Seiten

Donnerstag, 21. März 2024

Autoreninterview spezial Udo Klotz

Hallo zusammen.
Heute entführt uns das Interview in die Welt der Literaturpreise. Udo Klotz ist der Treuhänder des Kurd Laßwitz Preises.

(Foto: Kurt Laßwitz (Bild T.H.-Homepage), Grafik: Maximilian Wust)


Wie bist du an den Posten des Treuhänders für den Kurd Laßwitz Preis
gekommen?
1990 litt der Kurd Laßwitz Preis darunter, dass der damalige Treuhänder Uwe Luserke zunehmend durch seine Literarische Agentur gefordert war und keine Zeit mehr für die Organisation des KLP hatte. Thomas Tilsner, ein Kleinverleger aus München, der zuvor für seine Zeitschrift »Science Fiction Media« zweimal mit dem Sonderpreis des KLP ausgezeichnet wurde, wollte den Preis erhalten und fragte mich, ob wir die Abstimmenden mit einer Liste der erschienen Romane und Kurzgeschichten bei der Nominierung unterstützen könnten. Ich war damals mit zwei Mitstreitern, Gerd Rottenecker und Harald Junker, Herausgeber des Jahrbuchs Der Golem, das im Thomas Tilsner Verlag erschien und eine Jahresbibliographie zur phantastischen Literatur enthielt. Natürlich haben wir gerne geholfen, denn damals, in der Vor-Internet-Ära, war es nicht so einfach herauszufinden, was wo erschienen war, und wir hatten die Daten durch unsere Bibliographie. Thomas fragte mich dann, da ich auch in München wohne, ob ich als Briefkastenadresse für die Rückläufe, also Nominierungen und Wahlbögen, einspringe, weil er nicht als Verleger den KLP organisieren wollte und damit die Produkte seines Verlages hätte disqualifizieren müssen. Ich habe zugesagt und wurde dann erneut gefragt: »Du bist doch Diplom-Mathematiker, da kannst Du doch problemlos die Auswertung der Wahl machen?« Klar konnte ich. »Du fährst doch zu den »SF-Tagen NRW«, kannst Du da nicht die Wahlergebnisse verkünden?« Auch das habe ich gemacht, und spätestens ab dem Zeitpunkt war ich de facto der neue Treuhänder.
Als ich das realisiert habe, bin ich dann richtig eingestiegen, habe die Kategorien aktualisiert und verstärkt Abstimmungsberechtigte requiriert. Heute stimmen fast fünfmal so viele Personen wie damals ab, es gibt Laudationes, eine Webseite und eine Multimedia-Preisverleihung als großen Programmpunkt auf einem Con.

Als Treuhänder liest du sicherlich viele Texte. Auf wie viele kommst du im Jahr und welche Trends und Strömungen machst du aus?
Pro Jahr erscheinen grob geschätzt etwa 200 deutschsprachige SF-Romane in Verlagen, dazu über 1000 im Selfpublishing, weitere 150-200 übersetzte SF-Romane und rund 500 Kurzgeschichten, leider fast keine übersetzten. Davon werden etwa 50-60 deutschsprachige Romane, 30-40 übersetzte Romane und 60-70 Kurzgeschichten für den KLP nominiert und bilden die Longlist. Da ich als Treuhänder nicht nur abkläre, ob es sich bei den Werken um Erstveröffentlichungen handelt, sondern auch, ob sie definitiv zur SF zählen, versuche ich, in alle Nominierungsvorschläge zumindest hineinzulesen. Die meisten lese ich aber komplett. Da ich nicht darauf warten kann, was am Jahresende wohl nominiert werden wird, und weil ich mir auch rechtzeitig einen Überblick verschaffen will, lese ich so ab April oder Mai schon vieles, was wie ein vielversprechender Kandidat für den KLP aussieht, und komme so auf etwa 70-80 komplett gelesene Romane pro Jahr, etwa 40 angelesene sowie 110-130 Kurzgeschichten. Plus ein paar Werke, die mich sonst so interessieren, Sachbücher, etwas Fantasy, oder zur Recherche für Artikel in der »!Time Machine«. Was dann letztendlich auf der Wahlliste des KLP landet, habe ich eigentlich immer vorher komplett gelesen.
Kleinere Trends gibt es eigentlich immer, aber größere, wie man sie in der Fantasy in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausmachen konnte, sind in der SF eigentlich ausgeblieben, die gab es zuletzt in den 1980ern mit dem Cyberpunk und seinem Ableger, dem Steampunk. Vieles, was derzeit gehypt wird oder Trends auslöst, gab es schon vorher, wie ökologisch orientierte SF, die Klimaveränderung und das Artensterben als Thema, den Einfluss der Digitalisierung auf den Alltag, Künstliche Intelligenzen oder Nanotechnologie. Man findet solche Themen jetzt aber auch im Near Future Thriller oder in Romanen bei Publikumsverlagen, die nicht als SF gelabelt werden. Man kann zwar auch einen kleinen Trend hin zu größerer Diversität bei den Figuren feststellen, aber wenn man bedenkt, dass es hierfür schon Vorläufer in den 1970ern gab, ist da in den letzten 50 Jahren doch sehr wenig passiert – da ist die Realität deutlich bunter, obwohl die SF mit Androiden und Aliens doch noch so viel mehr Möglichkeiten bieten würde, unsere engen Perspektiven auszuweiten. Wir haben da noch viel Luft nach oben, und die anglophone SF ist der deutschsprachigen hier auch voraus.

Was ist die größte Schwierigkeit an deinem Job?
Das größte Problem ist eigentlich die sehr ungleichmäßige Verteilung der Arbeit übers Jahr. Es gibt Phasen, da bin ich sehr gut ausgelastet, weil vieles gleichzeitig erledigt werden muss, und dann gibt es eher ruhige Phasen. Das hängt auch stark davon ab, wann ich die Preisverleihung machen kann, denn diese benötigt immer eine größere SF-Convention als Rahmen. Lange Jahre konnte ich das regelmäßig im September beim ElsterCon in Leipzig oder beim PentaCon in Dresden machen, aber letzteren gibt es nicht mehr, und so war die Preisverleihung im Mai beim MetropolCon vor allem vom Zeitplan her eine Herausforderung.

Was sind deine unterjährigen Aufgaben als Treuhänder, wenn der Preis verliehen ist?
Im Prinzip gilt: Nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung. Mein KLP-Jahr beginnt eigentlich im Dezember mit dem Aufruf an die Abstimmungsberechtigen, mir bis Ende Januar die Nominierungsvorschläge zu schicken. Diese überprüfe ich dann, ob sie gemäß den Statuten zulässig sind, schicke alle gesammelten Daten zu einem Vorauswahlgremium, das einen qualitativen Check macht und informiere die Nominierten, sobald feststeht, was von der Longlist auf die Shortlist kommt, die später die Wahlliste bildet. Parallel erstelle ich die Webseiten für das aktuelle Wahljahr und die Wahlunterlagen. In zwei Kategorien, Hörspiel und Übersetzung, ist das aufwendiger, da gibt es eigene Jurys, die mit Material versorgt werden, beispielsweise Auszüge aus Original und Übersetzung. Nach dem Wahlende werte ich alles aus, informiere die Nominierten und Preisträger, aber auch die Fachpresse, und aktualisiere die Webseiten.
Dann schreibe ich die Laudationes und erstelle meine Powerpoint-Präsentation für die Preisverleihung. Die ich dann auch moderiere, meist mit Unterstützung von jemandem, der die Laudationes verliest. Nebenher läuft immer das Aktualisieren der Adressliste, da sind fast 700 Personen erfasst, die als SF-Schaffende gelten, also mit der SF mindestens einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen. Etwa 300 davon sind aktiv dabei und erhalten von mir die Unterlagen zur Nominierung oder Wahl.

Liest man die Impressen verschiedener SciFi-Zeitschriften, findet man dich auch dort wieder. Erzähl doch mal ein bisschen darüber.
Die »!Time Machine« habe ich schon erwähnt, das ist ein Fanzine, das seit 2018 einmal im Jahr erscheint und von Christian Hoffmann und mir herausgegeben wird. Auch wenn wir inzwischen viele Mitstreiter haben, die uns Essays oder Rezensionen zuliefern, stammt doch immer ein relativ großer Anteil der Texte aus der Feder von Christian und mir, manche längeren Essays schreiben wir auch gemeinsam. Einmal habe ich auch eine Solo-Ausgabe gemacht, da mein Artikel über Künstliche Intelligenz so ausgeufert ist, dass er eine eigene Ausgabe wurde, die dann auch für den European SF Award nominiert wurde. Zudem mache ich das gesamte Lektorat. Das scheint okay zu sein, denn vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, ob ich nicht für die »phantastisch!« ein paar Beiträge redigieren könnte, und so bin ich seit über zwanzig Ausgaben Teil des Lektoratsteams. Für die »Exodus« durfte ich schon zweimal den in der Galerie vorgestellten Grafiker porträtieren, und in der »Andromeda Nachrichten« erscheint ab und zu auch mal ein Beitrag von mir. Und nicht zuletzt habe ich noch die Kolumne im Jahrbuch »Das Science Fiction Jahr«, in der ich in einem langen Artikel die besten und interessantesten deutschsprachigen SF-Romane des Vorjahres vorstelle.
Das sind viele Aktivitäten, die gut parallel laufen, aber manchmal gibt es auch Überschneidungen. Und so durfte ich mir letztes Jahr in Berlin selbst den KLP Sonderpreis für unsere »!Time Machine« verleihen. Dass Christians und meine Arbeit hier, vor allem unsere Mischung aus Fachwissen und Humor, so gut ankommt, hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Hast du auch selbst Geschichten geschrieben?
Nein, da liegen nicht meine Stärken. Ich kann Geschichten ganz gut beurteilen, bin auch ab und zu mal Testleser für andere, aber am liebsten schreibe ich Essays über die Werke anderer, mal als Rezension, mal als Überblick zu einem spezifischen Thema, wie über Science Fiction, die auf dem Erdmond spielt, Verbrechen, die nur in der SF möglich sind, oder Humor in der SF.

Siehst du den KLP als Indikator dafür, welche Texte letztlich beim DSFP nominiert werden?
Es ist eigentlich nur zufällig, dass der KLP schneller seine Preisträger veröffentlicht als der DSFP. Natürlich beurteilen beide die gleichen Werke, und wir stimmen uns hier sogar ab, damit nicht die eine Seite etwas übersieht, das die andere Seite kennt, aber letztendlich sind es doch unterschiedliche Preise. Zum einen, weil der KLP mit zehn Kategorien viel breiter aufgestellt ist, also neben Romanen und Kurzgeschichten auch Übersetzungen und Grafiken, Hörspiele und Sachtexte sowie mit den Sonderpreisen auch Leistungen wie Lebenswerke, Con-Organisationen oder Herausgabe von Büchern und Magazinen bewertet. Zum anderen, weil beim KLP eine große Gruppe, zuletzt über hundert Personen, abstimmt, während beim DSFP eine kleine Jury bewertet und sich in Diskussionen auf die Shortlist und später den Preisträger einigt. So gibt es zwar Überschneidungen bei den Nominierungslisten, aber meist doch unterschiedliche Preisträger. Und da vieles doch zeitgleich abläuft, glaube ich nicht, dass die DSFP-Jury vom Ergebnis des KLP beeinflusst wird.

Nachdem ihr wisst, warum sich Udo kümmert, könnt ihr hier mehr erfahren:
kurd-lasswitz-preis.de/index.htm

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen