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Samstag, 31. Dezember 2022

Kris Brynn "A.R.T. - Coup zwischen den Sternen"

Kaum einen Ausdruck benutze ich so oft wie: "Ist das Kunst oder kann das weg?"
Ähnliches kann man auch die Literatur anwenden.
Doch was ist es, dass uns beim Lesen bei der Stange hält und was ist es, dass uns Kunst betrachten lässt?
Sicherlich ist es der persönliche Geschmack, vielleicht auch das Wissen, wie das Objekt entstand und wieviel Arbeit investiert wurde und doch ...
Wann ist es Kunst und wann kann es weg?
Dieser Frage geht das Buch "A.R.T." in meinen Augen auf vielfältige Weise nach.

Die Museen auf der Erde sind nicht mehr das, was sie einmal waren und viele Kunstauktionen finden im Weltall statt. Eine Firma, die sich hierauf spezialisiert hat, ist ArtSecure, denn die Kunst muss ins All und vor allem von da aus zu den Käufern nach Hause.
Als ein zweifelhaftes Objekt den Weg ins Weltall antritt, sind gleich mehrere Personengruppen an dem Objekt in verschiedenster Weise interessiert. Es polarisiert und nicht nur das. 
Immer mehr hält KI-Art in die Kunstszene Einzug und damit gibt es Diskussionsstoff, denn was ist Kunst und vor allem: wann ist es Kunst!

Beim Lesen merkt man recht schnell, dass die Autorin von beidem Ahnung hat: SciFi und Kunst. Die Handlung wirkt nicht künstlich ersonnen, sondern basiert auf dem Wissen, wie der Kunstmarkt funktioniert und auch wie sich die Technik in den nächsten Jahren wahrscheinlich entwickeln könnte. Da diese Thematik recht trocken anmuten könnte, mischt die Autorin dies mit einer actionreichen Handlung. Mehrere Parteien zanken sich um das Objekt und vermeintlich hat immer wieder ein anderer die Nase vorn, nur um ... Mehr wird hier nicht verraten.
Es sei erwähnt, dass das Buch sehr von der Kunst durchzogen ist und sie nicht lediglich ein Aufhänger für die Geschichte ist. Mich hat das Buch sehr fasziniert, da es zwei Themen vermischt, die mich zur Zeit sehr interessieren: Künstliche Intelligenz und Kunst.
Das Buch fordert den Leser. Es bildet den Leser und schafft es bis zuletzt die Spannung hochzuhalten, denn Kunst ist nicht trocken, sondern sie ist auch mordsgefährlich.

4 von 5 Sternennächten

Freitag, 30. Dezember 2022

Janika Rehak & Yvonne Tunnat (Hrsg) "Der Tod kommt auf Zahnrädern"

Ein letztes Mal rastet das Zahnrad ein, ein letztes Mal lichtet sich der Dampf.
Nach fünfzehn - doch sehr verschiedenen - Geschichten braucht man als Lesender einen Moment, bis man wieder im Hier und Jetzt ankommt.
Die Schreibenden haben sich in den Geschichten mit den Thema "Tod" in seinen unterschiedlichen Facetten beschäftigt, sodass trotz des vermeintlichen engen Themenbereiches (Steampunk - Tod) sich in den Zahnrädern der Lesenden sehr eigenwillige Geschichten entfalten.
Ob märchenhaft, mystisch oder gar modern in der Vergangenheit, ob im Viktorianischen England oder gar in Deutschen Landen, die Autor:innen haben ihren Geschichten neben Tiefgang auch das passende Kleid gegeben, um die Eigenheiten des Steampunks zu unterstreichen.

Einzelne Geschichten hervorzuheben, ist bei einer Anthologie immer schwer, aber:
- Wer Vampire liebt,
- gerne Bahn fährt,
- wer noch seine Spielzeuge im Keller hat,
- wer es liebt, selbst zu ermitteln,
- wer fantastisch träumt und
- wer meint, als Erwachsener ist man noch lange nicht erwachsen, wird die passende Geschichte in der Anthologie für sich finden.
Die Herausgeberinnen haben durch die wenigen Vorgaben eine vielfältige Mischung geschaffen, bei der das Lesen eine Freude ist.

4,5 von 5 Zahnrädern

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Debbie Tung "Book love"

So unterschiedlich die Leser auch sein mögen, in einem sind sie sich alle einig: In der Liebe zum Buch.
Auch wenn inzwischen viele auf einen E-Book-Reader auf Grund von Platzmangel oder Reisetätigkeit umgestiegen sind, alle, wirklich alle, kennen das Gefühl, das einen einnimmt, wen man vor einem riesigen Regal voller Bücher steht.
Wie sich Book love dann im Speziellen bei dem einzelnen Leser äußert, das ist dem individuellen Charakter und natürlich auch Geschmack geschuldet, aber:
Ein jeder Leser findet sich in diesem Kleinod wieder. Vielleicht manche häufiger als andere, aber wirklich jeder fühlt sich repräsentiert.
Denn die Autorin zeigt mit ihren Zeichnungen den Alltag eines Lesers auf. Zum Beispiel wird man als Leser ständig gestört, sei es, weil man zur Arbeit oder sozial sein muss.
Die dicken Augenringe, weil man eine Nacht unbedingt durchlesen musste.
Das Gefühl, das man an keinem Buchladen vorbeigehen kann, ohne einen kurzen Blick reinzuwerfen.
Der Duft, den Bücher verströmen - das schafft das E-Book leider nicht.
Viele solcher Situationen zeigt sie in kleinen Comicstrips oder auch nur als einzelnes Bild.
Der Leser bekommt im wahrsten Sinne des Wortes den Spiegel vorgehalten, da es eine Hommage an die Bücher und an den Leser ist.
Ein wundervolles Buch, das mit knapp 140 Seiten, viele Momente eines Lesers einfängt, ohne sich dabei zu wiederholen.
Ein Buch, zu dem man gerne greift, wenn die Welt um einen herum hektisch und stressig ist, denn: dieses Buch versteht den Leser. :-)

5 von 5 Booklovers

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Andreas Suchanek "Flüsterwald - Schneechaos in Winterstein"

Wäre es überhaupt Weihnachten, wenn Andreas Suchanek keine Kurzgeschichte aus seinem Flüsterwald veröffentlichen würde? ;-)
Gott sei Dank stell sich diese Frage nicht, denn passend zur Weihnachtszeit gibt es eine weitere Flüsterwald-Weihnachtsgeschichte.
In Winterstein ist ein Schneechaos ausgebrochen, dass sich haargenau über der kleinen Stadt festgesetzt hat. Grund genug, dass Lukas und Ella einen Zusammenhang mit dem Flüsterwald vermuten. Kaum dort angekommen, sehen sie, dass einzelne Bewohner mit einer dünnen Eisschicht überzogen sind. Doch mit den Freunden naht Hilfe, auch wenn der Grund für den Schneesturm äußerst herzlicher Natur ist.
Mit seinen Kurzgeschichten gibt Andreas Suchanek Einblick in eine ganz bestimmte Atmosphäre im Flüsterwald: Man hört den Schnee knistern, man riecht die Plätzchen und spürt die aufflackernde Abenteuerlust unserer liebgewonnenen Figuren.
Auch wenn alle Kurzgeschichten harmonisch und weihnachtlich wirken, finde ich diese Geschichte am schönsten.
Ich freue mich schon auf die nächste.

5 von 5 Folianten

Dienstag, 20. Dezember 2022

Val McDermid "Das Mädchen, das den Weihnachtsmann umbrachte"

Dieses Jahr ist so manches anders und somit wollte ich nicht die klassische Weihnachtsliteratur lesen. Friede, Freude, Eierkuchen unter dem Tannenbaum oder ein Mensch wird an Weihnachten bekehrt, sind beides keine Szenarien, die ich lesen wollte.
Weihnachtskrimis haben sich in den letzten Jahren vermehrt auf den weihnachtlichen Büchertischen eingereiht und ich war mehr als erfreut, als ich dieses Buch entdeckt habe.
Im Gegensatz zu den meisten Anthologien sind alle zwölf Kurzgeschichten von der Autorin Val McDermid.
Sie selbst entführt den Leser an die verschiedensten Krimischauplätze. Seien es ihre eigenen Charaktere um Tony Hill oder auch der berühmte Sherlock Holmes, in vielen ihrer Geschichten bettet sie das passende Zeitgeschehen ein, sodass es oft mehr als eine Krimikurzgeschichte ist.
Die Tatmotive wechseln sich dabei ab, sodass jede einzelne Kurzgeschichte nicht nur personell sondern auch inhaltlich auf eigenen Beinen steht.
Die Geschichten unterscheiden sich dabei in Länge und Tiefgang, sodass man sogar bei der einen oder anderen Geschichte schmunzeln muss.
Feine, kleine Hinweise oder auch mal sehr plakativ schafft es die Autorin beim Lesen immer wieder zu überraschen und trotzdem ein sehr hohes Spannungsniveau durch alle Geschichten zu halten.
Sicherlich hat man trotzdem seine Lieblingsgeschichte, aber das ist widerum eine ganz andere Geschichte.

5 von 5 Weihnachtsrätseln

Sonntag, 18. Dezember 2022

Vanessa Kaiser & Thomas Karg "Mysterien der See"

Die See oder auch das Meer dient vielen Menschen in erster Linie als Sehnsuchtsort, da sich hinter dem Wasser eine andere vermeintlich bessere Welt befindet. Doch welche Schrecken sich um, an oder im Wasser verstecken, wird in diesem Überlegungen oftmals ausgeblendet. 
Traust du dich die See zu bezwingen?
Oder zumindest im ersten Schritt zu dieser Anthologie zu greifen?
Mit zwanzig Geschichten verspricht diese Anthologie ein Potpourri der verschiedensten Schauer-, Grusel- oder gar Horrorerzählungen.
Denn die Schrecken der Meere sind vielfältig und so haben es die Schreibenden und die Herausgeber geschafft, eine abwechslungsreiche Sammlung zusammenzutragen.
Zu Land, zu Wasser oder auch in den Tiefen der See handeln die sehr unterschiedlichen Geschichten. Allen gemein ist das handwerkliche Geschick, dass es bedarf Schauer oder Grusel zu erzeugen, ohne dass es durch Überzeichnung zur Lächerlichkeit verkommt. 
Doch wovor fürchten sich die Lesenden am meisten? Was lässt ihnen das Blut in den Adern gefrieren oder sie zumindest angenehm frösteln?
Bei der vorliegenden Mischung ist alles dabei: von Fabelwesen, großen intelligenten Tieren bis hin zu Zeitverschiebungen bietet die Anthologie vielfache Möglichkeiten sich zu fürchten - außer vor dem Schreibstil.
Eine Sammlung, die bei Nacht gelesen, die Nackenhaare aufstellt und das leise Rauschen in den Blättern zu einem Rauschen der See werden lässt und das Knarren des Hauses zu einem Ächzen der Bohlen verkommen lässt.
Setzt die Segel und wagt euch auf die See - wenn ihr euch traut.

4 von 5 Mysterien

Danke an Jörg Fuchs Alameda für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 17. Dezember 2022

Colleen Cambridge "Die Dreitagemordgesellschaft"

Wenn auf dem Anwesen der Queen of Crime ein Mord geschieht, wer könnte da besser die Ermittlerin sein als ... Nein, nicht Agatha Christie selber, denn sie steckt mitten in den Vorbereitungen für einen neuen Kriminalroman. Und seien wir einmal ehrlich, es ist doch etwas ganz anderes, sich Geschichten auszudenken, als sich selber über eine Leiche in der Bibliothek zu beugen. Nein, ihre Haushälterin Phyllida Bright übernimmt die Ermittlungsarbeit, denn schließlich hat sich von den Besten gelernt, Hercule Poirot und mit Abstrichen auch Sherlock Holmes.
Es kommt wie es kommen muss. Schreibt man Kriminalromane, ist man auf einmal auch selber Opfer eines solchen. Während einer Gesellschaft wird ein Toter in der Bibliothek des Maxwell Anwesens gefunden. Ermordet. 
Phyillda hat eigentlich genug mit der Haushaltsführung zu tun, aber ihre kleinen grauen Zellen wollen unbedingt dieses Rätsel lösen, das sogar eines Hercule Poirots würdig wäre.
Doch während sie im Haus Beweise sichert, geht das Tagesgeschäft weiter voran und auf quietschenden Sohlen machen sich einige Besucher verdächtiger als andere ...
Der Krimi ist eine unglaublich charmante Hommage sowohl an die Queen of Crime als auch an ihre Romanfiguren und auch an den klassischen bevorzugterweise englischen Kriminalroman. Weit ab von den modernen cosy crimes kommt dieser Krimi mit weniger plakativem Witz daher und zeigt auf, wie die ursprünglichen Kriminalromane aufgebaut waren. Denn: Früher konnte der aufmerksame Leser mitraten, wer der Täter war, denn als Leser hatte man alle Beweise in der Hand und wurde nicht von der Lösung übertölpelt. 
Auf gut 360 Seiten wird ein Szenario aufgebaut, welches Agatha Christie selber nicht besser hätte aufziehen können und man fällt eine Art Parallelwelt von Agatha Christie und Downton Abbey. Durch den Blickwinkel der Haushälterin bekommt der Leser einen ganz anderen Zugang zu dem Leben auf einem solchen Anwesen und auch der Blick auf die Tat ist dadurch eine völlige neue Perspektive.
Ein gelungener Krimi, der mit mehreren falschen Fährten niemals seinen roten Faden verliert und zeigt, dass auch die Queen of Crime Gedankenanstöße für ihre großen Kriminalromane brauchte.

5 von 5 Haushälterinnen bzw. Detektiven

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Autoreninterview M. L. von Burgberg

Hallo zusammen.
Weil die Interviews gerade wieder soviel Spaß machen, und sich auch mehrere Interviewpartner begeistern lassen, gibt es heute schon das nächste Interview. Das Buch der Autorin habe ich bereits von einiger Zeit gelesen und gerade arbeitet sie an ihrem zweiten Band. Somit es es doch der passende Zeitpunkt, um ihr ein paar Fragen zu stellen:
M.L. von Burgberg (privat)

Fantasy-Romane spielen nahezu immer in ihrer ganz eigenen Welt. Was gefällt dir ammeisten daran, Welten zu erschaffen?
Stell dir vor, du stehst vor einer riesigen, weißen Leinwand. Noch ist sie scheinbar nichts,außer ein farbloser Klecks. Dann beginnst du, Gebirge einzuzeichnen, Hochebenen, Flüsse, Seen und so viel mehr. Nach und nach färbt sich die Leinwand in bunte Farben. Doch es fehlt das gewisse Detail, die Tiefe. Die Menschen und Lebewesen, die diesen Flecken bewohnen. Also beginnst du die geschaffene Welt mit Leben zu füllen. Die nötige Tiefe kommt mit den Geschichten der Menschen und Wesen, die für diese Welt gedacht sind. Ihre Geschichten sind es, die sich in ein feines Geflecht verweben und verstricken, dadurch ihre eigene Dynamik entwickeln. Eigene Kulturen und die Gedanken, wie gegensätzliche Ansichten doch miteinander harmonieren können oder sich zu zerfleischen drohen. Am meisten gefällt es mir, mich von meiner Welt überraschen zu lassen, indem was sie zu bieten hat und den Freiraum, immer weiter an ihr schmieden zu können.

Orte, Personen, Götter, vieles gilt es zu gestalten. Bist du eher ein Planer oder schreibst du auch gerne einmal drauf los?
Zu Beginn schreibe ich erstmal ein paar Seiten drauf los, um in den Flow und das Gefühl der Geschichte zu kommen. Diese Szenen lösche ich später in der Regel und dann beginne ich mit der Planung und erstelle „Quests“, die mal mehr oder weniger detailreich angelegt sind. Meine Questtabelle ist ähnlich zu einer Szenentabelle, doch brauche ich eine offene Planung. Das heißt ich verzichte auf ein starres Planungssystem, indem kein Platz mehr für neue Ideen ist und meine Figuren und die Handlung in eine Form gepresst werden. Für mich ein Feind des kreativen Arbeitens. Meine Figuren können sich so besser entfalten, ohne das wir die Richtung verlieren und in den Handlungssträngen schaffe ich mir so Platz für kleinere und größere Twists, die mir tatsächlich immer erst beim Schreiben einfallen.

In "Ragdim" wird die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt. Warum war es dir wichtig, zwei Charaktere gleichberechtigt in den Erzählfokus zu stellen?
Ursprünglich war es das gar nicht. Imara war ursprünglich als Nebencharakter geplant, mit einer kleinen Aufgabe, bzw. Rolle. Zu dem war es mir wichtig, das Land Kilây und das Leben um die Hauptstadt Weirâg zu zeigen. Hier gab es eine starke Entwicklung, die mich sehr überrascht hat.

"Ragdim" enthält mehrere Handlungsstränge. Schreibst du erst jeden einzelnen und verbindest sie im Anschluss oder schreibst du das Buch so, wie es der Leser hinterher in Händen hält?
Die Geschichte wird absolut chronologisch Szene für Szene geschrieben. Ich springe zu keiner Zeit im Skript hin und her schreibe Szenen irgendwo auf der Timeline. Es gibt manchmal welche, die ich vorab schreibe, die weiter hinten liegen und ich lösche sie irgendwann jedesmal, weil ich nicht dorthin komme, außer mit der Brechstange.

Du arbeitest gerade an deinem zweiten Buch. Stellst du beim Schreibprozess Unterschiede zum ersten Buch fest?
Oh ja! Im ersten Band, besser gesagt Skript, hatte ich eher grobe Stationen, auf die ich hinschrieb. Das war zwischendrin für mich sehr anstrengend, nicht zu wissen, was direkt als nächstes passiert. Da schrieb ich zwischendrin mal Kurzgeschichten, um den Kopf freizubekommen und entdeckte die Planung für mich. Der zweite Teil lässt sich dadurch wesentlich schneller schreiben. Für den ersten Teil brauchte ich über 4 Jahre, weil ich die Fassung zwei mal schrieb und nun schaffe ich es in einem Jahr, den zweiten Teil fertig zu stellen, obwohl er mich Weltenbau technisch wesentlich mehr fordert.

Hat man als Autorin einen Lieblingscharakter?
Den habe ich, doch ihn lernt man im ersten Teil nicht kennen. Er trägt den Namen Shiro und ist gar nicht so finster, wie sein „Titel“ vermuten lässt.

Könntest du dir vorstellen in einem anderen Genre zu schreiben?
Du wirst lachen, hier liegt bereits ein fertiges Exposé zu einer SciFi-Idee, die einen zarten Hauch Fantasy in sich trägt.

Wie beeinflussen deine Leser dein Schreiben?
Es ist eine großartige Motivation zu wissen, dass der zweite Teil heiß ersehnt wird und mich immer wieder das liebevolle Drängen von Lesern erreicht, doch bitte schnell weiterzuschreiben. Also bereite ich die nächsten Abenteuer vor, auf das sie wieder eintauchen und einen Moment den Alltag hinter sich lassen können.

Ich hoffe, ihr hattet genau soviel Spaß, das Interview zu lesen, wie wir es bei der Erstellung hatten. Nächste Woche geht es weiter mit dem "Autor als Leser" Interview.
Schaut doch auch gerne vorher auf ihrem Instagramaccount vorbei:
instagram.com/m.l.von.burgberg

Jessica Müller "Tod im East End"

London, 1865.
Bereits zum dritten Mal begleitet man Charlotte und ihren Mann, Inspektor Basil Stockworth, durch das viktorianische London. In diesem Fall wurde der Lehrer einer Armenschule umgebracht und Basil hat seine liebe Mühe neben allen anderen Problemen den Mordfall zu lösen. Viele hilfreiche Charaktere, wie z.B. sein Sergeant Enoch Bennett, stehen ihm auch dieses Mal zur Seite, wenn der Fall verzwickter wird und manchmal auch nicht ganz legale Mittel zum Einsatz kommen müssen.
Doch wird der Lehrer das einzige Opfer bleiben?
Oder geht ein Killer im East End umher?
Es sei vorab gesagt, dass man die beiden vorigen Bände der Reihe gelesen haben sollte, bevor man mit "Tod im East End" startet. Jessica Müller hat neben den beiden Hauptcharakteren einige wichtige Nebenfiguren, die in der Rahmenhandlung eine Entwicklung durchlaufen, was sich auch in der gesamten Geschichte niederschlägt.
Der dritte Teil reiht sich sprachlich in die Reihe seiner Vorgänger ein und das Setting wird passend zum Fall weiterausgebaut.
Neben den bereits bekannten Figuren werden einige neue Figuren in das bestehende Personalgeflecht verwoben und die Seilschaften zwischen den Figuren erreichen einen neuen Höhepunkt.
Die Lebensumstände der verschiedenen Gesellschaftsschichten stehen dieses Mal stärker im Fokus und die Autorin verknüpft dies mit historischen Informationen über die Zeit.
Gerade beim Lesen dieser Zeilen hat man oft das beklemmende Gefühl, als ob man einen Bericht von Charles Dickens liest, der zuerst über das Elend der Armen schrieb.
Der Kriminalroman verlagert seinen Fokus mehr in die Richtung der Gesellschaftskritik als es die beiden vorigen Bände taten. Die Ermittlungen von Stockworth treten für mehrere Nebenschauplätze des Öfteren in den Hintergrund, was beim Lesen eine Abwechslung reinbringt, mich allerdings ein bißchen gestört hat.
Der Fall ist in sich schlüssig, doch hätte ich mir hier mehr von dem Fall gewünscht und weniger von den Nebenhandlungen.

3,5 von 5 Sitzbänken

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Autoreninterview Aiki Mira

Hallo zusammen.
Anfang der Woche ist der zweite Roman von Aiki Mira erschienen. Ein Grund mehr ein kurzes Interview mit Aiki zu führen.

Aiki Mira (Foto von privat)

Du wirst gerade mit Preisen überhäuft. Wie groß ist der Druck, wenn du dich wieder an die Tastatur setzt?
Beim kreativen Schreiben vergesse ich alles um mich herum und bin zugleich ganz bei mir. Ich träume mit offenen Augen, steuere selbstgeschaffene Avatare durch eine Welt, die mein Gehirn in Echtzeit rendert. Das verlangt eine tiefe, fast schon meditative Konzentration – das Hier und Jetzt, Erwartungen oder Ängste spielen dabei keine Rolle. Das kommt erst viel später, wenn ich mich überwinden muss, meinen Text einer anderen Person zu zeigen ‒ oder noch schlimmer: irgendwo einzureichen und zu veröffentlichen!

Was ist für dich die perfekte Schreibroutine, sodass du dich in deine Welten begeben kannst?
Ganz praktisch: Tee kochen und hinsetzen.

Tage, Wochen, Monate, Jahre davor passiert aber bereits eine Menge ‒ im Kopf! Meist beginnt es mit einem interessanten Ort, den ich in Gedanken immer wieder besuche und erforsche. Pixel für Pixel setzen sich dort Figuren zusammen und beginnen zu atmen. Irgendwann überkommt mich der unbändige Drang alles aufzuschreiben, dann erst setze ich mich hin ‒ den eigens dafür gekochten Tee, vergesse ich meist und er wird kalt :)

Nach "Titans Kinder" spielt "Neongrau" als Cyberpunk im Deutschland der Zukunft. Hast du schon eine Vorstellung, wann und wo das dritte Buch spielt?
Gerade arbeite ich an einem Projekt, das an zwei Schauplätzen spielt: im near-future Berlin sowie in einem nachgebauten biosynthetischen Amazonas. Diese beiden Orte trage ich schon Jahre mit mir herum. Das zukünftige Berlin wird aus Sicht einer anarchischen Community geschildert, der künstliche Amazonas erinnert dagegen an ein riesiges, weirdes Forschungslabor. Der große Reiz beim Schreiben ist, herauszufinden, was an solchen Orten möglich ist, welche Leute dort leben, welche Geschichten dort passieren.

"Neongrau" greift viele gesellschaftliche Probleme auf. Wie hast du es bewerkstelligt, dies alles zu einer Geschichte zusammenzuflechten?
An einer Stelle in "Neongrau" wird das Brettspiel GO erwähnt: »GO kennt keine Helden. Alle Steine sind gleichwertig und arbeiten zusammen wie die Atome eines lebendigen Körpers.« Das war mein Vorbild für die Struktur des Romans, eine fortschreitende Verflechtung individueller Perspektiven.

Die Geschichte ergibt sich durch die Vernetzung der einzelnen Figuren. Mir war wichtig zu zeigen, wie Personen ‒ keine Held*innen! ‒ sich immer stärker miteinander verstricken. Jede Person wird dabei mit persönlichen Problemstellungen konfrontiert, die zugleich auch gesellschaftliche Probleme darstellen. Die gesellschaftliche Ebene wird also automatisch hineingewoben.

Hast du in deinen Geschichten eine:n Lieblingscharakter:in oder eine Figur, die dir besonders nahe ist?
Während dem Schreiben kommen mir Figuren, auch Nebenfiguren ganz nah. Ich kann so tief in sie hineinblicken, dass sie mir trotz ihrer teilweise unverzeih-lichen Taten menschlich erscheinen. Aus "Neongrau" ist Go Stuntboi Kazumi definitiv ein Lieblingscharakter, als Person jedoch schwer zu fassen und daher herausfordernd zu schreiben. Ren ist zwar keine Sympathieträgerin, zum Schreiben jedoch wunderbar! Andauernd übertritt sie Grenzen, bei ihr scheint immer alles möglich zu sein. Auch in ELLL habe ich mich beim Schreiben verliebt. ELLLs Auftreten ist stark, ihre direkte, rohe Emotionalität habe ich erst nach und nach entdeckt.   

Aus dem Roman „Titans Kinder“ ist Rain Seung eine Figur, die mir immer noch sehr nahe geht. Rain war eigentlich als Nebenfigur gedacht, hat sich dann aber von selbst zu einer Hauptperson und von da direkt in mein Herz geschrieben.
 
Welches Buch liegt bei dir auf dem Nachttischchen?
Auf dem Nachtisch liegt das Belegexemplar „Der Tod kommt auf Zahnrädern“, eine Steampunk-Anthologie von Janika Rehak und Yvonne Tunnat ‒ darin habe ich schon fast jede Story gelesen und weitere Exemplare zum Verschenken bestellt. Auf dem Küchentisch liegt die abgründige Storysammlung "Heimweh nach einer anderen Welt" von Ottessa Moshfegh, das Buch habe ich mir nach meiner Lesung im Otherland Bookshop ausgesucht. Im Wohnzimmer wartet auf mich das signierte Exemplar von Sven Haupts neuem Roman „Wo beginnt die Nacht“ ‒ das möchte ich in den Weihnachtsferien lesen. Überall dazwischen winken Comics und ein paar Bücher aus der Stadtbibliothek.

Du schreibst deine Bücher im Genre der Science-Fiction. Könntest du dir vorstellen in einem anderen Genre (Krimi, historischer Roman) zu schreiben?
Ich lebe gern in der Zukunft und ich liebe die Wissenschaft, Science Fiction liegt mir daher sehr am Herzen. Zugleich probiere ich gern Neues. „Die Zukunft“, meine erste Steampunk-Story, hat mir ermöglicht, zur Abwechslung etwas Historisches zu schreiben. In der Benefizanthologie für die Ukraine „Friedenszeit“ entwerfe ich mit „Deshalb kann ich nicht fort“ dagegen ein sehr zeitgenössisches Szenario. Inspiriert von aktuellen Ereignissen bewege ich mich zudem jenseits der Genre-Literatur.

Beim Schreiben habe ich meist eine Vision im Kopf ‒ wo ich hin möchte. Genres oder Genre-Grenzen spielen da erstmal keine Rolle.

Du hättest eine Reise frei. Wohin würdest du reisen:
a) in die Zukunft
b) in die Vergangenheit
c) in eine Parallelwelt?

In die Zukunft! Deshalb lese ich so gern aktuelle wissenschaftliche Papers – das ermöglicht mir ein bisschen Zukunftsluft zu schnuppern. Seit ich denken kann ist mein Traum-Reiseziel jedoch kein Zeitliches: Einmal den Heimatplaneten verlassen! Ein konkretes Ziel brauche ich dafür nicht. Das Reisen an sich ‒ unterwegs zu sein ‒ finde ich viel spannender als den Stillstand des Ankommens. Deshalb entwickelt mein Hirn wohl andauernd neue Schreib-Ideen: es will reisen, erleben und erschaffen.


Damit ist das Interview leider schon vorbei. Ich hoffe, es hat euch genauso gut gefallen, das Interview zu lesen, wie es mir gefallen hat, mit Aiki das Interview zu führen. 

"Danke" Aiki, für die Zeit, die du dir für die Antworten genommen hast und "Danke" an euch, dass ihr euch die Zeit fürs Lesen genommen habt.

Hier sind die entsprechenden Links zu Aiki Mira:
aikimira.webnode.com
instagram.com/aiki_mira

In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

Montag, 5. Dezember 2022

Roland Lehoucq (Hrsg) "Die Wissenschaft von Mittelerde"

Nicht noch ein Buch über Tolkien, mag der eine oder der andere denken, wenn man das Foto sieht.
Aber keine Sorge, es handelt sich um eine ganz andere Herangehensweise an Tolkiens Werk und in meinen Augen eine ziemlich gelungene.
Was auf den ersten Blick so einfach und doch so unglaublich stimmig wirkt, ist die Welt in der "Herr der Ringe", "Der Hobbit" und all die anderen Geschichten spielen.
Zufall? Wohl eher nicht, denn Tolkien war für sein breites Wissen und seine Detailgenauigkeit bekannt, sogar teilweise gefürchtet. Denn wollte ihm jemand etwas über seine Welt erzählen, so gab es mindestens eine Quelle, die Tolkiens Thesen unterstütze.
Doch worüber handelt "Die Wissenschaft von Mittelerde"?
Natürlich über das Offensichtliche.
Auf 380 Seiten unter der Leitung von Roland Lehoucq haben Kenner ihres Faches Artikel zu den verschiedenen Wissenschaften innerhalb der Mittelerde-Zyklen verfasst. Ein Arzt beschreibt die medizinische Versorgung, ein Sprachwissenschaftler analysiert die Sprachen von Mittelerde.
Ein Ornithologe untersucht die Vogelwelt usw. Durch die verschiedenen Artikel weicht der Erzählstil der einzelnen Abschnitte voneinander ab, aber man kann als Leser alle Beiträge gut lesen, ohne dass das Gefühl eines Lehrbuches aufkommt.
Für diese Ausgabe wurden neue Illustrationen angefertigt, die sich teilweise doppelseitig erstrecken oder thematisch eine Detailansicht preisgeben.
Durch die Unterteilung in verschiedene Arbeitsbereiche lässt sich das Buch auch über einen längeren Zeitraum lesen, da die Kapitel in sich abgeschlossen sind.
Doch nicht nur die Wissenschaftler kommen zu Wort. An entscheidenen Stellen, wenn Tolkiens Werk z.B. mit anderen literarischen Werken verglichen wird, kommt der Autor auch selbst zu Wort. Zitate aus seinen Briefen oder anderem Schriftwechsel unterstützen die Thesen der Wissenschaftler und schaffen so einen harmonischen Gesamteindruck.
Das Buch ist eine wunderbare, sowohl thematisch als auch optische, Ergänzung zu der bereits existierenden Fachliteratur über Mittelerde und sei jedem Fan oder solchen, die es noch werden wollen ans Herz gelegt.
Denn: Lernen kann jeder etwas aus diesem Buch.

5 von 5 Hobbits

Danke an wbg Theiss für das Rezensionsexemplar.

Aiki Mira "Neongrau"

Hamburg, 2112. Die Welt ist ein dunkler Ort geworden?
Oder doch schon immer gewesen?
Man erinnert sich nicht mehr allzu gut an die früheren Zeiten, auch wenn viele Probleme noch die gleichen sind. 
Go hat bei der Arbeit einen Unfall und nichts scheint mehr so zu werden, wie es vorher war. Gos Gesundheit ist angeschlagen, die Arbeit kann auf Weiteres nicht mehr ausgeübt werden und es wird eine Krankheit entdeckt, die sofortiger Behandlung bedarf. Doch es ist nicht alles trist.
Gos Welt wird von einem auf den anderen Tag eine viel größere. Das Leben spielte sich nur zwischen Go und dem Vater Tayo ab, doch der Sturz offenbart eine ganz andere Zukunftsversion, als Go sie sich hätte verstellen können. Go braucht einen neuen Job und durch Zufall steht ein Job im Stadion zur Verfügung. Das heißt berühmte Leute kennenlernen, die während das Turnier der Legenden anreisen und viele andere neue Erlebnisse, doch zugleich zerfällt das alte Leben in tausend Mosaike.
Denn Gedanken, die Handlungen der anderen und die Gesundheit beschleunigen Entscheidungen und Zweifel, die im Grunde genommen Zeit bräuchten, doch Zeit ist relativ und niemand besitzt sie - es ist ein Trugschluss.
Mit dem zweiten Roman Neongrau befeuert Aiki Mira die Synapsen der Leser in einer Tour. Die Kapitel sind kurz gehalten, die Szenen wechseln in einem Tempo hin und her, die dem Leser zu Anfang eigenes abverlangen. Wer hier leichte Lektüre mit ein bisschen Dystopie und Cyperpunk erwartet, der wird spätestens nach zwanzig Seiten merken: Hier geht es um mehr - wesentlich mehr. Denn das Turnier und die Virtual Reality sind nur kleine Bausteine, die Aiki benutzt um die Welt im Jahr 2112 zu bauen. 
Miseren gibt es an allen Ecken und Enden; sei es das Klima, die Akzeptanz der Menschen untereinander, Drogen oder schlichtweg auch der Terror. Alles findet in dem Roman seinen Platz und seine Daseinsberechtigung, denn die Menschheit hat in den 90 Jahren vielfach nichts dazugelernt. Man kreist um die gleichen Themen und Aiki schafft es die heutige Stimmung nuanciert in die Zukunft zu katapultieren. Keine Szene wirkt überzeichnet, alles ergänzt sich zum großen Ganzen. Es sind die kleinen Stellschrauben, das Menschliche, was in der ganzen Technisierung den Ausschlag zum Erfolg oder zur Katastrophe gibt. 
Aiki zeichnet teilweise in düsteres Bild, was die Welt betrifft, aber die zwischenmenschlichen Beziehungen leuchten dafür in allen Neonfarben, die es gibt. Das Neongrau verbindet die beiden Elemente zu einem und zeigt - strahlen kann jeder - auch das Grau.

4 von 5 VR-Anzügen