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Donnerstag, 1. August 2024

Autoreninterview Fabian K. Roth

Hallo zusammen.
Heute will ich euch auch einmal wieder einen Autor vorstellen, der seine eigene Science Fiction Welt geschaffen hat.

(Bild: Fabian K Roth (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ursprünglich habe ich wissenschaftliche Illustration studiert. Dort wollte ich so gut wie möglich zeichnen und malen lernen, um fremde Welten zu erfinden und darzustellen, denn das hat mir schon immer viel Spaß gemacht. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass ich meine Fantasie und meine Ideen besser mit dem Schreiben ausdrücken kann. Mit Bleistift und Pinsel fühlte es sich trotz aller Übung immer schwierig an, bis ich mit dem Endprodukt halbwegs zufrieden war. Das Schreiben hingegen fiel mir von Anfang an leicht. So wurde die Tastatur zum Ersatz für Pinsel und Bleistift.

Hast du dich für das Genre Science-Fiction entschieden oder hat es dich eher gefunden?
Es kam eigentlich nie etwas anderes in Frage. Science-Fiction ist für mich das spannendste Genre, weil es erlaubt, in Unterhaltung verpackte Prognosen über unsere Welt, das Universum, ja die ganze Wirklichkeit zu machen und daraus Fragen an das Hier und Jetzt und an unser eigenes Handeln zu stellen. Science-Fiction eignet sich dafür besonders gut, weil die Gegenwart der Ausgangspunkt für die mögliche Zukunft ist und damit immer einen Funken Realität in sich trägt. Hier können die ganz großen Fragen gestellt werden: Wie entwickeln sich KI nicht nur in 50 Jahren, sondern in den nächsten 100.000 Jahren? Wie gehen wir damit um, wenn die Simulation von „Realität“ plausibel wird? Und wir sind mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht alleine im Universum, aber sind wir als Menschheit in unserer jetzigen Form je reif genug für die Begegnung mit einer anderen Zivilisation? Und was kann jeder Einzelne tun, damit die Ethik in einer so (erschlagend) komplexen Welt nicht untergeht? Ich würde zwar auch gerne einen Fantasy-Roman schreiben, aber dort könnte ich diese Fragen nicht ausreichend beleuchten.

Wie kam es zu "Ghostnet"?
Über Umwege arbeitete ich kurzzeitig als Story Writer in der Computerspielindustrie - für meine Bewerbung schrieb ich eine Kurzgeschichte, in der eine Gruppe Arbeitsloser in einer düsteren Zukunft Gesetzlose jagt, um deren elektronische Implantate zu verkaufen und so zu überleben. Diese Kurzgeschichte wurde später das erste Kapitel von Ghostnet.

Welche Figur aus "Ghostnet" ist dir charakterlich am ähnlichsten?
Einerseits Glitch, weil ich wie er oft das Gefühl habe, in dieser Welt verloren zu sein. Wie er bin ich manchmal kurz davor aufzugeben. Aber dann kommt Nikka in mir zum Vorschein, weil ich glaube, dass wir etwas an unserer Gesellschaft ändern müssen. Es liegt an uns, die reale Welt zu einem angenehmeren Ort für alle bewussten Lebewesen zu machen, egal ob Mensch oder Tier. Aufgeben ist keine Option. Wenn wir nicht kämpfen, haben wir schon verloren.

Hast du deine eigenen Zukunftsängste in "Ghostnet" einfließen lassen?
Auf jeden Fall. Natürlich ist das Szenario von Ghostnet aus Gründen der Unterhaltung bewusst übertrieben. Ich glaube nicht, dass die Welt so eintritt, wie sie im Roman beschrieben wird. Aber Ghostnet ist in erster Linie eine Wirtschaftskritik, und die ist absolut ernst gemeint. Ein gesunder Kapitalismus muss den Menschen, der Erde und der Ethik dienen. Das heißt, der wirtschaftliche Ertrag und das damit verbundene Wachstum müssen sich positiv auf die Lebensbedingungen von Mensch und Tier und auf die Umwelt bzw. unseren Planeten auswirken.

Gegenwärtig ist jedoch genau das Gegenteil der Fall: Längst hat die Wirtschaft einen Großteil der natürlichen Ressourcen ausgebeutet, und immer größere Teile der Bevölkerung fühlen sich zunehmend ausgebeutet. Wichtige wirtschaftliche Rahmenbedingungen werden so gesetzt, dass finanzkräftige Personen oder Institutionen immer mehr Geld auf sich ziehen können. Das ist absolut fatal, denn die globale Geldmenge ist begrenzt (sonst würde die Wirtschaft nicht funktionieren). Immer weniger haben immer mehr. Das dämmert langsam auch dem Mittelstand. Und diejenigen, die von den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen profitieren, tun alles dafür, dass sich daran nichts ändert. Irgendwann kann sich die Bevölkerung nicht mehr dagegen wehren.

Deshalb können solche gigantischen Monster wie Amazon entstehen, die vom Hersteller über den Zwischenhändler bis zum Angestellten alles aussaugen. Kaum jemand macht in diesem System noch Gewinn, sondern vor allem Amazon und die oberen Etagen werden immer reicher. Amazon ist das beste Beispiel für die Metapher des Geisternetzes. Schuld daran ist auch der Kunde, der alles immer billiger und noch billiger haben will. Ja, ein gesunder Kapitalismus ist sehr wertvoll, weil er es ermöglicht, jede Leistung gegen jede andere Leistung zu tauschen und darüber hinaus Anreize schafft, etwas für das Gesamtsystem zu tun. Aber es ist ein fataler Irrtum zu glauben, die Wirtschaft sei ein starres System.  Sie entwickelt sich ständig weiter wie alles andere auch. Es ist gefährlich zu glauben, dass der wirtschaftliche Aufschwung, den viele von uns in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts erlebt haben, ein Selbstläufer ist. Denn das Wachstum stützte sich in erster Linie auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

Ich glaube, dass das derzeitige Wirtschaftssystem, so wie es sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, eine der Hauptursachen für den Großteil dessen ist, was auf der Erde schief läuft. Und trotzdem machen alle mit. Arbeiten nur noch mehr. Noch beunruhigender wird die Situation, wenn künstliche Intelligenz in eine kannibalische Wirtschaft integriert wird. Und da wären wir wieder beim Geisternetz. Aber wenn nicht wir etwas ändern, wer dann? Wir müssen handeln, solange es noch geht. Denn irgendwann wird es keinen Ausweg mehr geben. Das ist Glitchs, Nikkas und meine Botschaft in Ghostnet.

An was schreibst du zur Zeit?
An der englischen Übersetzung von Ghostnet sowie Band 2 und 3 der Trilogie. Spoiler: Es gibt kein Happy End.

Mit wem würdest du gerne einmal zusammen schreiben?
Mit einem Comiczeichner oder einem Drehbuchautor. Ich glaube, Ghostnet würde sich sehr gut als Comic oder Film eignen. Das würde mir großen Spaß machen.

Nachdem ihr Fabian kennengelernt habt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
fabian-roth.com
fantasybasel.ch/de/fabian-roth
vfitbasel.com

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

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