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Dienstag, 8. Oktober 2024

Christian Endres "Wolfszone"

Um eine Kurzgeschichte auf die Länge eines Romanes zu bringen, bedarf es nicht nur Fingerfertigkeit. Der zuerst bewusst kurz gehaltene Plot muss erweitert werden, ohne dass er wie von einer Luftpumpe künstlich aufgebläht wirkt. Warum ich das sage? Weil es für mich noch schwieriger erscheint, eine bereits verfasste Idee so umzusetzen, dass es in sich hinterher stimmig wirkt. Dass es nicht, wie bei so manch Krimiserien, die erst als Einzelband gedacht waren, angefrickelt und somit unlogisch wirkt.
Wie Christian Endres das geschafft hat?
Nun ... Zuviel will ich nicht verraten, aber was den Roman kennzeichnet, sind die vielen Handlungsstränge, die lange Zeit nebeneinander herlaufen und dem Lesenden ein Gefühl für die Stimmung in der Wolfszone geben. Da sind die Anwohner, die mal Profit aus der Nummer schlagen wollen, aber auch wieder unter der allzu großen Aufmerksamkeit leiden. Dann stehen sich das Militär und Protestler gegenüber. Die einen sind gegen die Cyborgs, oder wollen sie zumindest weiterhin im Wald wissen, während die anderen in den ehemaligen Wölfen immer noch die Tiere sehen, die es zu schützen gilt. Und schließlich gibt es den Privatermittler, der in dieser aufgeheizten Stimmung ein Mädchen suchen soll, was sich nicht mehr bei ihrer Mutter gemeldet hat.
Einfacher Plot? Mitnichten! 
Denn vieles kommt im Buch zur Sprache, auch wenn es oft nur angedeutet wird.
Doch was am schwierigsten anmutet, ist sich mit den Personen zu identifizieren. Die Kapitel sind kurz, die Szenenwechsel dadurch sehr schnell und ich brauchte verhältnismäßig lange, um in die Geschichte einzutauchen.
Doch Christian Endres nutzt in diesem Buch die Sprache ausgefeilt, um die Unterschiede zwischen den Menschen herauszukehren. Mal im starken Dialekt, mal abhakt und unvollständig, um dann wiederum in Rätseln zu sprechen, schafft er es, den Menschen ein sehr individuelles Auftreten zu verleihen und die Geschichte so durch alle Hemmnisse voranzutreiben.
Kann man also eine Kurzgeschichte zu einem Roman umarbeiten? Ich würde sagen, nicht jeder. Aber Christian Endres kann.

4,5 von 5 Cyborgs

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