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Sonntag, 30. Mai 2021

Matthew Costello - Mydworth - Der falsche Mann


Der siebte Fall um Lord und Lady Mortimer hat es in sich. Ein Mann wird auf seinem Nachhauseweg im beschaulichen Mydworth ermordet. Kurz darauf wird sein bester Freund verhaftet... Die berühmte Ménage à trois soll der Grund für den brutalen Mord gewesen sein. Doch die Frau des Verurteilten pocht fort-während darauf, dass es nicht so gewesen sein. 
Doch als die letzte Möglichkeit eines Einspruchs versagt wird und es nur noch ein paar Tage zum Tod durch den Strang sind, müssen sich Lord und Lady Mortimer in den aussichtslosen Fall einschalten, da es um einen Bewohner des Dorfes geht. Doch können sie wirklich etwas finden, was sowohl die Polizei, die Staatsanwaltschaft als auch das gesamte Dorf übersehen haben könnte?
Unter Zeitdruck müssen die beiden Befragungen im ganzen Dorf vernehmen und letztlich spielt ihnen Kommissar Zufall in die Hand, als sie einen vermeintlich Unschuldigen bei einem Pint sehen.

Auch wenn Kurzkrimis in ihrer Gestaltung auf Grund ihrer Kürze eingeschränkter zu sein scheinen, überrascht mich die Serie immer wieder. Die aktuelle Folge sticht durch die Kürze innerhalb derer die Ermittlungen zum Erfolg führen müssen hervor. Ein verschneites Mydworth wirkt zudem im Gegensatz zu der brutalen Tat heimelig und die Gegensätze ziehen sich durch den gesamten Krimi. 

Kurz und gut, eine gute Unterhaltung für einen sonnigen Nachmittag.

4 von 5 Pints

Montag, 24. Mai 2021

Christian Klinger "Tote Vögel singen nicht"


William Faulkner sagte "Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will."
Mit "Fickst du immer noch so gut?" erreicht Christian Klinger beim Leser genau zweierlei, einerseits passt hier das oben genannte Zitat und andererseits zeigt der Autor dem Leser direkt auf, dass er es bei diesem Buch mit einer (aus Sicht von zartbesaiteten Lesern) derben Sprache zu tun. Doch eine andere Sprache würde nicht zu Cosinus Gauß passen, denn auch wenn er aus einer Familie von Lehrern kommt, sein Job als Anwalt bringt ihn eher mit zwielichtigen Gestalten in Kontakt. Häufige Geldnot, die eine oder andere Gesetzesübertretung machen ihn nun wirklich nicht zu Everybody's Darling und so mutet es nicht seltsam an, dass er ihn seiner Wohnung alleine lebt und immer noch hofft, dass ihn seine Sekretärin mal ran lässt. So ist es nicht verwunderlich, dass er der schönen Frau von einer Party auf ihr Hotelzimmer folgt. Doch es kommt nicht so, wie es kommen soll. Denn er wird ohnmächtig und wacht neben ihrer Leiche auf. 
Nun ist guter Rat teuer, denn wer würde ihm schon glauben?
Als er kurze Zeit später neben dem nächsten Mordopfer aufwacht, steht sein Entschluss endgültig fest. Er will nicht warten, bis ihn die Wiener Polizei verhaftet, er klärt die Morde selber.
Neben Mordermittlungen, Stress mit der eigentlichen Arbeit als Anwalt kommen im Buch auch immer wieder seine Probleme mit der Familie zur Sprache und wenn man anfangs denkt, was er doch für ein komischer Kauz ist, wenn man die Familie kennengelernt hat, wundert man sich gar nicht mehr. 

Auf knapp 200 Seiten erzählt uns Christian Klinger wie innerhalb von ein paar Tagen selbst das ungeordnetes Leben noch mehr auf den Kopf gestellt werden kann, wenn man im Rampenlicht von zwei Morden steht. Nicht sonderlich brutal (ok bis auf die Morde) sondern mit Witz und einer großen Portion Sarkasmus für Politik und das Anwaltswesen, nimmt dieses Buch gleich mehrere Bereiche des öffentlichen Lebens aufs Korn und zeigt mit wie vielen Blender man es doch im Alltag zu tun hat. Ein Geschäft hier, eine Unterschlagung dort, Neid und Hass auf allen Seiten, und natürlich gewinnen die, die das Geld haben. Zumeist zumindest. Denn selbst der Größte kann fallen, wenn ihm das richtige Beinchen gestellt wird. Doch war dies denn wirklich der Grund für die Morde? Cosinus Gauß bleibt bis zum Schluss dabei, denn auch wenn die Polizei schon auf der richtigen Spur ist, er bringt zu Ende, was er begonnen hat.

Danke an den Ueberreuter-Sachbuch Verlag für das Rezensionsexemplar.

4 von 5 Ohnmachten

Sonntag, 16. Mai 2021

Victoria Grader "Caspers Weltformel"


Stell dir vor, du stehst am Bahnhof. Verträumt schaust du auf ein Plakat, nur um festzustellen, dass dein Zug ohne dich losgefahren ist. Was nun?
Nun Casper sieht das als Fingerzeig, um aus seinem aktuellen Leben auszubrechen und sich treiben zu lassen. Jahrelang hat er an seiner Weltformel gebastelt, die alles enthalten soll, um die Welt zu einem besseren Ort und einem selbst zu einem besseren Leben zu verhelfen.
Der Zufall will es, dass er in Budapest landet und János und Ilona kennenlernt. Zwei Menschen, die ein so vollkommen anderes Leben leben als Casper. Casper, der strukturierte Physik-Doktorand trifft auf János, den LKW-Fahrer, und Ilona, die mehr oder weniger in den Tag hinlebt. 
Im Wechsel erzählt das Buch die Geschichte einmal aus der Sicht von Casper, wie er sich mehr und mehr aus den Klauen der Struktur und Kontrolle befreit und zum anderen aus der Sicht von Ilona, die eigentlich nur ihren Prinzen sucht, um ein gemachtes Nest und Geld zu haben.
Doch was passiert, wenn zwei so verschiedene Charaktere aufeinander treffen?
Nun, die ersten Auseinandersetzungen lassen nicht lange auf sich warten, denn Caspers Weltverbesserungsdrang sitzt so tief in ihm, dass er nicht ohne ihn sein kann, so sehr auch will.
Ob und wie die beiden sich annähern? Das wird auf knapp 320 Seiten erzählt.

Sprachlich passt sich das Buch dem Inhalt an. Moderne Sprache und entsprechend des jeweiligen Hintergrundes haben die Figuren ihren eigenen Wortschatz. 
Der eine Charakter, bisher erfolgreich, trägt die Nase ein wenig hoch, der andere lässt sich trotzdem davon nicht beeindrucken, was zu den gewünschten Reibereien zwischen den Charakteren führt. 
Lange Zeit waren beide Charaktere so, dass man sie als Stereotypen für ihren Standpunkt sehen konnte, doch an dem Punkt, wo es zu einer Entscheidung kommt, hat sich das Buch nicht so entwickelt, wie ich es mir vorgestellt hätte. Doch was will das Buch sein? Gesellschaftskritik? Liebesgeschichte? Selbstfindungsbuch? Das Buch bietet hier mehrere Möglichkeiten und jedem Leser steht es offen, sich eine Seite davon auszusuchen. 
Für mich hat das Buch nicht so geendet, wie ich es mir gedacht habe, da zu viele Gedanken für mich offen bleiben. 

Daher 3,5 von 5 Zügen
Danke ans Bloggerportal für das Rezi-Exemplar.

Gleiches Buch, andere Rezi? Hier lang: Die Chocbookholics

Samstag, 15. Mai 2021

Simon Sebag Montefiore "Geschichte schreiben"


Denkt man an die großen Briefe der Weltgeschichte zurück, fallen einem im ersten Moment sicherlich die Bände mit den größten Liebesbriefen aller Zeiten ein. In einer Zeit, in der man nicht per Messanger, Mail oder ähnlichem mit dem Liebsten kommunizieren konnte, galt das Briefe schreiben als Kunst. Gefühle durch Worte zu vermitteln. Nicht in 160 Zeichen, sondern gediegen. Auf Büttenpapier mit Feder und Tinte die ganze Macht der Sehnsucht in die Worte legend, mussten diese Briefe lange Wege überstehen, bevor der andere sie in Händen hielt und sich der Sehnsucht des anderen bewusst wurde.
Doch schreibt die Geschichte auch andere Briefe. Sicherlich auch mit Gefühl. Aber mit Gefühlen anderer Art. Briefe des Hasses, Briefe der Täuschung und Enttäuschung, Briefe des Mutes und Briefe des Beschwichtigens. 
Bücher mit dem Hintergedanken, "was wäre wenn", kommen einem in den Sinn, wenn man die Briefesammlung von Simon Sebag Montefiore liest. Hätte der Briefeschreiber nicht so, sondern anders gehandelt? Was wäre dann in der Weltgeschichte passiert? Sicherlich ist das Ausmaß sehr unterschiedlich, aber sicher ist, Briefe haben Kriege verhindern, Briefe haben Allianzen geschmiedet, Briefe haben Länder zusammengeführt.
Durch drei Jahrtausende nimmt uns der Autor mit, um uns zu zeigen, dass die Kultur des Briefeschreibens mehr zu bieten hat, als nur die bekannten Liebesbriefe.
Unterteilt in mehrere Kapitel, thematisch sortiert nach ihren auslösenden Gefühlen, wird jeder Brief durch jeweils eine Einleitung in seinen historischen Kontext gesetzt. Die Überschrift weist den Leser daraufhin, wer an wen zu welchem Zeitpunkt geschrieben hat.
Die Briefe sind in ihrer Natur sehr unterschiedlich. Mal sehr kurz, fast einem Befehl gleichlautend, ziehen andere sich über mehrere Seiten oder es wird sogar ein ganzer Briefwechsel abgedruckt.
Abschiedsbriefe wechseln sich mit Briefen der Rechtfertigung ab und Briefe zur Aufnahme der präsidialen Macht folgen denen, die einen Dritten Weltkrieg höchstwahrscheinlich verhindert haben.
Aber ja und auch in diesem Buch gibt es Liebesbriefe. Keine Sorge. Sonst wäre eine Briefesammlung mit allen Facetten der Gefühle nicht vollständig.
Ein tolles Buch. Als Geschichtsbuch, als Buch über das menschliche Denken, als Buch über alles das, was es ausmacht ein Mensch zu sein. Und natürlich ein Buch, dass uns die Macht der Worte vor Augen führt. Worte, die die körperliche Distanz überbrücken und dem Empfänger trotzdem das richtige Gefühl übermitteln müssen. Welches es auch jeweils sein mag.

5 von 5 Büttenblättern

Sonntag, 9. Mai 2021

Kit Yates "Warum Mathematik (fast) alles ist"


"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!" Dieser Ausspruch, der auf die Anfänge meiner beruflichen Tätigkeit zurückgeht, hat bis heute an seinem Wahrheitsgehalt nichts eingebüßt. Denn wenn man das vorliegende Buch zu Rate zieht, kommt man doch noch mehr ins Grübeln, wenn man irgendwelche Statistiken, Auswertungen oder Meinungen liest.
Warum? Nun ganz einfach, das Buch zeigt an den Bereichen Wissenschaft, Gerichtsbarkeit, Medien, Politik etc. auf, wie Mathematik oder ggf auch einfach Zahlen dazu benutzt werden, um eine bestimmte Meinung zu untermauern oder eine bestimmte Meinung zu schüren.
Wie das geht? Nun dafür gibt es zu viele Beispiele in dem Buch, um sie hier alle aufzuzählen. Denn bei jeder Statistik stellt sich die Frage, wer hat sie zu welchem Zweck beauftragt. Jedes Mal direkt von Profit zu sprechen, wäre sicherlich übertrieben, doch was fällt auf, wenn man sagt "82% sind zufrieden"? Hört sich erstmal gut an? Ok, in dem Buch wird aber hinterfragt, wovon 82%... "82% von 34 Personen".. Ok... Das ist nicht viel... und wenn ich dann noch anmerke, dass "zufrieden" als Antwort vorgegeben und keine aktive Wortfindung der Person war, wird es noch mehr relativiert.
Dabei muss man sagen, der Autor sagt nicht per se jede Statistik ist schlecht, nein, das wäre falsch. Nur sollte man sich seiner Meinung nach nicht von % blenden lassen, sondern ihre Herkunft hinterfragen. Denn Zahlen werden von Menschen gemacht und Menschen machen Fehler. Wie schnell hat man eine Wahrscheinlichkeit berechnet, bei der man meint, zwei Faktoren sind voneinander abhängig, um dann bei näherer Betrachtung festzustellen, dass die Faktoren unabhängig sind und sich dadurch eine ganz andere Wahrscheinlichkeit ergibt?
Und genau da liegt das Problem. Dadurch dass Mathematik in allen Bereichen des alltäglichen Lebens genutzt wird, ist der Schaden, der durch eine falsche Berechnung zutage kommen kann, manchmal gar ein Menschenleben (siehe Kapitel Gerichtsbarkeit). 
Mathematik ist ein Werkzeug, dass den Menschen helfen soll, ihren Alltag zu meistern und Kit Yates will dem Leser die Sinne schärfen, für das, was ihm als "echte Zahl" oder "wissenschaftlich fundiert" verkauft wird.
Ein Buch, was sich der Leser im wahrsten Sinne des Wortes wirklich erarbeiten muss, denn der Autor zeigt an vielen Rechen- und Zahlenbeispielen auf, wie schnell eine Meinung zu revidieren ist, wenn man die falschen Bezugsgrößen nimmt. Trotzdem ist das Buch für Leser, die sich für Mathematik, Statistiken oder auch für die Aufmachung von Nachrichten interessiert, ein Buch, das die Sinne schärft und den Wunsch aufkommen lässt, sich mit manchen Nachrichten mehr zu beschäftigen und nicht nur die Überschrift sacken zu lassen.

4 von 5 Heureka-Momenten

Freitag, 7. Mai 2021

Graham Moore "Der Mann, der Sherlock Holmes tötete"


Es ist eine allgemeine bekannte Tatsache, dass Sherlock Holmes seinem Schöpfer Arthur Conan Doyle zu einem gewissen Zeitpunkt einfach nur noch zuwider war. Auf einer Tour durch die Schweiz entdeckte Arthur Conan Doyle das Grab von Sherlock Holmes....
Die Reichenbachfälle.
Soweit die Realität.
Graham Moore nimmt dies als Ausgangssituation für seine Geschichte über Arthur Conan Doyle und die Geschichte um die Jagd nach dem fehlenden Tagebuch.
In wechselnden Kapiteln wird die Geschichte von Arthur Conan Doyle und von Harold White erzählt, der sich in unserer heutigen Zeit auf die Suche nach Arthur Conan Doyles Tagebuch macht. Der Charme der viktorianischen Zeit trifft auf die Unwägbarkeit der Moderne. Denn eins ist klar, warum sollte man nur ein Rätsel ein einem Buch verstecken, wenn man schon direkt zwei Geschichten erzählt?
Arthur Conan Doyle fühlt sich befreit, nachdem er Sherlock Holmes die Reichenbachfälle herunterstürzen ließ, doch die Leserschaft dankt es ihm nicht. Er, der große Schöpfer, wird angefeindet und als er selbst eine Bombe erhält, fühlt sich Scotland Yard nicht verpflichtet weitere Ermittlungen durchzuführen. Schließlich macht er sich selbst auf die Suche, wendet Holmes' Methoden an und kommt der Wahrheit sehr schnell nahe, welche ihn in ein tiefes Dilemma stürzt.
Harold White ist glücklich, endlich gehört er dazu. Auf einem großen Sherlock Holmes Treffen wird er in die Gemeinschaft aufgenommen und schnell wird seine Kombinationsgabe auf die Probe gestellt. Als der Finder des verschollenen Tagebuchs während des Kongresses stirbt, ist es an Harold sich auf die Spur des Mörders zu begeben. Schließlich ist die Lösung ein "elementares" Bedürfnis für die Gemeinschaft und keiner will sich auf die Polizei verlassen. Die Suche bringt ihn nach England, wo er verfolgt und gejagt wird und schließlich muss er auch einen großen Betrug aufdecken.
Sprachlich und strukturell könnte das Buch kaum besser sein. In beiden Geschichten wird man an Holmes und Watson erinnert, da sowohl Doyle als auch White einen Kompagnon zur Seite gestellt bekommen, um die jeweiligen Rätsel zu lösen.
Charmant mit der Gaslight-Romantik auf der einen und spannend mit der Verfolgungsjagd auf der anderen Seite bietet das Buch eine wundervolle Unterhaltung, die gerade Sherlock Holmes Fans lieben werden. Die Lösungen des Problems mögen den einen oder anderen Leser schockieren, doch in sich sind beide Geschichten stimmig und eine Hommage an Sherlock Holmes und seinen Schöpfer.

4 von 5 Detektiven