Seiten

Samstag, 28. August 2021

Lisa Kirsch "Das Glück in vollen Zügen"


Ein Augenzwinkern. War er es? War sie es? Das Kribbeln, das sich breit macht, wenn man hofft, den anderen in der Masse entdeckt zu haben. Das Gefühl sich ihm / ihr im nächsten Moment nähern zu können... Doch es ist ein Augenzwinkern... Man schnappt etwas auf und im nächsten Moment ist man irritiert, was hat der andere gerade gesagt? Man sieht hoch und schon schaut der andere einen nicht mehr an, der Moment ist vorbei. Die Chance ist vertan.
Jo und Marie fahren jeden Tag mit der Bahn vom Ammersee hinein in das Gewühl der großen Stadt München. Beide haben anstrengende Jobs und doch geht jeder von beiden damit anders um. Während Marie sich oftmals erst in der Bahn für die Arbeit umzieht, sitzt Jo schon oft mit dem Laptop auf dem Schoss und tippselt die neuesten Zahlen ein oder streitet sich lautstark mit seinem Kollegen am Handy. Regelmäßig blicken sich die beiden in der Bahn an, aber das Schicksal hat immer etwas dagegen, dass die beiden ein längeres Gespräch führen können. 
Doch nicht nur der Job hat die beiden in ihrem Leben stark im Griff, auch das Privatleben ist kein Zuckerschlecken, da stellt sich die Frage, ob man das einem anderen Menschen überhaupt zumuten will?

So locker leicht, wie es im ersten Moment erscheint, kommt die Geschichte allerdings nicht daher. Mit einem Augenzwinkern beobachtet man als Leser, wie die beiden immer wieder umeinander herumscharwenzeln, aber es betrübt auch zu lesen, wie sehr das Leben der beiden von Verantwortung und Trauer gefärbt ist. Die beiden Elemente halten sich im Buch sehr die Waage, sodass man als Leser nicht allzu schwermütig ist, aber man leidet natürlich mit Jo und Marie auf vielerlei weise mit. 
Mit dem jeweiligen Kapitelwechsel wechselt auch die Erzählperspektive. Immer wird in ein Kapitel über Jo und eins über Marie erzählt, sodass man als Leser schon viel früher erkennt, woran die Schüchternheit der beiden liegt und warum sie sich so verhalten, wie sie es tun. 
Die Geschichte zeigt uns die Vielschichtigkeit eines jeweiligen Charakters auf. Jeden Menschen, den man im Leben trifft, beeinflusst man und wird auch ebenso von ihm beeinflusst. Ein böses Wort hier, ein Lächeln dort, ein falsches Wort zur falschen Zeit, alles prägt den Charakter eines Menschen und oft setzen wir in die Menschen das wenigste Vertrauen, die es aber am meisten verdienen.
Legt also beim Lesen Taschentücher bereit. Für die Krokodilstränen und für die Freudentränen...

4 von 5 Zügen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen