Seiten
Sonntag, 31. Juli 2022
David A. Lindsam "Dar Rashûk"
Hätten wir eine bessere Welt? Eine ausgeglichenere Welt? Wohl kaum. Denn immer, wenn Menschen aufeinandertreffen und das gilt auch für die anderen Wesenheiten, kommt es dazu, dass es Streitigkeiten gibt. Wer hat wann, welches Artefakt besessen? Wer hat wann, wen übergangen oder gar eine Wesenheit übertölpelt?
Als ehemaliger Dar Rashûk lebt Thomas heutzutage mit seinen Kindern ein eher beschauliches Leben. Er ist Professor der Psychologie und unterrichtet, während seine Kinder zur Schule gehen. Ein eher trister Alltag bedenkt man die Gefahren, denen sich Thomas früher gegenüber gesehen hat. Doch wie es mit ehemaligen Berufen so ist, ganz lassen sie einen nie los und so kommt der Tag, an dem Thomas seinen Kindern nicht mehr verschweigen kann, was er früher gemacht hat und vor allem wer ihre Mutter war.
Menschen verschwinden während einer Ausstellungseröffnung und tauchen völlig desorientiert wieder auf und erzählen, sie wären Vampiren begegnet. Als auch Thomas' Sohn von seiner Begegnung mit einem Vampir berichtet, muss Thomas sein altes Netzwerk aktivieren, denn plötzlich verschwinden auch Menschen in seinem direkten Umfeld.
Was für ein Buch! Während sich andere Autoren einen Aspekt herausgreifen und sich in ihrem Werk darauf konzentrieren, befeuert dieses Werk das Gehirn mit ständig neuen Informationen und Zusammenhängen. Ob Religion, Mythen, Geschichte, Psychologie, der Autor fordert den Leser. Er fordert ihn sogar sehr. Ein konzentriertes Lesen ist unermesslich, um sich der Sprachgewalt und auch den Verzweigungen stellen zu können.
Abschnittweise sehr sachlich berichtet, wechselt der Autor im nächsten Abschnitt wieder in das Mystische, wobei er sich trotz Anspielungen auf andere Werke nicht nehmen lässt, eine eigene Sprache und eine eigene Welt zu kreieren. Man muss sich auf das Buch einlassen, man muss sich das Buch "erarbeiten" und taucht dann in eine Welt ein, die durch ihre genreübergreifende Mischung wahrlich eine eigene Welt, wenn nicht sogar ihr eigenes Universum schafft.
4 von 5 Dar Rashûk
Vielen Dank an den Autor für das Rezensionsexemplar.
Samstag, 30. Juli 2022
Wolf Wondratschek "Mozarts Friseur"
Zum Buch: Es geht um einen Friseur in unserer Zeit, der sich, so erstaunlich es auch klingen mag, eines Tages Mozart gegenüber sieht. Der Friseur hat sich in Österreich einen Ruf erarbeitet, weswegen die Menschen nicht nur zum Haare schneiden, sondern teilweise auch nur zum Kaffee trinken vorbei kommen, nur um in seinem Laden zu sein. So sieht sich der Friseur den unterschiedlichsten Menschen und auch den unterschiedlichsten Gefühlen gegenüber. Denn: nicht von ungefähr kommt der Spruch "Erzähl das doch deinem Friseur."
Wieso es auf einmal Sand in Wien gibt und was rosa Päckchen in dem Laden zu suchen haben, wird genauso geklärt, wie so manch anderes Geheimnis.
Und nun? Wo war mein Problem? Die Inhaltsangabe passt, die Sprache ist gut akzentuiert, die Idee ausgefallen.
Hat was gefehlt?
Ich wüsste nicht.
War es das falsche Buch zur falschen Zeit?
Höchstwahrscheinlich.
Wahrscheinlich lag es daran, dass ich bei der Geschichte mehr über Mozart erfahren wollte, dass ich es eher als Buch annahm, dass ein bisschen lustiger angelegt ist.
Insofern fällt es mir schwer, eine Beurteilung abzugeben und ich kann jedem nur empfehlen, wenn man sich für ungewöhnliche Bücher interessiert, einen Blick in dieses Buch zu werfen. Vielleicht findet es so den "richtigen" Leser.
3 von 5 Perücken
Donnerstag, 28. Juli 2022
Stefan Draschan "Zufälle im Museum"
Diesen Ausspruch hat so ziemlich jeder schon einmal gehört und wie in vielen anderen Bereichen, wird auch hier oft darüber gestritten, ob manche Dinge Kunst sind, ob die Idee allein schon Kunst ist oder ob sie erst durch das handwerkliche Geschick zu Kunst wird (man bedenke "Fettecken" oder einen schlichten farbigen Punkt auf einer ansonsten weißen Leinwand).
Doch was, wenn Kunst selber Kunst schafft?
Stefan Draschan ist Fotograf und hat sich in den Museen dieser Welt auf die Lauer gelegt.
Um was zu tun?
Er schafft mit Kunst Kunst.
In diesem kleinen aber feinen Bildband zeigt er, was in Museen passiert, wenn Menschen Gemälde betrachten. Denn ihre Kleidung oder gar ihre Haltung ergänzen das jeweils betrachtete Gemälde oder der Betrachter kopiert die Haltung der Figur, die sie studiert.
So ergeben sich die interessante Installationen und Kompositionen, die selten gestellt und auf Grund der Zufälligkeit wirklich charmant wirken.
Mit 120 Seiten ist es für ein Kunstbuch ein schmales Werk, welches dem Leser ein Schmunzeln in das Gesicht zaubert und zeigt, dass Kunst zu den ungewöhnlichsten Zeiten und auch den ungewöhnlichsten Orten geschehen kann.
Ein Buch, dass die Hemmschwelle vor der Kunst senkt und Lust auf mehr macht.
4 von 5 Zufällen
© Bilder sind Vorschauen aus dem Buch.
Mittwoch, 27. Juli 2022
René Moreau (Hrsg) "Cozmic Vol. 05"
Als Comic-Anthologie angelegt, versammelt sie in sich verschiedene Künstler*innen und Zeichenstile, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist.
Ob mit einem Blick in die Vergangenheit und auf die alten Kulturen oder mit Blick in die Zukunft oder gar den Blick in der Dauerschleife - die Ideen sind innovativ und vielfältig.
Plakativ, düster oder verspielt, jeder Comic unterstützt in seiner Gestaltung die Geschichte und die Stimmung, wodurch sich für diese Anthologie ein abgerundetes Bild ergibt.
Cozmic 5 bietet abgeschlossene Geschichten, weshalb man nicht die vorigen Bände kennen muss, allerdings gerne kennen darf, um die Gesamtheit des Cozmic Universums schätzen zu können.
Ein Fachtext bildet zusammen mit dem hauseignenen Comic den Abschluss der Ausgabe.
4 von 5 Comicstrips
Montag, 25. Juli 2022
Lisa Kirsch "Querbeet ins Glück"
Für Mo und Elvis ist die Grüne Freiheit nahezu ein zweites Zuhause. Im Trailer wird für alle gekocht, Elvis hat sogar schon sein eigenes Beet und Mo? Mo hilft überall dort, wo er gebraucht wird. Sei es bei schweren oder langwierigen Dingen oder eben wenn Hanni keine Zeit hat, Maddie in die Kunst des Gärtners einzuführen. Umso erstaunlicher, dass Mo langsam bemerkt, wenn Maddie einmal nicht in den Garten kommt ...
Was ist einem Menschen wichtig im Leben und vor allem, können sich Prioritäten ändern? Lisa Kirsch beweist, dass sie ein Gespür für menschliche Gefühle und für ihre Ängste hat. Nach "Das Glück in vollen Zügen" ist "Querbeet ins Glück" ein weiterer Roman, der sich mit den Problemen und Gefühlen seiner Protagonisten auf charmante Weise nähert. Erzählt wird aus der Sicht von Maddie, immer kontrolliert, immer auf die Karriere bedacht, ordnet sie alles, wirklich alles ihrem Traum von der Musicalkarriere unter. Womit sie ihr Umfeld oftmals vor den Kopf stößt.
Mo kümmert sich rührend um seinen kleinen Sohn Elvis. Selbst wenn er seinen Job gerne macht, nichts geht über seinen kleinen Sohn, aller Ärger und alle Enttäuschungen dieser Welt sollen vor ihm zurückgehalten werden. Doch zu welchem Preis und wie realistisch ist eine solcher Beschützerinstikt?
Freud und Leid sind bei den Büchern von Lisa Kirsch nah beeinander, wodurch man eine unglaubliche Empathie zu den Figuren aufbaut. Jeder hat, wie im wirklichen Leben, sein Päckchen zu tragen und dadurch wirken die Figuren soviel realistischer als in anderen Büchern. Situationen, in denen man den Kopf auf Grund von dummen Entscheidungen den Kopf schüttelt, gibt selten und man verfolgt gespannt, wie sich die einzelnen Figuren über den Sommer in Berlin entwickeln. Wie bei einer Zwiebel entblättern sich die Charaktere Seite um Seite dem Leser und mit jeder Seite wünscht man seinem jeweiligen Lieblingscharakter nur das Beste. Man freut sich über die Erfolge, man leidet bei den Rückschlägen.
Kurzum: Das Buch hat eine gnadenlose Sogwirkung.
Wer aus meiner Generation ist und Filme wie "Center Stage", "Stomp" und "Save the last dance" liebte, wird von diesem Buch begeistert sein und zudem lernt man viel über das Gärtnern, die Natur und natürlich auch über das Zwischenmenschliche.
4,5 von 5 Gartenhandschuhen
Samstag, 23. Juli 2022
Meike Stoverock "Das Strahlen des Herrn Helios"
Wir begrüßen Sie im Wanderzirkus des Herrn Helios!
Durch diese bewusste Mischung ist das Buch so bunt wie ein Zirkus und der Leser denkt erst im Nachgang über die zur Schau gestellten Kritiken nach. Man schmunzelt beim Lesen, man denkt nach, man ist zeitweilig betrübt.
Ein Krimi, der mehr kann als seine Kollegen und dabei eine wundervolle Hommage an klassische Krimis ist. Vorhang auf für tolle Lesestunden.
Donnerstag, 21. Juli 2022
Xavier Dollo "Die Geschichte der Science Fiction"
Innovative Ideen zur Gestaltung sind bei der Leserschaft daher gesehen.
"Die Geschichte der Science Fiction" wird in Form eines Comics erzählt.
Über die Anfänge, in denen die Science Fiction noch gar keine eigene Literaturgattung war, über den vermeintlichen Startpunkt der Science Fiction mit der Veröffentlichung von "Frankenstein", über die Pulps in den USA bis hin zu den modernen Romanen führt uns der Comic durch die verschiedensten Zeiten.
Im Wechsel zwischen amerikanischer, britischer und französischer Science Fiction übernehmen die jeweiligen schriftstellerischen Größen ihrer Zeit die Präsentation der tagesaktuellen Werke.
Gemischt mit groß- und kleinformatigen Bildern ist auch dieser Comic wieder etwas fürs Auge.
Angereichert sind die zeitlichen Abschnitte um entsprechende Leseempfehlungen: seien es Space Opera Geschichten, Fernsehspielfilme, Klassiker oder gar einzelne Sammlungen, das Werk lädt dazu ein, sich weiter mit dem Thema Science Fiction zu befassen.
Dabei sei gesagt, für einen "Science Fiction Anfänger" kann die schiere Masse an Informationen und die vielfältige, weitergehende Lektüre ein wenig überfordernd wirken, daher empfehle ich einen Science Fiction Kenner für die weitere Literatur zur Befragung heranzuziehen. 😊
Ein schönes Buch, das einen Überblick über die Szene und ihre weiten Verzweigungen bietet und zeigt, dass vieles, was wir im ersten Moment nicht der Science Fiction zuordnen würden, doch sehr wohl damit zu tun hat.
4 von 5 Zeitreisen
Samstag, 9. Juli 2022
U. C. Ringuer "Aus verborgenen Orten"
Doch die Kreise, die diese Ermittlungen ziehen, gehen soweit, dass sich der Vatikan bemüßigt fühlt, Camarata zum Abschließen der Akten zu drängen.
Gespickt mit unglaublich vielen historischen Fakten und Verweisen ist das Buch eine wahre Fundgrube, wenn es um die Entwicklung der Archäologie, der modernen Gesellschaft und auch um die allgemein (auch heute noch) gültigen Machenschaften dreht. Doch genau hier ist auch meine Hemmschwelle die Serie (dies ist Band 1 um den Professor Cariello) weiterzuverfolgen.
Das Buch versucht über den Krimi dem Leser unglaublich viele Fakten mitzuteilen, was mich als Leser in meinem Lesefluss mehrfach gehemmt hat. Mehrere Zeitebenen und mehrere politische Verstrickungen (die es alle gegeben hat und die alle ihre Berechtigung haben) führen dazu, dass das Buch an Spannung verliert und man sich den historischen Fakten stellen muss.
Erzählerisch ist ein Sachbuch bekanntlich nüchtern angelegt und dieser Zwiespalt hat mich beim Lesen irritiert.
Die Autorin ist selbst Archäologin und weiß auf jeden Fall über ihr Fach zu erzählen, doch war der Übergang vom Sachbuch zum Krimi in diesem Band ein wenig gewollt.
3 von 5 antiken Stätten
Dienstag, 5. Juli 2022
Nadine Muriel _ Amandara M. Schulzke "Met-Magie"
Wie gut, wenn man dazu die richtige Literatur zuhause hat und sich nach der Arbeit in die Welt des "Met" fallen lassen kann.
Unterstützt durch einen Methersteller und seine Vielfalt an Met haben sich mehrere bekannte Autor*innen zusammengetan und sich Geschichten über Met ersonnen. Denn Met ist wahrlich kein modernes Getränk, was erst kurz auf dem alkoholischen Markt zu finden ist.
Schon gebrochene Krieger wurden mit dem Lebenselixier wieder aufgerichtet, Piraten wurden besiegt und natürlich darf auch die Rückblende zu einer Naturkatastrophe nicht fehlen.
Dabei beleuchtet jede Geschichte eine Facette oder vielmehr eine bestimmte Metmischung. Ob mit Rum, mit Kräutern, mit Chili oder pur, jede Geschichte ist auf den Charakter des jeweiligen Mets abgeschmeckt und entführt den Leser in die verschiedensten Zeiten und an die unterschiedlichsten Orte.
Kleine Illustrationen runden das stimmige Bild der Anthologie ab und es ist erfrischend wie die fleißigen Bienen so vielfältige Geschichten zusammentragen konnten.
Eine Anthologie, die genreübergreifend Lust auf mehr macht: Mehr Anthologien und mehr Geschichten von den einzelen Autor*innen zu lesen.
Mit knapp 200 Seiten ein kleines Buch, was auf Grund seiner Ausgefallenheit nachhallt.
Und jetzt lasset das Met munden!
4,5 von 5 Bienen
Sonntag, 3. Juli 2022
Gitta Edelmann "MacTavish & Scott - Eine verhängnisvolle Erpressung"
Dieses Mal werden die beiden von einem Angestellten eines Umzugsunternehmens engagiert, da er Briefe von einem Erpresser erhält. Während Finola wieder ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellt, bekommt Anne in Form von Bärbel Besuch aus ihrer Vergangenheit.
Ursprünglich wie Anne als Malerin unterwegs, hat sich Bärbel aktuell der Literatur verschrieben und bemüht sich gerade um den Wechsel von Vampir- zu Gruselgeschichten. Doch sowohl Bärbel als auch der Angestellte haben nicht alle Karten auf den Tisch gelegt und somit gerät Finola in große Gefahr.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie die Autorin es innerhalb von knapp 200 Seiten schafft, mehrere Geschichten zu erzählen, die zu einem von vorne bis hinten schlüssig sind und die zum anderen so unterschiedliche Aspekte aus dem Leben in Edinburgh erzählen.
In dem vorliegenden Band erfährt vieles über die Geschichte der Stadt, die eng mit Geister, Spuk und Schauermärchen verbunden ist. In der Weihnachtszeit angesiedelt, wird für den Leser die richtige Stimmung mitgegeben, dass man bei den entsprechenden Szene eine leichte Gänsehaut verspüren kann. Gleichzeitig sind die Geschichten nicht zu bierernst, sodass man auf Grund der Situationskomik auch gerne schmunzeln darf.
Ein kurzweiliges und perfektes Lesevergnügen.
Mein bisher liebster Band der Reihe.
5 von 5 Briefen