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Donnerstag, 2. Februar 2023

Autoreninterview Oliver Wunderlich

Hallo zusammen.
Wieder habe ich mich auf die Suche nach einem interessanten Autor gemacht und habe jemand Nettes gefunden, der mir meine Fragen beantworten möchte.

Oliver Wunderlich hat gerade den ersten Kurzgeschichten-Sammelband "Wir, die anderen" veröffentlicht. Eine schöne Möglichkeit, ihn über das Schreiben und über Kurzgeschichten Fragen zu stellen.


Oliver Wunderlich (privat)


Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Erst einmal vielen Dank, dass du mir hier deine Plattform für ein Interview leihst – das freut mich wirklich sehr. Und deine Rezension von „Wir, die Anderen“ hat mich auch sehr gefreut. 

Zum Schreiben gekommen bin ich über das Podcasten. Meine ersten Sendungen des „Explikators“ – daher mein Username auf Instagram – habe ich ins Mikrofon improvisiert. Das hat mir aber nicht gefallen, also habe ich die Sendungen schriftlich vorbereitet. Im Nachfolgeformat „Anders und Wunderlich“, den ich mit meiner Partnerin Ellen Anders mache, haben sich die Kurzgeschichten schnell als die beliebtesten Beiträge herausgestellt.

Ich bin also – trotz Deutsch-Leistungskurs – ins Schreiben „reingerutscht“. Es ist nicht 
so, dass ich mich dazu berufen fühle, wie viele Schreiber*innen das erzählen – das wäre eine glatte Lüge. In meiner Erfahrung ist Schreiben mehr Handwerk als Kunst. Wortwahl, Aufbau, Stil, Rhythmus und die Melodie – alles hat sich der Geschichte unterzuordnen und diese wiederum hat den Leser*innen zu dienen.

Kurzgeschichten sieht man in den Buchläden leider selten. Was reizt dich daran, sie trotzdem zu schreiben?
Na ja, Romane habe ich auch geschrieben, drei Stück liegen in meiner digitalen Schublade und – freundlich ausgedrückt – 66% davon sind grottig. :-)
Die Kurzgeschichte kommt bei mir vom Format des Podcasts. Trotzdem liebe ich die Form. Man muss den Text ziemlich polieren, damit er funktioniert, bei der Langform kann man den einen oder anderen Schnitzer ausbessern. Einer Kurzgeschichte vergeben die Leser*innen keine Kunstfehler – sie zündet oder eben nicht. Selbst bei den Großliteraten funktioniert nicht jede Geschichte; aber manchmal ist da diese eine Geschichte, die man fürs ganze Leben behält.

Als Autor entwickelt man seine eigene Sprache und seinen eigenen Stil, man erkennt den Autor. Wie schaffst du es, dass deine Geschichten so unterschiedlich klingen?
Danke für das Kompliment! Die unterschiedlichen Stimmen in „Wir, die Anderen“ verdanke ich den unterschiedlichen Figuren. Ich mag sie alle, denn jede hat auch eine Scheibe von mir mitbekommen. Außer vielleicht die Vokale und Konsonanten im „Krieg der Buchstaben“ oder der Lehrling im „Bäckergeheimnis“, diese beiden Geschichten sind eher comic relief und haben keinen biographischen Hintergrund.

Woher kommen die Ideen zu deinen Geschichten?
Ich glaube, alle Geschichten werden geboren, wenn man nicht zu laut denkt, sondern verträumt aus dem Fenster schaut. Dann erscheint das Waswärewenn. Wenn man möchte, kann man das Waswärewenn dann einladen, ihm ein Zuhause geben, es füttern und striegeln. Mutige erzählen ihm dann etwas von sich selber und manchmal antwortet das Waswärewenn. Aus diesen beiden Erzählungen entsteht eine neue Geschichte.

Was machst du, wenn du nicht gerade schreibst?
„Wir, die Anderen“ ist ja im Eigenverlag erschienen, ich habe gar nicht erst versucht, einen Verlag oder eine Agentur dafür zu finden. „Eigenverlag“ bedeutet, dass man 50% seiner Arbeitszeit mit Marketing verbringen muss. Amazon-Ads, nur ein Beispiel, verfolgen mich im Traum: Ich habe immer noch keinen Schimmer, was ich da überhaupt mache! Ansonsten haben wir ein altes Haus und einen großen Garten, eine neue Küche und ich immer Hunger, drei Hunde und unendlich viele Bücher.

Gibt es eine Kurzgeschichte eines anderen Autoren, die dich besonders beeinflusst hat?
In der Vierten mussten wir wieder einmal eine Erlebniserzählung schreiben. Allgemeines Stöhnen im Klassenzimmer. Neu in der 4C war ein Mädchen, dass sich schwertat, Freundinnen zu finden, weil sie beinahe so lang war wie die Klassenlehrerin. Ich glaube, sie hieß Judith, aber leider weiß ich es nicht, sonst würde ich mich bedanken. Nachdem die Erzählungen korrigiert waren – meine handelte davon, wie mir mein Opa nicht das Fahrradfahren beibrachte – wurde immer die beste vorgelesen. Judiths Geschichte. Sie erzählte, wie sie mit ihrer Mutter beim Einkaufen gewesen war, als plötzlich Polizeisirenen aufjaulten. Bankeinbruch! Und dort schon die Bösewichte auf der Flucht! Heldinnenhaft wirft sich Judith in den Fluchtweg, die Bankräuber stolpern, schlittern mit den Geldsäcken durch das Einkaufszentrum und sind schon verhaftet. 
„Klar habe ich das erfunden“, gestand Judith, „Na und?“. Ich war völlig perplex. Das man das darf! Diese Erlebniserzählung hat in mir Welten geöffnet.

Welche zukünftigen Projekte hast du zurzeit in Planung?
Der nächste Kurzgeschichtenband im Juni wird sich der Liebe widmen. Ich habe noch keinen Titel. Ich bin richtig lausig mit Titeln. Ich hasse es. Meine Frau Anders macht sich immer darüber lustig – was es noch schwieriger macht! Momentan heißt das Buch „Acht Zigaretten“, nach einer meiner Lieblingsgeschichten, aber ich weiß es selber: Dieser Arbeitstitel hat das Potenzial als schlechtester Titel für eine Liebesgeschichtensammlung in die Geschichte einzugehen. Insgesamt sind vier Anthologien angedacht. Danach muss ich vielleicht die digitale Schublade öffnen und die 33% noch einmal genauer anschauen.

Nachdem ihr wisst, was Oliver schreibt, könnt ihr hier mehr über ihn erfahren:
oliverwunderlich.de
instagram.com/explikator


In diesem Sinne, fröhliches Lesen und freut euch, wenn es demnächst ein weiteres Interview gibt.

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