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Sonntag, 30. April 2023

Shaun Bythell "Neue Bekenntnisse eines Buchhändlers"

Kann man in einem zweiten Band über einen Buchladen noch irgendetwas Neues erzählen?
Im Grunde genommen nicht, denn jeder Leser, der im Einzelhandel arbeitet, weiß, dass sich die Gespräche immer wieder um das Gleiche drehen, quasi "Täglich grüßt das Murmeltier" reloaded.
Und doch sprüht auch der zweite Teil von Shaun Bythell vor Charme und der Liebe zum lokalen Buchhandel. Dabei ist es das tägliche Leid, den Menschen zu erklären, dass er nicht alle Bücher dieser Welt in seinem Buchladen vorrätig haben kann und dass es nicht sein Verschulden ist, wenn Bücher in der falschen Abteilung stehen. Denn ob man es glaubt oder nicht, Leser sind auch nur Menschen und Menschen verhalten sich in den seltensten Fällen perfekt. Somit landet ein Buch, das man vor der Kasse doch auf einmal nicht zu kaufen wünscht, irgendwo in einem falschen Regal. Was natürlich zu Diskrepanzen führt, wenn gerade dieses Buch online bestellt wird und es nicht an seinem vorgesehenen Platz weilt.
Weiterhin muss man sich auch nicht über die Logik den Kopf zerbrechen, dass der Onlinebesteller gerne 20 Pfund für den Versand zahlt, aber bei dem Preis für das Buch gerne um das eine Pfund feilscht.
Da fragt man sich als Leser doch das eine oder das andere Mal, warum tut man sich das jeden Tag an? Und steht selbst am nächsten Tag wieder auf und geht der eigenen Arbeit nach.
Da das Buch als Tagebuch verfasst ist, kann man sich das Lesen sehr gut einteilen und mal nur einige Tage und dann auch mal einen ganzen Monat am Stück lesen, weil man ohne Weiteres den Faden des Buches wieder aufnehmen kann.
Immer mit einem Augenzwinkern geschrieben, muntert es den Leser auf, da es zeigt, auch in unserem vermeintlichen Traumberuf wird nur mit Wasser gekocht und jeder Job hat seine Tücke.
Und wen es noch interessiert, man muss den ersten Band nicht gelesen haben, um Band zwei lesen und herzhaft lachen zu können.

5 von 5 Buchhändlern

Friedhelm Schneidewind "Brennende Labyrinthe"

In der heutigen Zeit, in der nahezu jeder meint, er könne schreiben, ist es schwer, wirkliche Erzähler zu finden. Damit meine ich nicht diejenigen, die einen geraden Satz formulieren und sich eine fehlerfreie Geschichte ausdenken können, vielmehr denke ich an die großen Erzähler aus der Vergangenheit, die durch 1001 Nacht in unseren Gedächtnissen verankert sind. 
Geschichten, die sich um fremde Welten drehen und dabei so ineinander verzahnt sind, dass es eine Freude ist, die kleinen Querverweise zu entdecken und sie als großes Ganzes zu betrachten. 
Eine weitere Kunst ist es in meinen Augen, die verschiedenen Genres in gleicher Güte und Qualität bedienen zu können, dass man dem Erzähler anmerkt, dass er sich in vielen Welten heimisch fühlt und er das über seine Erzählungen an den Lesenden heranträgt.
"Brennende Labyrinthe - 100 Miniaturen zwischen Mythos und Zukunft" von Friedhelm Schneidewind führt vor Augen, was ich zu Anfang erörtert habe. In 100 Geschichten erzählt der Autor über die unterschiedlichsten Welten, sei es Vampirismus in mehreren Jahrhunderten, die Entwicklung der Kriminalpolizei in der Zukunft oder gar eine Reinkarnation von Karl May, all diese Erzählungen fasst der Autor in dem Band zusammen. Untermalt mit einzelnen Covern der Phantastischen Miniaturen sowie mehreren Liedtexten zeigt Friedhelm Schneidewind zu welcher Bandbreite ein sehr guter Erzähler fähig sein kann. Er lässt sich nicht in das Korsett eines Genres oder einer Ausdrucksform pressen und beweist dadurch, wie breit das Spektrum eines Autor zu sein vermag.
Alle Geschichten haben auch in der bewusst gewählten Kürze einen großen Unterhaltungscharakter und bei mehrteiligen Erzählungen gelingt es ihm, ohne großartige Wiederholungen der Lesenden wieder in die jeweilige Welt zurückzuführen. 
Ein Autor, dessen Geschichten man gerne liest und die einem als Schreiberling zeigen, zu was man als Autor in der Lage sein kann.

5 von 5 Miniaturen

Zeitschrift des Monats "Baker Street Chronicle"

Zumeist sind es Bücher, die einem als Leser ins Auge springen, dabei gibt es wahrlich viele andere Möglichkeiten an Texte, Berichte und Geschichten zu kommen. Dieses Jahr nehme ich euch einmal im Monat in die Welt der Zeitschriften mit. Die Zeitschriften umfassen die verschiedenen Genres wie Krimis, Fantasy, Science-Fiction oder bilden ein buntes Crossover. Von Printausgaben über Downloads, von kostenlosen Exemplaren bis hin zum Hochglanzmagazin ist so manches dabei, was das Leserherz höher schlagen lassen kann. So genug der Einleitung, schauen wir uns die vierte Zeitschrift an:


Name: Baker Street Chronicle
Turnus: vierteljährlich
Preis: Einzelausgabe 5,70 Euro - Abopreis 26,00 Euro
Bezugsadresse: sherlock-holmes-gesellschaft.de/product-category/baker-street-chronicle/
Seitenumfang: 36 - 44 Seiten


Bei dem Baker Street Chronicle handelt es sich um die Zeitschrift der Deutschen Sherlock Holmes Gesellschaft, womit thematisch der Schwerpunkt der Zeitschrift ergibt.
Alle Beiträge drehen sich um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes. 
Wer sich bereits ein bisschen mit Sherlock Holmes, Arthur Conan Doyle und der Entstehung der Kriminalromanen oder auch Kurzgeschichten befasst hat, weiß, dass dies vielleicht eine kleine, aber durchaus feine Nische der Literatur ist, bei der es immer wieder Neues zu entdecken gilt.

Da Arthur Conan Doyle mit seiner Figur Sherlock Holmes ein Vorreiter der Kriminalistik war, treffen in dieser Zeitschrift die verschiedensten Artikel aufeinander:
Es gibt kurze Pastiches, Rezensionen, Empfehlungen zu Neuerscheinungen oder auch Veranstaltungen. Des Weiteren gibt es Beiträge über Fernsehadaptionen und deren Schauspieler, sowie Sachtexte, wie Sherlock Holmes die Welt beeinflusst hat (und das hat er mehr getan, als die meisten Leser vermuten würden). Unterstrichen mit Illustrationen, gedruckt im Format einer Zeitung mit dickem Papier und lediglich einzelnen farblichen Highlights, ist die Zeitung auch etwas für das Auge und das nostalgische Gefühl. Wer sich für Sherlock Holmes, das Viktorianische Zeitalter oder die Entstehung der modernen Krimis interessiert, liegt mit dieser Zeitschrift goldrichtig.

Hier geht es zur Webseite: sherlock-holmes-gesellschaft.de/product-category/baker-street-chronicle/

Die letzte Ausgabe erschien im März 2023.

Samstag, 29. April 2023

T. A. Willberg "Der Mitternachtsmord"

In den Tiefen Londons gibt es Orte, von denen selbst die Polizei und der MI5 nichts ahnt. Und das ist auch gut so. Denn die Menschen, die an diesem Ort Hilfe suchen, sind verzweifelt. Die Polizei kann oder will nicht helfen, also müssen die Menschen das Briefkastensystem von Miss Bricketts Detektei nutzen, damit ihre Fälle bearbeitet werden.
Doch die Tiefen tragen nur bedingt dazu bei, dass sich dort die richtigen Menschen aufhalten. Ein wahrlich ausgeklügeltes Akquirierungssystem soll die bestmöglichen Auszubildenden in jeder Altersklasse auswählen, doch der Neid macht auch vor den Labyrinthen unterhalb von London nicht halt. Somit es eigentlich nur eine Frage Zeit, wann auch zwischen den Ermittler Zwietracht entsteht und der oder in diesem Fall die erste Schnüfflerin für ihre Neugier büßen muss.
Man sagt zwar immer, man kann ein Genre oder auch einen Plot nicht neu erfinden und doch ist dieses Buch ganz nah daran. Gekonnt wird aus der Perspektive von Marion Lane, Auszubildende bei Miss Bricketts Detektei, erzählt und beim Lesen erfährt man, wie die Protagonistin selber, nach und nach, was  für Missstände und Geheimnisse es in der Detektei gibt. 
Natürlich gibt es bekannte Elemente, die an z.B. Harry Potter und ähnliche große Werke erinnern, doch schafft es die Autorin mit einer Prise Humor und dem Geheimdienstalltag eine gänzlich andere Atmosphäre aufzubauen und sie durchgängig bis zum Ende des Buches zu halten. Die Figuren sind nicht alle schwarz und weiß - das Grau dominiert in langen Passagen das Buch, welches schon von der ersten Seite ein Suchtpotential auslöst. Spannend und doch einfühlsam geschrieben, wirkt es einer Parallelwelt entsprungen zu sein, in der alles möglich scheint, wenn man es denn überlebt.

4,5 von 5 Spitzeln

Donnerstag, 27. April 2023

Herausgeberinneninterview Mörderische Schwestern Hamburg

Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einer interessanten Autorin gemacht und habe gleich zwei gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte.

Die Herausgeberinnen Franziska Henze und Anke Küpper - Regioschwestern Hamburg der Mörderischen Schwestern - haben bereits mit ihrer ersten Anthologie "Tatort Nord" auf sich aufmerksam gemacht. Am Dienstag erschien der zweite Band ihrer Anthologie, welche sie wieder zusammen mit Yvonne Wüstel herausgegeben haben. Trotz des Trubels rund um die Veröffentlichung hatten Franziska und Anke ein wenig Zeit für ein kurzes Interview.

Herausgeberinnen Franziska Henze und Anke Küpper
mit Yvonne Wüstel (Foto der Herausgeberinnen)


Die erste Anthologie "Tatort Nord" und auch die dazugehörige Lesereise hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Habt ihr mit einem solchen Erfolg von Anfang an gerechnet?
Wir haben natürlich gehofft, dass so viel Mörderische-Schwestern-Power auf einmal wie in „Tatort Nord“ sich gut verkauft. Aber wie gut, dass hat uns tatsächlich überrascht – genauso wie der große Erfolg unserer Ladies Crime Nights, bei denen wir alle aus der Anthologie gelesen haben. Die Ladies Crime Night ist übrigens das besondere Lesungsformat der Mörderischen Schwestern: Dabei lesen 5 bis 8 Autorinnen jeweils für eine festgelegte Anzahl an Minuten aus ihrem Krimi. Ist die Zeit abgelaufen, ertönt ein Schuss und die Autorin muss abbrechen. Die nächste Lesende betritt die Bühne. Damit die Zuschauer:innen erfahren können, wie die jeweilige Geschichte weitergeht, muss es das dazugehörige Buch am Schluss zu kaufen geben.

Wie kam es zu der Anthologie?
Der ursprüngliche Gedanke war, bislang unveröffentlichten Schwestern die Chance auf eine Veröffentlichung zu bieten, so dass sie auch bei unseren Ladies Crime Nights mitmachen können. So kamen wir gemeinsam mit unserer Mitherausgeberin Yvonne Wüstel auf die Idee, eine Anthologie mit Kurzkrimis von erfolgreichen Autorinnen und Debütantinnen herauszugeben. Wir waren sehr glücklich, dass wir HarperCollins von unserer Idee überzeugen konnten.

Wie schnell habt ihr euch entschieden, dass es einen zweiten Band geben wird?
Kurz vorm Erscheinen von Band 1 hat der Verlag uns drei Herausgeberinnen gefragt, ob wir einen zweiten Band herausgeben möchten. Wir haben uns unglaublich gefreut – und sofort zugesagt!

Ohne in das Inhaltsverzeichnis zu sehen, wie viele Autorinnen aus dem ersten Band sind auch wieder im zweiten vertreten?
13? (Anke)
11? (Franziska)

Habt ihr als Herausgeberinnen eine Lieblingsgeschichte in der jeweiligen Anthologie und verratet ihr, welche es ist?
Anke: Grundlegend gefallen mir alle Geschichten, sonst wären sie nicht im Buch. Ich habe auch eine Lieblingsgeschichte, möchte das aber lieber nicht so öffentlich sagen 😉

Franziska: Ich habe in beiden Anthologien eine Lieblingsgeschichte, verrate die aber auch nicht :-) Übrigens habe ich auch bei den Lesungen Lieblingsgeschichten, denn wenn eine Geschichte live von der Autorin vorgetragen wird, erzeugt das nochmal eine ganz andere Spannung. 

Plant ihr eine weitere "Tatort Nord" Anthologie?
Wir wären dabei, aber das hängt ja nicht nur von uns ab …

Wenn ihr die Wahl hättet: Wo würdet ihr mit "Tatort Nord 2" am liebsten eine Lesung halten?Anke: Es sind schon wieder viele tolle Ladies Crime Nights und Lesungen geplant, auf die ich mich sehr freue. Die Termine stehen alle auf unserer Homepage www.tatortnord.de.  Aber dazu noch eine Ladies Crime Night beim Hamburger Krimifestival auf Kampnagel – das wäre großartig! 

Franziska: Ich würde unheimlich gern mal im Schauspielhaus Hamburg lesen, man darf ja träumen. 


Nachdem ihr wisst, was Anke und Franziska schreiben und herausgeben, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
www.tatortnord.de
https://www.moerderische-schwestern.eu/wer-wir-sind/regiogruppen/

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Donnerstag, 20. April 2023

Herausgeberinterview Kai Focke

Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte.
Kai Focke hat vor einiger Zeit bereits Fragen zum Schreiben und dem Autorendasein beantwortet. Nun arbeitet er mit Sabine Frambach zum 50-jährigen Bestehen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg an einer Anthologie. Der richtige Zeitpunkt, ihm erneut ein paar Fragen zu stellen.



Wie bist Du darauf gekommen zum Jahrestag der Hochschule eine Anthologie herauszugeben?
Letztlich ausschlaggebend war das anstehende Hochschuljubiläum meines Arbeitgebers. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) feiert am Standort Mannheim im Oktober 2024 ihr 50-jähriges Jubiläum. Durch die Kooperation zwischen DHBW und der Phantastischen Bibliothek Wetzlar (PBW) im Rahmen von Future Life habe ich eine Art „Zukunftsreflex“ entwickelt. Bevor ich diesen erkläre, sollte ich jedoch kurz auf Future Life und die PBW eingehen. In Wetzlar befindet sich nämlich die größte und in ihrer Vollständigkeit einzigartige Sammlung deutschsprachiger phantastischer Literatur mit inzwischen über 300 000 Titeln. Die Sektion Future Life erstellt auf der Basis der dortig vorhandenen Science-Fiction-Literatur Zukunftsszenarien für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen innerhalb eines etwa 20 bis 30 Jahre umfassenden Zeitraums. Im Hinblick auf unser Hochschuljubiläum stellte sich mir vor diesem Hintergrund reflexartig die Frage, wie wohl der Hochschulalltag am Standort Mannheim in 25 Jahren aussehen könnte. Das Jubiläum bot hierzu eine ideale Gelegenheit: einerseits ein Rückblick auf 50 Jahre Hochschulgeschichte, andererseits der Blick in die Zukunft. 25 Jahre fokussieren hierbei einen zeitlichen Abstand, dessen zukünftige Ereignisse aus heutiger Sicht zwar spekulativ sind, sie bewegen sich jedoch noch in einem – im Sinne von realistischen Einschätzungen – vertretbarer Rahmen. So hat in diesem Fall ein vergangenheitsbezogenes Jubiläum den Blick in die Zukunft angeregt.

Wie unterscheidet sich die Arbeit an dieser Anthologie zu den den vorigen?
Bei den beiden vorherigen Anthologien, die ich gemeinsam mit Sabine Frambach herausgegeben habe, herrschten andere Rahmenbedingungen. Staubkornfee trifft Ich-Maschine (2021 bei p.machinery erschienen) ist eine Auswahl-Anthologie, bei der wir aus den ersten 30 Bänden der Phantastischen Miniaturen – eine Kürzestgeschichten-Reihe, die von Thomas Le Blanc, dem Gründer und Leiter der Phantastischen Bibliothek Wetzlar herausgegeben wird – eine Zusammenstellung bereits erstveröffentlichter Texte erarbeitet haben. Es ging uns hierbei nicht nur darum, das breite und facettenreiche Spektrum der Phantastik aufzuzeigen, sondern eine Anthologie zu schaffen, die Genre-Neulingen einen einfachen Einstieg in diese faszinierende Literaturgattung ermöglicht. Türen, Tore & Portale (2022 bei p.machinery erschienen) besteht hingegen ausschließlich aus eigenen Texten, also Kurz- und Kürzestgeschichten, die Sabine und ich speziell für diese Anthologie verfasst haben. Hochschule der Zukunft im Jahr 2049, so der Arbeitstitel, ist wiederum an eine offene Ausschreibung geknüpft, an der sich jeder beteiligen kann. Sämtliche Informationen zur Ausschreibung und zur Anthologie können über den Short-Link www.mannheim.dhbw.de/anthologie2049 abgerufen und heruntergeladen werden. Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2023. Daher gilt: Wer eine kreative Idee hat, möge in die Tasten klopfen!

Bereits zwei Anthologien hast Du herausgegeben. Gibt es Dinge, bei denen Du schon eine Routine entwickelt hast oder ist immer alles neu?
Jede Anthologie ist etwas Einzigartiges, hat ihre eigenen Reize und Herausforderungen. Bei Staubkornfee trifft Ich-Maschine galt es, einen bestehenden Kanon an Texten zu sichten, nach Genres zu systematisieren und – vor dem Hintergrund der Zielgruppe der Genre-Neulinge – dahingehend zu beurteilen, ob jemand, der noch nichts mit phantastischer Literatur zu tun hatte, mit diesen Kurzgeschichten etwas anfangen kann. So mussten Sabine und ich schweren Herzens äußerst ​gelungene Texte zur Seite legen. Diese enthielten beispielsweise Anspielungen auf klassische Werke der Phantastik, deren Kenntnis zwar bei Fans des Genres vorausgesetzt werden konnten, jedoch nicht bei Genre-Neulingen. Wenn diese Anspielungen für das Textverständnis zentral waren, dann konnten wir diese Geschichten nicht aufnehmen. Unbeschadet dessen sammelt man Erfahrungen bei der Textauswahl. Ich gehe davon aus, dass Sabine und mir diese Routine helfen wird, die hoffentlich zahlreichen Einsendungen zu Hochschule der Zukunft im Jahr 2049 schneller zu sichten und zu systematisieren.

Was muss eine Kurzgeschichte für diese Anthologie mitbringen, um Dich zu überzeugen?
Eine sehr gute Frage, die schwierig zu beantworten ist. Selbstverständlich muss die Kurzgeschichte die formalen Kriterien der Ausschreibung erfüllen – Umfang, Genrezugehörigkeit et cetera – daneben aber auch inhaltlich überzeugen. Da es leider kein Backrezept für einen gelungenen Text gibt, muss ich bei meiner Antwort leider bis zu einem gewissen Grad vage bleiben. Zunächst sollte ein in sich geschlossener Handlungsstrang in der Kurzgeschichte erkennbar sein, was jedoch keinesfalls heißt, dass deren Ende nicht offen sein darf. Das Publikum mit einem offenen Ende zu konfrontieren ist zulässig, jedoch sollte die Offenheit bis zu einem Punkt gehen, an dem man sich sinnvoll die möglichen Alternativen vor Augen führen kann. Klassisches Beispiel ist das moralische Dilemma. Der Protagonist steht vor einer Entscheidung, die in beiden Fällen negative Konsequenzen hat. Sprich: Drückt er „den Knopf“ oder nicht. Neben dem geschlossenen Handlungsstrang sollte das Ende pointiert sein, wobei ich das eben Gesagte – also ein sinnvolles offenes Ende – mit einschließe. Mein persönliches Verständnis einer Pointe ist weit gefasst. Sie muss nicht witzig oder schreiend komisch sein, sie kann auch tiefgründig sein, zuvor in diesem Zusammenhang nicht gestellte, aber naheliegende Fragen aufwerfen oder moralisch herausfordernd sein. Last but not least: Der Bezug zur Near Future Science-Fiction der Hochschule der Zukunft muss gegeben und kreativ bearbeitet sein. Hierzu gibt es zahlreiche Anregungen im Ausschreibungstext, die ich hier nicht alle aufzählen kann. Ein Beispiel möchte ich – vor dem Hintergrund der aktuellen Chat-Bot-Diskussion – dennoch nennen:    
Wie werden zukünftig die Leistungen von Cyborgs bei Hochschulprüfungen bewertet? Wird es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben, also einerseits Personen, die sich technisch erweitern, also zu Cyborgs werden, und andererseits Personen, für die diese Option – sei es aus gesundheitlichen oder religiös-weltanschaulichen Gründen – nicht in Frage kommt? Wie werden dementsprechend faire Prüfungen gestaltet?
Und nun: Wie kann hieran eine Kurzgeschichte anknüpfen? Vielleicht muss eine Hochschullehrerin „ermitteln“, weil sich ein Cyborg als „natürlicher Mensch“ ausgegeben hat, um sein Prüfungsergebnis durch das Ablegen der vermeintlich normalen Prüfung zu verbessern. Doch im Zuge ihrer Ermittlungen stößt die Hochschullehrerin auf einen völlig unerwartetes Detail, nämlich ... Habe ich schon erwähnt, dass sich Sabine und ich riesig auf die Einsendungen der Kurzgeschichten freuen?


Daraus ergibt sich logischerweise die Gegenfrage: Welche Kurzgeschichte fällt bei Dir durch?
Zunächst einmal Kurzgeschichten, die dies nicht erfüllen. Hinzu kommt – und das ist die Ungerechtigkeit, mit der die schreibende Zunft stets konfrontiert ist –, dass selbst ein Text, der alle Voraussetzungen mitbringt unter Umständen nicht zum Zuge kommt. Wie kann das sein? Einerseits kann der Text einem anderen Text, der vielleicht nur um Nuancen besser ist, inhaltlich stark ähnelt. Eine Anthologie darf dem Publikum nicht zwei stark ähnlichen Storys präsentieren. Der Text ist, trotzdem er gut ist, dann leider raus. Andererseits kann es sein, dass der Text zwar brillant ist, aber nicht die Zielgruppe der Anthologie trifft; entweder weil die thematische Bearbeitung exzeptionell ist, dass ein breites Publikum nichts anfangen kann oder weil der Text nur von einer Leserschaft verstanden werden kann, die mit Science-Fiction tiefgehende Erfahrungen haben. Ich hatte dies in ​deiner dritten Frage kurz angerissen. Beispielsweise haben sich Sabine und ich bei der Zusammenstellung der Auswahlanthologie Staubkornfee trifft Ich-Maschine    gegen eine durch und durch gelungene phantastische Kurzgeschichte entscheiden müssen, da diese nicht nur die Kenntnis vom Werk des Schriftstellers Ambrose Bierce sondern auch von dessen Leben zu deren Verständnis voraussetzte. Ohne diese Informationen waren Plot und Pointe unverständlich. Damit würde man einen breiten Teil der Leserschaft irritieren. Zudem gilt die alte Weisheit: Der Platz zwischen zwei Buchdeckeln ist leider begrenzt.


Nachdem ihr wisst, was Kai schreibt und herausgibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
literaturfragmente.com

Und hier geht es direkt zur Ausschreibung:
Dhbw Mannheim - Anthologie "Hochschule der Zukunft im Jahr 2049"

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Dienstag, 18. April 2023

Gernot Schatzdorfer "Der Lindwurmplanet"

Wenn vier Menschen auf einem fremden Planeten landen und ihr Mutterschiff sie nach der Landung nicht mehr aufnehmen kann, ist es ...
Ein Super-GAU?
Eine Chance?
Oder vielleicht doch eher etwas dazwischen?
Denn wie der Titel vermuten lässt, sind die Bewohner des Lindwurmplaneten, freundliche und interessierte Wesen, zumindest jene, auf die Anne, Andreas, Mira und Urs treffen. Doch was passiert, wenn man auf einem zwar erdähnlichen aber dennoch fremden Planeten landet?
Es gibt dort, wie sollte es auch anders sein, nicht nur die Lindwürmer, somit müssen sich die vier auch ohne ihr Mutterschiff Albert Einstein selbst verteidigen und sich den Gegebenheiten vor Ort anpassen.

Das Buch ist mit knapp 200 Seiten, ein Buch, das den Leser in eine Welt entführt, in der nicht plakativ die Menschen gut und die Aliens böse sind. Vielmehr zeigt die Geschichte, wie sehr sich verschiedene Spezies unerwarteterweise ähneln können und das ein gemeinsames Ziel für das Arbeitsklima sehr zuträglich ist.
Doch auch das reine menschliche Wesen nimmt in der Geschichte einen großen Stellenwert ein. Denn was passiert, wenn vier Menschen allein auf einem fremden Planeten landen und die Gefühle in jeglicher Art hochkochen?
Ohne großartigen technischen Schnick-Schnack bilden Beziehungen, Gedanken und Gespräche das Gerüst für die Erzählung. In den entscheidenden Situationen wird das eine oder andere technisch erläutert, sodass sich dem Leser die vielschichtigen Probleme bei einer Erstlandung  erschließen.
Eine abwechslungsreiche Geschichte, die sich von dem eingefahrenen Plot "böser Alien - guter Mensch" distanziert und zeigt, dass ein Zusammentreffen der Arten sehr unterschiedlich verlaufen könnte.

4 von 5 Planeten

Danke an pmachinery.de für das Rezensionsexemplar

Sonntag, 16. April 2023

Wolf September "Hunter B. Holmes"

Als DI bei Scotland Yard zu arbeiten, wenn man den Namen Holmes trägt, birgt nachweislich eine gewisse Ironie. Witze sind daher an der Tagesordnung und doch gibt der Erfolg DI Hunter B. Holmes recht. Sein Ruf eilt ihm voraus und so ist es er, der den Fall an der Uni übernimmt. Ein Professor ist unter mysteriösen Umständen gestorben und es ist an Hunter zu klären, was geschehen ist.
Während Hunter schnell Bekanntschaft mit dem Leiter der Uni macht, ist es an Hunters neuem Partner David Roberta auf den Gängen von Scotland Yard anzuschmachten.
Gefühle spielen in dem ersten Band um den Ermittler Hunter B. Holmes in jeglicher Form eine große Rolle. Anziehung, Bedrohung, Unterdrückung, Zurückweisung, viele der menschlichen Spielarten kommen auf den gerade einmal knapp 200 Seiten zur Geltung. Dabei ist es wie so oft, dass der erste vermeintlich offensive Schein trügt und der Lesende in die eine oder andere Falle tappt. 
Gepaart mit einer gehörigen Portion Witz, ist der Fall zwar tragisch, doch merkt man ihm seine Zugehörigkeit zum cosy crime an. 
Vor dem Hintergrund der Universität zeigt sich auch, wie abhängig die Menschen in vielen Situationen des Alltages voneinander sind und wie leicht oben genannte Gefühle verletzt werden können.
Ein cosy crime mit dem gewissen Etwas, der anderen cosy crime Fällen in nichts nachsteht.
Ob Sherlock Holmes diese Geschichte allerdings gemocht hätte, das bleibt ungeklärt.

3,5 von 5 Studienfächern

Freitag, 14. April 2023

Reiner Lehberger "Auf einen Kaffee mit Loki Schmidt"

Dass es sich bei einem Kaffee über die vielfältigsten Themen reden lässt, zeigt dieses kleine aber durchaus feine Buch.
Auf gut 200 Seiten reden Loki Schmidt und Reiner Lehberger über die unterschiedlichsten Themen und zeigen, was es bedeutet, wenn ein Mensch ein ereignisreiches Leben führt. Als Kind den Krieg erlebt, bei der großen Flut in Hamburg gewesen, hat sie sich neben ihrem Mann immer wieder ihre eigenen Aufgabenbereiche zusätzlich zu ihrem Job als Lehrerin gesucht. An Expeditionen hat sie teilgenommen, sich für den Naturschutz stark gemacht und trotzdem hat sie auch die Zeit gefunden, ihren Mann in der Bonner Zeit zu unterstützen und ganz nebenher noch ihre eigenen Bücher zu schreiben.

Loki Schmidt hat ihre Meinung und diese tut sie in dem als Interview verfassten Buch mehrfach kund. Natürlich merkt man ihr die Politikerzeit an und nie vergreift sie sich im Ton und doch schwingt ihre Meinung in jeder einzelnen Antwort mit.
Das Buch ist dabei natürlich auch ein Zeitdokument. Vieles hat Loki Schmidt miterlebt und kann aus erster Hand berichten, was wir uns in der heutigen Zeit nicht einmal ansatzweise vorstellen können.
Man lernt beim Lesen viel. Viel über Deutschland nach dem Krieg, viel über das Leben. Dabei erhebt Loki Schmidt nie den Zeigefinger, sondern es ist, wie sie es selbst an einer Stelle so schön sinngemäß sagt, man gilt als arrogant, nur weil man weiß, dass man recht hat.

Eine bemerkenswerte Frau. Das Buch bietet einen schönen Einstieg in ihr Leben und in die Geschichte Deutschlands.

5 von 5 Fragen

Donnerstag, 13. April 2023

Autoreninterview Florian Kröninger

Hallo zusammen.

Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte.
Florian fällt mit seinen Beiträgen bei Instagram immer auf. Seine Texte und seine Bilder harmonieren stets miteinander und man merkt seine Liebe zum Detail. Gerade wurde er frisch für den SkoutzAward nominiert. Aber jetzt lasse ich ihn selbst zu Wort kommen:

Florian Kröninger (Foto von privat)

Wie bin ich zum Schreiben gekommen?
Ich habe mit 12 angefangen zu Schreiben. Damals war ich sehr traurig, dass nach dem 3. Herr der Ringe Teil die Geschichte zu Ende war. Also habe ich mich in den Sommerferien mit einem Block hingesetzt und eine "Fortsetzung" geschrieben. Mein Großvater schaute mir eines Tages über den Rücken und meinte, darauf machen wir was. Am Ende kam eine tolle Fanfiction heraus. Aus dieser Fanfiction entwickelte sich dann im Laufe der Jahre Kynarus, wie es heute steht.

Bei Instagram präsentierst du deine Beiträge zumeist in mittelalterlichem Outfit. Wie kamst du auf die Idee?
Ich wollte etwas einmaliges, ein Erscheinungsbild, dass sich von der Masse abhebt und gleichzeitig mich und meine Fantasywelten widerspiegelt.
Da ich seit meinem 18 Lebensjahr auf Mittelaltermärkte gehe und meine Fantasywelten einer mittelalterlichen Welt gleichen erschien es mir passend.

Du bist gerade frisch auf der Longlist des Skoutzaward2023 gelandet. Was war dein erster Gedanke?
Das ist schwer zu beschreiben. Einen richtigen Gedanken hatte ich nicht, da ich damit absolut nicht gerechnet habe. Ich bin noch nicht lange Autor, stehe quasi noch am Anfang von allem. Und wenn man sieht, welche Größen der Szene dort nominiert sind weiß man einen solchen Erfolg umso mehr zu schätzen. Das ich es bei meiner ersten Bewerbung direkt auf die Longlist schaffe macht mich stolz. 

Was kannst du über den Inhalt deines nominierten Buches erzählen?
Ich könnte es hier kurz zusammenfassen und sagen, dass es um Gut gegen Böse geht, ein Antiheld, der nichts mehr möchte, als in der Heimat in Frieden leben und dann aus seiner Welt herausgerissen wird, um sich dem Bösen zu stellen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Ich wollte mit meinem Antagonisten der Menschheit ihr Fehlverhalten aufzeigen, dem Bösewicht einen triftien Grund für sein handeln geben. Es geht auch darum, dass der Mensch die Grenzen seiner Möglichkeiten überschreitet aus Gier, Machthunger, Egoismus und Selbstsucht. Damit zerstört er nicht nur Nationen, Kulturen, sondern auch die Natur. Zum anderen ist da der Gedanke, dass es immer jemanden gibt, der in der Lage ist, das Gute in Menschen hervorzuholen. Hoffnung, Treue, Prinzipien, Demut usw. 

Mein Antagonist möchte die Welt beherrschen, um alle Kriege, all das Elend, Leid, Hunger, Heuchlerei, Gier und der gleichen auszulöschen. Er möchte auf seine eigene Art den Weltfrieden, ein Geschenk, welches er allerdings mit einem blutroten Band verschnürt. 

Dagegen stehen die Nachfahren der Großkönige, die zwar die selben Ziele verfolgen werden, dies jedoch nicht mit roher Gewalt und Unterwerfung erreichen möchten. Sie wollen als Herrscher vielmehr das Vorbild sein, um die Bevölkerung anzuspornen aus der Welt einen besseren Ort zu machen.

Meine Hauptfigur fällt zu Begin der Geschichte einer Intrige zum Opfer und muss aus seiner Heimat fliehen. Dabei gerät er in eben jenen Konflikt, der sich vom Norden her anbahnt.

Mit Harald Müller hast neben deinem eigenen Roman ein weiteres Buch geschrieben. Kannst du etwas über die Zusammenarbeit erzählen?
Ich arbeite gerne mit ihm zusammen. Die Ideen, die er hat sind fantastisch. Wir versuchen beide den Plot aufzubauen, Ideen einzuflächten und so etwas Großes zu schaffen. 

Darüber hinaus ist er auch menschlich ein super Kerl. 

Um die vorige Frage noch einmal aufzugreifen, was gefällt dir mehr: das Schreiben allein oder als Team?
Ansich bin ich eher der Einzelkämpfer, das war ich schon immer. Allerdings hat das Schreiben in einem Team so viele Vorzüge. Man lernt die Herangehensweisen anderer kennen, ihre Art Szenen und Situationen zu erfassen und auszuarbeiten. Dadurch bekommt man die Möglichkeit seinen eigenen Horizont zu erweitern, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln.

Was viele vergessen ist, dass man auch als Autor einen Lernprozess durchmacht. Man setzt sich nicht hin, schreibt los und alle Welt jubelt. Mit der Zeit lernt man immer mehr, bekommt Erfahrungen, baut diese ein. Die grundlegende kreative Ader ist da und die muss, wie auch bei Musikern, Malern oder anderen gefördert und geschliffen werden. Bei dem einen dauert es länger, beim anderen kürzer.

Daher ist eine Zusammenarbeit in einem Team eine wertvolle Erfahrung, die ich definitiv nicht missen möchte. 

An welchem Buch arbeitest du aktuell?
Da gibt es mehrere Baustellen. Zum einen arbeite ich am 2 Kynarus Band, der voraussichtlich Ende August 2023 erscheinen wird. Darüber hinaus arbeite ich mit dem Harald an einem zweiten Band zu Atem des Bösen und es steht eine Anthologie im Bereich Steampunk an, die ich zusammen mit Alexandra Haber und Harald Müller schreibe.

Und viele viele weitere Ideen liegen in der Schublade :)


Nachdem ihr wisst, was Florian schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren: 
instagram.com/kroeninger_autor_official
Amazon/Florian_Kröninger

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Mittwoch, 12. April 2023

Thorsten Küper "Belichtungszeit"

Oftmals sagt man der Science Fiction nach, dass sie das Genre sei, dass die Zukunft vorhersehen könne. Nun, vielleicht trifft das nicht ganz die Realität, aber es ist eine Tatsache, dass Science Fiction Autoren die technischen Fortschritte am besten im Blick und somit die Tastatur am Puls der Zeit und der nahen Zukunft haben.

So mutet das Lesen der Kurzgeschichten-Sammlung "Belichtungszeit" einer Zeitreise an, da die ersten der neun Geschichten beinahe zwanzig Jahre alt sind. In den Geschichten, die im ersten Moment skurril oder vielleicht auch übertrieben wirken, haben sich Ideen manifestiert, die heutzutage Alltag sind. Beobachtungen, Big Brother Manien, Forschung, viele Bereiche spricht Thorsten Küper, der in der Szene sein eigenes Genre Kueperpunk geschaffen hat, oftmals äußerst kritisch an. Denn Technik und die damit einhergehende Kontrolle ist in den falschen Händen ein Machtwerkzeug, das zu vielen Schandtaten führen kann. Sei es, dass Menschen ihre eigene körperliche Gewalt via Chip an einen Externen abgeben oder gar ein Künstler Installationen mit böswilliger Absicht schafft.
Während in der ersten Geschichte Computerbefehle zu Exklusivnachrichten führen, zwei Geschichten mit der Idee spielen, dass ein Mensch einen anderen Menschen durch einen Chip wie eine Spielfigur steuern kann, zeigt die Titelgeschichte, dass Versuche an Menschen ohne deren Wissen, zu Gewalt, Hass und geistigen Höhenflügen führen können. Auch die Frage nach dem freien Willen wird in zwei Geschichten thematisiert. In ihnen geht es um Forschungseinrichtungen und die Frage, wer trägt die Verantwortung und wer ist die Zielgruppe für die Forschungsergebnisse? 

Wattebauschtexte sucht man in der Sammlung vergebens, die beschriebene Zukunft ist brutal, egozentrisch und der, mit dem meisten Geld, bestimmt die Musik. Küpers Geschichten lesen sich nicht nebenbei. Man wird gezwungen über sie nachzudenken, sich die Konsequenzen vor Augen zu führen und zu realisieren: Seine damalige Zukunft ist oftmals unsere heutige Zeit. Man sollte gut zuhören, was er aktuell schreibt, um die nächsten Jahren abschätzen zu können.

4 von 5 Belichtungen

Donnerstag, 6. April 2023

Autoreninterview Jacqueline V. Droullier

Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einer interessanten Autorin gemacht und habe jemand Nettes gefunden, die mir meine Fragen beantworten möchte.
Jacqueline ist in der Literatur sehr vielfältig unterwegs: Ob Kinderbücher, Romantasy oder Fantasy, sie hat für fast jeden Lesegeschmack etwas zu bieten. Aber jetzt lasse ich sie selbst zu Wort kommen:

Jacqueline V. Droullier
(Foto von privat)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe als Kind Buch um Buch verschlungen und dann mit zehn Jahren angefangen, meine eigene Geschichte zu schreiben. Seitdem hat mich das Schreiben nicht mehr losgelassen.

Literarisch bist du mit mehreren Pseudonymen unterwegs. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Früher wollte ich nie ein Pseudonym haben, das kam für mich überhaupt nicht in Frage. Heute habe ich zwei :D Unter meinem Klarnamen veröffentliche ich Romantasy- und Kindergeschichten. Aber ich habe mich auch in die Dark Romance gewagt, und um dieses Genre strikt von den Kinderbüchern zu trennen, veröffentliche ich die düsteren, erotischen Geschichten unter meinem offenen Pseudonym Valérie D’Arcy. Hinter meinem zweiten Pseudonym Holly Adams stecke nicht nur ich, sondern auch meine Co-Autorin. Wir schreiben gemeinsam unter dem Namen historische Liebesromane zur Zeit der Regency.

Wieviel Alltägliches fließt in dein Schreiben ein?
Das hängt stark vom Genre ab, aber ich versuche immer, Erlebnisse aus meinem Alltag mit in die Geschichten fließen zu lassen. Das macht sie in meinen Augen umso realistischer, denn das Leben schreibt oft die spannendsten Geschichten.

Welche neue Geschichte hast du schon länger im Hinterkopf? Willst du darüber etwas erzählen?
O, das ist schwer. Ich schreibe nämlich immer an mehreren Projekten gleichzeitig und es gibt immer wieder eine neue Idee, die sich aufdrängen möchte. Gerade beschäftige ich mich mit einer magischen Hexengeschichte, die ich in Zusammenarbeit mit vier wundervollen Autorinnen schreibe. Aber dazu verrate ich mehr, wenn es soweit ist :D

Welches deiner Bücher würdest du einem interessierten Leser als Erstes empfehlen?
Das hängt stark davon ab, wo die jeweiligen Lesevorlieben liegen :D Wer gerne Kinderbücher liest, kann zu „Was ist bloß mit Alma los?“ greifen. Für Fantasy-liebhaber empfehle ich „Cataleya – Der Drache in dir“ (Band 2 befindet sich gerade im Lektorat). Wer es lieber düster und hitzig mag, sollte vielleicht einen Blick auf unsere „Queen of Weapons“ riskieren.

Welche Bücher liest du selbst?
Ich lese genauso vielfältig wie ich schreibe – Fantasy, (Dark) Romance, Kindergeschichten, ab und zu mal Science Fiction … :D Eigentlich völlig egal, Hauptsache die Geschichte packt mich. Nur Horror und Krimis sind nicht so mein Fall.

Wie entsteht bei dir eine Geschichte?
Ich habe eine Idee und bringe diese stichpunktartig auf Papier, damit ich sie nicht wieder vergesse. Meistens habe ich die Charaktere als erstes im Kopf, oder eine bestimmte Szene. Und dann fange ich an, sie auszubauen. Im Moment versuche ich mir anzugewöhnen, meine Geschichten im Vorfeld zu plotten. Bisher habe ich nämlich immer einfach drauflos geschrieben. Aber die richtige Technik habe ich für mich noch nicht gefunden.

Nachdem ihr wisst, was Jacqueline schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Dienstag, 4. April 2023

Christian Salvesen (Hrsg) "Gott werden oder Mensch bleiben?"

Neben dem Thema KI ist der Transhumanismus ein weiteres Feld, an dem man heutzutage nicht ohne Weiteres vorbeikommt. Der Herausgeber Christian Salvesen versammelt in seiner Schrift die verschiedensten Gelehrten zum Thema Transhumanismus, denn dieser geht viele an.
Menschliche Aktionen und Reaktionen sind nicht nur für Informatiker und Co interessant, auch Anthropologen und andere haben sowohl ihre Meinung als auch ihre Erkenntnisse, die der Herausgeber gleichberechtigt zu Wort kommen lässt.
Mediziner, Künstler, Forscher, sie alle beleuchten den Transhumanismus aus ihrem Blickwinkel und zeigen sowohl die Stärken als auch mögliche Verbesserungen auf. Auf gut 200 Seiten, das Format ist laut Vorwort als Serie gedacht, vermittelt das Buch einen Eindruck, wie vielfältig die Herangehensweisen und die jeweiligen Auswirkungen sein können.
Wer sich zuvor wie ich noch nie mit Transhumanismus und Kryonik beschäftigt hat, für den ist das Buch ein großes Stück Arbeit. Die Artikel sind mit einer durchschnittlichen Lesezeit von 20 Minuten kurz gehalten, aber jeder Text hat es in sich. Fachtermini, zum Teil auch Grundlagenkenntnisse fordern dem Leser einiges ab. Dabei sind die Texte so geschrieben, dass sie auch ein Anfänger verstehen kann, wenn man sich Zeit lässt und ein Lexikon zur Hand hat. Als Einstieg in die Thematik vielleicht ein sehr umfangreiches Buch, doch gleichzeitig vermittelt das Buch, wie tiefgreifend und komplex die Erschaffung eines Gottes sein würde, wenn man nicht vorhat, Mensch zu bleiben.

4 von 5 Zeitkapseln