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Donnerstag, 30. Mai 2024

Autoreninterview spezial Ralf Schneider

Hallo zusammen.
Autorinnen, Grafiker, Herausgeber ... Ich hatte schon viele Leute zum Interview. Heute stelle ich euch Ralf Schneider und seine KI-Bilder vor. Seine Bilder drücken aus, was er sieht, wenn er Geschichten liest.

 (Foto: Ralf Schneider (privat), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du zum Illustrieren gekommen?

Nun ja … zu zeichnen fühlte sich eigentlich schon sehr früh sehr natürlich für mich an, auch wenn sich mein Talent in Grenzen hält. So mancher Traum in der Kindheit wollte visualisiert werden und wurde dann auf Papier weitergeträumt. Aber weil ich schon immer ein Faible für Karten hatte, was in stundenlanges Schmökern in Atlanten und tagelanges Ausarbeiten von ziemlich verzweigten mehrblättrigen, die Zimmerwand füllenden Computerspiel-Dungeonskarten mündete und … vielleicht ein klein bisschen obsessiv wurde ... schwirrten mir immer wieder Karten realer oder fiktiver Länder genauso häufig durch den Kopf wie reale und fiktive Vertreter*innen von Landschaften, Artefakten und Lebewesen. Da half es wohl auch nicht wirklich, abendelang Fantasy-Rollenspiele zu zelebrieren, wo die ein oder andere Illustration angefertigt werden musste. Und immer wieder begann ich Skizzenbücher, die ich dann nie bis zum Ende befüllte oder fing Karten an, die so manche weißen Flecken behielten. In der Schulzeit bzw. in der Zeit zwischen dem Unterricht, hatte ich, wie wohl die meisten, wesentlich mehr Zeit und Gelegenheit, Dinge zu tun, die einem Spaß machten … wozu auch das Zeichnen gehörte. Später dann, in Studium und Beruf, fehlte es leider beständig an beidem.
Schnell störte mich am Zeichnen auf Papier allerdings, dass man bei Skizzen weniger einfach Varianten oder Korrekturen erstellen konnte. Der Frust, der z.B. am Zeichenbrett während eines kurzen Ausflugs ins Maschinenbaustudium entstand, wenn man sich verzeichnete und verzweifelt versuchte, die Tusche mit einer Rasierklinge rückstandslos vom Zeichenpapier zu schaben, war damals sicherlich mit verantwortlich für ein paar meiner jetzigen grauen Haare. Das Zeichnen am Computer war damals noch nicht so weit, auch wenn ich natürlich als Jugendlicher versuchte mit dem C64 oder Schneider CPC 664 über die Tastenmehrfachbelegungen so viel, wie mir möglich war, auf den netzhautverbrennenden Röhrenmonitor zu bringen und später experimentierte ich dann mit diversen Bildbearbeitungsprogrammen. Allerdings war und bin ich nicht geduldig und konsequent genug, mich so wirklich in die komplexe Software einzuarbeiten. Vor allem kann ich mir die einzelnen Prozeduren für gute Effekte nicht wirklich gut merken und verbringe dann viel zu viel Zeit mit Tutorials. Vor allem fehlt mir oft das spontane Illustrieren, ohne stundenlanges Anleitungen- und Foren-Durchforsten. Mit Photoshop wurde ich nie richtig warm, aber mit Affinity Photo komme ich ganz gut klar. Den Gamechanger brachte dann die genAI Midjourney in Kombination mit Affinity Photo.

Wie kann man sich deine Vorgehensweise beim Illustrieren vorstellen?
In dem meisten Fällen möchte ich einfach nur einen Schnappschuss meines Kopfkinos machen. Vor allem beim Lesen von Phantastik muss ich dauernd unterbrechen und die Midjourney-KI anschmeißen.
Ich versuche mir, auch wenn die KIs inzwischen immer besser ganze Sätze und eine natürliche Sprache verstehen, vorzustellen, welche Ausdrücke den gewünschten Effekt haben könnten. Gerade in der Startphase der genAI haben noch sehr unschöne Bias die produzierten Bilder geprägt und man quälte sich, diese auszugleichen. Vor allem divers zusammengesetzte Menschengruppen waren in der Anfangszeit eher selten, Gliedmaßen hatten nicht immer die korrekte Anzahl und Textelemente im Bild waren kaum zu realisieren. Die Gründe sind wahrscheinlich in dem Material, von der die KI gelernt hat, dem Lernmodell und die zur Bilderzeugung verwendeten Algorithmen zu suchen. Bei Midjourney allerdings gibt es dazu meines Wissens keine gesicherten Erkenntnisse, da der Code nicht Open Source und auch wenig über das Material bekannt ist, von dem die KI gelernt hat.
Dann prompte ich meistens wild drauf los und lasse mir den deutschen Prompt zumeist in DeepL ins Englische übersetzen, weil ich viel zu faul bin, saubere englische Prompts zu verfassen. Zwar versteht Midjourney auch deutsche Prompts, aber das ist noch relativ wackelig. Dann lasse ich mich von den ersten Midjourney-Entwürfen inspirieren. Wenn nichts dabei ist, geht’s ans Wiederholen und Varianten-Erstellen. Wenn etwas Brauchbares erscheint, geht’s ans Feintuning. Manchmal lasse ich mich von Midjourney auch überraschen und prompte nur einzelne Ausdrücke oder die Strophe eines Gedichts. Oder ich drehe an der “Kreativitätsschraube”, indem ich mit den Parametern, die Midjourney zur Verfügung stellt, herumexperimentiere. Inzwischen hab’ ich doch schon eine erkleckliche Zahl von KI-generierten Illustrationen erzeugt, die mir immer wieder als Vorlagen für neue Bilder dienen.
Manchmal lasse ich mich auch von Prompts der Midjourney-Community inspirieren … sprich, ich kopiere mir die interessanten Prompt-Schnipsel von schönen Entwürfen anderer Anwender*innen auf der Midjourney-Website oder in social media-Postings ... denn einige Prompter*innen hüten ihre Prompts nicht wie eine Geheimsache, sondern sind freigiebiger und hinterlegen den Prompt in der Bildbeschreibung ... und passe sie meinen Bedürfnissen an. Da jeder Prompt von der KI neu interpretiert und berechnet wird, gleicht kein Entwurf dem anderen und aufgrund der Tatsache, dass sich Midjourney ständig weiterentwickelt, erhält man von Version zu Version zum Teil völlig unterschiedliche Ergebnisse mit denselben Prompts. Es bleibt also immer spannend.
Grundsätzlich kommt es beim Illustrieren aber auch auf den “Auftrag” und das Motiv an. Wenn eine komplexe Illustration entstehen soll, ist Midjourney bzw. bin ich meist überfordert. Dann erstelle ich mit Midjourney nur die einzelnen Elemente und den Hintergrund. Mit Affinity Photo geht’s dann ans manuelle Freistellen und Rekombinieren.

Zurzeit wird viel über den Einsatz von KI in der Künstlerszene gesprochen. Wie stehst du dazu?
Ich nutze seit Oktober 2022 Midjourney. Zuerst fing ich mit dem free trial an, aber dummerweise war ich von den Ergebnissen so fasziniert, dass ich ein Abo abschließen musste ;-). Ende 2022 wurde ja auch ChatGPT von OpenAI öffentlich zugänglich gemacht und seitdem verfolge ich die wieder aufgeflammten Diskurse und Forschungen zu LLMs und genAI sowohl privat als auch beruflich sehr
interessiert.
Was die Debatte in der Künstlerszene angeht, kann ich tatsächlich wenig dazu sagen, weil ich nicht in der Szene bin. Ich bekomme aber Stimmungen mit, die viel mit Ängsten und Abgrenzungen zu tun haben. Es gibt die Fraktion derjenigen, die die bildgenerierende KI kategorisch ablehnt und die der euphorischen Befürworter. Und dazwischen liegt natürlich die große Gruppe derjenigen, die dem Ganzen gleichgültig gegenüberstehen.
Die Gründe, weshalb genAI abgelehnt wird bzw. man ihr sehr skeptisch gegenübersteht, verstehe ic sehr gut. Zum einen geht es natürlich um die ethischen und urheberrechtlichen Implikationen des Lernmaterials dieser KIs. Die sind in der Tat kritisch zu prüfen und wie so oft, hat die Technologiebranche ihre halbgaren Produkte einfach mal auf den Markt geworfen. Dort verselbständigten sich die Prozesse in rasend schneller Geschwindigkeit, so dass mir der Schritt zurück an den Anfang sehr unwahrscheinlich bis völlig abwegig und unrealistisch erscheint. Es wird keine Welt mehr ohne KI geben. Die unterschiedlichsten KIs sind zum Teil schon seit langem in Prozesse integriert, ohne dass es die Allgemeinheit bemerkte ... oder bemerken wollte. Erst als der Zugang und die Nutzung extrem niedrigschwellig wurden und für wirklich jede*n mit Computer und Internetzugang möglich war, flammte das Interesse an KI wieder auf ... mit all seinen Implikationen, die es eigentlich schon seit ihren Anfängen gab ... nur beschleunigte und potenzierte sich diesmal alles innerhalb kurzer Zeit extrem. Um ein Sprichwort zu bemühen, denke ich einerseits, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und man schauen muss, wie es da einigermaßen unverletzt wieder herausgeholt werden kann und andererseits muss ich in diesem Zusammenhang oft an das Zitat von Goethes Zauberlehrling denken “Die ich rief, die Geister / Werd’ ich nun nicht los.”, wobei meiner Ansicht nach interessanterweise nicht die KIs die Geister sind, sondern die Menschen und Konzerne, die KIs instrumentalisieren.
Zum anderen geht es um die Zukunftsängste, die die Kreativen haben, wenn sie sich einer ungezügelten KI-Konkurrenz gegenübersehen. Viele, die mithilfe von Soft- und Hardware Kunst erzeugen, verwenden bereits KI-generierte Bilder oder Bildelemente und binden sie in den Schaffensprozess ihrer digitalen Kunst mit ein. Bereits heute schon kann man absehen, dass die bisher auf dem Markt etablierte Software, Schnittstellen zu genAI haben wird oder schon hat. Die direkte Verwendung von Plattformen wie Midjourney, die bisher hauptsächlich über Discord zugänglich war, inzwischen aber auch einen Browser-Zugang hat, wird sicherlich nur ein Zugang zu KI unter vielen sein. Bald wird jede Bildbearbeitungssoftware entweder eine eigene KI verwenden oder aber APIs zu großen KIs haben, so dass man es gar nicht mehr bemerken wird, ob das ein herkömmlicher Filter oder eine KI war, die den Effekt erzeugt hat. Ich denke, Bilder, die mit dem Computer erzeugt werden, werden über kurz oder lang mehr oder weniger mithilfe von KI erzeugt oder unterstützt werden ... allein schon wegen des Zeitgewinns.
Rein analog arbeitende Künstler*innen werden meiner Einschätzung nach zukünftig ihre Not zur Tugend machen. Die Zeit und Mühe, die man auf das Erstellen eines analogen Kunstwerks verwendet, ist durch die Existenz von genAI noch mehr DAS Alleinstellungsmerkmal. Gerade weil analoge Kunst mehr Zeit, Arbeit und Inspiration benötigt, hat sie einen ganz anderen Stellenwert als schnell oder sogar automatisch erzeugte digitale “Kunst” ... wobei im Lichte der aktuellen Entwicklungen der Kunstbegriff mal wieder stark diskutiert wird und werden muss. Ob eine von einer genAI erzeugte Illustration ein Kunstwerk sein kann, wird vielleicht nie endgültig entschieden, wohl aber hitzig diskutiert werden. Auf jeden Fall plädiere ich für einen gnadenlos transparenten Umgang mit KI-Produkten. Es muss eine klare Kennzeichnung geben, so dass nicht der Eindruck entsteht, es könnte sich um ein echtes Foto oder ein rein von Menschenhand erzeugtes Kunstwerk handeln.
Weder KIs noch von KI erzeugte Produkte sind gut oder böser, richtig oder falsch. Die Gesellschaft und die/der Gesetzgeber*in müssen darüber diskutieren und Regeln festlegen, wie wir damit in Zukunft umgehen sollen. Der gerade auf den Weg gebrachte AI Act der EU ist hierfür eine gute Grundlage, allerdings weit davon entfernt, die noch bevorstehenden Entwicklungen erfassen oder endgültig geregelt zu bekommen. Es wird sicher noch jede Menge Nachbesserungsbedarf geben, bei der wir alle darauf achten müssen, dass die ethischen Interessen vor der schier übermächtigen Macht von IT-Konzernen Gehör finden.
Ich selbst bin in der luxuriösen und privilegierten Situation, nicht von den von mir erzeugten Illustrationen leben zu müssen ... oder überhaupt Geld dafür zu bekommen ... sondern verwende die stetig anwachsenden Möglichkeiten rein zu meinem Vergnügen und dilettiere im wörtlichen Sinn. Ich bilde mir ein, dass je mehr ich damit arbeite, umso mehr erahne ich auch etwas von den Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten im Hintergrund, wobei die Prozesse hinter dem Lernen und den Rechenoperationen wirklich alles andere als trivial sind und mein Hirn völlig überfordert. Ich bin eher niemand, der etwas von vornherein verteufelt oder ablehnt, bevor ich es ausprobiert habe. Bisher überwiegt meine Neugier die Bedenken. Wer weiß, wie lange das noch so sein wird. Anfangs war ich ja auch von Twitter ziemlich begeistert ... was ich nun von X nicht mehr wirklich behaupten kann.
All jenen, die dieser Entwicklung ablehnend gegenüberstehen, aus welchen Gründen auch immer, kann ich nur empfehlen, sich mal eingehend damit zu beschäftigen und es kritisch zu testen.

Welche war deine erste Illustration?
Ach, du liebe Zeit ... da muss ich erst nachschauen, aber zum Glück legt Midjourney ein Archiv aller Entwürfe an. Meine erste Illustration war am
5. Oktober 2022. Zu der Zeit leitete ich das Projekt eines Campusradios in Karlsruhe und da es crossmedial aufgestellt ist, benötigen wir neben Audio- auch Bild-Content, der nichts kosten darf. Also versuchte ich mich daran, Bilder mit kopfhörertragenden Animationsfiguren zu kreieren, um die Website aufzuhübschen und social media-Postings bunter zu machen. Nach den ersten Gehversuchen im Prompten konnte ich mich dann nicht zügeln, die gerade gelesene Kurzgeschichte “Von Herzen” von Tino Falkes Anthologie “Spinnenpiñata” zu visualisieren. Ich wollte unbedingt wissen, wie Midjourney die von mir aus der Geschichte extrahierte Szenenbeschreibung umsetzen würde. Und so waren die nächsten Bilder die einer altägyptischen Göttin in einem amerikanischen Diner. Ich war völlig begeistert von den ersten Interpretationen der KI und ab da war’s dann um mich geschehen ... und die Obsession nahm ihren Lauf.

Du hast auch schon meine Geschichten bebildert und ich fand es erstaunlich, wie genau du meine Vorstellung getroffen hast. Wie oft bekommst du von Autor:innen eine ähnliche Rückmeldung?
Vielen Dank für die Blumen. Ich freue mich sehr, wenn die Wortkünstler*innen meine Visualisierungen mögen oder sie ihre Geschichte darin sogar wiederfinden. Bisher erhielt ich nur wohlwollende Kommentare und wurde noch nicht abgewatscht, was ich aber ... wenn’s konstruktiv wäre, gar nicht so schlimm fände. Es kommt aber auch vor, dass die/der Autor*in nicht viel mit meiner Illustration anfangen kann. Gerade bei den Illustrationen von Haupt- und Nebenfiguren liege ich ab und an völlig daneben. Möglicherweise kommt das sogar sehr häufig vor, allerdings sind die Autor*innen wahrscheinlich zu höflich, bekommen es gar nicht mit oder haben Besseres zu tun, einen Kommentar zu hinterlassen. Vielleicht habe ich auch schon jemanden verärgert, bekam es aber noch nicht unter die Nase gerieben. Ich belästige ja die Welt hauptsächlich über meine social media-Accounts mit meinen Bildern und versuche es so rüberzubringen, dass es Fan-”Art” und nicht anmaßend oder übergriffig gemeint ist. Da die Timelines bekanntermaßen sehr flüchtig sind, sammle ich so gut ich kann meine Illustrationen mitsamt kleiner Mikrorezensionen auf meiner Website noosphaere.de, auch um dort den Geist des guten, alten Blogs im Sinne eines Tagebuchs aufleben zu lassen, weil ich nur allzu schnell vergesse, was ich so alles gelesen habe.

Wonach suchst du dir die Projekte aus, die du bebilderst?
Eigentlich suche ich sie mir gar nicht aus ... sie kommen wie von selbst. Sobald ich etwas lese ... vor allem aus der Phantastik ... erscheinen wie wohl bei jeder/jedem Bilder im Kopf, die ich dann aber unbedingt festhalten möchte. Da ich nicht so gut und so schnell zeichnen oder malen kann, prompte ich parallel beim Lesen. Gerade Kurzgeschichten in ihrer komprimierten Form gleichen, wenn sie gut geschrieben sind, einem Schnappschuss. Diese Textsorte hat naturgemäß die Angewohnheit schnell gelesen zu sein und da ich mich gerne an die Geschichten erinnern möchte, mir meist aber der Titel zum Erinnern nicht ausreicht, muss ich als Erinnerungsanker irgendwie die Bilder aus meinem Kopf holen. Und das klappt mit Midjourney meistens sehr gut. Manchmal bekomme ich natürlich auch sehr unbefriedigende Ergebnisse präsentiert, was ich allerdings auf meine mangelnden Fähigkeiten beim Prompten zurückführe und, wenn es die Zeit erlaubt, lange an den Prompts herumexperimentiere, bis etwas Brauchbares dabei herauskommt.
Freundlicherweise wurde ich auch schon angefragt, Kurzgeschichten mithilfe von Midjourney zu illustrieren, die dann mit meinem Bild abgedruckt worden sind. Das ist für mich natürlich der Ritterschlag und ich freue mich unglaublich, dem Text ein visuelles Element hinzufügen zu dürfen. Ich möchte selbstverständlich den Illustrator*innen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, nicht in die Quere kommen. In derlei Fällen handelt es sich um Publikationen, die auf die unentgeltliche Mithilfe von Überzeugungstäter*innen angewiesen sind und selbst keinen Profit abwerfen. Für wirklich kommerzielle Publikationen, die ein Budget zur Verfügung haben und auch kommerzielle Interessen verfolgen, plädiere ich dringend dafür, Profis zu engagieren und auch entsprechend zu entlohnen.

Du nimmst dir auch Zeit Rezensionen zu schreiben. Wie beeinflusst deine künstlerische Umsetzung die jeweilige Rezension?
Manchmal mache ich mir beim Lesen Notizen in Schrift- und manchmal in Promptform. Durch die Notwendigkeit, sich beim Prompten auf diejenigen Merkmale zu beschränken, die visualisiert werden können bzw. das Bild in meinem Kopf adäquat wiedergeben, beschäftige ich mich zwangsläufig eingehender mit der Geschichte. Das normale Lesen wird dann eher zu einem Hin- und Herspringen im Text, um zu schauen, ob die/der Autor*in auf etwas besonderen Wert gelegt hat oder deskriptive Elemente notierte, die ich womöglich sonst einfach überlesen hätte. Je mehr ich mich dann mit der Geschichte beschäftige ... und bei Kurzgeschichten kommt es dann doch schon mal vor, dass ich sie zweimal hintereinander lesen ... bemerke ich bei den meisten Geschichten, wie viel Herzblut der Autorin, des Autors hineingelegt wurde. Wenn ich das bemerke ... und das war eigentlich bisher fast immer so, zumal die Herausgeber*innen von den Anthologien, die ich lesen durfte, ein gutes Auge für gute Geschichten haben ... möchte ich beim Rezensieren vor allem meiner Wertschätzung Ausdruck verleihen, ganz egal, ob mir die Geschichte extrem gut gefallen oder nicht so wirklich vom Hocker gerissen hat. Und die erzeugten Illustrationen helfen mir dabei sehr.
Die Mühe, eine Kurzgeschichte oder einen Roman zu verfassen, sollte honoriert werden. Ich bin kein Freund von herablassenden Verrissen, die bis hin zu Beleidigungen gehen. Das hat keine Autorin, kein Autor verdient, weil eben meist sehr viel Persönliches und Intimes in einer solchen Geschichte verborgen ist. Handwerkliche Mängel werden fast immer von den Lektor*innen oder Herausgeber*innen erkannt und ausgemerzt, so dass das publizierte Werk eigentlich immer Respekt verdient. Sowohl die kurzen oder längeren “Rezensionen”, die bei mir ja eigentlich nur Kommentare und keine ausgearbeiteten Rezensionen sind, als auch die mithilfe von genAI erzeugten Illustrationen sollen meinem Respekt den Autor*innen gegenüber Ausdruck verleihen und das kleine Feedback eines einzelnen Lesers sein. Wenn es den Urheber*innen gefällt oder auch andere dazu animiert, die Geschichten zu lesen ... mission accomplished.

Nachdem ihr wisst, was Ralf illustriert, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
noosphaere.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Matthew Costello "Mydworth - Intrigen an der Côte d'Azur"

Bereits zum achten Mal müssen Lady und Lord Mortimer ihre ehemaligen Geheimdienstfertigkeiten nutzen, um einem unbescholtenen Bürger zu helfen.
Eigentlich wollen die beiden nur kurz an der Côte d'Azur einen anderen Spion treffen, um sich dann ein paar Tage Urlaub zu gönnen. Doch es kommt anders. Ein flüchtiger Bekannter wird erpresst und ihr Ehrgeiz ist geweckt.
Durch die engen Gassen geht die Jagd und gewisse, genrebedingte Vorurteile treiben die Handlung voran. 
Der bekannte Mix aus Spannung und Witz, dazu eine gehörige Portion Charme und Individualität schaffen es jeder Folge der Serie Esprit zu geben und es macht Freude die Charaktere weiter kennenzulernen. ☺️

4 von 5 Geldscheinen

Sonntag, 26. Mai 2024

Marianne Labisch & Gerd Scherm (Hrsg) "Jenseits der Traumgrenze"

Träume sind etwas sehr Persönliches und somit ist eine Anthologie zu diesem Thema in meinen Augen eine besondere Herausforderung. Denn jeder schwärmt und somit träumt von etwas anderem oder im Gegenteil ängstigt sich vor etwas anderem.
Die beiden Herausgebenden versammeln 24 Autor*innen, die genau das Spektrum widergeben. Von anmutig, über verstörend, zum Traumbild, zu - der Übergang zwischen Traum und Wirklichkeit ist fließender Natur - finden sich für die unterschiedlichen Geschmäcker Geschichten, die zum Nachdenken anregen und unter die Haut gehen.
Denn jede Geschichte berührt den Lesenden auf die verschiedenen Art und Weise. Sei es Schmerz, Furcht, Nostalgie oder Liebe. 
Gerd Scherm hat für diese Anthologie erstmal alle Illustrationen mit KI angefertigt und gibt den Geschichten, wie auch in anderen Anthologien, eine visuelle Unterstreichung. Viele fassen im Bild das zusammen, was sich bei mir im Kopf als Idee manifestiert und somit bilden Illustration und Text eine Symbiose, die diese Anthologie in meinen Augen besonders lesenswert macht.
Wie auch im richtigen Leben, will man manche Träume nicht und doch verfolgen sie einen. Gerade die Geschichten, die vermeintlich in ersten Moment anecken sind es, die nachhallen und den Lesenden zum Nachdenken anregen.

4,5 von 5 Träumen

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 23. Mai 2024

Autoreninterview Nadine Buch

Hallo zusammen.
Heute geht es mit der Autorin und Herausgeberin Nadine Buch weiter:

(Foto: Nadine Buch (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mein erstes Manuskript schrieb ich handschriftlich auf ein Ringbuchblock. Dann wanderte es für Jahre in die Schublade, bevor es wieder das Licht der Welt erblicken und überarbeitet werden durfte. Das Schreiben kam damals „wie von selbst“. Ich griff einfach zu Kugelschreiber und Papier. Intensiviert wurde das Thema des Schreibens wieder, als ich mein Fachabitur nachholte und im Zuge dessen Hausarbeiten schreiben musste. Ab da wusste ich: Schreiben – das will ich machen!

Du schreibst selbst, gibst aber auch Anthologien heraus. Warum hast du mit dem Herausgeben von Kurzgeschichten angefangen?
Bevor ich eigene Anthologien herausgegeben habe, hatte ich das Vergnügen, zwei solcher Projekte in einem seriösen Kleinverlag als Mitherausgeberin betreuen zu dürfen. Mir hat das Sichten der eingereichten Geschichten sowie die Auswahl der Buchbeiträge so viel Freude bereitet, dass jeder Tag und Blick ins Postfach wie Weihnachten waren. Mich begeisterten stets die unterschiedlichen Schreibstile und Ideen, sodass ich mich entschloss, eigene Anthologieausschreibungen zu starten. Es ist einfach ein Stück Lebensfreude, auch im Hinblick auf die Kommunikation mit den Autoren. Die entstandenen Kontakte habe ich als sehr wertschätzend erlebt.

Auch thematisch bist du bei deinen Geschichten sehr vielseitig aufgestellt. Hast du das bewusst geplant?
Ja, ich habe meine Themenvielfalt ganz bewusst geplant!
Ich weiß, dass sich die meisten Autoren auf ein Genre beschränken. Und genau das möchte ich nicht. Ich liebe einfach zu viele unterschiedliche Thematiken, als dass ich auf eine von ihnen verzichten möchte. So schreibe ich gerne für Kinder, aber auch für Erwachsene. Ich liebe die Liebe der Jugend, gemixt mit Abenteuer und Spannung genauso wie tiefgründige und philosophische Novellen, die sich auf ernste Hintergründe stützen.
Auch mag ich gerne den Thrill des Nervenkitzels sowie die Gemütlichkeit eines heimeligen Krimis mit einem Ansatz von Humor.

Wer noch nicht von dir gelesen hat, sollte mit welchem Buch beginnen?
Puh, eine schwere Frage. Da kommt es ja tatsächlich auf den persönlichen Geschmack des Lesers an. Wenn jemand absolut keine Jugendliteratur mag, dem kann ich möglicherweise eher meine kurzweiligen Psychothriller empfehlen. Beides – Jugendbuch und Psychothriller – zähle ich zur „leichten“ Lektüre. Fließende Themen mit Spannung, und schnell zu lesen. Als mein Lebenswerk sehe ich jedoch meine Novelle „Tränenstaub“. Allein aufgrund des Themas wünschte ich mir, dass dieses Buch viel gelesen wird.

Was ist deine liebste Phase während eines Buchprojektes?
Oh, prinzipiell ist jede Phase eines Buchprojekts wie ein Stück Magie. Das fängt bei dem ersten Gedanken einer Geschichte an und hört beim fertigen Buch, das ich in meinen Händen halten darf, auf. Was mir aber besonders viel Freude bereitet, ist tatsächlich die Überarbeitung der Manuskripte. Da wird gefeilt, gekürzt und perfektioniert wie es nur geht. Immerhin soll es dem Leser Freude bereiten, sich in die jeweilige Welt tragen zu lassen.

Welche Geschichte geistert dir zur Zeit im Kopf herum?
Mir geistern aktuell viele Geschichten aus unterschiedlichen Genres im Kopf herum. Kurzgeschichten genauso wie Romane. Alle Projekte in spe arbeiten und reifen in meinem Geiste und werden dann zu Papier gebracht, wenn sie an der Reihe sind. Das nächste Buch wird ein Kinderkrimi. Und die nächste Kurzgeschichte ein Cosy Crime für ein Literaturwettbewerb. Ganz tief in meinem Kopf arbeitet auch noch mein erster großer Psychothriller.

Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?
Ganz klar: mit Sebastian Fitzek.

Nachdem ihr wisst, was Nadine schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
nadine-buch.de
facebook.com/p/Nadine-Buch

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Montag, 20. Mai 2024

Anthony Horowitz "Alex Rider 1 - Stormbreaker"

Während James Bond eher für Erwachsene geeignet ist, ist Alex Rider das kindgerechte Gegenstück. Nun ja zumindest, wenn man auf Action, Agenten und Spannung steht.
Dabei kommt Alex eher unfreiwillig an seinen Job beim MI6. Als sein Onkel Ian Rider verstirbt und die Mission nicht beendet ist, braucht der MI6 kurzerhand einen Nachfolger. Da der Neffe Alex doch so neugierig scheint und sich dabei aber auch geschickt anstellt, scheint das Schicksal es zu begrüßen, dass er die Mission weiterführt.

Wer schon einmal etwas von Anthony Horowitz gelesen hat, weiß welch ein begnadeter Autor er ist. Im Lauf der Jahre habe ich schon viele Texte von ihm gelesen und ich muss sagen, er kann einfach schreiben. Selbst wenn das Thema einen anfangs nicht sonderlich interessiert, schafft er es mit seinen Finessen, den Leser in den Text zu ziehen und ihn nicht vor der letzten Seite gehen zu lassen.
Er schafft es spannend zu schreiben, die Geschichte im Kopf des Lesers auferstehen zu lassen und Witz und Charme - auch bei seinen Krimis - eine Atmosphäre zu schaffen, die man bei manch anderem Autor vergeblich sucht.

5 von 5 Agenten

Freitag, 17. Mai 2024

Sophia Mott "Goethe und die Frauen"

Goethe und die Frauen. Ein Thema, oder in diesem Fall, ein Buch für sich.
Goethe ist für viele Dinge bekannt: Seine Werke, seine Tätigkeit als Geheimrat, seine Farbenlehre, seine Freundschaft mit Schiller und eben: seine Frauen.
Dabei dürften einige Frauen, wie Charlotte von Stein oder Christiane Vulpius, manchen Lesern schon bekannt sein, während seine frühen oder auch seine letzten Liebschaften gerne von den jeweiligen Familien unter den Teppich gekehrt wurden.
Denn so groß der Dichter wurde, zu Anfang war nur ein Jurastudent, der sich im Studium gehen ließ und sich nicht dem Arbeitseifer seines Vaters hingab. Und zuletzt? Mit jenseits der siebzig mit einer Siebzehnjährigen anbandeln, war auch nicht eine seiner besseren Ideen.

Und dazwischen? Goethe hatte viele Frauen. Die Autorin widmet dreizehn Kapitel den unterschiedlichsten Frauen in seinem Leben. Einige, wie seine Schwester und seine Mutter, tauchen in mehreren Abschnitten auf, doch die meisten der Liebschaften enden eher mit dem Frust der Frauen. Denn Goethe hatte den Drang wegzulaufen, und das nicht nur einmal ...

Natürlich wird parallel zu den Frauen auch Goethes Lebensgeschichte angerissen. Wie wurde er Autor und Geheimrat, wie lernte er Schiller kennen?
Mit seinen 144 Seiten ist dies ein wirklich kompaktes Buch über Goethe und doch hat es mir einige neue Einblicke in sein Leben verschafft.
Die Autorin bemüht sich in dem Sachbuch, trotz vielfacher Möglichkeiten, um eine neutrale, nicht wertende Sprache, was es sehr angenehm macht, das Buch zu lesen und sich ein eigenes Bild zu schaffen.
Als Einstieg in Goethes Leben oder auch zur Wiederauffrischung sehr gut geeignet.

5 von 5 Liebschaften

Donnerstag, 16. Mai 2024

Autoreninterview spezial Detlef Klewer

Hallo zusammen.

Nachdem die letzten Interviews sich hauptsächlich mit Autoren und Autorinnen beschäftigt haben, habe ich dieses Mal wieder einen Illustrator gebeten, mir ein paar Fragen zu beantworten:

(Foto: Detlef Klewer (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du Illustrator geworden? Hast du schon immer gezeichnet?
Beginnen wir mit dem zweiten Teil der Frage, denn gezeichnet habe ich wohl schon seit ich einen Buntstift halten konnte. Zumal mir das Zeichentalent bereits in die Wiege gelegt wurde, denn mein Vater war ein begnadeter Zeichner, der seine künstlerischen Fähigkeiten aber dank widriger Lebensumstände nie zum Beruf machen durfte. Dieses Los habe ich tatsächlich zu Beginn mit meinem Vater geteilt, denn mein ursprünglicher Plan war es Comiczeichner zu werden. Doch obwohl es ein 8-Seiter damals in das Kultmagazin „Schwermetall“ schaffte, musste ich einsehen, das ich damit im Comicentwicklungsland Deutschland meine Miete nicht zahlen konnte.
Also musste nach dem Abitur und dem Zivildienst ein ehrbarer Kreativ-Beruf her. Erst als 2004 mein Arbeitgeber in die Insolvenz ging, ergab sich die Chance mir meinen Jugendtraum doch noch zu erfüllen. Mit Hilfe meiner Frau Irmgard konnte ich mich als Illustrator und Designer selbstständig machen.

Wie stehst du zur Nutzung von KI im künstlerischen Bereich?
Persönlich stehe ich der Nutzung weitgehend negativ gegenüber. Natürlich werden wir diese Entwicklung nicht aufhalten können, aber es ist schon ein Unterschied, ob man Bildkompositionen erdenkt, Entwürfe skizziert, Vorzeichnungen erstellt und dann mit den entsprechenden Malutensilien fertigstellt, oder sich zehn Begriffe ausdenkt und dann auf den „Generieren“-Button drückt. Besonders in der Gebrauchsgrafik, zu der ich meine Arbeit ja auch zähle, wird sich das katastrophal auf das Kunstverständnis und die Künstler auswirken. Wenn man da nicht mit dem Strom schwimmen will, dürfte man bald seinen Job los sein. Auch weil man mit den Preisen nicht mehr konkurrieren kann.

Bist du der Meinung, dass man, wenn man künstlerisch begabt ist, mehrere Talente hat und diese sich gegenseitig anregen?
Ich persönlich denke das nicht. Wer zeichnen kann, muss nicht unbedingt auch schreiben können. Und umgekehrt. Da ich ja nicht nur zeichnerisch tätig bin, sondern auch schreibe und ein paar Amateurfilme gedreht habe, kann ich aus meiner Erfahrung auch nicht behaupten, dass sich das gegenseitig irgendwie kreativ angeregt hat. Gut, meine Schreiberei hat das Drehbuchschreiben vereinfacht – und ich konnte sie auch für das Entwickeln der Comicgeschichten nutzen – doch darüber hinaus eher nicht. Dazu sind die einzelnen Projekte, zwischen denen ich mich bewege, auch zu verschieden und damit auch die jeweilige Herangehensweise. Die Filmerei z.B. hat mit Talent auch nur wenig zu tun. Das ist erlernbares Handwerk.

Wann hast du das Schreiben für dich entdeckt?
Ich schreibe so etwa seit meinem 12. Lebensjahr. Alles begann mit FanFictions aus dem Perry Rhodan-Universum. Als begeisterter Leser dieser SF-Reihe habe ich irgendwann meine eigenen Geschichten dazu entwickelt. Kurz darauf entdeckte ich die großartigen Larry Brent-Romane von Dan Shocker für mich und dann entstanden auch viele kurze Horrorstorys rund um die PSA.
Später gab es dann Professor Zamorra, dessen Abenteuer ja heute noch erscheinen. Selbstverständlich blieben diese ersten Gehversuche nur dem engsten Familien- und Freundeskreis vorbehalten und niemand sonst hat sie je zu sehen bekommen. Aber seitdem bin ich vom Schreibvirus infiziert. Veröffentlicht werden meine Sachen allerdings erst seit 2011.

Wenn du eine Illustration und eine Geschichte fertigstellen musst, womit beginnst du?
Bei meinen Illustrationen beginnt alles ganz klassisch mit Bleistift, Papier und einer Entwurfsskizze. Die arbeite ich dann aus und tusche sie. Erst dann wird die Zeichnung gescannt und nachbearbeitet. Sei es mit Grautönen oder Farbe. Diese Farbgebung entsteht am PC, weil sich eventuelle Fehler leichter korrigieren lassen oder ich einfach mal etwas ausprobieren kann, was sich dann bei Nichtgefallen problemlos wieder rückgängig machen lässt.
Beim Schreiben hingegen ist das ganz unterschiedlich. Manchmal beginne ich mit einer Grundidee am Anfang und schaue wohin die Reise führt. Manchmal habe ich ein Ende vor Augen und überlege, wie es dazu kommen konnte. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich ein ganzes Kapitel geschrieben habe, was sich dann als Mittelteil erwies.​

Du arbeitest schon seit Jahren mit dem Burgenwelt- und dem Eridanus-Verlag zusammen. Wie kam es dazu und was schätzt du an der Zusammenarbeit?
Alles begann 2013 mit einer Kurzgeschichte, die für die Burgenwelt-Anthologie „Gesänge aus dunklen Zeiten“ ausgewählt wurde. Danach gab es einen regen Austausch mit der Verlegerin Jana Hoffhenke und ich durfte dann auch Cover erstellen. Schließlich habe ich 2017 die Anthologie „Auf düsteren Wegen“ als Herausgeber betreut.
2016 startete auch meine gemeinsame Zeit mit dem Eridanus-Verlag. Seitdem arbeiten Jana und ich sehr oft zusammen. 
Ich schätze besonders die unkomplizierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die mir viel Raum für Kreativität lässt. Und wie die Verlags-Website es so treffend formuliert: Alles ist fair, transparent, partnerschaftlich und konstruktiv. Was, wie ich aus nun langjähriger Erfahrung mit vielen verschiedenen Verlagen erfahren habe, keineswegs selbstverständlich ist.

Gerade für die Anthologien der beiden Verlage fertigst du neben dem Cover auch Innenillustrationen an. Wie schnell bekommst du ein Gefühl für die jeweiligen Geschichten und wie lange dauert die finale Umsetzung?
Ein Gefühl für die Geschichte stellt sich sehr schnell ein. Ich bin ein sehr visueller Mensch – etwas anderes wäre bei meinem Beruf auch schwierig -, daher habe ich beim Lesen der Storys meist unmittelbar Bilder vor Augen. Die einzige Schwierigkeit ist dann aus diesen Ideen eine herauszufiltern, die nicht zu viel von der Geschichte verrät, aber trotzdem die Essenz der Story einfängt. Wenn ich dann weiß, was ich zeichnen will, beginnt die bereits erwähnte Ausarbeitung. Eine Grafik erfordert in der Regel so etwa 6-8 Stunden Arbeitszeit.

Nachdem ihr wisst, was Detlef illustriert und schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
kritzelkunst.de
facebook.com/kritzelkunst.de

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 15. Mai 2024

Alfred Vejchar (Hrsg) "Von Andromeda bis Utopia"


Streift man heute über eine Con, wirkt es so, als seien diese und ähnliche Veranstaltungen schon immer da gewesen. Doch natürlich ist dem nicht so. Der Herausgeber Alfred Vejchar nimmt uns mit auf "Eine Zeitreise durchs österreichische Fandom". Doch man darf sich nicht durch den Untertitel irritieren lassen, denn es geht genauso sehr um das deutsche Fandom, die deutschen Vereine und auch allgemein darum, wie es war, nach 1945 Science Fiction in den Alltag zu integrieren. Denn so leicht, wie wir uns das heute vorstellen, war es damals überhaupt nicht. Erstmal gab es durch die Besatzer Beschränkungen und auch untereinander waren sich die Vereinsmitglieder nicht immer grün, da wurde gespalten, was nicht mehr zusammenpasste, um später vielleicht doch wieder gemeinsame Sache zu machen.
Unterteilt in die Abschnitte: Fanstorys, Autoren & Grafiker, Vereine und Ausklang, kommt sowohl der Herausgeber, als auch mehrere andere Autoren aus dieser Zeit zu Wort und berichten, wie es war, wenn man in der Science Fiction einen Ausgleich zum Alltag fand oder die Science Fiction für manche sogar der Alltag wurde.
Viele bekannte Namen, Zeitschriften, Bücher begegnen uns auf den über 350 Seiten, die mit zahlreichen Fotos und Covern ausführlich bebildert sind.
Manche Anekdote schleicht sich auf die Seiten und die Autoren schaffen es, die Geschichte des Fandom spannend zu erzählen. Manche Rituale des österreichischen Fandom haben es sogar bis in die heutige Zeit geschafft.
Welche das sind, das gilt es beim Lesen herauszufinden.
Für Science Fiction Neueinsteiger eine wahre Fundgrube an Informationen, für Kenner dürften sich manche Lücken beim Lesen schließen.
Eine gelungene Zusammenstellung und gleichzeitig ein Zeitdokument.

4,5 von 5 fliegenden Untertassen

Danke an p.machinery für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 11. Mai 2024

Nadine Buch "Rauschen der Vergangenheit"

Man erinnert sich vielleicht im Guten, vielleicht aber auch im Schlechten an die Zeit 2020, zu der wir alle "Zeit" hatten. Manche ja, aber manche hatten soviel Arbeit, wie in ihrem Leben noch nicht. 
Zu diesem Zeitpunkt fingen viele an zu schreiben. Bekannt geworden ist u.a. das folgende Schreibprojekt, welches damals in fast aller Munde war:
Sebastian Fitzek sucht für eine Anthologie Geschichten, die sich um folgendes Thema drehen: »Du findest ein fremdes Handy mit Bildern von dir darauf, und du hast ein dunkles Geheimnis.« 
Gesagt, getan, dachte sich die Autorin Nadine Buch, selbst großer Fitzek-Fan, und sie schaffte es auch in das damals erschienene Ebook.
Nun hat sie ihre drei Geschichten in "Rauschen der Vergangenheit" erneut veröffentlicht und zeigt, wie unterschiedlich, wenn auch gleich bedrückend, man an das Thema herangehen kann.
Alle drei Geschichten kennzeichnet eine Grausamkeit, die der Fitzeks nicht nachsteht. Alle Protagonisten erleben ... Nein, gerade bei Kurzgeschichten darf man nicht zu viel verraten.
Es sei aber gesagt: Nadine schafft es mit Ängsten und Empfindungen auf wenigen Seiten den Lesenden Grusel zu bescheren und sie auch zu ängstigen, denn keiner möchte ein Handy auf dem Tisch liegen sehen und Fotos von sich darauf finden.

4 von 5 Fotografien

Die Autorin hat mir das ebook zur Verfügung gestellt.

Donnerstag, 9. Mai 2024

Autoreninterview Tom Turtschi

Hallo zusammen.

Heute geht es mit dem Autor Tom Turtschi weiter:

(Foto: Tom Turtschi (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Geschrieben habe ich schon immer. Als Jugendlicher unbekömmliche Gedichte, in den Nullerjahren einen Roman mit dem Namen "Wüstentau", der glücklicherweise den Sprung von der Festplatte in die Verlagshäuser nicht geschafft hat.

Nach 2010 fasste ich den Entschluss, mich intensiver mit dem Schreiben zu beschäftigen. Ich ging auf die Fünfzig zu, ein Herzproblem hatte mich kurzzeitig außer Gefecht gesetzt, und ich gelangte zu der Einsicht, dass mir die Zeit wohl nicht mehr reichen wird, um die Weltherrschaft zu erlangen. Ausser in meinen Texten: Da reise ich quer durch die Zeit, erschaffe Welten, bevölkere sie mit meinen Figuren. Ich bestimme, wo es lang geht. Das war ein sehr weiser Entscheid: Ich denke, die Menschheit würde enorm profitieren, wenn einige andere Potentaten in dieser Welt zu einer ähnlichen Schlussfolgerungen gelangen und ihre pervertierten Machtfantasien in Texten ausleben würden, die niemand zu lesen braucht.

Ich habe kürzlich deine Kurzgeschichten in "Protokoll Delta Bravo" gelesen und war begeistert. Wie lange hast du an den einzelnen Geschichten geschrieben?
Sehr lange, manchmal Jahre. Das hängt mit der Art zusammen, wie ich Texte entwickle. Oft steht ein Satz am Anfang, der mich fesselt, eine kurze Szene. Oder ein thematischer Ansatz, der mich interessiert. Eine Konstellation von Figuren. Dann entwickelt sich der Text von Satz zu Satz, oft über Monate. Manchmal hänge ich fest, breche ab - und greife den Text später wieder auf. Irgendwann steht eine erste Fassung, die überarbeitet wird - meistens viele Male. So kann es Jahre dauern, bis ich mich durchringen kann, eine Erzählung zu publizieren.

Diese Schreibweise erklärt meinen bescheidenen Output. Aber ich habe nun mal kein Konzept oder Storyboard im Kopf, das ich abarbeite: Schreiben ist für mich Forschen und Erkunden. An meinem Arbeitsplatz hängt ein Zettel mit einem Zitat von David Albahari, gleichsam als Leitmotiv:

"Wenn ich zu schreiben anfange, habe ich kaum je die fertige Story im Kopf. Die ersten Sätze setzen ein Feuer in Gang. Es entsteht ein Prozess des Entdeckens, der die ganze Niederschrift durchhält. Eigentlich erzähle ich die Geschichte ja mir selbst, und wenn es Leute gibt, die sich dafür begeistern, umso besser."

Die Geschichten sind thematisch sehr verschieden. Ist dir ein breites Spektrum an Inhalten wichtig? Vielmehr: Planst du das oder ergibt sich das aus der jeweiligen Idee?
Im Grunde gibt es ja nur zwei Geschichten, die man erzählen kann. Die erste lautet: Zwei Menschen begehren sich und kriegen sich nicht. Das Kondensat der zweiten geht so: Der Gute und der Böse treffen aufeinander. High Noon - wer zieht schneller?

Die beiden Plots lassen sich unendlich ausschmücken und variieren. Bei der Romanze kann man die Irrungen und Wirrungen beschreiben, die der Vereinigung und dem Glück im Weg stehen, man kann das Leiden der Protagonisten schildern, und an den Schluss die Erlösung oder das tragische Ende setzen. Auch das Grundgerüst der zweiten Geschichte birgt unzählige Variationen in sich, die seit den Anfängen des Erzählens durchgespielt werden.

Ich gehe also davon aus, dass alles bereits erzählt wurde, was erzählt werden kann. So besteht der Kern für mich viel mehr darin, wie man etwas erzählt, als was man erzählt. Bei den Stoffen, die ich bearbeite, folge ich meinen persönlichen Neigungen und Passionen, aber viel mehr beschäftigen mich formale Fragen. In welche Reihenfolge bringe ich die Wörter und Sätze, damit der Text dicht wird, zu vibrieren beginnt? Ein Text ist ein Energiesystem, das dem Leser entweder Energie gibt oder entzieht. Und finde ich irgendeinen Dreh heraus, der dem Stoff einen neuen Aspekt abringt, der überrascht? Wenn mir das nicht gelingt, bleibt der Text eine offene Baustelle, oder schlimmer noch, eine Bauruine, die nie fertiggestellt wird.

Michael K. Iwoleit spielt im Nachwort auf deine Gartenaffinität an. Was hat es damit auf sich?
Tja, der Garten ... Da muss ich etwas ausholen. Meine Frau und ich sind 1995 aufs Land gezogen, in ein 300 Jahre altes Bauernhaus mit Umschwung.

Wir starteten das gemeinsame Projekt Hof3, das sich in den beinahe 30 Jahren immer wieder verändert hat, aber irgendwie der ursprünglichen Idee treu geblieben ist. Über ein Jahrzehnt betrieben wir ein Kurs- und Kulturzentrum, 23 Jahre lang veranstalteten wir jeden Sommer ein Open-Air-Kino, daneben realisierten wir in der Szenografieagentur unzählige Ausstellungen. Wir verstanden Hof3 immer als Gestaltungslabor und Experimentierfeld in einem umfassenden Sinn, in dem gelebt und gearbeitet wird. Als eine kleine Sozialutopie, in der Menschen, Tiere und Pflanzen eine Gemeinschaft bilden. Heute leben zehn Personen unter einem Dach: Zwei Gamedesigner, fünf Ukrainerinnen und Ukrainer, eine Rentnerin, meine Frau und ich. Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, sozialen Schichten, zwischen 13 und 80 Jahren alt. Jeder macht sein Ding - dabei versuchen wir, einander mit Respekt und wachem Interesse zu begegnen, kochen und essen regelmäßig zusammen. Ein weiteres Experimentierfeld ist der Garten: Meine Frau pflegt den 1,5 Hektar großen Umschwung nach den Prinzipien der Permakultur, also einer regenerativen Landwirtschaft, die mit geschlossenen Kreisläufen arbeitet. Vereinfacht gesagt ernähren die Pflanzen die Tiere, diese produzieren den Mist für die Pflanzen. Ich bin nicht der leidenschaftliche Gärtner mit der Harke in der Hand, aber als Studienobjekt fasziniert mich der Garten. Welche Nachbarschaften bekommen den Pflanzen, was funktioniert nicht? Ein Garten ist ein komplexes Geflecht von Beziehungen, das empirisch von Jahr zu Jahr optimiert wird. Zudem schätze ich auch die sinnliche Komponente des Gartens, man ist da als Mensch sehr direkt mit der Welt verbunden. Man riecht, sieht, hört und schmeckt - draußen und dann auf dem Teller. In Sachen Gemüse, Früchte und Fleisch sind wir Selbstversorger. Ich koche leidenschaftlich gerne, und da macht es natürlich Spaß, die eigenen Produkte zu verarbeiten.

Welche drei Gegenstände würdest du mitnehmen, wenn du mit einem Raumschiff fliegen müsstest? Und welches Ziel würdest du ansteuern?
Einen Bleistift, eine Zeitmaschine und ein Rückreiseticket. Sobald ich weg bin, wird das Zuhause der Ort meiner Sehnsucht.

Neben Kurzgeschichten hast du auch einen Roman geschrieben. Welche Textlänge sagt dir mehr zu?
In der SF reichen 50, 60 Seiten, um einen glaubhaften Weltenbau zu betreiben und eine Idee durchzuspielen. Der Roman gilt als "Königsdisziplin", aber ich denke, das wird überbewertet. Ich halte mich gerne an eine Aussage von Tomas Schmit, einem deutschen Konzeptkünstler, den ich sehr schätze: "Male kein Bild, wenn eine Zeichnung reicht. Mache keine Skulptur, wenn du die Aussage in ein Bild packen kannst."

Wenn ein Text beginnt, in einen Roman auszuufern, bin ich zunächst einmal skeptisch. Bekommt die Länge der Idee wirklich? Bin ich dem gewachsen? Dann schwirrt mir ein Satz durch den Kopf, den ich vor 45 Jahren aufgeschnappt habe ... Als pubertierender Junge kam ich mal in den Besitz eines Playboy-Magazins. Keine Ahnung, wie es dazu kam - an einem Kiosk habe ich es kaum erstanden, dazu war ich viel zu verklemmt und zu schüchtern. Der verstohlene Besitz entwickelte seine Nachhaltigkeit vor allem durch diesen besagten Satz, den ich nie mehr vergessen sollte: Zwischen den weiblichen Rundungen fand sich ein langes Interview mit Friedrich Dürrenmatt. Auf den Bildern konnte man verfolgen, wie er im Verlaufe des Gesprächs immer besoffener und seine Antworten zunehmend enthemmter wurden. Am Schluss setzte er zu einem umfassenden Kollegen-Bashing an, bei dem er einige deutliche und treffende Worte fand. Zu Günter Grass bemerkte er, der sei doch viel zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben.

Nun, das Nobelpreiskomitee hat Dürrenmatts unverfrorene Bemerkung zurechtgerückt … Ich allerdings überlege mir immer: Reicht mein Potenzial für 300 Seiten? Wenn nicht, wäre es anrüchig, den Lesern einige Stunden Lebenszeit zu stehlen.

Gibt es bei dir auch die berühmte Schublade für zukünftige Geschichten?
Sicher doch. Es ist ein ganzer Schubladenstock, eine Wand mit unzähligen kleinen Schubladen, voller Karteikarten, außen mit Zettelchen beschriftet, wie in einer alten Apotheke oder Eisenwarenhandlung. Das sind alles Geheimfächer, ich spreche nicht über zukünftige Projekte - aber so ganz unter uns kann ich mal drei zufällige Schubladen wählen und einen Spalt breit öffnen.

Was haben wir da? An den Frontseiten steht:


Zeitmaschinen
Zero-Gravity-Hubaggregate
Künstliche Intelligenz


Aha, ich sehe, ich habe drei Kästchen erwischt, die sich mit neuen Technologien beschäftigen. Wir SF-Autoren sind ja ganz begeistert von all den coolen Dingen, die noch erfunden werden. Ich möchte mir die Frage stellen, wie Technologien entstehen, wie sie sich von der Grundlagenforschung über kostspielige Anlagen in den Alltag der Menschen schleichen, zuerst als Luxusgüter, dann als billige Massenware. In der Ökonomie nennt man das den "Trickle-down-Effekt", der davon ausgeht, dass der Luxus der Reichsten nach und nach in die unteren Schichten durchsickert und irgendwann allen zugutekommt. Ich befürchte, das ist mehr eine billige Legitimation für den unverschämten Reichtum der sogenannten Innovatoren, deren Heilsversprechen vor allem den eigenen Kontostand beglückt, als ein tragfähiges Zukunftsmodell. Mich interessiert nicht so sehr die spezifische Technologie, die ist austauschbar, sondern unsere Erwartung an sie, und der Prozess, wie wir sie entwickeln, finanzieren und was sie schließlich mit uns macht.

Werfen wir einen Blick in die Kästchen:

  • Zeitmaschine













  • Zero-Gravity-Hubaggregate













  • Künstliche Intelligenz




Nachdem ihr wisst, was Tom schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
tom-turtschi.ch
wikipedia.org/wiki/Tom_Turtschi
hof3.com

Alle Bilder hat der Autor zur Verfügung gestellt.

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Caroline Hofstätter "Findungstag"

Evergreen Ray würde sich selbst nie als Glückskind bezeichnen. Tatsächlich ist sie vor dem, was andere mit Freude begrüßen würde, geflohen und lebt jetzt mit einer Tarnidentität in den Randbezirken Wiens im Jahr 2095. Das Netzwerk der Concordia-KI steuert die Geschicke der Menschen zu deren besten und eigentlich gibt es nichts, was nicht zu ihrem Wohl getan wird, bis auf ...
Um dieser KI auszuweichen, heißt Evergreen nicht mehr Evergreen und alle Menschen in ihrem jetzigen Leben wissen nicht, wer und vor allem, was sie ist. Doch als Vincent plötzlich schwer erkrankt, weiß Evergreen, dass Verstecken keine Option mehr ist und sie aus ihrer Deckung kommen muss jeglichen Konsequenzen zum Trotz.
Während Science Fiction mit ihren Dystopien oftmals eine niederschmetternde Zukunft aufzeigt, wirbt die Autorin bei dieser Geschichte (Teil eins einer Dilogie) damit, dass es sich um Science Fiction für Optimisten handelt. Doch wie setzt Caroline Hofstätter die Idee um?
Überwachung, KI, Überalterung und weitere Themen, die in anderen Werken oft nur von der negativen Seite beleuchtet werden, zeigt sie hier so, dass vieles davon auch positiv gesehen werden kann. Ein Miteinander zwischen Menschen, Technik und auch der Natur bilden die stabile Grundachse ihrer Geschichte, wobei man nicht den Trugschluss ziehen darf, dass alles gut ist. Denn das ist es nicht und wird es auch nie so sein. Ihrer Protagonistin wurde hinters Licht geführt und das über Jahre und ihre daraus folgenden Entscheidungen sind wahrlich nicht immer die besten, doch wenn man erkennt, was sie "vertickt", muss man ziemlich schmunzeln.
Unterstellt optimistische Science Fiction damit gleichzeitig auch eine gewisse Blauäugigkeit? Nein, denn Probleme sind Probleme und diese werden in der Geschichte genauso angegangen, wie es in anderen Büchern auch der Fall ist, aber mit Stil, Köpfchen und Fingerspitzengefühl.

5 von 5 MyComs

Die Autorin hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Freitag, 3. Mai 2024

Christian Endres "Maschinenwolf"

Werbung für den neuen Roman zu machen, kann die verschiedensten Formen annehmen. Teaser, Leseprobe, Buchtrailer ...

Doch wie fängt man die Szenerie der neuen Welt ein? Wie bekommt man die Lesenden dazu, der Handlung in die neue Welt zu folgen?

Indem man eine Kurzgeschichte schreibt!

Mit "Maschinenwolf" ist vierzehn Tage vor Veröffentlichung von "Wolfszone" eine Kurzgeschichte erschienen, die die Lesenden ab der ersten Seite in die Szenerie katapultiert.
Brandenburg, weit ab vom Schuss, ist in den Wäldern etwas erwacht, was so nicht geplant war.
Zwei junge Menschen versuchen Licht ins Dunkel zu bringen, denn natürlich gehen sie während der Nacht in den Wald. Es knirscht und knarzt und man ist froh, dass die Geschichte kurz ist, so muss man nicht zu lange den Atem anhalten.

Christian Endres legt mit "Maschinenwolf" eine 23-seitige Werbung vor, die einen sofort in den Bann zieht. Spannend und schnell geschrieben, fliegt man beim Lesen durch die Zeilen und zum Schluss ärgert man sich, dass man noch nicht weiterlesen kann. Chapeau, misterendres. ;-)


5 von 5 Wölfen 

Donnerstag, 2. Mai 2024

Autoreninterview Ellen Norten

Hallo zusammen.
Heute geht es mit der Autorin Ellen Norten weiter:

(Foto: Ellen Norten (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben war weder in meiner Kindheit noch in meiner Jugend meine Leidenschaft. Als ich 1989 beim Deutschlandfunk in der Redaktion „Forschung aktuell“ begann als Wissenschaftsjournalistin tätig zu werden, wurde mir klar, dass beim Radio nicht nur gesprochen wird, sondern dass dort auch Manuskripte, Moderationen etc. geschrieben werden müssen. So entwickelte ich schnell das nötige Handwerkszeug für eine präzise Sprache. Die Texte sollten publikumsnah gestaltet sein, durften aber als journalistische Texte keine Fantasie enthalten. Auch bei den Sachbüchern und Ratgebern, die ich später im Rahmen meiner Fernsehtätigkeit in der „Hobbythek“ beim WDR verfasste, war dies kaum möglich. Schreiben war damals für mich Broterwerb und gerade die Bücher mit ihren hohen Auflagen erfüllten diesen Zweck sehr gut. Das war im Verlag meines Mannes Hubert Katzmarz ganz anders. SF und Phantastik in einem Kleinverlag waren Liebhaberprojekte und warfen keinen nennenswerten Gewinn ab. Dennoch sah ich darin dass, was mich am Schreiben reizte, die Freiheit der Ideen, Themen und deren Umsetzung.
Erst nachdem ich meine journalistische Tätigkeit beendet hatte, schrieb ich meine ersten Geschichten. Dabei geisterte die Idee zum „langen Marsch der Wolkenkratzer“ seit ich 30 Jahre alt war in meinem Kopf herum. Nun war der richtige Zeitpunkt für mich gekommen, ich schrieb mit Lust und Liebe und
meine erste Story erschien in den Andromedanachrichten Nr. 235, 2011.


Du gibst den daedalos heraus. Erzähl doch ein bisschen darüber.
daedalos war das Projekt von Hubert Katzmarz und Michael Siefener, später auch von Andreas Fieberg. An dem Projekt klebte viel Herzblut und ich habe daedalos manchmal verflucht, wenn z.B. noch in der Silvesternacht die Exemplare am ozonproduzierenden Laserdrucker von Hubert unter Hustenanfällen ausgedruckt wurden. Dennoch liebte ich daedalos, mit seinen besonderen Geschichten.
Im Jahr 2010 kontaktierte mich Michael Haitel wegen meiner Nachlassrechte an Huberts Literatur. Es kam zu Einzelveröffentlichungen, später fungierte ich als Herausgeberin bei Huberts Gesamtwerk: „Schattenspiel“ (- Des Hubert Katzmarz´ gesammelter Werke erster Teil), AndroSF 23, und „Alptraumhaft“ – (Des Hubert Katzmarz’ gesammelter Werke zweiter Teil), AndroSF 24, beide p.machinery, Murnau, 2013 und viel später „Im Garten der Ewigkeit“ - Das Werk des Hubert Katzmarz: Texte und Fragmente, Außer der Reihe 75, p.machinery 2022.

Zwischen Michael Haitel und mir als Herausgeberin und Autorin entwickelte sich bald eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, die bis heute andauert und die immer wieder zu neuen Projekten führt. So entstand zunächst eine Art best off; daedalos 1994 – 2002 – Eine literarische Reise durch den “Story Reader für Phantastik“, herausgegeben von Michael Siefener und mir bei p.machinery
2018. Michael Siefener und Andreas Fieberg, die engsten Freunde von Hubert, waren auch meine Freunde und so beschlossen wir, daedalos fortzuführen – nach 20 Jahren erschien nun Nr. 13, auch unter meiner Redaktion. Das erste Heft trieb mir die Tränen in die Augen, führten wir doch das fort, was Hubert mit Michael konzipiert hatte und was ihm so wichtig gewesen war, nämlich phantastische Geschichten der feinsten Art. Dazu kommt in jede Ausgabe eine meist wenig bekannte alte Geschichte in der Tradition der Phantastik, die ggf. aus dem englischen von Michael übersetzt wird.


Ich habe mir sagen lassen, dass deine Geschichten gerne von Parasiten bevölkert sind. Stimmt das? ;-)
Und wie. Ich fühle mich ja von je her von Schmarotzern fasziniert und Parasiten in Insekten und ihr bizarres Liebesleben waren Gegenstand meiner Studien. Da ich nachhaltig Ideen verfolge, lieferte der Schmarotzer meiner Doktorarbeit (Vairimorpha spec., Mikrosporidie) die Vorlage zu meinem Cartoon Band „Mein süßer Parasit“, den ich sowohl gezeichnet als auch in der Tradition von Wilhelm Busch gedichtet habe. Tatsächlich war auch der echte Parasit harmlos und richtete kaum Schaden an. Der Wirt ist im Buch aber eine Mischung aus Kakerlake und Bierfass. Letzteres verdeutlicht auch für den Laien den Begriff Wirt, da fließen Ideen aus meiner wissenschaftsjournalistischen Zeit mit ein. Und natürlich werden bei mir auch in Zukunft Parasiten eine Rolle spielen, doch manchmal weise ich sie in ihre Schranken, man soll nichts übertreiben.

Welche Geschichte liegt am längsten unveröffentlicht in deiner Schublade?
Ich habe ein paar Gedichte und Texte, die ich als Poetryslam geschrieben habe. Die gibt es bisher nicht in gedruckter Form und dann natürlich die, an denen ich arbeite und die noch unvollendet sind. Aber ich habe einen Roman über meine Familie väterlicherseits geschrieben, der sich über vier Generationen hinzieht und stark von Gelsenkirchen und dem Haus, indem meine Verwandten und ich selbst gelebt haben geprägt ist. Da gibt es zwar ein paar winzige fantastische Elemente, wie etwa den Fluch, der auf dem Haus liegt, aber der Roman behandelt die enorme Zeitspanne am Beispiel meiner zerstrittenen Familie und ihrem Leben im Ruhrgebiet. Es gibt authentische Kriegserlebnisse und natürlich große Emotionen, die in einer unerfüllten Liebe gipfeln. Ich suche noch einen geeigneten Verlag, in den dieses Buch passen könnte.

Wie sieht dein perfekter Schreibtag aus?
Den gibt es nicht, weil ich nicht plane und meine Tage recht unterschiedlich verlaufen. So verbringen mein Mann Zaubi M. Saubert und ich fast die Hälfte des Jahres in unserem Wohnmobil, manchmal in Deutschland, meist aber im Ausland mit so spektakulären Reisezielen wie Georgien oder Marokko. Da denke ich manchmal nicht ans Schreiben oder es ist genau umgekehrt. Die tolle Umgebung, die neuesten Eindrücke triggern bei mir den Schreibfluss und die Kreativität an und ich schreibe dann mehrere Stunden.

Für welches Genre hast du noch nicht geschrieben und möchtest du das ändern?
Seichte Liebesgeschichten und Literatur ohne Ecken und Kanten liegen mir nicht. Ich lasse meine überbordende Fantasie schießen, dabei interessiert mich beim Schreiben nicht in welches Genre dies zuzuordnen wäre. Mein Roman „Jamila tanzt!“ (Magische Science-Fiction, AndroSF 174, p.machinery, 2023) kann sicher mehreren Genres zugeordnet werden. Ich bin ein Mensch, der sehr stark den eigenen Eingebungen folgt und wenn mir tatsächlich mal nach einer kitschigen Liebesgeschichte zu Mute sein sollte, dann schreibe ich sie unabhängig von dem, was ich zuvor geäußert habe. Allerdings könnten die beiden Protagonisten dann Parasiten sein, das wäre doch originell, ein heiß verliebtes Schmarotzerpärchen. Das käme meiner heiteren Wesensart entgegen.

Was erscheint als Nächstes von dir?
Vermutlich wird es „Der Krokus“ in der Anthologie C.R.E.D.O., herausgegeben von Rainer Schorm und Karl-Ulrich Burgdorf bei p.machinery sein. Dabei geht es um religiöse Themen in SF und Phantastik und bei mir um einen gläubigen Alien.
Im nächsten daedalos bin ich mit einer unheimlichen Geschichte vertreten, die durch meinen Besuch in Batumi inspiriert ist und im Moment schreibe ich an einer Story über KI für das Conbuch für den Elstercon im September 2024. Die anderen Projekte sind noch nicht spruchreif. Aber manchmal treibe ich mich auch ganz woanders herum, so wird „Einfach Nudeln“ in Margit Kruses Ruhrgebietskochbuch erscheinen. Das wird sicher ein originelles Buch, ich habe aber noch keine näheren Daten.


Nachdem ihr wisst, was Ellen schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
wikipedia.org/wiki/Ellen_Norten
facebook.com/ellen.norten

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

Mittwoch, 1. Mai 2024

Ben Kryst Tomasson "Sylter Rivalen"

Zum neunten Mal verschlägt es Kari Blom auf die Insel Sylt, wenn auch eher ungewollt.
Denn eigentlich ist sie mit ihrem Mann Jonas in Elternzeit und will sich nur auf Lotta konzentrieren, da wird Jasper, Jonas Sohn, festgenommen. Die Umstände könnten nicht komplizierter sein und so fahren Kari und Jonas anfangs unabhängig voneinander zurück auf die Insel. Während Kari immer eine Betreuung, meist in Form der Häkelmafia, für Lotta organisieren muss, versucht Jonas sich um Jasper zu sorgen, doch seine Verwandtschaft macht eine Ermittlung schwierig und seine Elternzeit-Vertreterin zeichnet sich nicht durch Kooperation aus.

In der Reihe um Kari und Jonas ist dies wohl der persönlichste Fall. Nicht nur die Sorge um das Neugeborene steht im Vordergrund, sondern vielmehr rücken Jonas Kinder mit in den Mittelpunkt des Interesses. Dabei steht wie immer die Kritik an so manch Sylter Sitte ebenso zur Diskussion, sowie manch andere gesellschaftliche Kritik. Mit seiner Vielschichtigkeit an Problemen und damit auch der Anzahl an vermeintlichen Tätern, ist der Krimi sehr diffizil strukturiert, was manche Längen, in denen die Spannung kurzzeitig ins Straucheln gerät, kompensiert.

Gerade dieser Fall greift viele Ereignisse aus früheren Bänden auf, was in meinen Augen dazu führt, dass man die vorherigen Bände lesen sollte, um die Beziehungen zwischen den Charakteren besser verstehen zu können.
Der eigentliche Fall lässt sich ohne Vorkenntnisse lesen, doch wie in so manch anderer Krimireihe, ist es auch die Geschichte des Kommissars und der Undercover-Ermittlerin, die man chronologisch kennenlernen sollte.

4 von 5 Speedbooten