen in Cornwall und erläutern, wie sich die kornische Lebensart oder gar das Spiel aus Licht und Schatten in die Werke der Damen geschlichen hat. Denn oft sind es eher kleinere Elemente, die das Wesen der Werke beeinflusst haben. Die Sagenwelt und zu dem Zeitpunkt auch noch der Widerstand gegenüber Frauen in der Kunst zeigt sich in alle vier Biografien. Weiterhin wird beleuchtet, welche Hindernisse durch Krieg, Rationierungen und Vorteilen den Frauen in den Weg gelegt wurden und warum zum Beispiel Ethel Smyth erst lange nach ihrem Tod für ihre Stücke berühmt wurde.
Das Buch ist ein kleines Stück Zeitgeschichte, denn die Autorin legt bei ihrem Text wert darauf, auch äußere Umstände, Traditionen und Denkweisen einfließen zu lassen, um somit ein nahezu psychologisches Gesamtbild und die daraus folgende Inspiration der Damen zu porträtieren.

5 von 5 Künstlerinnen

Donnerstag, 21. März 2024

Autoreninterview spezial Udo Klotz

Hallo zusammen.
Heute entführt uns das Interview in die Welt der Literaturpreise. Udo Klotz ist der Treuhänder des Kurd Laßwitz Preises.

(Foto: Kurt Laßwitz (Bild T.H.-Homepage), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du an den Posten des Treuhänders für den Kurd Laßwitz Preis
gekommen?
1990 litt der Kurd Laßwitz Preis darunter, dass der damalige Treuhänder Uwe Luserke zunehmend durch seine Literarische Agentur gefordert war und keine Zeit mehr für die Organisation des KLP hatte. Thomas Tilsner, ein Kleinverleger aus München, der zuvor für seine Zeitschrift »Science Fiction Media« zweimal mit dem Sonderpreis des KLP ausgezeichnet wurde, wollte den Preis erhalten und fragte mich, ob wir die Abstimmenden mit einer Liste der erschienen Romane und Kurzgeschichten bei der Nominierung unterstützen könnten. Ich war damals mit zwei Mitstreitern, Gerd Rottenecker und Harald Junker, Herausgeber des Jahrbuchs Der Golem, das im Thomas Tilsner Verlag erschien und eine Jahresbibliographie zur phantastischen Literatur enthielt. Natürlich haben wir gerne geholfen, denn damals, in der Vor-Internet-Ära, war es nicht so einfach herauszufinden, was wo erschienen war, und wir hatten die Daten durch unsere Bibliographie. Thomas fragte mich dann, da ich auch in München wohne, ob ich als Briefkastenadresse für die Rückläufe, also Nominierungen und Wahlbögen, einspringe, weil er nicht als Verleger den KLP organisieren wollte und damit die Produkte seines Verlages hätte disqualifizieren müssen. Ich habe zugesagt und wurde dann erneut gefragt: »Du bist doch Diplom-Mathematiker, da kannst Du doch problemlos die Auswertung der Wahl machen?« Klar konnte ich. »Du fährst doch zu den »SF-Tagen NRW«, kannst Du da nicht die Wahlergebnisse verkünden?« Auch das habe ich gemacht, und spätestens ab dem Zeitpunkt war ich de facto der neue Treuhänder.
Als ich das realisiert habe, bin ich dann richtig eingestiegen, habe die Kategorien aktualisiert und verstärkt Abstimmungsberechtigte requiriert. Heute stimmen fast fünfmal so viele Personen wie damals ab, es gibt Laudationes, eine Webseite und eine Multimedia-Preisverleihung als großen Programmpunkt auf einem Con.

Als Treuhänder liest du sicherlich viele Texte. Auf wie viele kommst du im Jahr und welche Trends und Strömungen machst du aus?
Pro Jahr erscheinen grob geschätzt etwa 200 deutschsprachige SF-Romane in Verlagen, dazu über 1000 im Selfpublishing, weitere 150-200 übersetzte SF-Romane und rund 500 Kurzgeschichten, leider fast keine übersetzten. Davon werden etwa 50-60 deutschsprachige Romane, 30-40 übersetzte Romane und 60-70 Kurzgeschichten für den KLP nominiert und bilden die Longlist. Da ich als Treuhänder nicht nur abkläre, ob es sich bei den Werken um Erstveröffentlichungen handelt, sondern auch, ob sie definitiv zur SF zählen, versuche ich, in alle Nominierungsvorschläge zumindest hineinzulesen. Die meisten lese ich aber komplett. Da ich nicht darauf warten kann, was am Jahresende wohl nominiert werden wird, und weil ich mir auch rechtzeitig einen Überblick verschaffen will, lese ich so ab April oder Mai schon vieles, was wie ein vielversprechender Kandidat für den KLP aussieht, und komme so auf etwa 70-80 komplett gelesene Romane pro Jahr, etwa 40 angelesene sowie 110-130 Kurzgeschichten. Plus ein paar Werke, die mich sonst so interessieren, Sachbücher, etwas Fantasy, oder zur Recherche für Artikel in der »!Time Machine«. Was dann letztendlich auf der Wahlliste des KLP landet, habe ich eigentlich immer vorher komplett gelesen.
Kleinere Trends gibt es eigentlich immer, aber größere, wie man sie in der Fantasy in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausmachen konnte, sind in der SF eigentlich ausgeblieben, die gab es zuletzt in den 1980ern mit dem Cyberpunk und seinem Ableger, dem Steampunk. Vieles, was derzeit gehypt wird oder Trends auslöst, gab es schon vorher, wie ökologisch orientierte SF, die Klimaveränderung und das Artensterben als Thema, den Einfluss der Digitalisierung auf den Alltag, Künstliche Intelligenzen oder Nanotechnologie. Man findet solche Themen jetzt aber auch im Near Future Thriller oder in Romanen bei Publikumsverlagen, die nicht als SF gelabelt werden. Man kann zwar auch einen kleinen Trend hin zu größerer Diversität bei den Figuren feststellen, aber wenn man bedenkt, dass es hierfür schon Vorläufer in den 1970ern gab, ist da in den letzten 50 Jahren doch sehr wenig passiert – da ist die Realität deutlich bunter, obwohl die SF mit Androiden und Aliens doch noch so viel mehr Möglichkeiten bieten würde, unsere engen Perspektiven auszuweiten. Wir haben da noch viel Luft nach oben, und die anglophone SF ist der deutschsprachigen hier auch voraus.

Was ist die größte Schwierigkeit an deinem Job?
Das größte Problem ist eigentlich die sehr ungleichmäßige Verteilung der Arbeit übers Jahr. Es gibt Phasen, da bin ich sehr gut ausgelastet, weil vieles gleichzeitig erledigt werden muss, und dann gibt es eher ruhige Phasen. Das hängt auch stark davon ab, wann ich die Preisverleihung machen kann, denn diese benötigt immer eine größere SF-Convention als Rahmen. Lange Jahre konnte ich das regelmäßig im September beim ElsterCon in Leipzig oder beim PentaCon in Dresden machen, aber letzteren gibt es nicht mehr, und so war die Preisverleihung im Mai beim MetropolCon vor allem vom Zeitplan her eine Herausforderung.

Was sind deine unterjährigen Aufgaben als Treuhänder, wenn der Preis verliehen ist?
Im Prinzip gilt: Nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung. Mein KLP-Jahr beginnt eigentlich im Dezember mit dem Aufruf an die Abstimmungsberechtigen, mir bis Ende Januar die Nominierungsvorschläge zu schicken. Diese überprüfe ich dann, ob sie gemäß den Statuten zulässig sind, schicke alle gesammelten Daten zu einem Vorauswahlgremium, das einen qualitativen Check macht und informiere die Nominierten, sobald feststeht, was von der Longlist auf die Shortlist kommt, die später die Wahlliste bildet. Parallel erstelle ich die Webseiten für das aktuelle Wahljahr und die Wahlunterlagen. In zwei Kategorien, Hörspiel und Übersetzung, ist das aufwendiger, da gibt es eigene Jurys, die mit Material versorgt werden, beispielsweise Auszüge aus Original und Übersetzung. Nach dem Wahlende werte ich alles aus, informiere die Nominierten und Preisträger, aber auch die Fachpresse, und aktualisiere die Webseiten.
Dann schreibe ich die Laudationes und erstelle meine Powerpoint-Präsentation für die Preisverleihung. Die ich dann auch moderiere, meist mit Unterstützung von jemandem, der die Laudationes verliest. Nebenher läuft immer das Aktualisieren der Adressliste, da sind fast 700 Personen erfasst, die als SF-Schaffende gelten, also mit der SF mindestens einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen. Etwa 300 davon sind aktiv dabei und erhalten von mir die Unterlagen zur Nominierung oder Wahl.

Liest man die Impressen verschiedener SciFi-Zeitschriften, findet man dich auch dort wieder. Erzähl doch mal ein bisschen darüber.
Die »!Time Machine« habe ich schon erwähnt, das ist ein Fanzine, das seit 2018 einmal im Jahr erscheint und von Christian Hoffmann und mir herausgegeben wird. Auch wenn wir inzwischen viele Mitstreiter haben, die uns Essays oder Rezensionen zuliefern, stammt doch immer ein relativ großer Anteil der Texte aus der Feder von Christian und mir, manche längeren Essays schreiben wir auch gemeinsam. Einmal habe ich auch eine Solo-Ausgabe gemacht, da mein Artikel über Künstliche Intelligenz so ausgeufert ist, dass er eine eigene Ausgabe wurde, die dann auch für den European SF Award nominiert wurde. Zudem mache ich das gesamte Lektorat. Das scheint okay zu sein, denn vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, ob ich nicht für die »phantastisch!« ein paar Beiträge redigieren könnte, und so bin ich seit über zwanzig Ausgaben Teil des Lektoratsteams. Für die »Exodus« durfte ich schon zweimal den in der Galerie vorgestellten Grafiker porträtieren, und in der »Andromeda Nachrichten« erscheint ab und zu auch mal ein Beitrag von mir. Und nicht zuletzt habe ich noch die Kolumne im Jahrbuch »Das Science Fiction Jahr«, in der ich in einem langen Artikel die besten und interessantesten deutschsprachigen SF-Romane des Vorjahres vorstelle.
Das sind viele Aktivitäten, die gut parallel laufen, aber manchmal gibt es auch Überschneidungen. Und so durfte ich mir letztes Jahr in Berlin selbst den KLP Sonderpreis für unsere »!Time Machine« verleihen. Dass Christians und meine Arbeit hier, vor allem unsere Mischung aus Fachwissen und Humor, so gut ankommt, hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Hast du auch selbst Geschichten geschrieben?
Nein, da liegen nicht meine Stärken. Ich kann Geschichten ganz gut beurteilen, bin auch ab und zu mal Testleser für andere, aber am liebsten schreibe ich Essays über die Werke anderer, mal als Rezension, mal als Überblick zu einem spezifischen Thema, wie über Science Fiction, die auf dem Erdmond spielt, Verbrechen, die nur in der SF möglich sind, oder Humor in der SF.

Siehst du den KLP als Indikator dafür, welche Texte letztlich beim DSFP nominiert werden?
Es ist eigentlich nur zufällig, dass der KLP schneller seine Preisträger veröffentlicht als der DSFP. Natürlich beurteilen beide die gleichen Werke, und wir stimmen uns hier sogar ab, damit nicht die eine Seite etwas übersieht, das die andere Seite kennt, aber letztendlich sind es doch unterschiedliche Preise. Zum einen, weil der KLP mit zehn Kategorien viel breiter aufgestellt ist, also neben Romanen und Kurzgeschichten auch Übersetzungen und Grafiken, Hörspiele und Sachtexte sowie mit den Sonderpreisen auch Leistungen wie Lebenswerke, Con-Organisationen oder Herausgabe von Büchern und Magazinen bewertet. Zum anderen, weil beim KLP eine große Gruppe, zuletzt über hundert Personen, abstimmt, während beim DSFP eine kleine Jury bewertet und sich in Diskussionen auf die Shortlist und später den Preisträger einigt. So gibt es zwar Überschneidungen bei den Nominierungslisten, aber meist doch unterschiedliche Preisträger. Und da vieles doch zeitgleich abläuft, glaube ich nicht, dass die DSFP-Jury vom Ergebnis des KLP beeinflusst wird.

Nachdem ihr wisst, warum sich Udo kümmert, könnt ihr hier mehr erfahren:
kurd-lasswitz-preis.de/index.htm

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.