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Samstag, 31. Dezember 2022

Kris Brynn "A.R.T. - Coup zwischen den Sternen"

Kaum einen Ausdruck benutze ich so oft wie: "Ist das Kunst oder kann das weg?"
Ähnliches kann man auch die Literatur anwenden.
Doch was ist es, dass uns beim Lesen bei der Stange hält und was ist es, dass uns Kunst betrachten lässt?
Sicherlich ist es der persönliche Geschmack, vielleicht auch das Wissen, wie das Objekt entstand und wieviel Arbeit investiert wurde und doch ...
Wann ist es Kunst und wann kann es weg?
Dieser Frage geht das Buch "A.R.T." in meinen Augen auf vielfältige Weise nach.

Die Museen auf der Erde sind nicht mehr das, was sie einmal waren und viele Kunstauktionen finden im Weltall statt. Eine Firma, die sich hierauf spezialisiert hat, ist ArtSecure, denn die Kunst muss ins All und vor allem von da aus zu den Käufern nach Hause.
Als ein zweifelhaftes Objekt den Weg ins Weltall antritt, sind gleich mehrere Personengruppen an dem Objekt in verschiedenster Weise interessiert. Es polarisiert und nicht nur das. 
Immer mehr hält KI-Art in die Kunstszene Einzug und damit gibt es Diskussionsstoff, denn was ist Kunst und vor allem: wann ist es Kunst!

Beim Lesen merkt man recht schnell, dass die Autorin von beidem Ahnung hat: SciFi und Kunst. Die Handlung wirkt nicht künstlich ersonnen, sondern basiert auf dem Wissen, wie der Kunstmarkt funktioniert und auch wie sich die Technik in den nächsten Jahren wahrscheinlich entwickeln könnte. Da diese Thematik recht trocken anmuten könnte, mischt die Autorin dies mit einer actionreichen Handlung. Mehrere Parteien zanken sich um das Objekt und vermeintlich hat immer wieder ein anderer die Nase vorn, nur um ... Mehr wird hier nicht verraten.
Es sei erwähnt, dass das Buch sehr von der Kunst durchzogen ist und sie nicht lediglich ein Aufhänger für die Geschichte ist. Mich hat das Buch sehr fasziniert, da es zwei Themen vermischt, die mich zur Zeit sehr interessieren: Künstliche Intelligenz und Kunst.
Das Buch fordert den Leser. Es bildet den Leser und schafft es bis zuletzt die Spannung hochzuhalten, denn Kunst ist nicht trocken, sondern sie ist auch mordsgefährlich.

4 von 5 Sternennächten

Freitag, 30. Dezember 2022

Janika Rehak & Yvonne Tunnat (Hrsg) "Der Tod kommt auf Zahnrädern"

Ein letztes Mal rastet das Zahnrad ein, ein letztes Mal lichtet sich der Dampf.
Nach fünfzehn - doch sehr verschiedenen - Geschichten braucht man als Lesender einen Moment, bis man wieder im Hier und Jetzt ankommt.
Die Schreibenden haben sich in den Geschichten mit den Thema "Tod" in seinen unterschiedlichen Facetten beschäftigt, sodass trotz des vermeintlichen engen Themenbereiches (Steampunk - Tod) sich in den Zahnrädern der Lesenden sehr eigenwillige Geschichten entfalten.
Ob märchenhaft, mystisch oder gar modern in der Vergangenheit, ob im Viktorianischen England oder gar in Deutschen Landen, die Autor:innen haben ihren Geschichten neben Tiefgang auch das passende Kleid gegeben, um die Eigenheiten des Steampunks zu unterstreichen.

Einzelne Geschichten hervorzuheben, ist bei einer Anthologie immer schwer, aber:
- Wer Vampire liebt,
- gerne Bahn fährt,
- wer noch seine Spielzeuge im Keller hat,
- wer es liebt, selbst zu ermitteln,
- wer fantastisch träumt und
- wer meint, als Erwachsener ist man noch lange nicht erwachsen, wird die passende Geschichte in der Anthologie für sich finden.
Die Herausgeberinnen haben durch die wenigen Vorgaben eine vielfältige Mischung geschaffen, bei der das Lesen eine Freude ist.

4,5 von 5 Zahnrädern

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Debbie Tung "Book love"

So unterschiedlich die Leser auch sein mögen, in einem sind sie sich alle einig: In der Liebe zum Buch.
Auch wenn inzwischen viele auf einen E-Book-Reader auf Grund von Platzmangel oder Reisetätigkeit umgestiegen sind, alle, wirklich alle, kennen das Gefühl, das einen einnimmt, wen man vor einem riesigen Regal voller Bücher steht.
Wie sich Book love dann im Speziellen bei dem einzelnen Leser äußert, das ist dem individuellen Charakter und natürlich auch Geschmack geschuldet, aber:
Ein jeder Leser findet sich in diesem Kleinod wieder. Vielleicht manche häufiger als andere, aber wirklich jeder fühlt sich repräsentiert.
Denn die Autorin zeigt mit ihren Zeichnungen den Alltag eines Lesers auf. Zum Beispiel wird man als Leser ständig gestört, sei es, weil man zur Arbeit oder sozial sein muss.
Die dicken Augenringe, weil man eine Nacht unbedingt durchlesen musste.
Das Gefühl, das man an keinem Buchladen vorbeigehen kann, ohne einen kurzen Blick reinzuwerfen.
Der Duft, den Bücher verströmen - das schafft das E-Book leider nicht.
Viele solcher Situationen zeigt sie in kleinen Comicstrips oder auch nur als einzelnes Bild.
Der Leser bekommt im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vorgehalten, da es eine Hommage an die Bücher und an den Leser ist.
Ein wundervolles Buch, das mit knapp 140 Seiten, viele Momente eines Lesers einfängt, ohne sich dabei zu wiederholen.
Ein Buch, zu dem man gerne greift, wenn die Welt um einen herum hektisch und stressig ist, denn: dieses Buch versteht den Leser. :-)

5 von 5 Booklovers

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Andreas Suchanek "Flüsterwald - Schneechaos in Winterstein"

Wäre es überhaupt Weihnachten, wenn Andreas Suchanek keine Kurzgeschichte aus seinem Flüsterwald veröffentlichen würde? ;-)
Gott sei Dank stell sich diese Frage nicht, denn passend zur Weihnachtszeit gibt es eine weitere Flüsterwald-Weihnachtsgeschichte.
In Winterstein ist ein Schneechaos ausgebrochen, dass sich haargenau über der kleinen Stadt festgesetzt hat. Grund genug, dass Lukas und Ella einen Zusammenhang mit dem Flüsterwald vermuten. Kaum dort angekommen, sehen sie, dass einzelne Bewohner mit einer dünnen Eisschicht überzogen sind. Doch mit den Freunden naht Hilfe, auch wenn der Grund für den Schneesturm äußerst herzlicher Natur ist.
Mit seinen Kurzgeschichten gibt Andreas Suchanek Einblick in eine ganz bestimmte Atmosphäre im Flüsterwald: Man hört den Schnee knistern, man riecht die Plätzchen und spürt die aufflackernde Abenteuerlust unserer liebgewonnenen Figuren.
Auch wenn alle Kurzgeschichten harmonisch und weihnachtlich wirken, finde ich diese Geschichte am schönsten.
Ich freue mich schon auf die nächste.

5 von 5 Folianten

Dienstag, 20. Dezember 2022

Val McDermid "Das Mädchen, das den Weihnachtsmann umbrachte"

Dieses Jahr ist so manches anders und somit wollte ich nicht die klassische Weihnachtsliteratur lesen. Friede, Freude, Eierkuchen unter dem Tannenbaum oder ein Mensch wird an Weihnachten bekehrt, sind beides keine Szenarien, die ich lesen wollte.
Weihnachtskrimis haben sich in den letzten Jahren vermehrt auf den weihnachtlichen Büchertischen eingereiht und ich war mehr als erfreut, als ich dieses Buch entdeckt habe.
Im Gegensatz zu den meisten Anthologien sind alle zwölf Kurzgeschichten von der Autorin Val McDermid.
Sie selbst entführt den Leser an die verschiedensten Krimischauplätze. Seien es ihre eigenen Charaktere um Tony Hill oder auch der berühmte Sherlock Holmes, in vielen ihrer Geschichten bettet sie das passende Zeitgeschehen ein, sodass es oft mehr als eine Krimikurzgeschichte ist.
Die Tatmotive wechseln sich dabei ab, sodass jede einzelne Kurzgeschichte nicht nur personell sondern auch inhaltlich auf eigenen Beinen steht.
Die Geschichten unterscheiden sich dabei in Länge und Tiefgang, sodass man sogar bei der einen oder anderen Geschichte schmunzeln muss.
Feine, kleine Hinweise oder auch mal sehr plakativ schafft es die Autorin beim Lesen immer wieder zu überraschen und trotzdem ein sehr hohes Spannungsniveau durch alle Geschichten zu halten.
Sicherlich hat man trotzdem seine Lieblingsgeschichte, aber das ist widerum eine ganz andere Geschichte.

5 von 5 Weihnachtsrätseln

Sonntag, 18. Dezember 2022

Vanessa Kaiser & Thomas Karg "Mysterien der See"

Die See oder auch das Meer dient vielen Menschen in erster Linie als Sehnsuchtsort, da sich hinter dem Wasser eine andere vermeintlich bessere Welt befindet. Doch welche Schrecken sich um, an oder im Wasser verstecken, wird in diesem Überlegungen oftmals ausgeblendet. 
Traust du dich die See zu bezwingen?
Oder zumindest im ersten Schritt zu dieser Anthologie zu greifen?
Mit zwanzig Geschichten verspricht diese Anthologie ein Potpourri der verschiedensten Schauer-, Grusel- oder gar Horrorerzählungen.
Denn die Schrecken der Meere sind vielfältig und so haben es die Schreibenden und die Herausgeber geschafft, eine abwechslungsreiche Sammlung zusammenzutragen.
Zu Land, zu Wasser oder auch in den Tiefen der See handeln die sehr unterschiedlichen Geschichten. Allen gemein ist das handwerkliche Geschick, dass es bedarf Schauer oder Grusel zu erzeugen, ohne dass es durch Überzeichnung zur Lächerlichkeit verkommt. 
Doch wovor fürchten sich die Lesenden am meisten? Was lässt ihnen das Blut in den Adern gefrieren oder sie zumindest angenehm frösteln?
Bei der vorliegenden Mischung ist alles dabei: von Fabelwesen, großen intelligenten Tieren bis hin zu Zeitverschiebungen bietet die Anthologie vielfache Möglichkeiten sich zu fürchten - außer vor dem Schreibstil.
Eine Sammlung, die bei Nacht gelesen, die Nackenhaare aufstellt und das leise Rauschen in den Blättern zu einem Rauschen der See werden lässt und das Knarren des Hauses zu einem Ächzen der Bohlen verkommen lässt.
Setzt die Segel und wagt euch auf die See - wenn ihr euch traut.

4 von 5 Mysterien

Danke an Jörg Fuchs Alameda für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 17. Dezember 2022

Colleen Cambridge "Die Dreitagemordgesellschaft"

Wenn auf dem Anwesen der Queen of Crime ein Mord geschieht, wer könnte da besser die Ermittlerin sein als ... Nein, nicht Agatha Christie selber, denn sie steckt mitten in den Vorbereitungen für einen neuen Kriminalroman. Und seien wir einmal ehrlich, es ist doch etwas ganz anderes, sich Geschichten auszudenken, als sich selber über eine Leiche in der Bibliothek zu beugen. Nein, ihre Haushälterin Phyllida Bright übernimmt die Ermittlungsarbeit, denn schließlich hat sich von den Besten gelernt, Hercule Poirot und mit Abstrichen auch Sherlock Holmes.
Es kommt wie es kommen muss. Schreibt man Kriminalromane, ist man auf einmal auch selber Opfer eines solchen. Während einer Gesellschaft wird ein Toter in der Bibliothek des Maxwell Anwesens gefunden. Ermordet. 
Phyillda hat eigentlich genug mit der Haushaltsführung zu tun, aber ihre kleinen grauen Zellen wollen unbedingt dieses Rätsel lösen, das sogar eines Hercule Poirots würdig wäre.
Doch während sie im Haus Beweise sichert, geht das Tagesgeschäft weiter voran und auf quietschenden Sohlen machen sich einige Besucher verdächtiger als andere ...
Der Krimi ist eine unglaublich charmante Hommage sowohl an die Queen of Crime als auch an ihre Romanfiguren und auch an den klassischen bevorzugterweise englischen Kriminalroman. Weit ab von den modernen cosy crimes kommt dieser Krimi mit weniger plakativem Witz daher und zeigt auf, wie die ursprünglichen Kriminalromane aufgebaut waren. Denn: Früher konnte der aufmerksame Leser mitraten, wer der Täter war, denn als Leser hatte man alle Beweise in der Hand und wurde nicht von der Lösung übertölpelt. 
Auf gut 360 Seiten wird ein Szenario aufgebaut, welches Agatha Christie selber nicht besser hätte aufziehen können und man fällt eine Art Parallelwelt von Agatha Christie und Downton Abbey. Durch den Blickwinkel der Haushälterin bekommt der Leser einen ganz anderen Zugang zu dem Leben auf einem solchen Anwesen und auch der Blick auf die Tat ist dadurch eine völlige neue Perspektive.
Ein gelungener Krimi, der mit mehreren falschen Fährten niemals seinen roten Faden verliert und zeigt, dass auch die Queen of Crime Gedankenanstöße für ihre großen Kriminalromane brauchte.

5 von 5 Haushälterinnen bzw. Detektiven

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Autoreninterview M. L. von Burgberg

Hallo zusammen.
Weil die Interviews gerade wieder soviel Spaß machen, und sich auch mehrere Interviewpartner begeistern lassen, gibt es heute schon das nächste Interview. Das Buch der Autorin habe ich bereits von einiger Zeit gelesen und gerade arbeitet sie an ihrem zweiten Band. Somit es es doch der passende Zeitpunkt, um ihr ein paar Fragen zu stellen:
M.L. von Burgberg (privat)

Fantasy-Romane spielen nahezu immer in ihrer ganz eigenen Welt. Was gefällt dir ammeisten daran, Welten zu erschaffen?
Stell dir vor, du stehst vor einer riesigen, weißen Leinwand. Noch ist sie scheinbar nichts,außer ein farbloser Klecks. Dann beginnst du, Gebirge einzuzeichnen, Hochebenen, Flüsse, Seen und so viel mehr. Nach und nach färbt sich die Leinwand in bunte Farben. Doch es fehlt das gewisse Detail, die Tiefe. Die Menschen und Lebewesen, die diesen Flecken bewohnen. Also beginnst du die geschaffene Welt mit Leben zu füllen. Die nötige Tiefe kommt mit den Geschichten der Menschen und Wesen, die für diese Welt gedacht sind. Ihre Geschichten sind es, die sich in ein feines Geflecht verweben und verstricken, dadurch ihre eigene Dynamik entwickeln. Eigene Kulturen und die Gedanken, wie gegensätzliche Ansichten doch miteinander harmonieren können oder sich zu zerfleischen drohen. Am meisten gefällt es mir, mich von meiner Welt überraschen zu lassen, indem was sie zu bieten hat und den Freiraum, immer weiter an ihr schmieden zu können.

Orte, Personen, Götter, vieles gilt es zu gestalten. Bist du eher ein Planer oder schreibst du auch gerne einmal drauf los?
Zu Beginn schreibe ich erstmal ein paar Seiten drauf los, um in den Flow und das Gefühl der Geschichte zu kommen. Diese Szenen lösche ich später in der Regel und dann beginne ich mit der Planung und erstelle „Quests“, die mal mehr oder weniger detailreich angelegt sind. Meine Questtabelle ist ähnlich zu einer Szenentabelle, doch brauche ich eine offene Planung. Das heißt ich verzichte auf ein starres Planungssystem, indem kein Platz mehr für neue Ideen ist und meine Figuren und die Handlung in eine Form gepresst werden. Für mich ein Feind des kreativen Arbeitens. Meine Figuren können sich so besser entfalten, ohne das wir die Richtung verlieren und in den Handlungssträngen schaffe ich mir so Platz für kleinere und größere Twists, die mir tatsächlich immer erst beim Schreiben einfallen.

In "Ragdim" wird die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt. Warum war es dir wichtig, zwei Charaktere gleichberechtigt in den Erzählfokus zu stellen?
Ursprünglich war es das gar nicht. Imara war ursprünglich als Nebencharakter geplant, mit einer kleinen Aufgabe, bzw. Rolle. Zu dem war es mir wichtig, das Land Kilây und das Leben um die Hauptstadt Weirâg zu zeigen. Hier gab es eine starke Entwicklung, die mich sehr überrascht hat.

"Ragdim" enthält mehrere Handlungsstränge. Schreibst du erst jeden einzelnen und verbindest sie im Anschluss oder schreibst du das Buch so, wie es der Leser hinterher in Händen hält?
Die Geschichte wird absolut chronologisch Szene für Szene geschrieben. Ich springe zu keiner Zeit im Skript hin und her schreibe Szenen irgendwo auf der Timeline. Es gibt manchmal welche, die ich vorab schreibe, die weiter hinten liegen und ich lösche sie irgendwann jedesmal, weil ich nicht dorthin komme, außer mit der Brechstange.

Du arbeitest gerade an deinem zweiten Buch. Stellst du beim Schreibprozess Unterschiede zum ersten Buch fest?
Oh ja! Im ersten Band, besser gesagt Skript, hatte ich eher grobe Stationen, auf die ich hinschrieb. Das war zwischendrin für mich sehr anstrengend, nicht zu wissen, was direkt als nächstes passiert. Da schrieb ich zwischendrin mal Kurzgeschichten, um den Kopf freizubekommen und entdeckte die Planung für mich. Der zweite Teil lässt sich dadurch wesentlich schneller schreiben. Für den ersten Teil brauchte ich über 4 Jahre, weil ich die Fassung zwei mal schrieb und nun schaffe ich es in einem Jahr, den zweiten Teil fertig zu stellen, obwohl er mich Weltenbau technisch wesentlich mehr fordert.

Hat man als Autorin einen Lieblingscharakter?
Den habe ich, doch ihn lernt man im ersten Teil nicht kennen. Er trägt den Namen Shiro und ist gar nicht so finster, wie sein „Titel“ vermuten lässt.

Könntest du dir vorstellen in einem anderen Genre zu schreiben?
Du wirst lachen, hier liegt bereits ein fertiges Exposé zu einer SciFi-Idee, die einen zarten Hauch Fantasy in sich trägt.

Wie beeinflussen deine Leser dein Schreiben?
Es ist eine großartige Motivation zu wissen, dass der zweite Teil heiß ersehnt wird und mich immer wieder das liebevolle Drängen von Lesern erreicht, doch bitte schnell weiterzuschreiben. Also bereite ich die nächsten Abenteuer vor, auf das sie wieder eintauchen und einen Moment den Alltag hinter sich lassen können.

Ich hoffe, ihr hattet genau soviel Spaß, das Interview zu lesen, wie wir es bei der Erstellung hatten. Nächste Woche geht es weiter mit dem "Autor als Leser" Interview.
Schaut doch auch gerne vorher auf ihrem Instagramaccount vorbei:
instagram.com/m.l.von.burgberg

Jessica Müller "Tod im East End"

London, 1865.
Bereits zum dritten Mal begleitet man Charlotte und ihren Mann, Inspektor Basil Stockworth, durch das viktorianische London. In diesem Fall wurde der Lehrer einer Armenschule umgebracht und Basil hat seine liebe Mühe neben allen anderen Problemen den Mordfall zu lösen. Viele hilfreiche Charaktere, wie z.B. sein Sergeant Enoch Bennett, stehen ihm auch dieses Mal zur Seite, wenn der Fall verzwickter wird und manchmal auch nicht ganz legale Mittel zum Einsatz kommen müssen.
Doch wird der Lehrer das einzige Opfer bleiben?
Oder geht ein Killer im East End umher?
Es sei vorab gesagt, dass man die beiden vorigen Bände der Reihe gelesen haben sollte, bevor man mit "Tod im East End" startet. Jessica Müller hat neben den beiden Hauptcharakteren einige wichtige Nebenfiguren, die in der Rahmenhandlung eine Entwicklung durchlaufen, was sich auch in der gesamten Geschichte niederschlägt.
Der dritte Teil reiht sich sprachlich in die Reihe seiner Vorgänger ein und das Setting wird passend zum Fall weiterausgebaut.
Neben den bereits bekannten Figuren werden einige neue Figuren in das bestehende Personalgeflecht verwoben und die Seilschaften zwischen den Figuren erreichen einen neuen Höhepunkt.
Die Lebensumstände der verschiedenen Gesellschaftsschichten stehen dieses Mal stärker im Fokus und die Autorin verknüpft dies mit historischen Informationen über die Zeit.
Gerade beim Lesen dieser Zeilen hat man oft das beklemmende Gefühl, als ob man einen Bericht von Charles Dickens liest, der zuerst über das Elend der Armen schrieb.
Der Kriminalroman verlagert seinen Fokus mehr in die Richtung der Gesellschaftskritik als es die beiden vorigen Bände taten. Die Ermittlungen von Stockworth treten für mehrere Nebenschauplätze des Öfteren in den Hintergrund, was beim Lesen eine Abwechslung reinbringt, mich allerdings ein bißchen gestört hat.
Der Fall ist in sich schlüssig, doch hätte ich mir hier mehr von dem Fall gewünscht und weniger von den Nebenhandlungen.

3,5 von 5 Sitzbänken

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Autoreninterview Aiki Mira

Hallo zusammen.
Anfang der Woche ist der zweite Roman von Aiki Mira erschienen. Ein Grund mehr ein kurzes Interview mit Aiki zu führen.

Aiki Mira (Foto von privat)

Du wirst gerade mit Preisen überhäuft. Wie groß ist der Druck, wenn du dich wieder an die Tastatur setzt?
Beim kreativen Schreiben vergesse ich alles um mich herum und bin zugleich ganz bei mir. Ich träume mit offenen Augen, steuere selbstgeschaffene Avatare durch eine Welt, die mein Gehirn in Echtzeit rendert. Das verlangt eine tiefe, fast schon meditative Konzentration – das Hier und Jetzt, Erwartungen oder Ängste spielen dabei keine Rolle. Das kommt erst viel später, wenn ich mich überwinden muss, meinen Text einer anderen Person zu zeigen ‒ oder noch schlimmer: irgendwo einzureichen und zu veröffentlichen!

Was ist für dich die perfekte Schreibroutine, sodass du dich in deine Welten begeben kannst?
Ganz praktisch: Tee kochen und hinsetzen.

Tage, Wochen, Monate, Jahre davor passiert aber bereits eine Menge ‒ im Kopf! Meist beginnt es mit einem interessanten Ort, den ich in Gedanken immer wieder besuche und erforsche. Pixel für Pixel setzen sich dort Figuren zusammen und beginnen zu atmen. Irgendwann überkommt mich der unbändige Drang alles aufzuschreiben, dann erst setze ich mich hin ‒ den eigens dafür gekochten Tee, vergesse ich meist und er wird kalt :)

Nach "Titans Kinder" spielt "Neongrau" als Cyberpunk im Deutschland der Zukunft. Hast du schon eine Vorstellung, wann und wo das dritte Buch spielt?
Gerade arbeite ich an einem Projekt, das an zwei Schauplätzen spielt: im near-future Berlin sowie in einem nachgebauten biosynthetischen Amazonas. Diese beiden Orte trage ich schon Jahre mit mir herum. Das zukünftige Berlin wird aus Sicht einer anarchischen Community geschildert, der künstliche Amazonas erinnert dagegen an ein riesiges, weirdes Forschungslabor. Der große Reiz beim Schreiben ist, herauszufinden, was an solchen Orten möglich ist, welche Leute dort leben, welche Geschichten dort passieren.

"Neongrau" greift viele gesellschaftliche Probleme auf. Wie hast du es bewerkstelligt, dies alles zu einer Geschichte zusammenzuflechten?
An einer Stelle in "Neongrau" wird das Brettspiel GO erwähnt: »GO kennt keine Helden. Alle Steine sind gleichwertig und arbeiten zusammen wie die Atome eines lebendigen Körpers.« Das war mein Vorbild für die Struktur des Romans, eine fortschreitende Verflechtung individueller Perspektiven.

Die Geschichte ergibt sich durch die Vernetzung der einzelnen Figuren. Mir war wichtig zu zeigen, wie Personen ‒ keine Held*innen! ‒ sich immer stärker miteinander verstricken. Jede Person wird dabei mit persönlichen Problemstellungen konfrontiert, die zugleich auch gesellschaftliche Probleme darstellen. Die gesellschaftliche Ebene wird also automatisch hineingewoben.

Hast du in deinen Geschichten eine:n Lieblingscharakter:in oder eine Figur, die dir besonders nahe ist?
Während dem Schreiben kommen mir Figuren, auch Nebenfiguren ganz nah. Ich kann so tief in sie hineinblicken, dass sie mir trotz ihrer teilweise unverzeih-lichen Taten menschlich erscheinen. Aus "Neongrau" ist Go Stuntboi Kazumi definitiv ein Lieblingscharakter, als Person jedoch schwer zu fassen und daher herausfordernd zu schreiben. Ren ist zwar keine Sympathieträgerin, zum Schreiben jedoch wunderbar! Andauernd übertritt sie Grenzen, bei ihr scheint immer alles möglich zu sein. Auch in ELLL habe ich mich beim Schreiben verliebt. ELLLs Auftreten ist stark, ihre direkte, rohe Emotionalität habe ich erst nach und nach entdeckt.   

Aus dem Roman „Titans Kinder“ ist Rain Seung eine Figur, die mir immer noch sehr nahe geht. Rain war eigentlich als Nebenfigur gedacht, hat sich dann aber von selbst zu einer Hauptperson und von da direkt in mein Herz geschrieben.
 
Welches Buch liegt bei dir auf dem Nachttischchen?
Auf dem Nachtisch liegt das Belegexemplar „Der Tod kommt auf Zahnrädern“, eine Steampunk-Anthologie von Janika Rehak und Yvonne Tunnat ‒ darin habe ich schon fast jede Story gelesen und weitere Exemplare zum Verschenken bestellt. Auf dem Küchentisch liegt die abgründige Storysammlung "Heimweh nach einer anderen Welt" von Ottessa Moshfegh, das Buch habe ich mir nach meiner Lesung im Otherland Bookshop ausgesucht. Im Wohnzimmer wartet auf mich das signierte Exemplar von Sven Haupts neuem Roman „Wo beginnt die Nacht“ ‒ das möchte ich in den Weihnachtsferien lesen. Überall dazwischen winken Comics und ein paar Bücher aus der Stadtbibliothek.

Du schreibst deine Bücher im Genre der Science-Fiction. Könntest du dir vorstellen in einem anderen Genre (Krimi, historischer Roman) zu schreiben?
Ich lebe gern in der Zukunft und ich liebe die Wissenschaft, Science Fiction liegt mir daher sehr am Herzen. Zugleich probiere ich gern Neues. „Die Zukunft“, meine erste Steampunk-Story, hat mir ermöglicht, zur Abwechslung etwas Historisches zu schreiben. In der Benefizanthologie für die Ukraine „Friedenszeit“ entwerfe ich mit „Deshalb kann ich nicht fort“ dagegen ein sehr zeitgenössisches Szenario. Inspiriert von aktuellen Ereignissen bewege ich mich zudem jenseits der Genre-Literatur.

Beim Schreiben habe ich meist eine Vision im Kopf ‒ wo ich hin möchte. Genres oder Genre-Grenzen spielen da erstmal keine Rolle.

Du hättest eine Reise frei. Wohin würdest du reisen:
a) in die Zukunft
b) in die Vergangenheit
c) in eine Parallelwelt?

In die Zukunft! Deshalb lese ich so gern aktuelle wissenschaftliche Papers – das ermöglicht mir ein bisschen Zukunftsluft zu schnuppern. Seit ich denken kann ist mein Traum-Reiseziel jedoch kein Zeitliches: Einmal den Heimatplaneten verlassen! Ein konkretes Ziel brauche ich dafür nicht. Das Reisen an sich ‒ unterwegs zu sein ‒ finde ich viel spannender als den Stillstand des Ankommens. Deshalb entwickelt mein Hirn wohl andauernd neue Schreib-Ideen: es will reisen, erleben und erschaffen.


Damit ist das Interview leider schon vorbei. Ich hoffe, es hat euch genauso gut gefallen, das Interview zu lesen, wie es mir gefallen hat, mit Aiki das Interview zu führen. 

"Danke" Aiki, für die Zeit, die du dir für die Antworten genommen hast und "Danke" an euch, dass ihr euch die Zeit fürs Lesen genommen habt.

Hier sind die entsprechenden Links zu Aiki Mira:
aikimira.webnode.com
instagram.com/aiki_mira

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Montag, 5. Dezember 2022

Roland Lehoucq (Hrsg) "Die Wissenschaft von Mittelerde"

Nicht noch ein Buch über Tolkien, mag der eine oder der andere denken, wenn man das Foto sieht.
Aber keine Sorge, es handelt sich um eine ganz andere Herangehensweise an Tolkiens Werk und in meinen Augen eine ziemlich gelungene.
Was auf den ersten Blick so einfach und doch so unglaublich stimmig wirkt, ist die Welt in der "Herr der Ringe", "Der Hobbit" und all die anderen Geschichten spielen.
Zufall? Wohl eher nicht, denn Tolkien war für sein breites Wissen und seine Detailgenauigkeit bekannt, sogar teilweise gefürchtet. Denn wollte ihm jemand etwas über seine Welt erzählen, so gab es mindestens eine Quelle, die Tolkiens Thesen unterstütze.
Doch worüber handelt "Die Wissenschaft von Mittelerde"?
Natürlich über das Offensichtliche.
Auf 380 Seiten unter der Leitung von Roland Lehoucq haben Kenner ihres Faches Artikel zu den verschiedenen Wissenschaften innerhalb der Mittelerde-Zyklen verfasst. Ein Arzt beschreibt die medizinische Versorgung, ein Sprachwissenschaftler analysiert die Sprachen von Mittelerde.
Ein Ornithologe untersucht die Vogelwelt usw. Durch die verschiedenen Artikel weicht der Erzählstil der einzelnen Abschnitte voneinander ab, aber man kann als Leser alle Beiträge gut lesen, ohne dass das Gefühl eines Lehrbuches aufkommt.
Für diese Ausgabe wurden neue Illustrationen angefertigt, die sich teilweise doppelseitig erstrecken oder thematisch eine Detailansicht preisgeben.
Durch die Unterteilung in verschiedene Arbeitsbereiche lässt sich das Buch auch über einen längeren Zeitraum lesen, da die Kapitel in sich abgeschlossen sind.
Doch nicht nur die Wissenschaftler kommen zu Wort. An entscheidenen Stellen, wenn Tolkiens Werk z.B. mit anderen literarischen Werken verglichen wird, kommt der Autor auch selbst zu Wort. Zitate aus seinen Briefen oder anderem Schriftwechsel unterstützen die Thesen der Wissenschaftler und schaffen so einen harmonischen Gesamteindruck.
Das Buch ist eine wunderbare, sowohl thematisch als auch optische, Ergänzung zu der bereits existierenden Fachliteratur über Mittelerde und sei jedem Fan oder solchen, die es noch werden wollen ans Herz gelegt.
Denn: Lernen kann jeder etwas aus diesem Buch.

5 von 5 Hobbits

Danke an wbg Theiss für das Rezensionsexemplar.

Aiki Mira "Neongrau"

Hamburg, 2112. Die Welt ist ein dunkler Ort geworden?
Oder doch schon immer gewesen?
Man erinnert sich nicht mehr allzu gut an die früheren Zeiten, auch wenn viele Probleme noch die gleichen sind. 
Go hat bei der Arbeit einen Unfall und nichts scheint mehr so zu werden, wie es vorher war. Gos Gesundheit ist angeschlagen, die Arbeit kann auf Weiteres nicht mehr ausgeübt werden und es wird eine Krankheit entdeckt, die sofortiger Behandlung bedarf. Doch es ist nicht alles trist.
Gos Welt wird von einem auf den anderen Tag eine viel größere. Das Leben spielte sich nur zwischen Go und dem Vater Tayo ab, doch der Sturz offenbart eine ganz andere Zukunftsversion, als Go sie sich hätte verstellen können. Go braucht einen neuen Job und durch Zufall steht ein Job im Stadion zur Verfügung. Das heißt berühmte Leute kennenlernen, die während das Turnier der Legenden anreisen und viele andere neue Erlebnisse, doch zugleich zerfällt das alte Leben in tausend Mosaike.
Denn Gedanken, die Handlungen der anderen und die Gesundheit beschleunigen Entscheidungen und Zweifel, die im Grunde genommen Zeit bräuchten, doch Zeit ist relativ und niemand besitzt sie - es ist ein Trugschluss.
Mit dem zweiten Roman Neongrau befeuert Aiki Mira die Synapsen der Leser in einer Tour. Die Kapitel sind kurz gehalten, die Szenen wechseln in einem Tempo hin und her, die dem Leser zu Anfang eigenes abverlangen. Wer hier leichte Lektüre mit ein bisschen Dystopie und Cyperpunk erwartet, der wird spätestens nach zwanzig Seiten merken: Hier geht es um mehr - wesentlich mehr. Denn das Turnier und die Virtual Reality sind nur kleine Bausteine, die Aiki benutzt um die Welt im Jahr 2112 zu bauen. 
Miseren gibt es an allen Ecken und Enden; sei es das Klima, die Akzeptanz der Menschen untereinander, Drogen oder schlichtweg auch der Terror. Alles findet in dem Roman seinen Platz und seine Daseinsberechtigung, denn die Menschheit hat in den 90 Jahren vielfach nichts dazugelernt. Man kreist um die gleichen Themen und Aiki schafft es die heutige Stimmung nuanciert in die Zukunft zu katapultieren. Keine Szene wirkt überzeichnet, alles ergänzt sich zum großen Ganzen. Es sind die kleinen Stellschrauben, das Menschliche, was in der ganzen Technisierung den Ausschlag zum Erfolg oder zur Katastrophe gibt. 
Aiki zeichnet teilweise in düsteres Bild, was die Welt betrifft, aber die zwischenmenschlichen Beziehungen leuchten dafür in allen Neonfarben, die es gibt. Das Neongrau verbindet die beiden Elemente zu einem und zeigt - strahlen kann jeder - auch das Grau.

4 von 5 VR-Anzügen

Dienstag, 29. November 2022

Eveline Helmink "Handbuch für miese Tage"

Mit dem falschen Fuß aus dem Bett, mit dem Ellenbogen an die Türklinke geschlagen, den Kaffee verschüttet und als Krönung fällt das Marmeladenbrot auf welche Seite?
Es gibt diese Tagen, die schon mies beginnen, aber auch im Tagesverlauf können Ereignisse geschehen, die einem den Tag vermiesen.
Man ist schlecht drauf, man kann sich nicht motivieren, man sitzt in einem tiefen Loch.
Ist das schlimm?
Viele Ratgeber versuchen das Leben besser und diese Art von Tagen aus dem Leben zu verbannen, doch ist dies zu einfach und oftmals zu leicht gedacht. Man kann schlechte Tage nicht völlig vermeiden. Die Frage ist: Wie geht man damit um?
Die Autorin hat in ihrem Buch, welches als Sachbuch konzipiert ist, einen interessanten Weg gefunden. Sie erzählt, wann die miesen Tagen in ihrem Leben Einzug hielten und dass die klassischen Ratgeber nur die halbe Wahrheit sind.
Enttäuschung, Niederlagen und Verlust sind ein Teil des Lebens, was sie in ihrem Buch immer wieder zurecht betont und doch gilt es, sich von diesem Gedanken nicht erdrücken zu lassen.
In kleinen, mentalen Anwendungen oder auch in körperlicher Ertüchtigung liegen für sie die Grundlagen eines ausgeglichenen Lebens. Kommt ein mieser Tag, gibt es einen Notfallplan, der auch diesen Tag und seine Schwere vorbeiziehen lässt.
Im Gegensatz zu anderen Ratgebern enthält dieses Buch viel mehr Realitätsnähe. Man glaubt der Autorin, dass sie selbst diese Übungen macht oder man findet sich auch in ähnlichen Situationen wieder.
Das Buch macht von der ersten bis zur letzten Seite Mut. Mut nicht perfekt sein zu müssen, nicht immer eine Maske tragen zu müssen und schlicht das Beste aus allen (auch den miesen) Tagen des Lebens herauszuholen.
Ein wundervolles Buch, welches ungeheuer viel Kraft und Zufriedenheit spendet.
Untermalt mit schönen Illustrationen werden viel Gedanken auch visualisiert und prägen sich beim Lesen noch besser ein.

5 von 5 miesen Tagen

Sonntag, 27. November 2022

Carsten Sebastian Henn "Ein Schuss Whiskey"

Manche Tage sind einfach besäufniserregend. Nichts will gelingen und die Welt scheint sich gegen einen verschworen zu haben.
Doch was ist passiert?
Janus ist von Köln nach Dublin gereist, um seine schriftstellerische Seite zu pflegen. Dublin - die Stadt, die viele der große Schriftsteller beheimatet hat. An förmlicher jeder Ecke trifft man Wilde, Joyce und die anderen der Band und doch - Janus` Schreibblockade ist hartnäckig. Das weiße Blatt starrt ihn Stunde um Stunde, Tag um Tag an und verhöhnt ihn und seine Kunst. Was kann da näher liegen als eine Kneipentour durch die Pubs der großen Vorbilder? 
Viele Biere und Whiskeys später will Janus nach Hause wanken, als er einen Mord beobachtet. Doch eine Leiche taucht erst wesentlich später auf und starb Stunden nach Janus` Beobachtung. Janus` Instinkt ist geweckt und so folgt er den verschiedenen Verdächtigen durch die schmalen Gassen von Dublin, nichtsahnend, dass er sich immer weiter in den Fall verstrickt und selbst Anlass zur Beobachtung gibt. 
"Ein Schuss Whiskey" ist der Abschlussband der Trilogie über den guten Tropfen. Doch ist dieses Buch ein eigenständiges Buch, was man ohne Vorkenntnisse der anderen beiden Bücher lesen kann.
Nach "Der Buchspazierer" schlendert wieder ein Protagonist durch die engen Gassen einer Stadt, doch hier enden schon die Gemeinsamkeiten. Während "Der Buchspazierer" vornehmlich eine Ode an das Buch ansich ist, wählt "Ein Schuss Whiskey" einen anderen Ansatz. Bekannte Autoren, ihr Leben und ihre Werke nehmen auf die Handlung ein um das andere Mal Einfluss und vielfach führt allein das Zitat dazu, dass der Leser ein weiteres Mal schmunzeln muss. Der Krimi setzt auf viel Augenzwinkern. Während Brutalität nebensächlich ist, bietet er neben der Geschichte noch ein weiteres Rätsel für den Leser, dass sich erst am Ende des Buches offenbart. 
Weiterhin führen verschiedene Einschübe dazu, dass man als Leser viel über die Whiskeyherstellung lernt und das Buch als kleines, feines Lexikon des Whiskeys betrachten kann. Abgerundet wird das Buch mit einigen Rezepten, die sich gerade in der dunklen Jahreszeit zum Nachkochen eignen. 
Wer Carsten Sebastian Henn noch nicht kennt, wird ob der vielfachen Sinneseindrücke erstaunt und hoffentlich auch erfreut sein. Mich begeistern seine Bücher ein ums andere Mal.

5 von 5 Tumbler

Donnerstag, 17. November 2022

#AutoralsLeser: Susanne Degenhardt

Oftmals nehmen wir Leser in einer Person nur den Autor war, doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit.
Ein Autor ist auch selbst ein Leser und ist durch das, was er gelesen hat beeinflusst. Doch spiegelt sich das Gelesene im Geschriebenen wider?
Wollen wir doch einmal sehen.  😉

Heute hat diese Autorin die Fragen zu seinem Leseverhalten beantwortet:

Susanne Degenhardt (Foto privat)

Welches sind die drei besten Bücher, die du je gelesen hast?

Die Bibel lasse ich mal außen vor und beschränke mich auf Romane. 😉 Natürlich darf „Stolz und Vorurteil“ für mich als Jane Austen Fan nicht fehlen. „Mein Herz hört deine Worte“ von Joanne Bischof und „Die Bibliothek der Träume“ von Lynn Austin finde ich sehr schön. Und noch viele weitere …

Wo liest du am liebsten?
In einem Sessel bei uns im Wohnzimmer oder in meinem Bett – je nachdem, wo mehr Ruhe ist.

Welches Buch hast du zuletzt gelesen und würdest es weiterempfehlen?
„Das Medaillon“ von Cathy Gohlke habe ich zuletzt gelesen. Dieser Roman ist herzzerreißend und hat mich sehr berührt.

Welche Romane würdest du Jane Austen Fans empfehlen?
Ich kann alle Romane von Julie Klassen und Carolyn Miller sehr empfehlen, außerdem „Sommer in Edenbrooke“ von Julianne Donaldson und „Die Ladys von Somerset“ von Julie Marsh.


Nachdem ihr nun wisst, was sie liest, könnt ihr hier schauen, was sie schreibt:
instagram.com/smillas_bookworld

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Dienstag, 15. November 2022

Hanna Buiting "Schreiben ist Gold"

Schreiben ist eine nahezu alltägliche Sache. Wir schreiben Postkarten oder Briefe, wir schreiben Kurzmitteilungen oder E-Mails.
Doch obwohl fast jeder täglich schreibt, schreiben doch nicht wirklich viele.
Schaut man in den Suchmaschinen nach, gibt es zahllose Schreibratgeber oder auch Institutionen, die einem das Schreiben beibringen wollen. Denn offensichtlich, ist Schreiben nicht gleich Schreiben.
Der Unterschied liegt, man konnte es inzwischen vermuten, in der Kreativität. Ein Brief ist etwas ganz anderes als ein Buch. Fakten versus Fiktion, sozusagen.
Doch braucht man einen Schreibratgeber, um Schreiben zu können? Kommt die Kreativität nicht aus einem selbst heraus?
"Schreiben ist Gold" geht vielleicht nicht genau dieser Frage nach, aber das Buch zeigt auf verschiedene Weisen, was es heißt zu schreiben. Die Einflüsse sind gar vielfältig und längst kann ein Autor nicht mehr, das schreiben, was er denkt. Jede Zeit hat ihre Themen und wie die Autorin mehrfach betont, hat man eine Geschichte erst einmal geschrieben, würde man sie nie wieder so schreiben. Durch den Schreibprozess hat man erneut dazugelernt und das beiflusst wieder das Schreiben, so die Autorin.
Im Buch geht es viel darum, woher man die Kraft und die Inspiration (in ihrem Fall, oftmals G*tt) zum Schreiben nimmt und wie man andere beim Schreiben anleiten kann.
Kreativität kann man zwar nur bedingt lernen, dafür ist der Schreibprozess ansich ein Handwerk, was durch Übung immer weiter verbessert werden kann.
Mit kleinen Tipps und Geschichten aus ihrer Vergangenheit lockert sie das Buch mehrfach auf und gibt neben Denkanstössen auch praktische Tipps, wie man das eigene Schreiben plant oder auch, wie man Schreibblockaden lösen kann.
Sicherlich ist dies kein klassischer Ratgeber, im Sinne von, wenn du dies tust, wirst du Erfolg haben, aber durch ihre Erfahrungen kann man Rückschlüsse auf das eigene Schreiben ziehen und dies ist oftmals hilfreicher als der erhobene Zeigefinger.

4 von 5 Ratgebern

Freitag, 11. November 2022

P. B. Vauvillé "Ein kunstvoller Mord"

Mit einem Mal erlischt das Blitzlicht für immer.
Während einer Performance unter den Straßen von Paris kommt die Fotografin Solveig Brenner zu Tode und als ob das Schicksal es so wollte, ist auch Quentin Belbasses Mutter zugegen.
Anstatt die Polizei zuerst zu rufen, gilt der erste Anruf dem Hobbydetektiv, der im eigentlichen Leben Musiker ist und die Verwicklungen nehmen ihren Lauf.
Auch wenn es sich bei dem Buch um den zweiten Band des Hobbydetektivs handelt und ein paar Verweise auf den ersten Band sich durch das Buch ziehen, kann man den Kriminalfall auch ohne Vorkenntnisse lesen.
Er steht im Zeichen der klassischen Detektivgeschichten und zeichnet sich durch viel Laufarbeit und Körpereinsatz aus, wobei der Ermittler auch selbst nicht ohne Blessuren davonkommt.
Die Kunstszene, ihr Chichi und die entsprechenden Gepflogenheiten werden oft bewusst überspitzt dargestellt, sodass dem Leser das eine oder andere Schmunzeln entlockt wird.
Regelmäßigen Krimilesern dürfte allerdings schnell klar sein, worauf die Geschichte hinausläuft und so ist des Rätsels Lösung keine Überraschung, aber sie ist schon wirklich düster gezeichnet.
Eine angenehme Lektüre um dem Krimigenre ein anderes Flair zu vermitteln und gleichzeitig wieder etwas über die menschliche Natur zu lernen.

3,5 von 5 Fotografien

Donnerstag, 10. November 2022

Autoreninterview Susanne Degenhardt

Hallo zusammen.
Passend zur Vorweihnachtszeit gibt es wieder ein Autoreninterview.
Susanne Degenhardt, bekennende Jane Austen Liebhaberin, hat neben ihrem Buch auch einen Adventskalender herausgebracht. Doch ich will hier nicht zuviel erzählen. Lassen wir sie doch selber sprechen:


Warum die Begeisterung für Jane Austen und damit auch die Idee zu deinem Buch?
Die Begeisterung für Jane Austen entstand bei mir durch die Verfilmungen der 90er Jahre. Die haben mich so begeistert, dass ich direkt zu ihren Romanen griff. Meine Begeisterung beruhte dann aber hauptsächlich auf ihren Romanen und ihrem humorvollen, ironischen Schreibstil. Vor ein paar Jahren kam ich dann in Kontakt mit meiner jetzigen Lektorin Konstanze von der Pahlen, die mir erzählte, dass Jane Austen gläubig gewesen sein soll und das leider gar nicht so bekannt ist. Auch ich wusste bis dahin nichts davon und war total erstaunt. Weil Konstanze gesehen hatte, dass ich auf Instagram öfter mal Jane Austens Romane gepostet hatte, war ihre Idee, ob ich nicht ein Andachtsbuch über Jane Austens Glauben schreiben könnte – vorwiegend über die Gebete, aber auch über das, was man in ihren Romanen dazu finden kann. Ich war mir zuerst gar nicht sicher, ob ich das kann und habe es versucht. Und daraus ist tatsächlich das Andachtsbuch geworden, es hat also wirklich geklappt!

Wenn alternativ Zeitreisen oder die Reise in ein Buch möglich wäre, würdest du Jane Austen besuchen oder eins ihrer Bücher? Und wenn eines ihrer Bücher, welches?
Uff, das ist eine gute und gleichzeitig schwer zu beantwortende Frage. 😃 Auf jeden Fall würde ich Jane Austen gerne besuchen, sehen, wie sie gelebt hat, ihre Familie kennenlernen und auch mal neben ihr in der Kirchenbank sitzen, um zu erleben, wie ein Gottesdienst damals tatsächlich ablief. Ich würde ihr gerne sehr viele Fragen stellen, wie zum Beispiel, ob sie bei der Romanfigur Mr Collins eine reale Person als Vorbild hatte. Ansonsten würde ich auch wahnsinnig gern in jeden ihrer Romane reisen. Das stelle ich mir genauso spannend vor.

Wie hast du es geschafft, all die passenden Bibelstellen zu den Andachten zu finden?
Da gab es viele, viele Wege. Manchmal hatte ich die Bibelstellen schon im Kopf und wusste genau, welcher passen würde und worüber ich schreiben wollte. Nicht selten habe ich auch meinen Mann gefragt, ob ihm noch etwas Passendes einfällt (er hat Theologie studiert und war wie ein wandelndes Bibellexikon für mich). Und dann kann man natürlich auch Google nutzen und den Bibleserver. Auf dem Bibleserver kann man nach verschiedenen Stichworten suchen und sich parallel verschiedene Bibelübersetzungen anzeigen lassen. Manchmal hat Gott mir auf diese Weise die eine oder andere Bibelstelle gezeigt, die mir nicht sofort eingefallen wäre und das jeweilige Kapitel abgerundet hat.

Welches Jane Austen Buch hast du als erstes gelesen?
Das war „Emma“. Direkt, nachdem ich die Verfilmung als Teenagerin gesehen hatte, bin ich – wir waren als Familie damals auf einem Wochenendausflug in München – zum Hugendubel gegangen und habe einen Buchhändler verschüchtert nach diesem Roman gefragt – und sie hatten ihn sogar vorrätig! Es war die Diogenes-Ausgabe und ich habe mich total gewundert, dass sie vorrätig war. In meiner Heimatstadt musste die Buchhandlung solche Romane immer bestellen.

Hast du eines der zahlreichen Pastiches gelesen, um dich auf dein eigenes Buch einzustimmen?
Nein. Ich habe bisher keinen einzigen Roman gelesen, in dem Jane Austen eine Romanfigur ist. Anfangs habe ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, aber dann hatte ich die Befürchtung, dass das mein eigenes Schreiben und mein Bild, das ich durch die Recherche gewonnen hatte, beeinflussen könnte. Nachdem mein Buch fertig geschrieben war, habe ich einen Roman über Jane Austen begonnen, allerdings bin ich nicht damit warm geworden und habe ihn noch mal beiseitegelegt. Vielleicht war es noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. 😉

Nächste Woche geht es weiter mit dem "Autor als Leser" Interview. Ich hoffe, ihr seid wieder dabei.
Zwischenzeitlich könnt ihr auch schon einmal bei ihm vorbeischauen:
instagram.com/smillas_bookworld


Das Foto hat die Autorin selbst zur Verfügung gestellt.

Sonntag, 6. November 2022

Buchmesse mit Flair

Für einen Bücherwurm ist bekanntlich nach der Messe immer vor der Messe und auch wenn die Frankfurter Buchmesse und die BuCon schon ein paar Tage her sind, manche hält der Messeblues in eiserner Hand. Doch mit kleineren Messen kann bis zur Leipziger Buchmesse Abhilfe geschaffen werden. Ein kleine, feine Messe findet am nächsten Wochenende statt und wenn ich die Bilder sehe, wünschte ich, ich könnte diese Messe besuchen.
Schauplatz dieser in meinen Augen - außergewöhnlichen Buchmesse - ist das Schloss Schwetzingen. Am Samstag und Sonntag wartet das Schloss mit kleinen ausgesuchten Verlagen und Lesungen dazu auf, den Lesern eine Abwechslung vom Alltag zu bescheren.
Durch die Gänge zu wandeln und dabei auch noch Literatur kaufen zu können, muss ein Genuss sein, dem sich jeder Lesende, der es sich zeitlich ermöglichen kann, in meinen Augen definitiv hingeben sollte:


Und wen ich mit meinen Worten nicht überzeugen konnte, der möge doch bitte die Pressemitteilung lesen und dann alle anderen Termine für das nächste Wochenende absagen. 
Zum Vergrößern einfach die Bilder bitte anklicken!












Die Bilder und die Pressemitteilung wurden von den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs zur Verfügung gestellt.

Montag, 31. Oktober 2022

Andreas Suchanek "Flüsterwald - Der verborgene Meisterschlüssel"

Bereits zum fünften Mal entführt uns Andreas Suchanek in seinen Flüsterwald (die Weihnachtsgeschichten hier einmal ausgenommen).
Mit dem vierten Band endet die erste Staffel um die Helden Lukas, Ella, Rani, Felicitas und Punchy, doch das heißt nicht, dass dem Autor nicht eine neue Bedrohung und neue Wesen für den Flüsterwald einfallen.

Die Geschichte beginnt damit, dass die Blinzelbahn in den entlegenen Teilen des Flüsterwaldes gestört wird und man sie nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Gott sei Dank sind unsere Helden nicht weit und nach einer kurzen Besprechung und einem Wiedersehen mit dem Professor eilen sie los, sich den Gefahren entgegenstellend und widmen sich ihrer neuen Aufgabe.
Kleine Rückblenden helfen eine Verbindung zu dem letzten Band zu ziehen und obwohl man viele neue Wesen kennenlernt, sind es doch unsere fünf, die die Geschichte hauptsächlich vorantreiben. Dabei birgt einer der Helden ein Geheimnis, was in diesem Band zur Überraschung aller gelüftet wird. Doch wer der Freunde ist es? Nun das müsst ihr selbst lesen.

Insgesamt passt sich der fünfte Band schön in die Reihe um die Freunde des Flüsterwaldes ein. Kleine Zankereien, wie es sie in den vorigen Bänden gegeben hat, werden auch hier immer wieder angesprochen. Sicherlich kann man den Band auch ohne die vorigen Bände lesen, doch nimmt es ein wenig der Dynamik zwischen den Figuren, wenn man erst mit der zweiten Staffel einsteigt. Im Gegensatz zum vierten Band, der in meinen Augen recht düster angelegt war, ist der fünfte wieder ein bisschen witziger. Lange Passagen sind hier aber auch eher unterhaltend, sodass eher die Freundschaft als der Witz im Vordergrund steht. Gefallen hat mir die Geschichte, aber gerne darf es beim nächsten Mal wieder ein Schokoladenkoma geben. Das ist zu lustig.

4 von 5 Notizbüchern

Mary Ann Fox "Je süßer das Gift"

Im mittlerweile achtem Buch in der Reihe um Mags und ihre Gärtnerei treffen wir all die Menschen aus Rosehaven wieder, die wir aus den vorigen Büchern bereits kennen. Doch ist es dieses Mal etwas anders.
Mags wurde auf Grund ihres Fachwissens gebeten eine Reisegruppe durch die verschiedenen Gärten Südenglands zu begleiten. Sie, die die Gärten zumeist vor Jahren das letzte Mal gesehen hat, ist vorfreudig und gleichzeitig ein bißchen nervös, da sie noch nie anderen Menschen so direkt Rede und Antwort zu ihrer Arbeit stehen musste. Doch kaum ist der Reisebus unterwegs, stolpert Mags über die erste Leiche.
Derweil muss sich ihr Mann Sam zuhause in Rosehaven mit einem ganz anderen Problem herumschlagen. Plötzlich verschwinden aus den Haushalten in Rosehaven Kleinigkeiten oder auch Lebensmittel, zurückbleiben wunderschön geschnitzte Figuren, die wie abgestimmt auf die jeweiligen Situation passen. Doch wer ist der Künstler oder doch eher der Dieb?

Im Gegensatz zu den früheren Bände spielen in diesem Band einige reale Gärten Englands und ihre Geschichte in diesem Band eine nicht unwichtige Rolle. Sissinghurst nimmt eine markante Stellung in dem Buch ein und wenn man die Gärten bereits kennt, fühlt man sich in den Moment zurückkatapultiert, in dem man selbst durch die Gärten streifte. Man riecht das Gras, man sieht die Blumen sich im Wind bewegen, man taucht ein in eine ganz andere Welt.
Der Fall kommt dieses Mal etwas später zum Tragen, aber da man Mags und ihr Händchen kennt, weiß der Leser, was ihn auf den nächsten Seiten zukommt. Wie immer ist der neue Band eine Art "nach Hause kommen", da die Autorin es schafft, die Geschichten so unterschiedlich zu gestalten, dass keine Langeweile aufkommt, aber gleichzeitig durch das Setting ein heimeliges Gefühl garantiert.

Ein Cosy crime par excellence.

4 von 5 Gärten

Sonntag, 30. Oktober 2022

BuCon vs FBM 2022

Ich glaube, ich bin somit die letzte, die sich zum Thema Buchmessen dieses Jahr äußert. 
Den meisten wird bekannt sein, dass im Oktober die alljährliche Buchmesse in Frankfurt stattfindet. Weniger Leuten wird bekannt sein, dass zeitgleich in dem kleinen Städtchen Dreieich, nur wenige Kilometer vor den Toren Frankfurts, eine Konkurrenzveranstaltung stattfindet: die BuCon. Wobei hier von einer Konkurrenz zu sprechen, ist wahrlich nicht ganz richtig, denn nach Dreieich pilgern zumeist andere Leser als nach Frankfurt.
Die BuCon ist um ein wesentliches kleiner als die große Schwester in Frankfurt, sie mutet eher familiär an und konzentriert sich auf kleinere oder Nischenverlage. 
Den ganzen Tag über kann man Lesungen lauschen, sich mit Autoren und Verlegern unterhalten, man kommt als Leser viel näher an die Menschen um die Bücher heran, als es auf einer Großveranstaltung oft der Fall sein kann.
Bedeutet das, dass die BuCon etwas für jeden Leser ist? Ich würde dies zum jetzigen Zeitpunkt verneinen, denn der klassische Krimileser würde auf der BuCon nicht die Bandbreite an Krimis finden, wie er es in Frankfurt tut. 
Wer aber Fantasy, SciFi, Steampunk oder ähnliche Genres liebt oder einmal kennenlernen möchte, sollte sich die nächste BuCon (wieder parallel zur Frankfurter Buchmesse) merken und kann sich vorab schon einmal hier: buchmessecon.de informieren.
Auch wenn ich dieses Jahr das erste Mal dort war, wird es nicht das letzte Mal gewesen sein. Dafür war es einfach viel zu schön.

Jean Bastide "Idefix und die Unbeugsamen 2"

Ein weiteres Mal haben Idefix und seine Freunde ihren eigenen Comicband ergattert. Während das nächste Asterix-Abenteuer noch nicht erschienen ist, gibt es bereits Band zwei um die kleinen Helden. Wieder in kleiner Klappbroschur kommt dieser Band um Idefix und seine tierischen Freunde daher.

Wir befinden uns weiterhin um Jahr 52 v. Chr. und die römischen Polizeihunde (formschön in der klassischen römischen Uniform) machen die Straßen von Lutetia unsicher.
Klappt man den Comic auf, werden die tierischen Helden wie in den klassischen Asterixheften vorgestellt und mit ihren Fähigkeiten dem Leser nahegebracht.
In drei kurzen Episoden werden so vielfältige Themen wie Größenwahn, Geschmeide und weitere Themen auf die typisch französisch-bissige Art karikiert und zudem auch kritisiert. Somit sind die Comics wie auch die Astericx-Bände nicht nur für die jungen Leser, sondern auch für die erwachsenen Leser spannend zu lesen.
Die Zeichnungen sind dabei etwas moderner gehalten, doch die üblichen Comic-Effekte wie Sprechblasen, kursive und fette Schrift bleiben dem Leser erhalten.
Erneut eine gelungene Abwechslung zu den originalen Asterixheften, auch wenn sie nicht ganz an diese heranreichen.

4 von 5 Hundepatrouillen

Montag, 24. Oktober 2022

Tag der Bibliotheken

Die Frankfurter Buchmesse ist erst gestern zu Ende gegangen und schon gibt es einen weiteren Grund der Bücher zu gedenken. Heute ist der Tag der Bibliotheken.

Für uns Lesende ist eine Welt ohne Bücher nahezu unvorstellbar. Sieht man einmal von der Form des Buches ab, begeistern Taschenbücher, gebundene Bücher, E-Books, Groschenromane und weitere vielfältige Angebote den heutigen Buchmarkt.
Doch das war nicht immer so, in früheren Zeiten wurden Bücher von Hand geschrieben. Bücher war ein Wertgegenstand und Bibliotheken waren ein Kleinod an Wissen und somit auch von Macht. 


Heute haben die damaligen Bibliotheken zwar oftmals ihren Informationsauftrag in weiten Teilen eingebüßt, aber sie haben eine neue Aufgabe erhalten. Sie sind zu Pilgerstätten für alle Buchliebhaber geworden. Das Bild oben stammt aus dem Kloster Wiblingen und ist bekannt für seinen prächtigen Bibliothekssaal. Mehrere Etagen voller Bücher, Figuren und Marmor schmücken diesen, der zum Erkunden und Stöbern einlädt.




Neugierig geworden, dann seht euch doch auf der Internetseite des Klosters um und vielleicht habt ihr damit euer nächstes Urlaubsziel schon gefunden.

Hier findet ihr das Kloster, die Öffnungszeiten und weitere Informationen:
Kloster Wiblingen

Oder klickt auf die folgenden Bilder der Pressemitteilung:






Die Bilder und die Pressemitteilung wurden von den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs zur Verfügung gestellt.

Dienstag, 18. Oktober 2022

M. L. von Burgberg "Ragdim - Das Geheimnis der Wächter"

In den Tiefen der Ragdim schwelt ein uraltes Geheimnis. Ein Geheimnis, das aufgedeckt, die Menschen um die Ragdim in eine dunkle Finsternis stürzen kann. Doch den wenigsten ist dies bewusst.
Vor vielen Jahren wurde Garven in einem kleinen Dorf durch eine Macht schwer verletzt und doch ist es er, der trotz seiner Herrschertreue im Hintergrund nahezu alles versucht, um altes Unrecht zu strafen und für eine neue Hoffnung kämpft.
Fantasy in der heutigen Zeit zu schreiben, ist kein leichtes Unterfangen. Viele Bereiche wurden schon abgegrast, es gibt kaum einen Zwerg, einen Elb oder einen Elf, der es noch nicht in ein Buch geschafft hat. Sich da etwas einiges auszudenken, zeugt von großer Kreativität und dem Mut, sich eine eigene Welt  neben Tolkien, C.S. Lewis oder den anderen alten Klassiker zu erbauen und auch auf der modernen Ebene sich um einen Platz in der Szene zu bemühen.
"Ragdim" hat klassische Fantasyelemente, den leichten Hauch einer Liebesgeschichte und doch hat das Buch wesentlich mehr zu bieten. Das Land, ähnlich dem deutschen Land, wird zu Beginn in einer Karte festgehalten und ermöglicht es dem Leser auch bildlich in die Welt einzutauchen.
Die Kapitel werden im Wechsel der jeweiligen Protagonisten erzählt und variieren hier in Länge und im Spannungsgrad. Die Autorin hat ein Gespür dafür, wann es gilt einzelne Szenen auszuschmücken und wann sie mit kurzen, prägnanten Informationen die Geschichte vorantreiben muss, um beim Leser Spannung zu erzeugen.
Die unterschiedlichen Figuren laden den Leser dazu ein, sich seinen eigenen Held oder zumindest seinen Lieblingscharakter auszusuchen, da die Autorin mit mehreren Protagonisten und eigenen starken Nebenfiguren, dem Leser eine Vielzahl an Personen an die Hand gibt, die man lieben oder auch hassen kann.
Lange Zeit bleibt im Dunkeln, was das Geheimnis der Ragdim ist, denn die Autorin täuscht in mehreren Momenten die vermeintliche Lösung an, nur damit sich einige Aspekte wieder nur als Finte herausstellen.
Ein Fantasybuch, was ohne Orks, Zwerge, Elben und sonstige klassische Figuren der Fantasy auskommt und damit einen frischen Wind in die Köpfe der Leser bringt.

4,5 von 5 Wächtern

Mittwoch, 28. September 2022

Will & Ariel Durant "Die Lehren der Geschichte"

5000 Jahre auf knapp 150 Seiten sind ein wagemutiges Ziel, welches sich die beiden Pulitzerpreis-Autoren sich zum Ziel gesetzt haben. So viel Geschichte verdichtet auf so wenigen Seiten, hört sich im ersten Moment nach einer starken, vermeintlich auch willkürlichen, Selektion an, doch der Leser wird mit diesem Buch äußerst gut unterhalten. Dabei sei direkt zu Anfang gesagt, die Kürze des Buches soll nicht über die Intensität des Buches hinwegtäuschen, denn das sprachliche Niveau, welches die beiden Autoren hier vorlegen ist wahrlich sehr hoch. Viele Ereignisse und Personen und auch ihr historischer Kontext werden als bekannt vorausgesetzt. Es handelt sich nicht um eine schlichte Ereigniszusammenstellung.
Das Buch, welches erstmalig in den 60er Jahren erschien und für diese Ausgabe sowohl aktualisiert als auch in Teilen überarbeitet wurde, legt einen anderen Schwerpunkt.
Die Autoren stellen schon direkt zu Beginn der Betrachtung fest, dass die Geschichtsschreibung eine Geschichte der Auslassung ist. Das allgemeine, unbedeutende Leben, was aber in vielen Leben gelebt wurde, wurde nicht dokumentiert, nur das, was für die Zeit oder von der Nachwelt als wichtig erschien. Geheimnisse wurden vertuscht, Legenden wurden gebildet, die Geschichte ist die Geschichte der Sieger. Dieser allgemein bekannte Ausspruch klingt in jeder Seite des Buches mit.
Das Buch setzt den Schwerpunkt auf Themen, die unmittelbar mit der menschlichen Natur verbunden sind und betrachtet die jeweilige Entwicklung innerhalb der 5000 Jahre. Einzelne Highlights, wie der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, oder bestimmte Todesdaten, die eine Zeitenwende herbeiführten, werden genau benannt, ansonsten wird die allgemeine Menschheitsentwicklung beschrieben. Der Mensch und der Krieg, der Mensch und die Technik, der Mensch und die Natur sind nur eigene der zahlreichen Aspekte, die das Buch beleuchtet.
Viele Ideen, das merkt auch die Redaktion zum Schluss an, sind aus der Zeit gefallen und können nicht mehr so gelten, wie sie in den 60er Jahren galten. Die Menschen haben sich erneut verändert und man muss das Buch in seiner Entstehungszeit betrachten. Als Zeitdokument ist es interessant zu lesen, allerdings ist dies kein Einstiegswerk in die Geschichte, da es dafür zu kurz und fachlich geschrieben ist.

3,5 von 5 Jahrtausenden

Sonntag, 25. September 2022

Ann-Kathrin Karschnick & Stefanie Mühlsteph "Bookboy"

Der geneigte Leser stellt sich den Alltag eines Buchhändlers äußerst verklärt vor. Ein paar Bücher verkaufen, verräumen, ein kurzer Schnack mit dem Kunden und den Rest des Tages lesen, damit man den Kunden doch das eine oder eher das andere Buch empfehlen kann.
Nun, Bookboy Fabius Flieder, hätte den Tag auch gerne im Ohrensessel verbracht, anstatt 24 Stunden durch Wind und Wetter die bestellten Bücher zu den Kunden zu bringen. Doch sein Großvater, Inhaber der Leseratte, und auch die 22 Autor*innen haben sich für ihn etwas anderes ausgedacht. Fortwährend, nahezu im Stundentakt, schellt in der kleinen gemütlichen Buchhandlung das antiquierte Telefon und selbst in den Nachtstunden benötigen die Kunden gerade jetzt dieses bestimmte Buch. 
So wie man oftmals sagt, dass Bücher dem Leser Welten eröffnen, so beginnt mit jeder Fahrt des Bookboys seine eigene stündliche Geschichte. Denn jedes Mal sieht er sich dem Bestellenden und somit auch dessen Geschichte gegenüber.
Wer jetzt glaubt, dass bei 24 Lieferungen 24mal dasselbe passiert, der hat noch nie eine Anthologie gelesen. Denn was bei anderen Anthologien oft den Kern ausmacht, wird in dieser Anthologie auf die beste Weise umgesetzt. Muten einige Geschichten komisch oder gar witzig an, werden mit Fortschritt des Tages die Geschichten immer düsterer, dass man geneigt ist, hinter die Couch zu blicken, ob sich nicht ein Wesen aus dem Buch in die eigenen vier Wände geschlichen hat.
Die Autor*innen haben es zudem geschafft, die Geschichten übergangslos ineinander fließen zu lassen, sodass man oftmals gar nicht bemerkt, dass ein anderer Schreiberling eine weitere Stunde angebrochen hat. Alle Geschichten haben dabei ihren eigenen Stil und verzahnen sich dabei auch gerne einmal in bereits allgemein bekannte Literatur. Alle Geschichten bilden in ihrer Vielfalt ein großes Ganzes, was man - einmal begonnen - kaum mehr zur Seite legen kann. Die einleitenden Kapitelseiten zeigen dabei, wie schön es ist, ein gedrucktes Buch in Händen zu halten, so wirken die Illustrationen um ein Vielfaches mehr als auf dem Bildschirm eines Ebook-Readers.
Definitiv eines meiner Jahreshighlights, bei dem auch schon das Cover den Leser auf die richtige Fährte lockt: Das Buch ist eine großartige Reise in die Welt der Buchstaben und der Fantasie.

5 von 5 Fahrrädern

Samstag, 24. September 2022

A. K. Grundig "Ich rette die Welt - aber erst mal eine rauchen" Teil 1 "Zündstoff"

Sind es die Bilder oder die Bilder im Kopf, die einen mehr berühren? Wahrlich kann ein Bild mehr als tausend Worte sagen und doch, ohne Zusammenhang und in einer schieren Reizüberflutung können Bilder einen Film hinterlassen, der die Grausamkeit des Krieges verschleiert. Zudem ist es nicht ungewohnt, dass man bei täglicher Auseinandersetzung abstumpft, doch wo endet die Wahrheit und wo beginnt die Mutmaßung?
Lea reist mit mehreren Journalisten und Fotografen nach Syrien. Noch scheint es alles ruhig, doch der Druckkessel ist zum Bersten gefüllt. Zu viele Interessen prallen auf dem nahezu kleinen Gebiet aufeinander. So dauert es nicht lange, bis die Reporter neben der Berichterstattung immer wieder um ihre Existenz fürchten müssen, wenn sie sich auf die Straßen begeben, um mit den Menschen zu sprechen oder sie durch Fotos am Leben zu erhalten. Doch wer erzählt was, wer hat welches Interesse? Werden sie auf Dauer geduldet oder ist es gar auf Dauer schlicht zu gefährlich?
Doch wo das Gefühl der Angst sich umtreibt, ist auch das Gefühl nach Nähe und so treibt es Lea immer wieder zu dem Mann, der eigentlich nicht der Richtige für sie zu sein scheint. Denn ein Immortal War Baby ist ein Leben lang gezeichnet.
Selbst jetzt da ich das Buch beendet und zur Seite gelegt habe, spüre ich noch diesen Druck auf der Brust. Man weiß um die Kriege und um seine Schrecken. Man kennt die Bilder und Videos. Man weiß, was Menschen anderen Menschen antun können.
Doch ist es für das Format eines Buches, dass die Schmerzen und Leiden spürbarer macht, den Schrecken näher rückt, der die Gedanken für die Ursachen des Krieges befeuert. Das nachdenklich stimmt und gleichzeitig die Geschehnisse par absurdum führt. 
Alle Gefühle, die vermeintlich kleinen, wie das Betrunken sein vor der Fahrt ins Ungewisse, oder die großen wie zum einen Liebe und zum anderen Hass, vereinigt das Buch in sich, was es zeitweilig nahezu unerträglich macht es weiter zu lesen.
Dabei ist das Schlimme: Es ist nicht wirklich eine Geschichte - es ist ein Spiegel der Realität.

4 von 5 Zigaretten

Dienstag, 20. September 2022

Carolin Gmyrek "Kaputter Nebel"

Es war einmal...
Es begab sich, dass vor wenigen Jahren der Nebel sich erhob und der Durchgang zwischen den Welten verschwamm. Ein kleines, unschuldiges Mädchen verirrte sich im Nebel und galt in der menschlichen Welt als verschollen, bis sie zurückkehrte: Um keinen Tag gealtert.
Ein Aufruhr ward die Folge und die Wesen lebten mal in Feindschaft gegen-, mal in Frieden miteinand.
Doch einer, der ward sich sicher, dass sein Tag kommen würde, da er das Mädchen bestrafte, für das, was sie ihm angetan. Denn seit dieser Zeit ließ er es nie aus den Augen.

Die eine oder andere Dystopie hab ich in den letzten Jahren schon gelesen, doch eine Märchendystopie ist wahrlich etwas Neues für mich. Ein Crossover zwischen den verschiedenen Genres, was man definitiv nicht jeden Tag liest und in das man sich als Leser reinfinden muss.
Auf knapp 180 Seiten wird der Leser durch verschiedenste Wechsel (zuviel sei hier nicht verraten) geradezu durch die Geschichte geschleudet, dass man beim Lesen oftmals den Eindruck hat, man stehe selbst im kaputten Nebel.
Doch die Autorin schafft es, alle Fäden zusammenzuführen, lose Enden einzufangen und zu einem fulminaten Schluss zu verschnüren.
Die derbe Sprache passt zu den aufgestauten Gefühlen und als Leser ist man bei dem Blick hinter die Kulissen oftmals erstaut, mit welcher Wucht unterdrückte Gefühle zu Tage kommen.

Ein Buch bei dem die Stimme des Barden noch einige Zeit nachhallt, denn eine Erzählung dieser Art liest man nicht alle Tage.

4 von 5 Märchen

Montag, 19. September 2022

Bernd Schuh "Irre real"

Wer meinen Rezensionen schon etwas länger folgt und sie somit regelmäßig liest, dem dürften die Phantastischen Miniaturen bereits ein Begriff sein.
Für alle anderen dies: Die Phantastischen Miniaturen sind die Kurz- oder Kürzestgeschichten der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, die in regelmäßigen Abständen zu ausgewählten Themen des Bibliotheksgründers Thomas Le Blanc in Eigenregie herausgegeben werden.
Bernd Schuh ist einer der zahlreichen Autoren, dem pmachinery ein eigenes Buch widmet. Viele der 49 Geschichten in "Irre real" sind bereits in den Miniaturen erschienen und werden in diesem Buch thematisch neu gegliedert und dem Leser mit einleitenden Bildern präsentiert.
Zu den insgesamt acht Kapiteln gehören Themen wie Einseitig, Kneipen im Weltraum, Locked-in oder als Abschlusskapitel Der schöne Rest.
Gerade das Kapitel Kneipen im Weltraum zeigt, dass auch Kurzgeschichten gerne einmal einer Fortsetzung bedürfen und dass der Autor mit Witz und Verstand und der beschränkten Wortzahl, zwar ein Szenario wieder aufleben lassen, dabei aber äußerst kreativ vorgehen kann.
Auch bei dieser Zusammenstellung fällt auf, was einen guten Autor ausmacht. Je nach Thema schlägt der Autor eine andere Sprache an, mal wird der Witz in den Vordergrund geschoben, mal wird er bewusst zurückgehalten, um andere Elemente der Geschichte für den Leser in den Fokus zu rücken.
Kurz hintereinander viele Geschichten eines Autoren zu lesen, könnte monoton anmuten, wenn es der Autor nicht wie Bernd Schuh schafft, mit seinen verschiedenen Facetten den Leser ans Buch zu binden. 
Keine Geschichte gleicht der anderen und auch wenn die Kapitel mit ihren Überschriften es vermuten lassen könnten, so bildet jede der 49 Geschichten ihr eigenes kleines Universum, das von den anderen Geschichten gestützt wird.

4,5 von 5 Begebenheiten

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

Sonntag, 18. September 2022

Thomas Köhler "Der Charme des Todes"

Kennt ihr diese Bücher, an die ihr mir einer gewissen Erwartungshaltung herangeht, um dann festzustellen, dass ihr völlig daneben lagt?
Ich präsentiere: "Der Charme des Todes"
Erwartet hatte ich ein Buch im Stile der Darwin Awards, bekommen habe ich etwas ganz anders.
Aber der Reihe nach: Leitet das Buch mit Titel oder Inhaltsangabe den Leser in die Irre? 
Nein!
Warum und vor allem, wie ich auf diesen Gedanken mit den Darwin Awards kam, erschließt sich mir im Nachhinein nicht mehr, aber das Buch hat mich - soweit man das bei diesem Thema sagen kann - gut unterhalten.
Es ist sicherlich nichts für zarte Gemüter, da schon das erste Kapitel sehr deutlich von dem Zerfall des Körpers spricht und auch die folgenden Kapitel lassen mit den beschriebenen Morden nicht immer das Gemüt ruhig zurück. 
Was mir an dem Buch sehr gut gefiel, die jeweiligen Morde wurden in drei Phasen unterteilt:
Wie war die Ausgangssituation?
Was geschah während der Tat?
Was folgte daraus?
Beispielsweise wird sehr ausführlich über das Attentat von Sarajewo berichtet und welche weitreichenden, sogar bis heute geltenden Folgen dieses Ereignis hatte. Weiterhin werden auch in die Beschreibungen technische oder medizinische Entwicklungen eingeflochten, wenn es thematisch passt.
Ein weiterer größerer Abschnitt ist der Mumifizierung im Unterschied zur Mumifikation gewidmet.
Das Buch ist trotz des Thema oder vielleicht gerade deswegen sehr informativ und lehrreich und bietet eine Bandbreite an Informationen, die man Leser bisher noch nicht in einen näheren Zusammenhang gebracht hat.
Das Buch kommt dabei mit wenig Fachsimpelei aus und richtet sich somit nicht nur an ein medizinisch vorgebildetes Publikum.

4 von 5 Todesarten

Samstag, 17. September 2022

Gerd Raguß "Was geschah mit Michelle?"

Jubel, Trubel, Heiterkeit.
Im Jahr 1973 scheint die Welt im Norden Deutschlands noch in Ordnung.
Zum Dorffest kommt die Bundeswehr und baut das Festzelt auf; es wird getrunken, es wird getanzt. 
Während einige recht offensiv vorgehen, sind Claus und Michelle eher vorsichtig. Claus, weil er unsicher ist, Michelle, weil sie glaubt, Claus ist nicht so sehr interessiert.
Um die beiden herum, die Dorfjugend und die, die sich dafür hält.
Doch auf einmal geht alles recht schnell. Ein Treffen wird vereinbart, man trifft sich an Weihnachten und plötzlich steht nichts mehr in Frage.
Doch als die Verlobung verkündet wurde und Claus mit der Bundeswehr auf der ersten längeren Übung ist, verschwindet Michelle spurlos.
Ist Claus doch nicht der Mann ihrer Träume oder dreht ein zurückgewiesener Liebhaber durch?

Die Welt ist damals eine andere. Kein Handy, kein GPS, keine E-Mails, noch nicht einmal ein normales Telefon hat jeder zuhause. Gefühle sind intensiver, wenn man sich nicht sieht, man ist hilfloser, weil man den anderen nicht erreichen kann. Fluch und Segen zugleich. Doch wer könnte einem lieben Menschen wie Michelle schon etwas antun wollen?

Mit gut 170 Seiten ist es eher ein kürzerer Krimi, der die Lesern von heute in eine Zeit zurückversetzt, als die Menschen beim Verschwinden eines geliebten Menschen viel verlorener waren, als sie es heute sind. Wahrlich sind die Gefühle dieselben und man leidet mit Michelles Familie, als immer mehr Zeit verstreicht, ohne dass man etwas tun kann. 

Ein Kurzkrimi für zwischendurch, der ohne große Brutalität auskommt und das Gefühl der Angst aufzeigt, was passiert, wenn ein Mensch verschwindet, den wir lieben.

4 von 5 Ängsten